Die Folgen von Schlafentzug für das Gehirn

Schlafmangel ist ein weit verbreitetes Problem, das schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben kann. Fast jeder hat schon einmal ein kurzfristiges Schlafdefizit erlebt, aber rund 20 bis 35 Prozent der europäischen Bevölkerung leiden unter wiederholten Schlafstörungen wie chronischer Schlaflosigkeit, obstruktiver Schlafapnoe oder Narkolepsie. Im höheren Alter ist sogar die Hälfte aller Menschen betroffen. Schlaf ist für den Menschen zur Erhaltung der körperlichen und geistigen Gesundheit unerlässlich. Schlaf und Gehirn beeinflussen sich gegenseitig. So deuten altersbedingte Veränderungen verschiedener Schlafmerkmale darauf hin, dass eine verminderte Schlafqualität ein häufiges Merkmal des Alterns ist. Umgekehrt kann eine Schlafstörung den Alterungsprozess des Gehirns beschleunigen.

Kurzfristiger vs. Chronischer Schlafmangel: Unterschiedliche Auswirkungen auf das Gehirn

Müde ist nicht gleich müde: Für unser Gehirn macht es einen enormen Unterschied, ob wir nur mal eine Nacht durchgemacht haben oder unter chronischen Schlafstörungen leiden. Eine Metastudie von Reimann und seinen Kollegen hat nun untersucht, was bei chronischem oder aber kurzzeitigem, akuten Schlafmangel in unserem Gehirn passiert. Dafür werteten sie mithilfe eines Algorithmus Daten von Hirnscans aus 231 Studien aus, in denen mehrere Patientengruppen mit und ohne chronische Schlafstörungen sowie mit und ohne akuten Schlafentzug untersucht wurden. Insgesamt hatten 3.380 Personen an den Studien teilgenommen.

Das Team fand klare neuronale Unterschiede zwischen den Gruppen. Bei Menschen mit chronischen Schlafstörungen traten demnach Veränderungen im vorderen cingulären Cortex, in der rechten Amygdala und im Hippocampus auf. Diese Regionen sind beispielsweise an der Verarbeitung von Argumenten, Emotionen, Erinnerungen, Entscheidungen sowie Geruch und Geschmack beteiligt. Im Gegensatz dazu war ein kurzfristiger Schlafmangel mit Veränderungen im rechten Thalamus verbunden. Diese Hirnregion ist für Temperaturregulierung, Bewegung und Schmerzempfinden verantwortlich.

Die beiden verschiedenen Formen des Schlafmangels wirken sich zudem unterschiedlich auf die neuronalen Strukturen aus: Chronische Schlafstörungen lassen den vorderen cingulären Cortex schrumpfen und senken Aktivität und Vernetzung dieses Hirnareals. Auf Amygdala und Hippocampus haben sie hingegen einen umgekehrten Effekt, wie das Team feststellte. Demnach sind an langfristigen krankhaften Schlafstörungen und kurzfristigem Schlafmangel ganz unterschiedliche Strukturen an unterschiedlichen Orten im Gehirn beteiligt, obwohl sich manche Symptome ähneln. „Wir konnten damit erstmals zeigen, dass es keine überlappenden Gehirnregionen zwischen den beiden Gruppen gibt“, betont Reimann. „Das ist wichtig für zukünftige Studien. Zudem werden die einzelnen Schlafstörungen bisher getrennt voneinander betrachtet. Nun kann man Fragen zu chronischen Schlafkrankheiten auch in transdiagnostischen Studien angehen, also mehrere Befunde gleichzeitig untersuchen“, ergänzt Seniorautor Masoud Tahmasian vom Forschungszentrum Jülich. Die neuen Erkenntnisse könnten gezieltere Therapien und vorbeugende Maßnahmen gegen chronische Schlafdefizite ermöglichen. „Jetzt, da wir wissen, welche Hirnregionen beteiligt sind, können wir die Auswirkungen nicht-medikamentöser Therapien, wie der kognitiven Verhaltenstherapie oder der positiven Atemwegsdrucktherapie (CPAP), im Vergleich zu pharmakologischen Behandlungen bei verschiedenen Schlafstörungen genauer untersuchen“, erklärt Reimann.

