Die Substantia nigra, lateinisch für „schwarze Substanz“, ist ein Kerngebiet im Mittelhirn, das eine entscheidende Rolle bei der Steuerung von Bewegungen, der Belohnungsverarbeitung und verschiedenen Aspekten des Lernens spielt. Ihre Bedeutung wird besonders deutlich im Zusammenhang mit der Parkinson-Krankheit, einer neurodegenerativen Erkrankung, die durch den Verlust von Dopamin produzierenden Nervenzellen in diesem Bereich gekennzeichnet ist.
Neuroanatomie der Substantia nigra
Die Substantia nigra liegt tief im Mittelhirn, dorsal zu den Crura cerebri. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil des Basalganglien-Netzwerks, das für die Kontrolle der Motorik unerlässlich ist. Dieses Netzwerk ermöglicht die Unterstützung von Bewegungen und Bewegungsabläufen sowie die Beteiligung an Belohnungsprozessen.
Komponenten der Substantia nigra
Die Substantia nigra besteht aus zwei Hauptregionen:
- Pars compacta (SNpc): Diese Region enthält dicht gepackte Neuronen, die reich an Melanin sind und Dopamin produzieren. Dopamin ist ein Neurotransmitter, der eine entscheidende Rolle bei der Bewegung, Motivation und Belohnung spielt. Fehlfunktionen in dieser Region führen zu Bewegungsstörungen wie Parkinson.
- Pars reticulata (SNpr): Diese Region ist weniger dicht mit Neuronen gefüllt und hauptsächlich für die Weiterleitung von GABAergen Signalen verantwortlich, was zur Bewegungshemmung beiträgt.
Die Schichten der Substantia nigra besitzen eine interessante Pigmentierung aufgrund von Neuromelanin, was ihr das klassische dunkle Aussehen verleiht. Dies ist eine Besonderheit, da Neuromelanin eine Form von Melanin ist, die in Neuronen vorkommt und sie möglicherweise vor neurotoxischen Substanzen schützt. Historisch spielte diese spezielle Pigmentierung eine Rolle bei der Entdeckung der Substantia nigra durch frühe Neurowissenschaftler.
Funktion der Substantia nigra
Die Substantia nigra ist ein zentraler Bestandteil im Netzwerk des Gehirns, das maßgeblich an der Regulierung von Bewegungen beteiligt ist. Sie spielt nicht nur eine Rolle bei der Steuerung von Motorik, sondern auch bei anderen wichtigen Funktionen wie Belohnungsprozessen und der Emotionalität.
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Bewegungssteuerung
Die Bewegungssteuerung ist eine der Hauptaufgaben der Substantia nigra. Dabei arbeitet sie eng mit den Basalganglien zusammen, um reibungslose und koordinierte Bewegungen zu gewährleisten.
Die Pars compacta der Substantia nigra produziert Dopamin, das an das Striatum gesendet wird. Diese Dopaminproduktion ist wesentlich für die Bewegungskontrolle, und ein Verlust dieser Neuronen kann zu Parkinson-ähnlichen Symptomen führen. Die Pars reticulata spielt ebenfalls eine Rolle, indem sie inhibitorische Signale an andere Bereiche des Gehirns sendet, um übermäßige Motorik zu unterdrücken.
Ein wichtiger Aspekt der Bewegungssteuerung durch die Substantia nigra ist die Feinabstimmung von Bewegungen. Sie sorgt dafür, dass alle Teile des Gehirns im Gleichklang arbeiten, um harmonische und präzise Bewegungsabfolgen zu erzeugen. Ein Beispiel für die Rolle der Substantia nigra in der Bewegung ist das Starten und Stoppen freiwilliger Bewegungen. Wenn man zum Beispiel entscheidet, aufzustehen, sorgt die Substantia nigra dafür, dass diese Handlung reibungslos und ohne zittrige oder ungelenke Bewegungen abläuft. Darüber hinaus ist die Substantia nigra auch an der Hindernisvermeidung beteiligt. Unsere Fähigkeit, uns flüssig zu bewegen und dabei plötzlich aufkommende Hindernisse zu umgehen, hängt teilweise von ihrer Funktion ab.
Dopamin und seine Funktionen
Dopamin ist ein zentraler Neurotransmitter, der aus der Pars compacta der Substantia nigra stammt. Dieser Neurotransmitter fungiert als Bote, der Signale zwischen Nervenzellen überträgt.
