Gehirn und Drogen: Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem

Sucht ist eine komplexe Erkrankung, die tiefgreifende Veränderungen im Gehirn hervorruft. Das Verlangen nach Belohnung treibt uns an, sei es durch gute Noten, Gehaltserhöhungen oder Anerkennung. Dieses Verlangen wird durch unser Belohnungssystem gesteuert, das sich entwickelt hat, um uns zur Selbsterhaltung und Fortpflanzung zu motivieren. In der modernen Gesellschaft kann dieses System jedoch dazu führen, dass wir von bestimmten Dingen nicht genug bekommen können.

Besonders gefährlich wird es, wenn Menschen eine Abkürzung zur neuronalen Belohnung suchen, indem sie zu Zigaretten, Alkohol oder Drogen greifen. Diese Substanzen wirken auf unterschiedliche Weise und auf verschiedene Rezeptoren im Gehirn, haben aber alle gemeinsam, dass sie das Belohnungssystem mithilfe des Botenstoffs Dopamin aktivieren. Diese Aktivierung ist deutlich stärker als bei natürlichen Belohnungen.

Die Neurobiologie der Sucht

Professor Falk Kiefer, ein Suchtforscher an der Universität Heidelberg, vergleicht Suchtverhalten mit dem intuitiven Spiel eines Klavierspielers. Auf dem Weg zur Sucht sind mehrere Schritte entscheidend. Zunächst gewöhnt man sich an das Gefühl der Leichtigkeit und Euphorie, das durch die Substanzen ausgelöst wird (Habituation). Gleichzeitig wird man immer sensibler für Reize, die mit der Einnahme des Suchtstoffes in Verbindung stehen (Sensitivierung). Da gleichzeitig eine Toleranzentwicklung einsetzt, reicht die letzte Dosis nicht mehr aus, um das gleiche Gefühl zu erzeugen, was zu einem erhöhten Konsum führt.

Neurowissenschaftlerin Sabine Vollstädt-Klein forscht am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) an den Veränderungen im Gehirn, die bei diesem Prozess auftreten: Entscheidend für die Ausbildung einer Suchterkrankung ist das Zusammenspiel von Netzwerken des präfrontalen Cortex mit denen des dopaminergen mesolimbischen Systems. Eine Dysfunktion des präfrontalen Cortex kann die Anfälligkeit für Sucht erhöhen und wird durch anhaltenden Substanzkonsum noch verstärkt, was zu einer Abnahme der kognitiven Kontrolle führt.

Die Rolle des Striatums

Ein besonders bedeutendes Kerngebiet im mesolimbischen System ist das Striatum, das in einen ventralen und einen dorsalen Teil unterteilt wird. Im ventralen Striatum befindet sich der Nucleus accumbens, der als "Lustzentrum" im Gehirn gilt. Bildgebende Studien zeigen, dass bei zunehmender Abhängigkeit die Aktivierung vom ventralen Striatum in das dorsale Striatum wandert. Dieser Shift könnte damit zusammenhängen, dass sich auch das Verhalten von Suchtkranken in Bezug auf Drogen im Verlauf ändert, von freiwilligem Konsum zum Vergnügen hin zu einem zwanghaften Verhalten.

Lesen Sie auch: Drogen und Hirnschäden

Die Auswirkungen verschiedener Drogen auf das Gehirn

Verschiedene Drogen haben unterschiedliche Auswirkungen auf das Gehirn:

  • Alkohol: Regelmäßiger Alkoholkonsum kann zu Hirnschädigungen führen, einschließlich des Korsakow-Syndroms, das durch den Verlust von Erinnerungsvermögen, Demenz und Desorientierung gekennzeichnet ist.
  • Ecstasy: Ecstasy beeinflusst die Konzentration von Serotonin im Gehirn und kann zu Gedächtnisproblemen und Schädigungen der Blut-Hirn-Schranke führen.
  • Cannabis: Der Konsum von Cannabis kann das Kurzzeitgedächtnis, das logische Denken und das Urteilsvermögen beeinträchtigen.
  • Amphetamine und Methamphetamine: Diese Substanzen können Nervenzellen schädigen und zu Konzentrationsschwierigkeiten, Aufmerksamkeitsdefiziten, Hirnblutungen und Schlaganfällen führen.
  • Kokain: Konsum von Kokain das Risiko für Hirnblutungen und ischämischen Schlaganfällen verfünffacht. Kokain beschleunigt den Alterungsprozess des Gehirns, indem es die Hirnstruktur verändert.

Das Suchtgedächtnis und seine Folgen

Unser Gehirn merkt sich, welche Stoffe oder Verhaltensweisen zu einer Belohnung geführt haben. Das Verlangen danach wird stärker, und das Vorderhirn wird durch neuronale Anpassungsprozesse nachhaltig verändert. Diese Veränderungen können zu einem Suchtverhalten führen, das nach und nach erlernt wird und schließlich in ein automatisiertes Handlungsmuster münden kann.

Therapie und Behandlung von Suchterkrankungen

Die Therapie einer Suchterkrankung hängt von der Art der Sucht und der Ausprägung ab. In der Regel wird anfangs eine körperliche Entgiftung unter medizinischer Aufsicht durchgeführt. Anschließend können verschiedene Therapien eingesetzt werden, wie z.B.:

  • Beratung: Motivierende Gespräche, um für das Thema Sucht zu sensibilisieren und zur Verhaltensänderung anzuregen.
  • Entgiftung: Medizinisch betreuter Entzug.
  • Entwöhnung: Medizinische Reha-Behandlung durch ein multiprofessionelles Team.
  • Psychotherapie: Kognitive Verhaltenstherapie.
  • Selbsthilfegruppen und Gruppenangebote.
  • Medikamente: Zur Linderung des Verlangens ("Craving").
  • Behandlung einer eventuell zusätzlich bestehenden psychischen Erkrankung.

Rückfall und Prävention

Eine Suchterkrankung ist eine lebenslange Aufgabe. Ein Rückfall ist kein persönliches Versagen, sondern gehört zum Wesen der Sucht. Wichtig ist, jeden Rückfall zu bewerten und therapeutisch aufzuarbeiten.

Um einem Suchtmittelmissbrauch vorzubeugen, empfiehlt Suchtexperte Markus Salinger, sich einen Maikäfer ins Gedächtnis zu rufen, der auf sechs Beinen steht und so seine Balance hält: Beruf, Familie/Partnerschaft, Gesundheit, soziale Kontakte, Individualität/Hobbys und Glaube/Spiritualität. Je ausgeglichener die Balance dieser Bereiche ist, desto sicherer sei man vor einem Suchtmittelmissbrauch.

Lesen Sie auch: Faszination Nesseltiere: Wie sie ohne Gehirn leben

Lesen Sie auch: Lesen Sie mehr über die neuesten Fortschritte in der Neurowissenschaft.

tags: #Gehirn #und #Drogen #Auswirkungen