Geo-Pubertät: Baustelle Gehirn – Eine Entwicklungsphase voller Veränderungen

Die Pubertät ist eine aufregende, aber auch anstrengende Zeit. Sie kommt plötzlich, verdreht einem den Kopf und lässt Stress zu Hause und in der Schule wachsen. In dieser Phase verändern sich Körper und Seele in einem rasanten Tempo. Die Pubertät ist eine Entwicklungsphase, in der sich die Geschlechtsorgane weiterentwickeln, bis die Geschlechtsreife eintritt. Normalerweise verläuft die Pubertät zwischen dem 10. und 17. Lebensjahr.

Körperliche Veränderungen in der Pubertät

Alles wächst: Gefühlschaos, Ärger mit den Eltern oder in der Schule und ein Körper, der irgendwie aus den Fugen gerät. Zwischen dem zwölften und 14. Lebensjahr schießen Mädchen und Jungen bis zu zehn Zentimeter pro Jahr in die Höhe und nehmen dabei bis zu acht Kilo Körpergewicht zu. Nicht nur Arme und Beine wachsen, auch der Kehlkopf vergrößert sich bei Jungen, was zu Stimmbruch führt. Die Stimme kippt und kratzt, wechselt die Tonlage, wie es ihr gefällt. Auch die Haare sprießen unter den Achseln und im Schambereich. Jungen bekommen zusätzlich einen zarten Flaum über der Oberlippe, den ersten Bart.

Veränderungen bei Jungen

Zwischen zwölf und 16 Jahren nimmt die Körpergrösse um bis zu zehn Zentimeter pro Jahr zu. Die Zahl der Muskelzellen verdoppelt sich, Schultern und Brust werden sichtbar breiter. Gleichzeitig lassen männliche Geschlechtshormone wie Testosteron Hoden und Penis wachsen. Jungen haben nun ihren ersten Samenerguss. Mit etwa 15 Jahren leitet das Testosteron den Stimmbruch ein: Kehlkopf und Stimmbänder wachsen, die Stimme wird tiefer. Die Scham- und Körperhaare sprießen: erst im Schritt, etwa zwei Jahre später unter den Armen, aber auch auf der Brust, an Armen und Beinen.

Veränderungen bei Mädchen

Mädchen legen im Alter zwischen zehn und 14 Jahren bis zu neun Zentimeter Körpergrösse pro Jahr zu. Für die typisch weiblichen Kurven sorgt zusätzliches Fett an Bauch, Hüfte und Oberschenkeln. Ab dem elften Lebensjahr befehlen Östrogene - weibliche Geschlechtshormone - der Brust, zu wachsen. Ähnliches gilt für die Geschlechtsorgane: Die Scheide vergrößert sich, die Gebärmutterschleimhaut bildet sich aus. Ist der Körper eines Mädchens groß genug, um ein Kind austragen zu können, folgen der erste Eisprung und die erste Monatsblutung. Meistens passiert das im Alter zwischen zwölf und 14 Jahren.

Die Baustelle im Gehirn

Dieser plötzliche Sinneswandel und die tausend Gedanken haben einen guten Grund: Auch das Gehirn wird gründlich umgebaut. Besonders lange dauern die Arbeiten in dem Teil des Denkapparates, der uns vernünftig handeln lässt. Dieser "präfrontale Kortex", direkt hinter der Stirn, ist quasi gesperrt. So müssen sämtliche Informationen eine Umleitung nehmen - ausgerechnet in den sogenannten Mandelkern. Das ist jener Hirnbereich, der Bauchentscheidungen steuert, also unüberlegte Reaktionen.

Lesen Sie auch: Diagnose und Therapie epileptischer Anfälle bei Jugendlichen

Neuronale Umstrukturierung

Das Gehirn gleicht während der Pubertät einer großen Baustelle. Wenig genutzte Nervenverbindungen werden gekappt, wichtige Verbindungen zu "Informations-Autobahnen" ausgebaut. So sortiert sich das Gehirn komplett neu, wird leistungsfähiger und schneller. Der präfrontale Kortex lässt uns vernünftig und überlegt handeln - eigentlich. Nicht so in der Pubertät: Die Umbaumaßnahmen dauern dort am längsten, und alle Informationen müssen die Umleitung über den Mandelkern nehmen.

Veränderungen in der Wahrnehmung

Das Gehirn von Jungen und Mädchen nimmt während der Pubertät Gefühle und Erlebnisse nicht mehr so stark wahr wie noch in der Kindheit. Reichte damals der Sprung vom Drei-Meter-Brett aus, um sich mutig zu fühlen, werden jetzt die Ansprüche höher und auch die Bereitschaft, echte Risiken einzugehen. Aber manchmal geschieht auch das Gegenteil - und Mädchen und Jungen ziehen sich komplett zurück. Sie werden traurig, sind völlig überfordert von den vielen Veränderungen.

