Gehirn setzt aus: Ursachen und Auswirkungen von Hirnfunktionsstörungen

Das Gehirn und das Nervensystem sind hochkomplexe Systeme, die mit großer Präzision arbeiten. Damit dies reibungslos funktioniert, müssen die Strukturen intakt sein und die Stoffwechselprozesse störungsfrei ablaufen. Fehlfunktionen in diesem komplizierten System können jedoch auftreten und zu neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen führen. Die Ursachen hierfür sind vielfältig und oft noch nicht vollständig verstanden.

Ursachen von Hirnfunktionsstörungen

Fehlfunktionen von Gehirn und Nervensystem können durch eine ganze Reihe von Faktoren verursacht werden. Durch äußere Einwirkung, Vererbung oder einer Kombination von beidem kann das komplexe Geflecht geschädigt werden und zu neurologischen oder psychiatrischen Erkrankungen führen. Allerdings sind die genauen Ursachen und Zusammenhänge bei vielen Krankheiten bislang noch unbekannt.

Mangelnde Durchblutung

Die häufigste Ursache für eine Schädigung von Gehirn und Nervensystem ist eine mangelnde Durchblutung. Durch seine große Aktivität hat das Gehirn den größten Energiebedarf aller Organe. Es benötigt etwa 20% der gesamten Blutmenge, die vom Herzen in den Körperkreislauf gepumpt wird, und durch die Sauerstoff und Nährstoffe zu den Nervenzellen im Gehirn gelangen. Eine Unterbrechung dieser Versorgung, z.B. durch Aussetzen des Herzens, Ersticken oder Blutunterzuckerung, führt zu einer Schädigung oder sogar zum Absterben der Nervenzellen.

Strukturelle Schädigungen

Auch Gehirntumoren, krankhafte Veränderungen von Blutgefäßen, mechanische Verletzungen durch Unfälle, Blutungen ins Gehirn und Entzündungen können die Ursache für Funktionsstörungen sein. Ist beispielsweise das Hörzentrum der Großhirnrinde betroffen, ist die Hörfähigkeit beeinträchtigt. Eine Verletzung des Gehirns durch traumatische Krafteinwirkung wird Schädel-Hirn-Trauma (SHT) genannt.

Störungen der Signalübertragung und des Stoffwechsels

Weitere Gründe für Erkrankungen des Gehirns und des Nervensystems sind Störungen bei der Signalübertragung von einer Nervenzelle zur nächsten und Unregelmäßigkeiten im Stoffwechsel der Nervenzellen. Störungen der Hirnfunktion können auch von Gliazellen ausgehen. Diese Zellen sind an der Ernährung der Nervenzellen beteiligt und dienen ihnen als Stützgewebe.

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Genetische Faktoren

Bei zahlreichen Störungen des Gehirns und Nervensystems spielen genetische Faktoren eine wichtige Rolle. So zeigten Studien bei schizophrenen und manisch-depressiven Patienten, dass zumindest eine Veranlagung für diese Erkrankungen vererbt werden kann. Allerdings scheint ein Ausbruch dieser Erkrankungen durch Umwelteinflüsse begünstigt zu werden. Erbliche Faktoren und die Umwelt der Patienten wirken hier offenbar zusammen. Reine Erbkrankheiten weisen häufig Defekte im Stoffwechsel der Nervenzellen auf. Es gibt einige wenige Krankheiten des Gehirns, die direkt auf ein verändertes Gen zurückzuführen sind. So gehen bei der Huntington-Erkrankung ganz bestimmte Nervenzellen des Großhirns als Folge eines Gendefekts zugrunde.

Äußere Einflüsse

Störungen der Hirnfunktion können auch durch äußere Einflüsse verursacht werden. Ein Beispiel dafür sind Infektionen durch Bakterien und Viren. Sie können bei den Patienten zum Beispiel zu einer Entzündung der Hirnhäute führen. Solche Entzündungen schädigen das Gehirn und können sogar tödlich enden. Das Virus, das die Kinderlähmung verursacht, greift Nervenzellen vor allem im Rückenmark an, die an der Steuerung der Körperbewegung beteiligt sind. Andere Viren, wie beispielsweise Herpes-zoster-Viren der Gürtelrose, können jahrelang unbemerkt bleiben, bevor sie Schädigungen verursachen. Auch Giftstoffe können zu schweren Beeinträchtigungen von Gehirn und Nervensystem führen. Die Folgen einer Quecksilbervergiftung sind Gedächtnisschwund und Muskelzittern. Blei kann Verhaltensstörungen und Lernschwierigkeiten hervorrufen. Neuronale Funktionsstörungen können auch durch das körpereigene Immunsystem ausgelöst werden. Dabei werden bestimmte Zellen im Gehirn und Nervensystem paradoxerweise als fremd eingestuft und von den Immunzellen geschädigt.

