Gehirntraining durch Lesen: Vorteile für kognitive Fähigkeiten und Gesundheit

Lesen ist mehr als nur eine Freizeitbeschäftigung; es ist ein wirksames Werkzeug zur Förderung der geistigen und körperlichen Gesundheit. In einer Welt, die zunehmend von digitalen Medien geprägt ist, rückt die Bedeutung des Lesens für die Entwicklung unserer kognitiven Fähigkeiten und unser Wohlbefinden immer stärker in den Fokus. Dieser Artikel beleuchtet, warum Lesen so wertvoll für unser Gehirn ist, welche Vorteile es mit sich bringt und wie wir uns selbst und andere zum Lesen motivieren können.

Die Bedeutung des Lesens in einer digitalen Welt

In einer Zeit, in der Bildschirme allgegenwärtig sind, stellt sich die Frage, wie viel traditionelles Lesen notwendig ist und wie digitale Medien in den Lernprozess integriert werden können. Während digitale Medien anreichernde Quellen wie Erklärvideos, Bilder und Animationen bieten, betonen Experten wie der Neurowissenschaftler Manfred Spitzer, dass beim Lesen eines Buches mehr hängen bleibt und es einen höheren Anspruch hat. Spitzer warnt davor, dass digitale Medien in Grundschulen nichts zu suchen hätten, da sie zum „Daddeln“ verführen und die Lesekompetenz beeinträchtigen könnten.

Studien belegen, dass viele Kinder in Deutschland Probleme beim Lesen haben. Katharina Scheiter, eine Lernforscherin, räumt ein, dass Kinder und Jugendliche zwar viel lesen, aber Schwierigkeiten haben, die Inhalte verschiedener Quellen zu verstehen und miteinander in Beziehung zu setzen. Daher ist es wichtig, Kinder sowohl zu Hause als auch in der Schule in die digitale Nutzung einzuweisen und sie nicht mit dem multimedialen Angebot zu überfordern.

Was passiert beim Lesen im Gehirn?

Lesen ist ein komplexer Prozess, der verschiedene Bereiche des Gehirns beansprucht. Nachdem wir das Alphabet gelernt haben, können wir einzelne Wörter lesen und verstehen. Diese Wörter werden im Gehirn verarbeitet und mit unserem vorhandenen Wissen verknüpft. Dabei werden verschiedene Bereiche des Gehirns aktiviert, was Lesen zu einem umfassenden Workout für den Kopf macht.

Hirnforscher Peter Gerjets erklärt, dass digitales Lesen aufgrund von Hyperlinks, bewegten Grafiken und Animationen das Gehirn stark beanspruchen kann. Studien mittels EEG haben gezeigt, dass Lesen im Internet anstrengender und tendenziell oberflächlicher ist. Ressourcen, die für ein tiefes Lesen nötig wären, werden leicht durch Klicken und Multimedia verschwendet. Daher betont Gerjets, dass das Lesen auf Papier und längerer Texte in Büchern sehr wichtig ist und unbedingt erhalten bleiben muss.

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Vorteile des Lesens für das Gehirn

Regelmäßiges Lesen hat zahlreiche Vorteile für das Gehirn:

  • Stressabbau: Studien haben gezeigt, dass Lesen den Stresspegel um bis zu 68 Prozent senken kann. Es entspannt die Muskeln, verlangsamt die Atmung und bietet den Augen eine Pause vom grellen Licht digitaler Geräte.
  • Verbesserte Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeitsspanne: Lesen aktiviert spezifische Gehirnbereiche, die unsere Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeitsspanne beeinflussen.
  • Erweiterung des Wortschatzes: Durch das Lesen lernen wir neue Wörter, Redewendungen, Sprichwörter und Metaphern kennen. Dies fördert ein intuitives Verständnis für korrekte grammatikalische Strukturen und den Aufbau von Sätzen.
  • Förderung der emotionalen Intelligenz: Beim Lesen versetzen wir uns in die Personen der Geschichte hinein und erleben deren Gefühle und Gedanken hautnah mit. Dies erweitert unsere emotionalen und sozialen Fähigkeiten.
  • Stärkung der neuronalen Verbindungen: Lesen verstärkt die neuronalen Verbindungen im Gehirn, insbesondere in der Großhirnrinde und der Verbindung zwischen Sehrinde und Thalamus. Durch regelmäßiges Lesen wird das Gehirn effektiv trainiert, was die Merkfähigkeit und Abrufgeschwindigkeit von Informationen steigert.
  • Prävention von Demenz: Studien haben gezeigt, dass regelmäßiges Lesen das Risiko für Demenz senken kann. Intellektuell aktive Menschen haben eine geringere Erkrankungsrate, und das Lesen kann dazu beitragen, altersbedingte Beeinträchtigungen der verbalen Fähigkeiten zu kompensieren.
  • Höhere Lebenserwartung: Eine US-amerikanische Studie hat ergeben, dass eifrige Leser im Durchschnitt 23 Monate länger leben als Personen, die keine Bücher lesen.