Auswirkungen von nur einer schlaflosen Nacht

Schon eine einzige Nacht ohne Schlaf genügt: Ein Team von Wissenschaftler:innen aus Dänemark, der Schweiz, den USA, China und Deutschland hat in einer neuen Studie herausgefunden, dass danach das menschliche Gehirn älter erscheint. Bei den 134 jungen, gesunden Teilnehmer:innen zeigen Aufnahmen des Gehirns Veränderungen, die typischerweise erst bei ein bis zwei Jahre älteren Menschen auftreten. Die gute Nachricht: Ein anschließender Erholungsschlaf macht die Veränderungen rückgängig. Die Studie unter Federführung von Prof. David Elmenhorst vom Institut für Neurowissenschaften und Medizin des Forschungszentrums Jülich zeigt auch, dass es nach nur teilweisem Schlafentzug keine signifikante Veränderung des Hirnalters gibt.

Lesen Sie auch: Gehirnfunktion: Was passiert bei Schlafmangel?

Mithilfe von Algorithmen des Maschinellen Lernens, deren Trainingsgrundlage strukturelle Aufnahmen mit dem Magnetresonanztomographen (MRT) sind, lässt sich das „biologische“ Alter des Gehirns einer Person zuverlässig schätzen. Dieses kann sich jedoch vom „kalendarischen“ Alter der Person unterscheiden, z. B. wenn Demenz-Erkrankungen das Gehirn vorzeitig altern lassen.

Für die aktuelle Studie wurden 134 Freiwillige mittels MRT untersucht. Für die Untersuchung ermittelten sie zunächst das biologische Alter der Gehirne von 134 gesunden Freiwilligen (zwischen 19 und 39 Jahre alt, 42 Frauen, 92 Männer) mittels MRT. Anschließend wurden u.a. im „:envihab“-Schlaflabor des DLR in Köln verschiedene experimentelle Schlafbedingungen untersucht: vollständiger Schlafentzug: Wachzustand länger als 24 Stunden teilweiser Schlafentzug: drei Stunden Schlaf für eine Nacht chronischer teilweiser Schlafentzug: fünf Stunden Schlaf in fünf aufeinander folgenden Nächten.

Bei der Auswertung der gewonnenen MRT-Daten beobachteten die Wissenschaftler:innen, dass vollständiger Schlafentzug das biologische Hirnalter um ein bis zwei Jahre erhöhte. „Interessanterweise unterschied sich das Hirnalter aber nach einer Nacht mit Erholungsschlaf nicht mehr vom Ausgangswert. Quasi ,verjüngte‘ sich das Gehirn wieder“, erläutert David Elmenhorst. Im Gegensatz dazu wurde das Hirnalter weder durch akuten noch durch chronischen teilweisen Schlafentzug signifikant verändert. Elmenhorst: „Insgesamt deuten die übereinstimmenden Ergebnisse darauf hin, dass nur totaler Schlafverlust die Hirnmorphologie bei jungen Teilnehmern in einer altersähnlichen Richtung verändert. Diese Veränderungen werden aber durch Erholungsschlaf rückgängig gemacht.“

