Das menschliche Gehirn ist ein komplexes und dynamisches Organ, dessen Gestalt sich im Laufe des Lebens verändern kann. Diese Veränderungen können sowohl durch normale Alterungsprozesse als auch durch verschiedene Erkrankungen verursacht werden. Eine der auffälligsten Veränderungen ist die Schrumpfung des Gehirns, auch Hirnatrophie genannt.
Ursachen der Gehirnschrumpfung
Die Ursachen für eine Gehirnschrumpfung sind vielfältig und reichen von natürlichen Alterungsprozessen bis hin zu schwerwiegenden Erkrankungen.
Normaler Alterungsprozess
Mit zunehmendem Alter kommt es natürlicherweise zu einer Abnahme des Hirnvolumens. Dies ist ein schleichender Prozess, der nicht zwangsläufig mit kognitiven Beeinträchtigungen einhergehen muss.
Neurodegenerative Erkrankungen
Neurodegenerative Erkrankungen wie die Alzheimer-Krankheit, die Parkinson-Krankheit und die Huntington-Krankheit können zu einer deutlichen Hirnschrumpfung führen. Bei diesen Erkrankungen sterben Nervenzellen im Gehirn ab, was zu einem Verlust von Hirnvolumen führt.
- Alzheimer-Krankheit: Bei der Alzheimer-Krankheit sterben nach und nach Nervenzellen im Gehirn ab, was zu einem fortschreitenden Verlust der geistigen (kognitiven) Fähigkeiten führt. Ein typisches Frühsymptom sind Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis. Im Gehirn von Menschen mit Alzheimer sammelt sich übermäßig viel Amyloid-beta zwischen den Gehirnzellen an und bildet Klumpen (Plaques). Auch das Tau-Protein ist chemisch verändert und bildet eine fadenförmige Struktur.
- Frontotemporale Demenz (FTD): Die Frontotemporale Demenz, früher als Morbus Pick bekannt, betrifft häufig Menschen vor dem 65. Lebensjahr. Bei einer FTD werden Bereiche im Gehirn zunehmend beschädigt, die für das Verhalten, die Persönlichkeit, die Sprache oder seltener auch für die Bewegung zuständig sind. Im Laufe der Erkrankung schrumpfen die Hirnregionen. Die Medizin unterscheidet zwischen einer Verhaltensvariante und einer Sprachvariante der FTD.
- Parkinson-Krankheit: Die Parkinson-Krankheit ist eine neurodegenerative Erkrankung, die vor allem motorische Fähigkeiten beeinträchtigt. Es kommt zum Verlust von Nervenzellen im Gehirn.
Vaskuläre Ursachen
Schlaganfälle oder chronische Durchblutungsstörungen des Gehirns können ebenfalls zu einer Hirnschrumpfung führen. Durch die Minderversorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen sterben Nervenzellen ab.
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Traumatische Ereignisse
Eine Studie aus dem Jahr 2012 untersuchte die Gehirne von Menschen, die in ihrem Leben traumatische Erlebnisse erlitten haben. Die Ergebnisse zeigten, dass eine Reihe unterschiedlicher Regionen in den Gehirnen von traumatisierten Personen, verglichen mit nicht-traumatisierten Personen, kleiner waren. Sämtliche Hirnregionen, die bei traumatisierten Personen kleiner waren (insbesondere das Vorderhirn und die Insula), sind für komplexe kognitive Prozesse sowie Emotion- und Selbstkontrolle verantwortlich. Traumatische Erlebnisse können extremen Stress auslösen, der dem Gehirn signalisiert, dass es seine Struktur ändern muss, um den Gegebenheiten der Umwelt angepasst zu sein.
Infektionen
Infektionen des Gehirns, wie beispielsweise eine Enzephalitis, können ebenfalls zu einer Hirnschrumpfung führen. Auch Infektionen der Mutter in der Schwangerschaft können zu Entwicklungsstörungen beim noch ungeborenen Kind führen. Erst vor einigen Jahren wurde entdeckt, dass das Zika-Virus Mikrozephalie auslösen kann.
Alkoholmissbrauch
Da Alkohol ein Nervengift ist, kann er bei übermäßigem Konsum dazu führen, dass Nervenzellen im Gehirn absterben. Vor allem bei Personen unter 65 Jahren kann längerer, zu hoher Alkoholkonsum die Entstehung einer frühen Demenz begünstigen.
