Geräuschempfindlichkeit, auch bekannt als Hyperakusis, ist ein Zustand, bei dem normale Umgebungsgeräusche als unangenehm laut oder störend empfunden werden. Menschen mit Hyperakusis finden alltägliche Geräusche wie Hundegebell oder das Klingeln des Telefons kaum erträglich. Es handelt sich um eine unspezifische Geräuschintoleranz, die sich bei jedem Betroffenen unterschiedlich stark äußern kann.
Was ist Hyperakusis?
Wenn alltägliche Geräusche als übermäßig laut oder unangenehm empfunden werden, liegt eine Geräuschempfindlichkeit vor, die als Hyperakusis bezeichnet wird. Betroffene reagieren oft nervös oder aggressiv auf Alltagsgeräusche und können sogar Herzrasen und Schweißausbrüche erleben. Es ist wichtig, Hyperakusis von Hypakusis (Schwerhörigkeit) und Dysakusis (Fehlhörigkeit) zu unterscheiden. Bei Hyperakusis werden selbst leise Geräusche als unangenehm empfunden, obwohl ihre Lautstärke unter der Schmerzgrenze liegt. Mehr als 40 % der Tinnitus-Patienten sind von dieser Geräuschempfindlichkeit betroffen.
Eine extreme Form der Geräuschempfindlichkeit, bei der Geräusche als schmerzhaft empfunden werden, wird als Hyperakusis dolorosa bezeichnet. Im Gegensatz dazu leiden Menschen mit Misophonie unter einer Überempfindlichkeit nur gegenüber bestimmten Geräuschen.
Symptome der Hyperakusis
Menschen mit Hyperakusis zeigen oft körperliche Reaktionen auf Alltagsgeräusche, darunter:
- Herzrasen
- Erhöhung des Blutdrucks
- Schweißausbrüche
- Angst
- Unruhe
- Verspannungen im Schulter- und Nackenbereich
- Ohrgeräusche (Tinnitus)
Betroffene leben oft mit der täglichen Angst vor lauten Geräuschen und meiden daher öffentliche Aktivitäten wie Einkaufen, Restaurantbesuche oder Veranstaltungen. Die Unbehaglichkeitsschwelle gegenüber Umgebungsgeräuschen sinkt dabei auf unter 80 Dezibel. Die Stressbelastung des Nervensystems nimmt zu und verstärkt die Geräuschempfindlichkeit.
Lesen Sie auch: Hüft-TEP und Nervenschmerzen
Diagnose der Hyperakusis
Die Diagnose der Hyperakusis wird von einem Hals-Nasen-Ohrenarzt (HNO-Arzt) gestellt. Zu den diagnostischen Verfahren gehören:
- Hörtest: Der Arzt stellt fest, ob Töne als unangenehm empfunden werden.
- Patientengespräch: Die subjektiven Symptome des Patienten sind entscheidend.
- Unbehaglichkeitsschwellenaudiogramm: Eine erniedrigte Unbehaglichkeitsschwelle zeigt, dass bereits leise Töne als unangenehm empfunden werden.
- Fragebögen: Diese helfen, zwischen Hyperakusis und Misophonie zu unterscheiden.
Ursachen der Hyperakusis
Die genaue Ursache der Hyperakusis ist noch nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass eine Störung im zentralen auditorischen System im Gehirn vorliegt. Häufig tritt Hyperakusis in Verbindung mit anderen Erkrankungen auf. Bei Tinnitus-Betroffenen können sich Geräuschempfindlichkeit und Tinnitus aus derselben Schädigung im Hörsystem entwickeln und einzeln oder gleichzeitig auftreten. Im Gegensatz zur Otosklerose, die zu Hörverlust führen kann, ist Hyperakusis oft vorübergehend oder heilbar.
Mögliche Ursachen für Hyperakusis sind:
- Störung der Hörverarbeitung im Gehirn: Die Verarbeitung und Interpretation der Hörsignale im Gehirn ist gestört.
- Neben- oder Mitsymptom bei Tinnitus: Erhöhte Geräuschempfindlichkeit tritt bei Menschen mit Ohrgeräuschen auf.
- Nach einem Hörsturz: Alltagsgeräusche werden als zu laut empfunden.
- Funktionelle Schmerzsyndrome: Patienten mit Fibromyalgie oder komplexem regionalem Schmerzsyndrom leiden unter Hyperakusis.
- Gesichtslähmung (Fazialisparese): Nervenschädigungen der am Hörsinn beteiligten Nerven.
- Neurologische Störungen: Erkrankungen wie Morbus Sandhoff oder Tay-Sachs-Syndrom.