Auswirkungen auf Aufmerksamkeit, Konzentration und Emotionen

Schlaf spielt eine wichtige Rolle für die kognitiven Funktionen unseres Körpers. Schlafentzug kann daher eine Vielzahl von Auswirkungen haben - auch auf Gehirn und Gedächtnis. Schlafentzug hat einen negativen Einfluss auf unsere Aufmerksamkeit. Die Konzentrationsfähigkeit nimmt rapide ab, was uns bei vielerlei Herausforderungen beeinträchtigen kann. Die Fähigkeit, komplexe Aufgaben zu bewältigen, nimmt ebenfalls ab. Experten weisen dazu auf eine weitere Beeinträchtigung hin: emotionale Instabilität. Genereller Schlafmangel kann zu erhöhter Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen, Angstzuständen und Depressionen führen. Das Gehirn ist schlichtweg weniger in der Lage, Emotionen und Gefühlszustände angemessen zu regulieren, wenn es nicht genügend Ruhe bekommt. Wer schon mal eine Nacht schlecht oder gar nicht geschlafen hat, weiß, wie sehr sich der Schlafmangel auf die Konzentration am nächsten Tag auswirken kann.

Auswirkungen auf die Neuroplastizität und Gedächtnisleistung

Forschende am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund haben untersucht, wie genau sich dieser Schlafentzug auf die Leistung des Gehirns auswirkt. Die Ergebnisse zeigen, dass sich nicht nur die Aktivität des Gehirns verändert, sondern auch die Verbindungsstärken zwischen den Nervenzellen beeinflusst werden. Ausreichend Schlaf ist essenziell für eine optimale Leistung am Tag. Der Schlafmangel beeinträchtigt nicht nur die Aufmerksamkeit, sondern auch die Gedächtnisleistung und Lernprozesse. Um neue Gedächtnisinhalte zu speichern, werden im Gehirn Verbindungen zwischen Nervenzellen verstärkt oder abgeschwächt. Diese Verbindung wird auch als Neuroplastizität bezeichnet. Bei einem Schlafmangel fällt diese Abschwächung aus. Die kortikale Erregbarkeit ist dauerhaft erhöht, was zu einer Beeinträchtigung der Signalübertragung führt. Neue, äußere Reize und Informationen können daher nur schlecht oder gar nicht verarbeitet werden und das Lernen fällt schwerer. Durch die erhöhte, kortikale Erregbarkeit wird die Neuroplastizität gestört. Dabei gibt es jedoch einen Unterschied zwischen kompletten Schlafentzug und dem Arbeiten gegen die persönlich bevorzugten Schlaf- und Wachphasen (Chronotyp). Bei letzterem sind die Aktivität des Gehirns und die Neuroplastizität verringert. Beim Schlafentzug ist die Hirnaktivität aber erhöht. Da die Dynamik der Plastizität und der Aktivität des Gehirns vom Schlaf abhängig sind, könnte diese eine Rolle bei der Vorbeugung von Erkrankungen mit kognitiven Defiziten spielen. Beispiele für solche Erkrankungen sind Demenzen, bei denen häufig Schlafstörungen vorliegen, und schwere Depressionen.

Lesen Sie auch: Faszination Nesseltiere: Wie sie ohne Gehirn leben

Langzeitfolgen von chronischem Schlafmangel

Nach wenigen Nächten sollte einem gesunden Menschen eigentlich nichts passieren. Jedoch zeigen zahlreiche Studien, dass dauerhafter Schlafmangel ungesund ist. Möglicherweise begünstigt er auch einen früheren Tod, wobei es keine einheitliche Regel gibt, wie viel "zu wenig“ Schlaf ist. Fest steht: Bekommt der Körper zu lange gar keinen Schlaf, tritt sehr wahrscheinlich der Tod ein. Darauf deutet etwa eine Erbkrankheit hin, die den Erkrankten so lange den Schlaf raubt, bis sie in schwere Verwirrungszustände, dann ins Koma fallen und schließlich sterben. Der gesamte Prozess dauert zwischen einem halben Jahr und drei Jahren. Sie wird oft an die Nachkommen weitergegeben, tritt meist in Erscheinung, wenn die Betroffenen um die 50 oder 60 Jahre alt sind, und sorgt dafür, dass das Schlafzentrum im Gehirn Stück für Stück zerfällt. Das führt dazu, dass die Erkrankten nur noch in kurze Schlafepisoden fallen, die nicht über den REM-Schlaf hinausgehen. Das heißt, ihr Körper erreicht die Tiefschlafphasen nicht mehr.