Die Rolle von Hormonen

Ein Hormon namens GnRH (Gonadotropin Releasing Hormon) gibt den Anstoß für die Wandlungen im Körper. Es sorgt dafür, dass die Hirnanhangsdrüse die Hormone FSH und LH bildet. Die Geschlechtshormone wirken sich auf Äußerlichkeiten aus. Wenn Mädchen Brüste wachsen und die Regelblutung einsetzt, wenn Pickel das Gesicht sprenkeln und die Körperproportionen auf einmal nicht mehr stimmen, knickt das Selbstbewusstsein ein. Jugendliche vergleichen sich ständig mit Altersgenossen, und das beeinflusst ihr psychisches Befinden wesentlich.

Risikobereitschaft und Belohnungssystem

Im Zentrum dieses Prozesses steht eine Art Suchtkreislauf im Gehirn der Jugendlichen: Ihr Belohnungszentrum verlangt nach einem immer höheren Einsatz, um auf biochemischen Weg den gleichen Grad innerer Befriedigung zu erreichen. Hauptverantwortlich ist dafür der Neurotransmitter Dopamin. Weil in der Umbruchphase der Pubertät zunächst immer weniger Rezeptoren auf diesen Transmitter reagieren, fühlen sich die Betroffenen subjektiv immer weniger bestätigt.

Beziehungen und erste Liebe

Stundenlang hängen Jungs zusammen herum und Mädchen am Telefon, bis das Ohr ganz warm und das Hirn ganz wirr ist, wegen all der Fragen: Was verbindet einen mit dem Menschen am anderen Ende der Leitung? Nur Schwärmerei oder tatsächlich die erste Liebe? Für das „erste Mal“ gibt es kein Patentrezept, kein Richtig oder Falsch. Was zählt, ist, dass ihr nichts gegen den eigenen Willen und den des anderen tut. Setzt euren Partner und vor allem euch selbst nicht unter Druck. Wenn ihr euch für den großen Schritt entscheidet, sorgt für eine angenehme Atmosphäre. Wichtig ist auch das Vorspiel: Mit zärtlichem Küssen und Streicheln am ganzen Körper steigert ihr eure sexuelle Erregung. Vergesst trotz all der Aufregung und den vielen neuen Erfahrungen nicht zu verhüten - mit einem Kondom oder der Pille. Sprecht am besten vorher mit euren Eltern darüber.

Lesen Sie auch: Vergesslichkeit in der Pubertät – Ursachen und Tipps

Herausforderungen und Konflikte

Sich nichts mehr vorschreiben lassen: Damit machen es sich viele vielleicht schwer, aber sie können oft nicht anders. Es gibt Leute, die laufen nur in Schwarz mit Nieten rum. Die wollen provozieren. Während des Umbaus müssen die Reize größer sein, um Glücksgefühle auszulösen. Was zählt, ist der Augenblick: Schulfete ist wichtiger als Schulabschluss, Pickel ausdrücken wichtiger als Vokabeln rein-, Knutschen geiler als Klavier üben.

Umgang mit Konflikten

Die klassische Psychologie erklärt die Pubertät als Zeit, in der sich Jugendliche von den Eltern lösen und eine eigene Identität aufbauen. Krisen und Konflikte gehören dazu; die »Alten« ruppig abzufertigen oder mit Verachtung zu strafen ist normale Begleiterscheinung des Sich-Abgrenzens. Eltern sollten bei kriminellem und sonstwie gefährlichem Verhalten klare Grenzen setzen - aber nicht den Kopf zu verlieren. Gelassenheit ist das A und O, auch im Umgang mit den körperlichen Wandlungen während der Pubertät. Spötteleien oder verklemmtes Gehabe verstärken das Unwohlsein im noch fremden Körper.

Die Rolle der Eltern

Wenn Kinder in die Pubertät kommen, herrscht in vielen Familien der Ausnahmezustand. Eltern verunsichert das zutiefst, wenn die Zuwendung der Kinder versiegt. Zunächst einmal sollten Sie sich bewusst machen, was die Baustelle im Kopf für Ihr Kind bedeutet. Das hilft, Verständnis für das manchmal schwer erträgliche Verhalten aufzubringen. Achten Sie so gut wie möglich auf regelmäßigen und ausreichenden Schlaf. Teilen Sie Ihrem Kind Ihre Sorgen mit - zum Beispiel im Hinblick auf Drogen oder Mutproben.

Die Pubertät als Chance

Beruhigend aber ist: Nach ein paar Jahren legt sich das Chaos meist wieder. Man denkt jetzt über Sachen nach, die einen sonst nicht beschäftigt haben: Was mache ich mit meiner Zukunft? Während Kinder in den ersten Lebensjahren grundlegende Fähigkeiten erlernen, entfalten sie erst mit der Pubertät ihr volles Potenzial. Es ist eine Zeit voller Freude am Ich, aber auch der Verzweiflung daran.

Lesen Sie auch: Gehirnveränderungen in der Pubertät

tags: #geo #pubertät #baustelle #gehirn