Die Funktion der Substantia nigra im Dopaminsystem ist entscheidend, da sie signifikant an der Regulierung und Feinabstimmung von willkürlichen Bewegungen beteiligt ist. Wenn Dopaminlevel zu niedrig sind, kann es schwer sein, Bewegungen zu starten, eine Kennzeichnung von Parkinson. Neben der Bewegungsfunktion ist Dopamin aus der Substantia nigra auch essenziell für Prozesse im Belohnungs- und Verstärkungssystem und beeinflusst somit Lernverhalten.
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Weitere Funktionen
Die Substantia nigra ist auch an anderen wichtigen Funktionen beteiligt:
- Belohnung: Die Substantia nigra ist Teil des mesolimbischen Pfads, der das Belohnungssystem des Gehirns beeinflusst. Sie spielt eine Rolle bei der Belohnungswahrnehmung und Suchtverhalten.
- Lernen: Dank der Ausschüttung von Dopamin wird das Lernen erleichtert.
- Emotionen: Dopamin beeinflusst Stimmung, Motivation und Entscheidungen.
Substantia nigra und Parkinson
Die Substantia nigra spielt eine zentrale Rolle bei der Bewegungskontrolle, und Veränderungen ihrer Funktion können direkte Auswirkungen auf die Entstehung von Parkinson haben.
Verbindung zwischen Substantia nigra und Parkinson
Parkinson ist eine neurodegenerative Erkrankung, die hauptsächlich durch den Verlust dopaminerger Neuronen in der Pars compacta der Substantia nigra verursacht wird. Dies führt zu einem Dopaminmangel im Striatum, was die typischen motorischen Symptome hervorruft, zu denen gehören:
- Zittern (Tremor)
- Muskelsteifheit (Rigor)
- Bewegungsverlangsamung (Bradykinesie)
- Gang- und Haltungsinstabilität
Die molekulare Pathologie hinter dem Neuronenverlust in der Substantia nigra bei Parkinson ist komplex. Oxidativer Stress, mitochondriale Dysfunktion und die Akkumulation von alpha-Synuclein innerhalb von Lewy-Körpern sind bedeutende Faktoren, die zum Zelltod beitragen. Forschungen zeigen, dass genetische und Umweltfaktoren eine Schlüsselrolle bei der Krankheitsentwicklung spielen. Fortschritte in der Neuroimaging-Technologie haben es ermöglicht, frühe Veränderungen in der Substantia nigra zu identifizieren, was die Möglichkeit einer früheren Diagnose und Intervention zur Folge hat.
Diagnose von Parkinson
Bei der transkraniellen Sonografie wird mit einem hochauflösenden Ultraschallgerät durch den Schläfenknochen das Gehirn dargestellt. Der anatomische Bereich der Substantia nigra präsentiert sich hierbei im Krankheitsfall hell und vergrößert - ein Befund, „der bis heute als Hyperechogenität der Substantia nigra bezeichnet wird und der bei über 90 % der Parkinson-Patienten nachzuweisen ist“, so Berg. „Die Möglichkeit, mit einer verhältnismäßig einfachen, kostengünstigen, nebenwirkungsfreien und auch bei körperlich unruhigen Patienten einsetzbaren Methode einen für die Diagnose so hilfreichen Befund zu erheben, hat dazu geführt, dass die transkranielle Sonografie mittlerweile in Zentren der ganzen Welt eingesetzt wird“, so Berg.
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Behandlung von Parkinson
Ein praxisnahes Beispiel ist die Verabreichung von Levodopa, einem Dopaminersatzpräparat, das häufig zur Behandlung von Parkinsonsymptomen eingesetzt wird.
Weniger invasiv ist ein Ultraschallverfahren, das die Wellen in ein definiertes Hirnareal schickt und auf diese Weise einen Tremor bekämpft. „Mit dem Magnetresonanz-gesteuerten fokussierten Ultraschall steht jetzt eine schonendere Therapieoption zur Verfügung“, sagte Dr. Steffen Paschen, ebenfalls aus der Kieler Neurologie.