Schlafmangel und das biologische Alter des Gehirns

Eine aktuelle Studie untersuchte, welchen Einfluss eine einzige schlaflose Nacht auf das biologische Alter unseres Gehirns hat. Für ihre Studie ermittelten die Forschenden zunächst das biologische Alter der Gehirne ihrer 134 jungen Studienteilnehmenden im ausgeschlafenen Zustand mittels MRT und Algorithmen des Maschinellen Lernens. Daraufhin schickten sie die Studienteilnehmenden ins Schlaflabor des DLR Köln und untersuchten drei verschiedene Szenarien: Gruppe 1 erfuhr einen vollständigen Schlafentzug und war länger als 24 Stunden wach. Gruppe 2 unterzog sich für eine Nacht akutem Schlafentzug und bekam dann drei Stunden Schlaf. Bei der Auswertung der MRT-Daten kamen die Forschenden zu einem überraschenden Ergebnis: Die Aufnahmen der Gruppe mit vollständigem Schlafentzug zeigten in drei unabhängigen Versuchen Veränderungen im Gehirn, die typischerweise erst bei ein bis zwei Jahre älteren Menschen zu beobachten sind. Im Gegensatz dazu konnten weder durch den akuten Schlafentzug mit drei Stunden Schlaf noch durch den chronischen teilweisen Schlafentzug signifikante Veränderungen im Gehirn der Studienteilnehmenden festgestellt werden. Die gute Nachricht für Feierfreudige und Nachteulen: Legt man einen anschließenden Erholungsschlaf ein, erholt sich das Gehirn wieder von den Strapazen. „Interessanterweise unterschied sich das Hirnalter […] nach einer Nacht mit Erholungsschlaf nicht mehr vom Ausgangswert“, erklärt Elmenhorst.

Warum Schlafmangel unterschätzt wird

Arbeit, Hobbys, Haushalt, Beziehungen, das alles will gleichzeitig Platz im Alltag haben. Da bleibt oft nur der Schlaf, an dem man bewusst oder unbewusst spart. Sowohl kurzfristiger Schlafentzug als auch chronische Schlafprobleme sind weit verbreitet. Es wird schon gehen, denkt man. Es geht ja immer irgendwie. Doch der Körper merkt es. Die Auswirkungen von Schlafmangel auf unser Gehirn gehen weit über das reine Gefühl der Müdigkeit oder Erschöpfung hinaus.

Schlafmangel vs. Schlafentzug

Wenn es um Schlafmangel geht, taucht häufig auch der Begriff Schlafentzug auf. Beide Begriffe meinen Ähnliches, und zwar den Zustand, in dem eine Person nicht genug Schlaf bekommt. Doch sind sie voneinander abzugrenzen. Schlafmangel fasst die Situation etwas weiter. Er liegt vor, wenn einer oder mehrere der folgenden Punkte zutreffen: Sie bekommen nicht genug Schlaf (Schlafentzug). Sie schlafen zu ungünstigen Tageszeiten, zum Beispiel tagsüber als Folge von Schichtarbeit. Sie schlafen nicht gut oder bekommen nicht alle Arten von Schlaf (wie zum Beispiel die REM-Schlafphase, in der die meisten Träume stattfinden, oder die Non-REM-Schlafphasen, also von der Einschlaf- bis zur Tiefschlafphase), die Ihr Körper braucht. Sie haben eine Schlafstörung, die Sie daran hindert, genügend Schlaf zu bekommen, oder die eine schlechte Schlafqualität verursacht. Was letztendlich „zu wenig Schlaf“ ist, kann nicht genau definiert werden. Das unterscheidet sich von Person zu Person. Jedoch ist es hilfreich, sich an den allgemeinen Empfehlungen zu orientieren. Für Erwachsene lautet die Empfehlung, circa sieben bis neun Stunden nachts zu schlafen. Doch die Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) aus dem Jahr 2013 kam zu dem Ergebnis, dass nicht jeder die empfohlene Schlafdauer erreicht. In einem Untersuchungszeitraum von vier Wochen schliefen durchschnittlich 12,3 Prozent der Erwachsenen in Deutschland effektiv weniger als fünf Stunden pro Nacht.

