Gehirn Anatomie: Eine Reise durch Farben und Strukturen

Auf den ersten Blick, während einer neurochirurgischen Operation, offenbart sich das Gehirn in hellen, beige-farbenen Furchen und Windungen, durchzogen von rot schimmernden Blutgefäßen. Doch hinter dieser äußeren Erscheinung verbirgt sich eine komplexe innere Struktur, die sich in verschiedenen Farben und Geweben manifestiert. Entgegen der landläufigen Meinung von den "grauen Zellen" offenbart ein Schnitt durch das Gehirn graue und weiße Areale, die aufschlussreiche Einblicke in seine Funktionsweise gewähren.

Graue und Weiße Substanz: Ein Farbcode des Gehirns

Die unterschiedlichen Farben im Gehirn sind auf die Anordnung der verschiedenen Zelltypen zurückzuführen, aus denen es besteht. Neben den Nervenzellen, den eigentlichen Informationsträgern, spielen auch Glia- und Mikrogliazellen eine wichtige Rolle. Nervenzellen, auch Neurone genannt, bestehen aus einem Zellkörper (Soma), mehreren kurzen Zellfortsätzen, den Dendriten, und einem langen Zellfortsatz, dem Axon.

Die graue Substanz (Substantia grisea) findet sich an der Oberfläche des Groß- und Kleinhirns, also in der Groß- und Kleinhirnrinde, sowie in tieferen Hirnbereichen wie den Basalganglien und im Hirnstamm. Sie ist gekennzeichnet durch eine hohe Dichte an Nervenzellkörpern (Soma), die durch ihre Axone miteinander und mit entfernten Regionen verbunden sind. Die hohe Packungsdichte der an sich farblosen Zellkörper erzeugt den charakteristischen Grauton.

Zwischen diesen Arealen grauer Substanz liegt die weiße Substanz (Substantia alba). Sie besteht ebenfalls aus allen Zellarten des Gehirns, mit Ausnahme der Nervenzellkörper. Stattdessen enthält sie die Axone der Nervenzellen, die von einer Myelinscheide umgeben sind. Diese Myelinscheide, gebildet aus Myelin, einer fetthaltigen Substanz, dient der elektrischen Isolierung der Axone. Je dicker die Myelinscheide, desto schneller können Signale zwischen den Nervenzellen übertragen werden. Der hohe Fettgehalt des Myelins verleiht den myelinisierten Axonen und damit der weißen Substanz ihre helle Farbe.

Die Anordnung von grauer und weißer Substanz gibt bereits Aufschluss über die Funktionsweise des Gehirns. Die Nervenzellkörper in der grauen Substanz sind über ihre Axone miteinander verknüpft und senden ihre Signale durch die weiße Substanz in andere Hirnbereiche. Da das Gehirn auf die Übertragung von Signalen über große Distanzen und die Verknüpfung von Hirnarealen spezialisiert ist, macht die weiße Substanz einen erheblichen Teil des Gehirns aus.

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Mehr als nur Grau und Weiß: Das farbenfrohe Innenleben des Gehirns

Obwohl Grau und Weiß dominieren, ist das Gehirn keineswegs einfarbig. Im Mittelhirn befindet sich die Substantia nigra (schwarze Substanz), deren Neurone durch das Pigment Neuromelanin schwarz gefärbt sind. Dieses Pigment entsteht aus einer Vorstufe des Neurotransmitters Dopamin, der in diesen Nervenzellen vorkommt. Das Absterben dieser Neurone, wie es beispielsweise bei der Parkinson-Krankheit vorkommt, führt zu den bekannten Symptomen.

Eine weitere farbige Region ist der Locus caeruleus (blauer Kern) im Hirnstamm. Auch hier ist Neuromelanin vorhanden, wenn auch in geringerer Konzentration als in der Substantia nigra, was zu einem bläulichen Schimmer führt.

Der Nucleus ruber (roter Kern), in der Nähe der Substantia nigra gelegen, erscheint leicht rötlich oder rosa. Die Farbe wird vermutlich durch eine dichte Anordnung von Blutgefäßen und einen hohen Eisengehalt verursacht.