Bei der Behandlung wird den Betroffenen eine Art Helm mit 1.024 Ultraschallquellen auf den Kopf gesetzt. Im Thalamus - einem Knotenpunkt im Gehirn bei Zittererkrankungen - werden die aus allen Richtungen eintreffenden Ultraschallwellen in Wärme umgewandelt und veröden das dort liegende Gewebe. Vor der Behandlung wird die Knochenstruktur des Schädels mittels Computertomografie bestimmt und das Zielgebiet mittels MRT festgelegt. Der Kopf des Patienten wird rasiert, um Hautverbrennungen durch eingeschlossene Luftbläschen zu vermeiden und unter den Haaren verborgene Narben auf der Kopfhaut zu erkennen. „Während des Eingriffs ist der Patient unter Überwachung der Vitalfunktionen bei vollem Bewusstsein“, erläutert Paschen. „Unterstützend können Medikamente zur Beruhigung, neurologischen Symptomkontrolle oder gegen Schmerzen appliziert werden.“ Die Behandlung erfolge in drei Phasen: In Phase eins wird zunächst die Übereinstimmung des gewählten Zielbereichs mit dem tatsächlich erwärmten Bereich bei geringer Energiezufuhr überprüft. 47 - 50 °C statt, wodurch der Effekt und mögliche Nebenwirkungen abgeschätzt werden können, noch bevor eine Narbe gesetzt wird. „In der dritten Phase erfolgt die eigentliche Thermoablation, in der über 20 Sekunden eine Temperatur von 57 - 60 °C im Zielbereich erzeugt wird.“ Insgesamt dauert die Behandlung drei bis vier Stunden und der Therapieerfolg sei unmittelbar sichtbar, so Paschen. Mögliche Nebenwirkungen wie Gangstörungen, verwaschene Sprache und Taubheit seien mild und in der Folgezeit rückläufig, es komme zu einer 80- bis 90-prozentigen Tremorreduktion. Aktuell wird das Verfahren nur einseitig angewendet, sodass der Tremor auch nur auf einer Körperseite reduziert werde. In Studien wird derzeit auch die beidseitige Anwendung untersucht, Daten liegen jedoch noch nicht vor. Weltweit sind Paschen zufolge mehr als 4.000 Patienten mit dem Ultraschallverfahren behandelt worden, Langzeitdaten über fünf Jahre zeigen einen anhaltenden Therapieeffekt.
Forschung zu Parkinson
Wie eine Relaisstation empfängt und verteilt sie Signale, um eine gewünschte Bewegung zu koordinieren und auszuführen. Im Mausmodell hat die Forschungsgruppe von Prof. Kelly Tan am Biozentrum der Universität Basel nun zwei Zellpopulationen in dieser Hirnregion identifiziert, die für verschiedene Aspekte einer Bewegung verantwortlich sind. Das Forschungsteam hat dazu die Substantia nigra anatomisch, genetisch und funktionell untersucht. Es zeigte sich, dass diese Region aus mehreren unterschiedlichen Typen von Nervenzellen besteht. „Die Heterogenität von Nervenzellpopulationen im Gehirn, auch in der Substantia nigra, ist ein bekanntes Konzept. Die Erkenntnisse der Studie sind auch im Hinblick auf das Parkinson-Syndrom von Bedeutung. Die Betroffenen leiden unter motorischen Störungen, da bestimmte Nervenzellen bei ihnen absterben. „Interessanterweise interagieren diese Zellen mit der von uns identifizierten Zellpopulation, welche Bewegungen initiiert. Der Verlust dieser bestimmten Nervenzelltypen bei Parkinson bedeutet, dass Signale nicht mehr weitergeleitet bzw. empfangen werden. „In Bezug auf Parkinson möchten wir untersuchen, wie sich die Netzwerke in Folge der Erkrankung verändern und wie sich dies auf die Bewegungsabläufe auswirkt.
Die Rolle von BCL11A in der Substantia nigra
Forscher haben entdeckt, dass der Transkriptionsfaktor BCL11A eine wichtige Rolle in der Substantia nigra spielt. BCL11A ist dafür bekannt, dass er in der Großhirnrinde und im Immunsystem wichtig für die Festlegung von Zelleigenschaften ist.
Das Team um Prof. Die Forschenden untersuchten während der Entwicklung und im reifen Gehirn von Mäusen und in menschlichen Zellen, in welchen der Dopamin-Nervenzellen der Transkriptionsfaktor BCL11A angeschaltet ist. “Dadurch konnten wir erkennen, in welche benachbarten Gehirnregionen die Fortsätze dieser dopaminergen Neuronen hineinwuchsen”, erläutert Blaess, die auch Mitglied im Sonderforschungsbereich 1089 “Synaptische Mikronetzwerke in Gesundheit und Krankheit” sowie im Transdisziplinären Forschungsbereich “Leben und Gesundheit” der Universität Bonn ist. Mit welchen Arealen im Gehirn die Dopamin produzierenden Nervenzellen unter BCL11A-Einfluss Kontakt aufnahmen, war nicht beliebig.