Was passiert bei Schlafmangel im Körper?

Während wir schlafen, laufen unbemerkt viele wichtige Prozesse im Körper ab. Zum Beispiel finden im Gehirn notwendige Reinigungsarbeiten statt. Wachstumshormone werden ausgeschüttet, die für die Regeneration und das Wachstum von Knochen, Muskeln und Organen wichtig sind, und die Immunabwehr arbeitet verstärkt. Kommt es jedoch zu einer Störung des Nachtschlafs, ob in Dauer oder Qualität, können die für unsere Erholung wichtigen Prozesse und Regulationen nicht reibungslos ablaufen. Die Folgen davon spüren wir bereits am nächsten Morgen. Häufigere Störungen können sich auf den gesamten Körper auswirken und schwerwiegende Auswirkungen haben.

Lesen Sie auch: Lesen Sie mehr über die neuesten Fortschritte in der Neurowissenschaft.

Symptome von Schlafmangel

Selbst ein Defizit von nur ein bis zwei Stunden pro Nacht kann sich schon bemerkbar machen. Während Erwachsene eher mit Müdigkeit und Schläfrigkeit reagieren, fahren Kinder hoch. Sie werden aktiver und impulsiver. Auch Konzentrationsschwierigkeiten und hyperaktives Verhalten gehören zu den typischen Symptomen.

Schlafmangel-Symptome bei Kindern:

  • Benommenheit und Müdigkeit beim Aufwachen
  • Widerwillen, morgens aufzustehen
  • Stimmungsschwankungen und Reizbarkeit
  • Wutausbrüche
  • Hyperaktives Verhalten
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Einschlummern am Tag

Schlafmangel und Schlafdefizit kann jede Person, in jedem Alter, betreffen. Bestimmte Personengruppen sind dabei besonders risikobehaftet. Gehören Sie dazu?

  • Personen, die nur wenig Zeit zum Schlafen haben, zum Beispiel Menschen mit mehreren Jobs oder Pflegepersonal
  • Personen mit Arbeitszeiten oder Tagesabläufen, die nicht zu ihrer inneren Uhr passen, zum Beispiel Schichtarbeiter und -arbeiterinnen oder Jugendliche, die früh zur Schule gehen müssen
  • Personen mit einem Lebensstil, der Schlaf verhindert, zum Beispiel durch Missbrauch von Drogen oder Medikamenten
  • Personen mit nicht diagnostizierten oder unbehandelten medizinischen Problemen, die den Schlaf beeinträchtigen, wie zum Beispiel Stress, Angstzustände oder Schlafapnoe.