Die Bausteine des Gehirns: Zellen und ihre Funktionen

Neuronen: Die Signalüberträger

Das Neuron, auch Nervenzelle genannt, ist die grundlegende Funktionseinheit des Gehirns und des Nervensystems. Es ist auf die Signalübertragung spezialisiert und empfängt sowie leitet elektrische oder chemische Signale weiter. Ein typisches Neuron besteht aus:

  • Soma (Zellkörper): Das Stoffwechselzentrum der Zelle, das den Zellkern mit den Erbanlagen und andere Zellorganellen enthält.
  • Dendriten: Mehrere kurze Zellfortsätze, die Signale von anderen Neuronen empfangen und zum Soma weiterleiten.
  • Axon: Ein langer, faserartiger Fortsatz, der Nervenimpulse vom Soma weg zu anderen Neuronen oder Zielzellen transportiert. Das Axon kann sich vielfach verzweigen und so eine Vielzahl nachgeschalteter Nervenzellen erreichen. Seine Länge kann mehr als einen Meter betragen. Das Axon endet in einer oder mehreren Synapsen.

Gliazellen: Die unterstützenden Helfer

Gliazellen sind ein weiterer wichtiger Zelltyp im Gehirn. Sie unterstützen die Neuronen in vielfältiger Weise, indem sie:

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  • Struktur und Stabilität bieten: Sie bilden ein Stützgerüst für die Neuronen und halten sie an ihrem Platz.
  • Nährstoffe liefern: Sie versorgen die Neuronen mit Nährstoffen und Sauerstoff.
  • Abfallprodukte entfernen: Sie beseitigen Abfallprodukte und regulieren die chemische Umgebung der Neuronen.
  • Myelin bilden: Oligodendrozyten (eine Art von Gliazellen) bilden die Myelinscheide, die die Axone umhüllt und die Signalübertragung beschleunigt.

Mikrogliazellen: Die Immunabwehr des Gehirns

Mikrogliazellen sind die Immunzellen des Gehirns. Sie überwachen das Gehirn auf Schäden und Infektionen und beseitigen Zelltrümmer und Krankheitserreger.

Wichtige Hirnstrukturen und ihre Funktionen

Neben den verschiedenen Zelltypen und der grauen und weißen Substanz ist das Gehirn in verschiedene Strukturen unterteilt, die jeweils spezifische Funktionen erfüllen.

  • Großhirn (Cerebrum): Der größte Teil des Gehirns, der für höhere kognitive Funktionen wie Denken, Sprache, Gedächtnis undBewusstsein zuständig ist. Die äußere Schicht des Großhirns, die Großhirnrinde (Cortex), ist in verschiedene Lappen unterteilt:
    • Frontallappen: Verantwortlich für die Kontrolle der Feinmotorik, Gemüt, Zukunftsplanung, Ziel- und Prioritätensetzung.
    • Scheitellappen: Empfängt und verarbeitet Informationen über Temperatur, Geschmack, Berührung und Bewegung, die vom Rest des Körpers kommen.
    • Schläfenlappen: zuständig für das auditive System, das heisst, die Verarbeitung von Geräuschen.
    • Hinterhauptslappen: zuständig für das visuelle System, das heisst, die Verarbeitung visueller Reize.
  • Kleinhirn (Cerebellum): Spielt eine wichtige Rolle bei der Koordination von Bewegungen und dem Gleichgewicht. Es ist auch an automatisierten motorischen Prozessen beteiligt.
  • Hirnstamm (Truncus cerebri): Der "Stamm" des Gehirns, an dem alle anderen Gehirnstrukturen "aufgehängt" sind. Er umfasst die Medulla oblongata, die Pons und das Mesencephalon. Der Hirnstamm beinhaltet die Zentren für lebenswichtige Funktionen wie Herzschlag, Atmung, Blutdruck und Schlucken.
  • Basalganglien (Nuclei basales): Eine Gruppe von subcorticalen Kernen im Telencephalon, die primär mit der Willkürmotorik in Verbindung gebracht werden. Zu den Basalganglien zählen der Globus pallidus und das Striatum.
  • Limbisches System: Eine Gruppe miteinander verbundener Strukturen, die Emotion, Lernen und Gedächtnis vermitteln. Dazu gehören der Hippocampus, die Amygdala, der Gyrus cinguli, der Fornix, der parahippokampale Gyrus und Teile des Thalamus. Der Hippocampus spielt eine wichtige Rolle bei der Bildung des Langzeitgedächtnisses, während die Amygdala an der Verarbeitung von Emotionen beteiligt ist.

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