Lebensstil

Unser Lebensstil hat einen großen Einfluss auf die geistige Leistungsfähigkeit - oft mehr, als uns im Alltag bewusst ist. Schlafverhalten, Ernährung, Bewegung und Stressmanagement wirken sich direkt auf das Gehirn aus. Wird der Körper dauerhaft unterversorgt oder überlastet, kann das die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigen - und Beschwerden wie Brain Fog begünstigen. Dazu zählen beispielsweise chronischer Schlafmangel, unzureichende Flüssigkeitszufuhr, Bewegungsmangel und eine unausgewogene Ernährung. Auch anhaltender Stress kann sich negativ auf die geistige Klarheit auswirken - insbesondere, wenn Erholungsphasen fehlen.

Begleitsymptom von Erkrankungen

In vielen Fällen tritt Brain Fog als Nebensymptom ernsthafter gesundheitlicher Probleme auf. Besonders häufig wird er im Zusammenhang mit dem Chronischen Fatigue-Syndrom (ME/CFS) beschrieben. Betroffene berichten hier von deutlich verlangsamter Informationsverarbeitung, schweren Wortfindungsstörungen, Beeinträchtigungen des Kurzzeitgedächtnisses und Schwierigkeiten beim sprachlichen Ausdruck. Auch psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen gehen nicht selten mit kognitiven Beeinträchtigungen einher. Der Nebel im Kopf kann hier sowohl Symptom als auch Folgeerscheinung sein - etwa durch ständiges Grübeln, Überforderung oder emotionale Erschöpfung.

Nebenwirkung von Therapien

Nicht nur Krankheiten selbst, sondern auch deren Behandlung kann zu Brain Fog Symptomen führen. Besonders bekannt ist das Phänomen im Zusammenhang mit Chemotherapien bei Krebspatienten. Aber auch andere Therapien können Brain Fog mit sich bringen, unter anderem bestimmte Schmerzmittel, Psychopharmaka, Antihistaminika oder Hormonpräparate. Die genauen Mechanismen sind je nach Wirkstoff unterschiedlich, häufig spielen Nebenwirkungen auf das zentrale Nervensystem, hormonelle Veränderungen oder entzündliche Reaktionen eine Rolle. Für viele Patienten ist der Gehirnnebel dabei eine zusätzliche Belastung im ohnehin fordernden Therapieverlauf.

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Long Covid

Viele Menschen, die nach einer COVID-19-Erkrankung unter langfristigen Beschwerden wie Long-Covid-Erschöpfung leiden, berichten häufig auch von einem Gefühl wie Nebel im Kopf - geprägt von anhaltenden kognitiven Einschränkungen wie Konzentrationsproblemen, Vergesslichkeit und mentaler Erschöpfung. Auffällig ist, dass auch junge Menschen ohne schweren Krankheitsverlauf von Brain Fog betroffen sind.

Beispiele für neurologische Erkrankungen und ihre Ursachen

  • Schlaganfall: Plötzlich auftretende Störung des Blutflusses im Gehirn, die zu Unterversorgung des Gewebes mit Sauerstoff und Nährstoffen führt. Ursachen können ischämisch (Verstopfung eines Blutgefäßes) oder hämorrhagisch (Hirnblutung) sein.
  • Multiple Sklerose (MS): Chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung, bei der Entzündungsherde in der weißen Substanz von Gehirn und Rückenmark entstehen und die Myelinschicht der Nervenfasern zerstören. Die genauen Ursachen sind bisher nicht geklärt.
  • Alzheimer-Krankheit: Neurodegenerative Erkrankung, bei der Nervenzellen im Gehirn absterben, was zu einem fortschreitenden Verlust der geistigen Fähigkeiten führt. Ursachen sind noch nicht vollständig geklärt, aber es kommt zu Ablagerungen von Amyloid-beta und Tau-Protein im Gehirn.
  • Parkinson-Krankheit: Neurodegenerative Erkrankung, bei der dopaminerge Neurone in der Substantia nigra absterben, was zu motorischen Störungen wie Zittern, Steifigkeit und Bewegungsverlangsamung führt.
  • Schädel-Hirn-Trauma (SHT): Verletzung des Gehirns durch traumatische Krafteinwirkung. Die Symptome sind abhängig von der Schwere der Verletzung und können Bewusstseinsstörungen, Gedächtnisverlust, Übelkeit, Kopfschmerzen und Schwindel umfassen.
  • Normaldruckhydrocephalus (NPH): Eine oft übersehene Kombination der Symptome, die mit einer Operation das überschüssige Hirnwasser mit einem in den Bauchraum führenden Schlauch dauerhaft abzuleiten und damit eine Schädigung des Gehirns zu vermeiden. Die Ursachen sind bis heute nicht ausreichend erforscht. Es wird aber vermutet, dass in Deutschland etwa 80.000 über 60-Jährige daran leiden. Experten gehen davon aus, dass etwa jeder zehnte Demenzkranke eigentlich unter NPH leidet.