Folgen von Schlafmangel im Alltag

Schlafmangel kann vielfältige Auswirkungen auf den Alltag haben, privat sowie beruflich: Personen, die wenig oder nicht gut schlafen, sind tagsüber weniger produktiv, was zu Beeinträchtigung bei der Arbeit und in der Schule führen kann. Sie brauchen länger für Aufgaben, sind weniger motiviert, zeigen eine verringerte Reaktionszeit und machen mehr Fehler. Außerdem können sie sich schlechter konzentrieren, Entscheidungen treffen fällt ihnen schwerer und das Gedächtnis arbeitet weniger gut. Schlafmangel kann zu Sekundenschlaf führen - sehr kurze, unkontrollierbare Momente des Schlafens. Betroffene können sich das Phänomen meist nicht erklären; sie bemerken es erst, wenn sie wieder aufwachen und sind dann irritiert. Sekundenschlaf ist besonders gefährlich beim Autofahren. Durch die reduzierte Reaktionszeit ist Autofahren in müdem Zustand insgesamt gefährlich. Schlafmangel wirkt sich ähnlich wie Alkohol oder sogar stärker auf die Fahrtauglichkeit aus. Es gibt Hinweise darauf, dass bei einem Viertel aller schweren und tödlichen Autounfälle Müdigkeit eine Rolle gespielt hat. Außerdem ist das Unfallrisiko allgemein erhöht. Speziell für Kinder und Jugendliche, die noch einen erhöhten Schlafbedarf haben, kann ein Schlafdefizit weitere Auswirkungen haben. Schlafmangel führt bei ihnen aufgrund der Konzentrationsschwierigkeiten und Reizbarkeit häufig zu Schulproblemen. Forschende fanden zudem einen möglichen Zusammenhang zwischen Schlafdauer und Schulnoten heraus. Kinder, die regelmäßig gute bis sehr gute Noten bekamen, schliefen durchschnittlich eine halbe Stunde länger als Schüler und Schülerinnen mit schlechteren Noten. Weiter haben Teenager mit chronischem Schlafmangel eher Probleme mit der Impulskontrolle, was zu risikoreichem Verhalten führt.

Schlafmangel begünstigt Krankheiten

Schlafen Personen über einen längeren Zeitraum zu wenig, leiden sie also unter einem chronischen Schlafmangel, geht davon neben den direkten Auswirkungen wie der Tagesschläfrigkeit auch ein erhöhtes Risiko für Krankheiten einher. So haben zum Beispiel Jugendliche mit Schlafproblemen ein höheres Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen und Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen (ADHS). Ungenügender Schlaf wird außerdem mit vielen chronischen Gesundheitsproblemen in Verbindung gebracht, darunter Herz- und Nierenerkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes, Schlaganfälle, Fettleibigkeit. Auch bei Erwachsenen kann sich Schlafmangel auf die psychische Gesundheit auswirken. Chronischer Schlafmangel kann zu Erkrankungen führen, die die Lebenserwartung verringern.

Schlafmangel und Gehirnaktivität

Neue Forschungsergebnisse der University of Queensland in Australien bestätigen, dass Schlafmangel sich auf unsere Gehirnaktivität auswirkt. Obwohl es sich beim Schlafen so anfühlt, als hätte man „abgeschaltet“, ist das Gehirn keinesfalls inaktiv. Durch die Untersuchung der Muster von Gehirnaktivitäten konnte herausgefunden werden, dass das Gehirn während des Schlafs zwei Hauptmuster aufzeigt: Den REM-Schlaf ("rapid eye movement") und die Tiefschlafphase. Die Tiefschlafphase, die hauptsächlich zu Beginn der Nacht eintritt, ist durch geringe elektrische Hirnaktivität charakterisiert. Der Schlaf hat viele verschiedene Funktionen. Eine davon ist, die Erfahrungen des Tages zu verarbeiten. REM-Schlaf soll wichtig für emotionale Erinnerungen (bspw. Angst) und prozessuale Erinnerungen (bspw. wie fahre ich Fahrrad) sein, wohingegen der Tiefschlaf die sogenannten erklärenden Erinnerungen verarbeitet, die als Aufzeichnung all unserer Erfahrungen und unseres Wissens gelten. Wir wissen, dass unsere täglichen Erfahrungen im Schlaf nochmal durchlebt werden. Diese Wiederholungen finden in den Neuronen des Hippocampus - der relevanten Gehirnregion für das Gedächtnis - statt. Um wichtig von unwichtig zu unterscheiden, kann das Gehirn die Erinnerungen nur selektierend speichern. Der Schlaf ermöglicht es dem Gehirn, die Erinnerungen zu überprüfen und unwichtige Erlebnisse zu vergessen. An die wichtigen Ereignisse können wir uns dann besser erinnern. Um zu vergessen werden die Verbindungen einzelner Hirnzellen geschwächt oder gänzlich getrennt.