Mikrozephalie
Mikrozephalie bedeutet, dass der Kopfumfang einer Person deutlich kleiner ist als der Kopfumfang gesunder Menschen gleichen Alters und gleichen Geschlechts. Bei dieser seltenen Fehlbildung ist häufig das Gehirnvolumen verringert. Die Mikrozephalie kann erblich (= genetisch) bedingt oder durch andere Ursachen erworben sein.
Diagnose der Gehirnschrumpfung
Die Diagnose einer Gehirnschrumpfung erfolgt in der Regel mithilfe bildgebender Verfahren wie der Magnetresonanztomographie (MRT) oder der Computertomographie (CT). Diese Untersuchungen ermöglichen es, das Gehirnvolumen zu messen und Veränderungen im Laufe der Zeit festzustellen.
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Magnetresonanztomographie (MRT)
Gehirn-Magnetresonanztomographie (MRT) -Aufnahmen sind wertvolle Werkzeuge, die eine detaillierte Untersuchung des Gehirngewebes ermöglichen. Diese Bilder können wichtige Informationen für die Diagnose und Behandlung verschiedener neurologischer Erkrankungen liefern.
Weitere diagnostische Maßnahmen
Neben den bildgebenden Verfahren können auch neuropsychologische Tests durchgeführt werden, um kognitive Beeinträchtigungen festzustellen. Eine Liquoruntersuchung kann zum Ausschluss anderer Erkrankungen durchgeführt werden.
Behandlungsmöglichkeiten
Die Behandlungsmöglichkeiten bei Gehirnschrumpfung richten sich nach der zugrunde liegenden Ursache.
Behandlung von Grunderkrankungen
Wenn die Gehirnschrumpfung durch eine bestimmte Erkrankung verursacht wird, steht die Behandlung dieser Erkrankung im Vordergrund. So können beispielsweise bei der Alzheimer-Krankheit Medikamente eingesetzt werden, die den Krankheitsverlauf verlangsamen. Bei vaskulären Ursachen können Maßnahmen zur Verbesserung der Durchblutung des Gehirns ergriffen werden.
Normaldruckhydrozephalus (NPH)
Eine Kombination aus Vergesslichkeit, schlurfendem Gang und leichter Inkontinenz kann ein Indiz für gut behandelbaren Altershirndruck sein. Die Symptomkombination aus Demenz, Inkontinenz und Gangstörung wird Hakim-Trias genannt. Das Krankheitsbild, das sich dahinter verbirgt, heißt kurz NPH: Normalpressure Hydrocephalus oder deutsch: Normaldruckhydrocephalus. Die Ursachen sind bis heute nicht ausreichend erforscht. Beim Normaldruckhydrozephalus (NPH) ist die Produktion und der Abfluss von Hirnwasser gestört. In der Klinik für Neurochirurgie des Dresdner Uniklinikums wird eine Operation angeboten, bei der das überschüssige Hirnwasser mit einem in den Bauchraum führenden Schlauch dauerhaft abgeleitet und damit eine Schädigung des Gehirns vermieden wird. Bei einer rechtzeitig erfolgenden OP profitieren mehr als 90 Prozent der Patienten von diesem Verfahren.
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Mikrozephalie
Bei einer Mikrozephalie ist der Kopfumfang kleiner als der Kopfumfang gleichaltriger Kinder. Das kann zu unterschiedlichen Symptomen führen. Meistens ist das Gehirn von Kindern mit Mikrozephalie jedoch zu klein und es kommt zu Entwicklungsverzögerungen. Geistige Behinderungen sind häufig. In vielen Fällen ist die Sprachentwicklung betroffen. Weitere Anzeichen können motorische Beeinträchtigungen sein.
Gehirntraining und Achtsamkeit
Beispielsweise konnte gezeigt werden, dass Achtsamkeitstraining das Wachstum von grauen Zellen stimulieren kann. In einer weiteren Studie wurde untersucht, wie sich das Gehirn durch regelmäßiges Gehirntraining verändert. Dabei wurde festgestellt, dass die Myelinisierung von Strukturen, die mit dem Arbeitsgedächtnis in Verbindung stehen, zugenommen hat.
Symptomlinderung
Unabhängig von der Ursache der Gehirnschrumpfung können verschiedene Maßnahmen ergriffen werden, um die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Dazu gehören beispielsweise Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und psychologische Unterstützung.
Neuroplastizität: Die Fähigkeit des Gehirns zur Veränderung
Die Fähigkeit unseres Gehirns, sich zu verändern, wird Neuroplastizität genannt. Das Gehirn ist ein enorm anpassungsfähiges Organ, bei dem je nach Situation bestimmte Strukturen wachsen und andere schrumpfen können.