Auswirkungen von Hirnfunktionsstörungen

Die Auswirkungen von Hirnfunktionsstörungen sind vielfältig und hängen von der Art und dem Ort der Schädigung ab. Sie können sich in neurologischen Symptomen wie Lähmungen, Sensibilitätsstörungen, Sprachstörungen, Sehstörungen oder Koordinationsstörungen äußern. Auch psychiatrische Symptome wie Depressionen, Angstzustände, Wahnvorstellungen oder Halluzinationen können auftreten. Darüber hinaus können kognitive Funktionen wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Konzentration und Problemlösungsfähigkeit beeinträchtigt sein.

Diagnose und Behandlung

Die Diagnose von Hirnfunktionsstörungen erfordert eine sorgfältige Anamnese, neurologische Untersuchung und gegebenenfalls weitere diagnostische Maßnahmen wie bildgebende Verfahren (z.B. MRT, CT), EEG oder Liquoruntersuchung.

Die Behandlung richtet sich nach der Ursache der Störung und kann medikamentöse, operative oder rehabilitative Maßnahmen umfassen. Ziel ist es, die Symptome zu lindern, die Lebensqualität zu verbessern und das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen oder aufzuhalten.

Prävention

Einige Risikofaktoren für Hirnfunktionsstörungen können durch einen gesunden Lebensstil beeinflusst werden. Dazu gehören eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung, ausreichend Schlaf, Stressmanagement und der Verzicht auf Nikotin und übermäßigen Alkoholkonsum. Auch die Kontrolle von Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes und erhöhten Cholesterinwerten kann dazu beitragen, das Risiko für bestimmte Hirnfunktionsstörungen zu senken.

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"Cognitive Failure" - Kleine Aussetzer im Gehirn

Bei einem „Cognitive Failure“, auf Deutsch einer kognitiven Fehlleistung, handelt es sich um kleinere Aussetzer des Gehirns. Viele kleinere Tollpatschigkeiten des Alltags zählen dazu, wie beispielsweise sich zu stoßen oder ein Getränk zu verschütten, erklärt der Professor für molekulare Psychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin Sebastian Markett im Interview mit dem Spiegel. Menschen, die beispielsweise ein Glas umstoßen, fehle nicht die Fähigkeit, die Handlung auszuführen, so der Professor. Stattdessen seien sie in diesen Momenten einfach mit ihrer Aufmerksamkeit woanders.

"Brain Fog" - Nebel im Gehirn

„Brain Fog“ bedeutet auf Deutsch „Nebel im Gehirn“. Darunter werden vor allem folgende Symptome zusammengefasst: Verwirrtheit, Vergesslichkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Wortfindungsstörungen, langsames Denken, Orientierungsprobleme, Stimmungsschwankungen und Kopfschmerzen. Insgesamt macht es der Nebel im Gehirn den Betroffenen schwer, ihre Arbeit und ihren Alltag zu bewältigen. Der Begriff „Brain Fog“ wird in der Regel dann verwendet, wenn die Beschwerden nicht nur kurzfristig und vorübergehend auftauchen, sondern wenn sich daraus ein verfestigter Zustand entwickelt.

Forschung und Ausblick

Die Erforschung der Ursachen und Mechanismen von Hirnfunktionsstörungen ist ein wichtiges Ziel der modernen Medizin. Durch ein besseres Verständnis der komplexen Prozesse im Gehirn können neue Strategien zur Prävention, Diagnose und Therapie entwickelt werden. Das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e. V. (DZNE) erforscht die Ursachen von Störungen des Nervensystems und entwickelt Strategien zu Prävention, Therapie und Pflege bei Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS). Dabei kooperiert das DZNE eng mit Universitäten, deren Kliniken und außeruniversitären Einrichtungen auf nationaler und internationaler Ebene. Das Forschungsnetz für psychische Erkrankungen vereint über 30 wissenschaftliche Einrichtungen aus ganz Deutschland. Sie erforschen neue und bewährte Wege der Prävention, Diagnostik und Therapie und optimieren sie.

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