Warum das Gehirn nachts nicht abschaltet: Ein umfassender Überblick

Viele Menschen fragen sich, was im Gehirn vor sich geht, während sie schlafen. Entgegen der landläufigen Meinung schaltet das Gehirn nachts nicht vollständig ab. Stattdessen verlangsamt es sich und führt wichtige Prozesse durch, die für die Gesundheit und das Wohlbefinden unerlässlich sind. Dieser Artikel untersucht die verschiedenen Aspekte der nächtlichen Gehirnaktivität, von den Schlafphasen bis zu den Funktionen des glymphatischen Systems, und bietet Einblicke, wie man einen erholsamen Schlaf fördern kann.

Einführung

Wenn wir einschlafen, fährt unser Gehirn langsam herunter, ähnlich wie ein Computer. Die Verbindung zur Außenwelt wird unterbrochen, und wir nehmen unsere Umgebung nicht mehr so wahr wie im Wachzustand. Stimmen können sich weit entfernt anhören, und unsere Gedanken können abschweifen. Das Gehirn stellt nach und nach auf Pause um und speichert keine neuen Erinnerungen oder Eindrücke mehr bis zum nächsten Morgen. Doch während wir schlafen, arbeitet das Gehirn weiterhin im Hintergrund, sortiert Informationen, speichert wichtige Erlebnisse und baut Abfallprodukte ab.

Die nächtlichen Aktivitäten des Gehirns

Sortieren und Speichern von Informationen

Während des Schlafs sortiert und speichert unser Gehirn die Erlebnisse, die wir tagsüber gemacht haben. Wichtige Informationen werden so abgelegt, dass wir sie später wiederfinden können. Deshalb ist ungestörter Schlaf so wichtig.

Resting State Network und die Ruhephasen

Die Neurowissenschaft hat lange Zeit den Menschen als handelndes und problemlösendes Wesen betrachtet. Doch die Forschung hat gezeigt, dass unser Gehirn auch in Ruhephasen hochaktiv ist. Das Resting State Network (RSN) ist ein Netzwerk von Gehirnregionen, das aktiv ist, wenn wir uns in Ruhe befinden. Diese Aktivierungsmuster ähneln denen, die auch während sogenannter Task States zu finden sind, also in Zuständen, in denen wir mit der Lösung von Aufgaben beschäftigt sind. Ruhe ist etwas sehr Individuelles, und Gedanken während des Ruhezustands können in verschiedenen Dimensionen eingeordnet werden, z. B. „negativ bis positiv“, „rückwärtsgerichtet bis zukunftsorientiert“ und „selbstbezogen bis fremdbezogen“.

Schlafphasen und ihre Bedeutung

Unser Schlaf gliedert sich in einzelne Phasen, die sich typischerweise in 90-minütigen Zyklen vom Tiefschlaf zu Phasen mit schnellen Augenbewegungen (REM-Schlaf) abwechseln. Die Schlafstadien unterscheiden sich auch anhand der Hirnströme, die sich im Elektroenzephalogramm (EEG) darstellen lassen. Am Anfang einer Nacht überwiegt der Tiefschlaf, der durch langsame Wellen charakterisiert ist, wohingegen in der zweiten Nachthälfte der REM-Schlaf mit seinen schnelleren Wellen überwiegt.

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Neuronale Aktivität im REM-Schlaf

Bislang gingen Forschende davon aus, dass die Phase des REM-Schlafs durch eine erhöhte Neuronenaktivität gekennzeichnet ist - und damit dem Wachzustand ähnelt. Neuere Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass die meisten Zellen ihre Aktivität im REM-Schlaf deutlich reduzieren und nur eine relativ kleine Gruppe von Neuronen richtig loslegt. Das bedeutet: Unser Gehirn ist im REM-Schlaf nicht insgesamt aktiver, sondern nur ein kleiner Teil davon - nämlich eine kleine Gruppe von Neuronen, die ihrerseits die restlichen Neuronen in ihrer Aktivität hemmen.

