Peter Turrinis Stück „Gemeinsam ist Alzheimer schöner“ wirft einen schonungslosen, aber auch humorvollen Blick auf die Herausforderungen und möglichen "Gnaden" des Vergessens im Alter. Durch die Augen eines alternden Ehepaares, das mit den Auswirkungen von Alzheimer konfrontiert ist, erkundet das Stück Themen wie Liebe, Verlust, Erinnerung und die Frage, was von einem Leben bleibt, wenn die Protagonisten immer vergesslicher werden.
Inhalt und Inszenierung
Das Stück entführt den Zuschauer in eine Seniorenresidenz namens "Herbstfreude", wo Helga und Johannes, ein älteres Ehepaar, ihren Lebensabend verbringen. Die Handlung ist nicht linear, sondern stückelt Szenen aus der Vergangenheit und Gegenwart der beiden zusammen. Dabei werden sowohl glückliche Momente ihrer Ehe als auch Verletzungen, Untreue und unerfüllte Sehnsüchte thematisiert. Die Demenz von Johannes führt zu Brüchen in der Realität, Verwechslungen und dem allmählichen Verschwimmen der Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Die Inszenierung von Alexander Kubelka im Theater in Homburg setzt auf ein bewegliches Bühnenbild von Florian Etti, das die wechselnden Zustände und Erinnerungen der Figuren widerspiegelt. Mobile Wände symbolisieren dabei sowohl die Räume, die sich öffnen, als auch die zunehmende Enge, in die sich das Paar durch die Krankheit begibt. Die Kostüme von Elisabeth Strauss und die musikalische Leitung von Patrick K.-H. tragen ebenfalls zur Atmosphäre des Stücks bei.
Besonders hervorzuheben sind die Stimmen der Heimleitung, die aus dem Lautsprecher ertönen. Roman Schmelzer verkörpert die aufgedrehte Fröhlichkeit, während Michael Dangl die unübertreffliche Schnöseligkeit der Heimleitung darstellt, was bei einigen Zuschauern den Wunsch weckt, sie zum Mond zu schießen.
Die Figuren und ihre Beziehungen
Helga und Johannes stehen im Zentrum des Stücks. Johannes war einst ein erfolgreicher Unternehmer, während Helga ihr Studium für die Familie aufgab. Im Laufe des Stücks wird deutlich, dass ihre Ehe von Konflikten und Untreue geprägt war. Trotzdem scheint eine tiefe Liebe zwischen den beiden zu bestehen, die auch in den Momenten der Verwirrung und des Streits immer wieder aufblitzt.
Lesen Sie auch: Unterstützung für Demenzkranke
Johannes Krisch überzeugt in der Rolle des Johannes mit einer beeindruckenden Bandbreite an schauspielerischen Nuancen. Er verkörpert den alternden Mann mit all seinen Widersprüchen, seiner Verletzlichkeit und seinem aufgestauten Grimm. Maria Köstlinger hingegen hat es in der Rolle der Helga schwerer, da die Figur weniger Facetten aufweist und zu unglaubwürdigen Aktionen neigt.
Turrinis Hang zu Unappetitlichkeiten zeigt sich in einigen Szenen, in denen Helga sich ausführlich über die Genitalien italienischer Kellner auslässt. Dies trägt jedoch wenig zur Charakterisierung der Figur bei und wirkt eher aufgesetzt.
Dramaturgie und Thematik
Turrini setzt in „Gemeinsam ist Alzheimer schöner“ auf eine sprunghafte, chaotische und verwirrende Dramaturgie, die den Zustand der Alzheimer-Erkrankung widerspiegeln soll. Er verzichtet weitgehend auf eine stringente Handlung und reiht stattdessen einzelne Szenen und Erinnerungsfetzen aneinander. Dies mag für manche Zuschauer gewöhnungsbedürftig sein, ermöglicht aber einen authentischen Einblick in die Innenwelt der Figuren.
Das Stück wirft grundlegende Fragen auf: Was bleibt von einem Menschen, wenn seine Erinnerungen schwinden? Können Liebe und Zuneigung auch im Angesicht des Vergessens bestehen? Und kann das Vergessen sogar eine Art Erlösung von Schmerz und Belastung sein?
Peter Kremer, einer der Schauspieler, betont, dass es in dem Stück nicht primär um die Defizite von Alzheimer geht, sondern um die Bereicherung, die in der Zärtlichkeit, dem Miteinander und dem Neuentdecken des Lebens liegen kann. Angela Roy, seine Kollegin, ergänzt, dass Vergesslichkeit zum Leben gehört und dass die Chance, jeden Tag im Hier und Jetzt zu leben und zu lieben, umso größer ist, je vergesslicher man wird.
Lesen Sie auch: Schlaganfall: Hilfe für Angehörige und Freunde
Kritik und Rezeption
„Gemeinsam ist Alzheimer schöner“ wurde von Kritikern unterschiedlich aufgenommen. Gelobt wurde vor allem die schauspielerische Leistung von Johannes Krisch und Maria Köstlinger sowie die sensible Auseinandersetzung mit dem Thema Alzheimer. Kritisiert wurde hingegen die sprunghafte Dramaturgie, Turrinis Hang zum Kitsch und die wenig differenzierte Darstellung der weiblichen Figur.
Einige Kritiker bemängelten, dass das Stück trotz seiner ernsten Thematik eine gewisse Leichtigkeit vermissen lässt und dass die humorigen Dialoge und Situationen nicht immer überzeugen. Andere lobten gerade den humorvollen Umgang mit dem Thema und die Fähigkeit des Stücks, den Zuschauer sowohl zum Lachen als auch zum Nachdenken anzuregen.
Lesen Sie auch: GmbH Konzept: Wohnen mit Demenz