Eine gängige Theorie zur Funktion des Schlafs liefert die Hypothese zur synaptischen Homöostase. Sie besagt, dass es während des Schlafes zu einer weiterverbreiteten Schwächung der Synapsen (also der Verbindungen im Gehirn) kommt. Man geht davon aus, dass es diesen Vorgang braucht, um das Gleichgewicht von Erinnern und Vergessen zu halten. Durch das gezielte Vergessen während des Schlafs, können wir am folgenden Tag wieder Neues lernen. Durchkreuzt oder verhindert man diesen Vorgang, so kann es zu intensiveren und unter Umständen auch ungewollten Erinnerungen kommen. Schlaf wird ausserdem benötigt um das Gehirn "instand zu halten“. Eine aktuelle Studie mit Mäusen hat bestätigt, dass Schlaf das Gehirn auch von Giftstoffen reinigt, die sich während des wachen Zustandes ansammeln. Während des Schlafs vergrößert sich der Zellabstand, sodass Giftstoffproteine abtransportiert werden können. Es ist möglich, dass durch diesen Abtransport Krankheiten wie Alzheimer abgewehrt werden können.

Genug Schlaf zu bekommen ist wichtig für unsere Konzentrations- und Lernfähigkeit während des Wachzustands. Es kommt zu verlangsamten Reaktionszeiten, und wir sind unkreativer und weniger leistungsstark, wenn wir zu wenig schlafen. Es kann außerdem zum sogenannten Sekundenschlaf kommen, bei dem wir wenige Sekunden lang das Bewusstsein verlieren, ohne es überhaupt zu bemerken. Kinder können bei Schlafmangel hyperaktiv werden und den Unterricht stören.

Die Langzeitwirkungen von Schlafentzug können bei Menschen aufgrund ethischer Gründe kaum erforscht werden. Chronische Schlafstörungen konnten allerdings mit Gehirnerkrankungen wie Schizophrenie, Autismus und Alzheimer in Verbindung gebracht werden.

Schlaf reduziert die Übertragung zwischen Nervenzellen

Noch immer ist nicht eindeutig geklärt, weshalb Menschen und Tiere schlafen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg zeigen in einer Studie, dass im Schlaf die allgemeine Aktivität der als Synapsen bezeichneten Nervenzell-Verbindungen reduziert wird. Die meisten Verbindungen werden geschwächt, manche sogar ganz abgebaut. Nur wichtige Synapsen bleiben bestehen oder werden gestärkt. Dadurch schafft das Gehirn wieder Platz, um neue Informationen zu speichern. Diese als synaptische Plastizität bezeichnete Anpassungsfähigkeit ist eine wichtige Grundlage für Lernen und eine flexible Informationsverarbeitung. Der Abbau dürfte zudem Platz und Energie sparen, da beides im Gehirn zu einem Großteil von den Verbindungsstellen benötigt wird. Nehmen wir tagsüber Informationen auf, werden im Gehirn Synapsen gestärkt oder neu angelegt. „Wir konnten jetzt erstmals beim Menschen zeigen, dass Schlaf die Synapsen wieder herunterregelt und damit Platz für neue Informationen schafft. Das Gehirn räumt also im Schlaf auf“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Christoph Nissen, Ärztlicher Leiter des Schlaflabors an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg. „Wird dieser Prozess durch Schlafmangel unterbunden, gerät das Gehirn in einen Sättigungszustand. Synapsen können dann nicht mehr ausreichend verstärkt oder neu aufgebaut werden.