- Krankhafte Versteifungen der Gehörknöchelchen (Otosklerose): Sowie Operationen dieser Erkrankung mit Prothesen der Gehörknöchelchen.
- Innenohrstörungen: Hyperaktive äußere Haarzellen in der Gehörschnecke.
- Emotionaler Stress: Akuter und chronischer Stress.
- Psychische Belastung: Begleitsymptom einer Angststörung.
- Migräne: Vorübergehende Hyperakusis während der Attacken.
- Medikamente oder andere exogene Stoffe: Acetylsalicylsäure, Koffein, Chinin oder Kohlenstoffdioxid.
- Entwöhnung von Benzodiazepinen: In manchen Fällen tritt eine Geräuschempfindlichkeit auf.
Auswirkungen der Hyperakusis
Hyperakusis kann das Leben der Betroffenen erheblich beeinträchtigen und zu folgenden Problemen führen:
- Beeinträchtigung des Hörens und Schlafs
- Konzentrationsschwierigkeiten
- Vermindertes emotionales Wohlbefinden
- Sozialer Rückzug und Isolation
- Versagensängste oder Depression
Hyperakusis bei Kindern
Geräuschempfindlichkeit tritt bei Kindern sehr selten auf. Anzeichen für Hyperakusis bei Babys und Kindern können sein:
Lesen Sie auch: Rehabilitation bei Gesichtsfeldausfall
- Unruhiger Schlaf oder Weinen
- Zusammenzucken beim Türklingeln
- Zittern
- Ängstliche oder aggressive Reaktionen
Es ist wichtig, Kinder mit Hyperakusis nicht von Geräuschen fernzuhalten, da eine dauerhaft ruhige Umgebung die Erkrankung verstärken kann. Stattdessen sollte ein Fachmediziner konsultiert und eine individuelle Therapie besprochen werden. Der Arzt kann auch feststellen, ob eine auditive Wahrnehmungsstörung vorliegt.
Therapie der Hyperakusis
Eine frühzeitige Behandlung der Hyperakusis ist wichtig, um psychische Probleme zu verhindern. Die Therapie zielt darauf ab, die Ursachen der Geräuschempfindlichkeit zu bekämpfen und den Patienten wieder an Alltagsgeräusche zu gewöhnen.
Folgende Therapieansätze können eingesetzt werden:
- Hyperakusis-Training: Der Patient wird spielerisch an alltägliche Geräusche herangeführt und lernt, gelassener damit umzugehen.
- Noiser: Angenehme Geräuschkulisse wird erzeugt, um unwichtige Geräusche auszublenden.
- Selbsthilfemaßnahmen: Schrittweise Annäherung an Geräuschkulissen, z.B. durch Musikhören in niedriger Lautstärke oder Besuche im Supermarkt.
- Entspannungstrainings und Muskelentspannungsübungen: Täglich durchführen.
- Psychotherapie: Bei Begleiterkrankungen wie Depression oder Burnout.
- Kognitive Verhaltenstherapie (KVT): Hilft Betroffenen, ihre Reaktion auf Hyperakusis zu verändern und stressbezogene Auslöser zu handhaben.
- Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT): Kann sehr wirksam sein.
Die Behandlung kann sich über einen längeren Zeitraum, bis zu einem Jahr, erstrecken.
Was Sie selbst bei Geräuschüberempfindlichkeit tun können
Neben professioneller Hilfe können Betroffene auch selbst Maßnahmen ergreifen, um ihre Geräuschempfindlichkeit zu reduzieren:
Lesen Sie auch: Was Sie über epileptische Anfälle nach Hirnblutungen wissen sollten
- Schrittweise Gewöhnung: Beginnen Sie mit niedrigen Lautstärken und steigern Sie diese allmählich.
- Angenehme Geräuschkulisse: Schaffen Sie eine entspannende Umgebung mit Naturgeräuschen oder leiser Musik.
- Entspannungstechniken: Praktizieren Sie regelmäßig Entspannungsübungen wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung.
- Vermeidung von Stress: Reduzieren Sie Stressfaktoren im Alltag.
- Gehörschutz: Tragen Sie bei Bedarf Ohrstöpsel oder Gehörschutz in lauten Umgebungen.
- Regelmäßige Pausen: Gönnen Sie Ihren Ohren Ruhepausen, besonders nach Lärmbelästigung.
- Ernährung: Vermeiden Sie übermäßigen Konsum von Koffein, Nikotin und Salz.