Lesen vs. Fernsehen und Social Media

Während Fernsehen und Social Media ebenfalls Informationen und spannende Geschichten vermitteln können, ist Lesen aus mehreren Gründen vorteilhafter:

  • Tiefere Verarbeitung: Lesen erfordert eine tiefere Verarbeitung von Informationen als das passive Konsumieren von Bildern und Videos.
  • Aktivierung verschiedener Gehirnbereiche: Lesen aktiviert gleichzeitig das visuell-räumliche System, das Sprachzentrum und Bereiche der Großhirnrinde, die für die Informationsverarbeitung zuständig sind.
  • Förderung der Vorstellungskraft: Lesen regt die Fantasie an und ermöglicht es uns, uns die beschriebenen Handlungen und Charaktere bildlich vorzustellen.
  • Stressabbau: Lesen kann den Stresspegel senken und zur Entspannung beitragen, während intensiver Fernsehkonsum das Risiko für Demenz erhöhen könnte.

Wie man sich selbst und andere zum Lesen motiviert

Mehr zu lesen ist ein Klassiker unter den guten Vorsätzen, die oft scheitern. Hier sind einige Tipps, um die Lesemotivation zu steigern:

  • Für Erwachsene:
    • Wählen Sie Bücher zu Themen, die Sie wirklich interessieren.
    • Legen Sie Bücher, die Sie nicht fesseln, beiseite und suchen Sie sich etwas Neues.
    • Bauen Sie das Lesen regelmäßig in Ihren Alltag ein, z.B. 20 Minuten vor dem Einschlafen.
    • Legen Sie Ihr Smartphone in einen anderen Raum, um Ablenkungen zu vermeiden.
    • Erwägen Sie einen E-Book-Reader, wenn dicke Bücher Sie abschrecken.
  • Für Kinder und Eltern:
    • Beginnen Sie mit kleinen Schritten und wechseln Sie sich beim Lesen und Vorlesen ab.
    • Korrigieren Sie Leseanfänger nicht ständig.
    • Verbinden Sie das Lesen mit einem Ritual, z.B. einer gemütlichen Ecke oder einer bestimmten Lampe.
    • Setzen Sie kleine Ziele und machen Sie Ihr Kind auf Fortschritte aufmerksam.
    • Passen Sie den richtigen Zeitpunkt fürs Lesen ab, z.B. 15 Minuten vor dem Zubettgehen.
    • Nutzen Sie Bibliotheken, um kostengünstig Bücher, Comics und Co. auszuleihen.

Die Auswirkungen der Digitalisierung auf das Lesen und Schreiben

Die zunehmende Verlagerung des Lesens und Schreibens auf Computer und virtuelle Medien birgt auch Risiken. Das schnelle Schreiben im Internet führt oft dazu, dass Grammatik und Rechtschreibung vernachlässigt werden, was zu abnehmenden Leistungen im Lesen und Schreiben führen kann. Studien zeigen, dass ein zielgerichtetes Training des Arbeitsgedächtnisses das Lese-, Sprach- und Schreibvermögen steigern kann.

Handschriftliches Schreiben vs. Tippen

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass handschriftliches Schreiben das Gedächtnis stärkt, die Rechtschreibung verbessert und das Lernen erleichtert, weil dabei mehrere Sinne gleichzeitig arbeiten. Beim Schreiben mit der Hand sind bestimmte Hirnregionen aktiver als beim Tippen, was das Erinnern erleichtert und das Denkvermögen fördert. Trotz der zunehmenden Digitalisierung setzen einige Länder wieder stärker auf Handschrift im Schulunterricht, weil sie erkannt haben, dass rein digitales Lernen nicht ausreicht.

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