Schlaf senkt die tagsüber gestiegene Aktivität der Synapsen

Zunächst untersuchten die Forscher die allgemeine Aktivität der Synapsen im Gehirn, die auch als Gesamtverbindungsstärke bezeichnet wird. Mit Hilfe einer Magnetspule über dem Kopf der Probanden reizten sie einen Bereich im Gehirn, der für die Steuerung eines Daumenmuskels zuständig ist. Dieses Vorgehen wird als Transkranielle Magnetstimulation (TMS) bezeichnet. Nach Schlafentzug löste bereits ein deutlich schwächerer Reiz eine Kontraktion des Muskels aus, was ein Zeichen für eine hohe synaptische Verbindungsstärke ist. Außerdem werteten die Forscher mittels Elektroenzephalografie-Messungen (EEG) die unterschiedlichen Frequenzen der Hirnströme aus. Schlafentzug führte dabei zu einem deutlichen Anstieg sogenannter Theta-Wellen. Vorangegangenen Tier- und Humanstudien zufolge ist dies ein weiteres Anzeichen erhöhter synaptischer Gesamtstärke. „Schlaf senkt die tagsüber gestiegene Gesamtstärke der Synapsen im Gehirn. Nach Schlafentzug bleibt die Aktivität dagegen auf einem hohen Niveau“, sagt Prof. Nissen. Außerdem fanden die Forscher erstmals beim Menschen Hinweise für ein Prinzip, das eine dauerhafte Reizverarbeitung gewährleistet, die sogenannte homöostatische Plastizität. Sind die Synapsen durch lange Wachphasen bereits maximal aktiv, führen neue Reize oder Informationen nicht zu einer Stärkung, sondern zu einer Schwächung der Nervenzell-Verbindungen. Neu ankommende Reize können dann wieder normal verarbeitet werden. „Es ist anzunehmen, dass praktisch alle Funktionen des Gehirns dadurch beeinflusst werden, wie etwa Emotionsregulation, Konzentration oder Lernen“, sagt Prof. Nissen. Im Experiment kombinierten die Forscher wiederholt die Reizung des motorischen Gehirn-Areals mit einem elektrischen Reiz am Arm, der ins Gehirn weiter geleitet wird. Findet eine Stärkung der Verknüpfung von Nervenzellen statt, kontrahiert sich der Daumenmuskel stärker als zuvor. Dieser Effekt zeigte sich nach Nachtschlaf. Nach Schlafentzug dagegen war die Kontraktion des Daumenmuskels sogar schwächer. Auf Verhaltensebene beobachteten die Freiburger Forscher zudem ein schlechteres Neulernen von Wortpaaren nach Schlafentzug.

Möglicher Grund, warum Menschen Schlafmangel unterschiedlich gut vertragen

Weiterhin fanden sie Hinweise darauf, dass der Wachstumsfaktor BDNF (brain derived neurotrophic factor) bei der Regulation der synaptischen Aktivität eine wichtige Rolle spielt. Es ist bekannt, dass BDNF nach normalem Schlaf die Neuverknüpfung von Nervenzellen und damit Lernen fördert. Die Forscher konnten nun zeigen, dass eine anhaltend hohe BDNF-Konzentration im Blut unter Schlafentzug eher zu einer Sättigung von Synapsen führte. „Das könnte erklären, warum manche Menschen Schlafmangel besser verkraften als andere“, sagt Prof. Nissen. Die Erkenntnisse könnten zur Entwicklung neuer Therapiemöglichkeiten beitragen, etwa nach Schlaganfall oder bei depressiven Störungen. Bei diesen Erkrankungen ist es wichtig, Verschaltungen im Gehirn zu verändern. Hierzu könnten eine gezielte Beeinflussung des Schlaf-Wach-Verhaltens, aber auch andere Verfahren wie die transkranielle Gleichstromstimulation oder Medikamente mit neuen Wirkmechanismen auf Plastizität genutzt werden.

tags: #gehirn #schlafentzug #folgen