Geräuschempfindlichkeit nach Schlaganfall
Ein Schlaganfall kann verschiedene neurologische Folgen haben, darunter auch eine erhöhte Geräuschempfindlichkeit. Dies kann auf Schädigungen in den Hörbahnen oder in den für die Verarbeitung von akustischen Informationen zuständigen Hirnarealen zurückzuführen sein.
Ursachen der Geräuschempfindlichkeit nach Schlaganfall
Die genauen Mechanismen, die zu einer Geräuschempfindlichkeit nach Schlaganfall führen, sind noch nicht vollständig verstanden. Es wird jedoch angenommen, dass folgende Faktoren eine Rolle spielen können:
- Schädigung der Hörbahnen: Ein Schlaganfall kann die Nervenbahnen schädigen, die für die Übertragung von akustischen Signalen vom Ohr zum Gehirn verantwortlich sind. Dies kann zu einer fehlerhaften Verarbeitung von Geräuschen führen.
- Schädigung der Hörrinde: Die Hörrinde im Gehirn ist für die Verarbeitung und Interpretation von akustischen Informationen zuständig. Ein Schlaganfall in diesem Bereich kann die Fähigkeit des Gehirns beeinträchtigen, Geräusche richtig zu verarbeiten.
- Veränderungen in der neuronalen Aktivität: Ein Schlaganfall kann zu Veränderungen in der neuronalen Aktivität im Gehirn führen. Dies kann die Art und Weise beeinflussen, wie Geräusche wahrgenommen werden.
- Psychische Faktoren: Ein Schlaganfall kann zu psychischen Problemen wie Angst und Depression führen, die die Geräuschempfindlichkeit verstärken können.
Therapie der Geräuschempfindlichkeit nach Schlaganfall
Die Therapie der Geräuschempfindlichkeit nach Schlaganfall zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Folgende Therapieansätze können eingesetzt werden:
- Hörtherapie: Ein Hörtherapeut kann helfen, die Hörfunktion zu verbessern und die Geräuschempfindlichkeit zu reduzieren.
- Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT): Diese Therapie kann auch bei Geräuschempfindlichkeit hilfreich sein, da sie darauf abzielt, die Reaktion des Gehirns auf Geräusche zu verändern.
- Kognitive Verhaltenstherapie (KVT): KVT kann helfen, psychische Probleme wie Angst und Depression zu behandeln, die die Geräuschempfindlichkeit verstärken können.
- Medikamente: In einigen Fällen können Medikamente eingesetzt werden, um die Symptome der Geräuschempfindlichkeit zu lindern.
Rehabilitation nach Schlaganfall
Die Rehabilitation spielt eine entscheidende Rolle, damit Betroffene ihren Alltag möglichst selbstständig gestalten können. Unabhängig von der Art des Schlaganfalls ist eine frühzeitige Einleitung der geeigneten Rehabilitationsbehandlung entscheidend, da dies die Erfolgsaussichten der Therapie verbessert.
Die verschiedenen Rehabilitationsmöglichkeiten beinhalten unterschiedliche Angebote im Therapiebereich. Im Bereich der Rehabilitation für noch hilfebedürftige Patienten ist z. B. auch die aktivierende Pflege durch das Pflegepersonal Bestandteil der Therapie. Der behandelnde Arzt legt den individuellen Behandlungsplan für den einzelnen Patienten fest. Im Verlauf der Rehabilitationsbehandlung wird dieser den Möglichkeiten des Patienten immer wieder neu angepasst.
Therapiemöglichkeiten während der Rehabilitation:
- Ergotherapie
- Physiotherapie (Krankengymnastik)
- Logopädie
- Neuropsychologie
- Ernährungsberatung
- Wiedererlangung der Alltagskompetenz
Psychologische und pädagogische Angebote in der Reha-Klinik können helfen, die verfolgten Behandlungsziele zu sichern und Krankheitsfolgen zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten. Bei Bedarf kommen zum Einsatz:
- Hilfen zur seelischen Stabilisierung und zur Förderung der sozialen Kompetenz, u.a. durch Training sozialer und kommunikativer Fähigkeiten und Umgang mit Krisensituationen
- Training lebenspraktischer Fähigkeiten
- Hilfen zur Unterstützung bei der Krankheits- und Behinderungsverarbeitung (z.B. durch professionelle psychologische Hilfe oder in einer Schlaganfall-Selbsthilfegruppe)
- Hilfen zur Aktivierung von Selbsthilfepotenzialen
- Information und Beratung von Partnern und Angehörigen sowie von Vorgesetzten und Kollegen
- Vermittlung von Kontakten zu örtlichen Selbsthilfe- und Beratungsmöglichkeiten
tags: #geräuschempfindlichkeit #nach #schlaganfall #ursachen #therapie