BCL11A und Neurodegeneration
An Mäusen vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), bei denen ähnlich wie bei der Parkinson-Erkrankung ein Teil der Dopamin produzierenden Neuronen abstirbt, untersuchten die Forschenden neurodegenerative Vorgänge in der Substantia nigra. Das Team verglich in den „Parkinson-Mäusen“ Dopamin-Nervenzellen mit und ohne BCL11A. In der Substantia nigra markierte dieser Transkriptionsfaktor dopaminerge Neurone, die besonders anfällig für Neurodegeneration waren. Schalteten die Forschenden in diesen Zellen die Produktion von BCL11A aus, gingen noch mehr der Dopamin-Zellen zugrunde. “Das deutet daraufhin, dass BCL11A eine schützende Funktion für die Neurone haben könnte”, fasst Prof. Blaess das wichtigste Ergebnis zusammen. Welcher molekulare Mechanismus dahintersteckt, muss noch in weiteren Studien genauer untersucht werden.
Das Mittelhirn (Mesencephalon)
Das Mesencephalon, zu Deutsch - das Mittelhirn, stellt den obersten Abschnitt des Hirnstamms dar. Nach unten gliedert sich der Pons - die Brücke - an, darüber liegen bereits die Strukturen des Diencephalons, des Zwischenhirns. Wie im gesamten Hirnstamm ist auch im Mesencephalon Motorik ein großes Thema - hier liegen zum Beispiel der Nucleus ruber und die Substantia nigra, letztere bekannt geworden durch ihre traurige Rolle bei der Entstehung von Parkinson. Aber es gibt auch Hören und Sehen, einige Hügel tauchen auf, Schenkel, und: Als einzige Struktur des Gehirns verfügt das Mittelhirn über eine eigene Wasserleitung, den Aquaeductus mesencephali.
Aufbau des Mesencephalons
Das Mesencephalon teilt sich in Crura cerebri, Tegmentum und Tectum. Neben zahlreichen wichtigen motorischen Zentren - wie der Substantia nigra und dem Nucleus ruber - finden sich hier in der Formatio reticularis einige wichtige Kerne für Vitalfunktionen. Angst, Panik und Depression können hier in unterschiedlichen Kernen ihren Anfang nehmen.
- Crura cerebri: Ein großes Bündel Fasern, das Signale vom Cortex ins Rückenmark und zu Brücken- und Hirnnervenkernen leitet. Diese Fasern sind fein säuberlich geordnet: An der Innenseite laufen die Verbindungen zum frontalen Cortex, weiter nach außen schließen sich die Fasern zum motorischen Cortex - die Pyramidenbahn - und ganz außen die zum Temporallappen an. Es zeigt sich sogar ein weiterer Homunculus: nach innen liegen die Fasern, die den Kopf versorgen, nach außen die der Füße.
- Tectum: Auch bekannt als Vierhügelplatte oder Lamina quadrigemina. Die oberen Hügel, die Colliculi superiores, erhalten über Sehnerv und Sehtrakt direkte Eingänge von der Netzhaut des Auges. Dabei geht es primär um Informationen über sich rasch ändernde Reize - also um Bewegung. Die Colliculi inferiores, die unteren Hügel, dienen als Umschaltstelle für die meisten Fasern der Hörbahn.
- Tegmentum: Der rückwärtige, unter dem Aquädukt gelegene Teil des Mittelhirns. Hier finden sich Kerne wie die Substantia nigra, Formatio reticularis, Hirnnervenkerne und der Nucleus ruber.
Wichtige Strukturen im Tegmentum
- Substantia nigra: Ein Kernkomplex im Mesencephalon, der eine wichtige Rolle bei der Bewegungseinleitung spielt. Er ist dunkel gefärbt und liegt im Tegmentum, seine Neurone stehen mit dem Basalganglien, dem Putamen und dem Nucles caudatus in Verbindung. Ein Ausfall führt zu Symptomen des Morbus Parkinson (Parkinson-Krankheit).
- Nucleus ruber: Der „rote Kern“ verdankt seine Bezeichnung seinem hohen Eisengehalt, er ist mit bloßem Auge als großer, runder, rötlich gefärbter Kern im Mittelhirn zu sehen. Er gehört zum extrapyramidalen motorischem System, Körperhaltung und Muskeltonus sind seine zentralen Aufgaben.
- Formatio reticularis: Die Formatio reticularis ist ein Netzwerk von über 100 einzelnen Kernen im Hirnstamm.
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