Schlafspindeln und die Verstärkung von Synapsen

Unser Gehirn führt im Schlaf „Selbstgespräche“. Bestehende Synapsen verstärken sich auf diese Weise, und es können sich sogar neue bilden. Dies geschieht vor allem während sogenannter Schlafspindeln, die durch ein spezielles, spindelförmiges Muster elektrischer Gehirnaktivität charakterisiert sind. Neuronen, die während der Schlafspindeln aktiv sind, steigern ihre Aktivität über den Tiefschlaf hinweg, bevor ihre Aktivität während des REM-Schlafs wieder abnimmt.

Das glymphatische System: Die Müllabfuhr des Gehirns

Das Gehirn verbraucht sehr viel Energie, wobei auch Stoffwechselprodukte entstehen, die abgebaut und abtransportiert werden müssen. Das glymphatische System ist ein Müllentsorgungsprogramm des Gehirns, das dafür sorgt, dass die Leerräume zwischen den Nerven- und Nervengewebszellen mit Liquor, dem Gehirnwasser, durchgespült und so die Schadstoffe abtransportiert werden. Dieses System ist vor allem während des Schlafens aktiv.

Schlaf und die Aufnahme von Informationen

Wir nehmen auch nachts Informationen auf. In bestimmten Schlafphasen können wir Fantasiebegriffe richtig zuordnen, was zeigt, dass sich das Gedächtnis nicht nur im bewussten, sondern auch im unbewussten Zustand ausbilden kann.

Die Bedeutung von Schlaf für die Gesundheit

Regeneration und Erholung

Gesunder Schlaf dient dem gesamten Körper zur Erholung. Während des Schlafens sinken der Blutdruck und die Herzfrequenz, und der Körper schüttet große Mengen an Wachstumshormonen aus, die dafür sorgen, dass sich Knochen, Muskeln und Organe erneuern können. Auch das Immunsystem arbeitet im Schlaf.

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Auswirkungen von Schlafstörungen

Schlafstörungen erhöhen das Risiko für Übergewicht und schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wer häufig schlecht schläft, hat ein bis zu 30 Prozent höheres Risiko, eine schwere Herz-Kreislauferkrankung zu entwickeln. Schlafmangel macht uns auch empfindlicher für Schmerzen und kann zu Heißhungerattacken führen.

Schlafstörungen und psychische Gesundheit

Schlafstörungen können vielfältige Ursachen haben, darunter Stress, Depressionen und hormonelle Veränderungen. Übermäßiges Grübeln (Overthinking) kann ebenfalls zu Schlafstörungen führen. Wer über einen längeren Zeitraum mehr als dreimal die Woche grübelnd im Bett liegt, nicht einschlafen oder gut schlafen kann, bei dem spricht man von einer Schlafstörung.

Tipps für einen besseren Schlaf

Schlafhygiene

Regelmäßigkeit ist wichtig, also feste Einschlaf- und Aufstehzeiten etablieren. Individuelle Schlafrituale, die entspannen, können ebenfalls helfen. Beruhigende Tees, zum Beispiel mit Baldrian, Lavendel oder Passionsblume, könnten ebenfalls helfen.

Vermeidung von blauem Licht

Elektronische Geräte wie Tablets, Smartphones, Computer, Fernseher, E-Reader oder Videospiel-Konsolen erzeugen blaues Licht, das die Produktion des Schlafhormons Melatonin unterdrückt.

Akzeptanz und Entspannung

Akzeptanz ist der wichtigste Hebel, um das abendliche Gedankenkarussell in der eigenen Geschwindigkeit fahren zu lassen oder zu stoppen. Es ist hilfreich, sich von Anspannung und dem dringenden Wunsch nach Schlaf zu lösen.

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Aktivitäten während des Tages

Die Forschung legt nahe, dass es sich lohnt, auch schon während der sogenannten Tätigkeitsphasen andere Schaltkreise in Bewegung zu bringen als bei der Arbeit. Bei dem Erlernen einer neuen Sportart zum Beispiel werden andere neuronale Netzwerke gefordert als beim Lösen einer Mathematikaufgabe.

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