Ein gereiztes Nervensystem kann sich durch eine Vielzahl unterschiedlicher Symptome äußern. Oftmals handelt es sich um Beschwerden, für die keine konkrete organische Ursache gefunden werden kann. Die Diagnose und Behandlung eines gereizten Nervensystems erfordern daher eine ganzheitliche Betrachtung der körperlichen, seelischen und sozialen Umstände des Betroffenen.
Was ist ein gereiztes Nervensystem?
Das menschliche Nervensystem besteht aus dem zentralen Nervensystem (ZNS) und dem peripheren Nervensystem (PNS). Das vegetative Nervensystem, auch autonomes Nervensystem genannt, ist Teil des peripheren Nervensystems und reguliert lebenswichtige Körperfunktionen, die nicht bewusst steuerbar sind, wie Herzfrequenz, Blutdruck, Atmung, Verdauung, Stoffwechsel, Körpertemperatur und sexuelle Reaktion.
Das vegetative Nervensystem unterteilt sich in zwei funktionelle Gegenspieler:
- Sympathisches Nervensystem (Sympathikus): Aktiviert den Körper in Stresssituationen und steigert die Leistungsfähigkeit.
- Parasympathisches Nervensystem (Parasympathikus): Sorgt für Entspannung und Regeneration, senkt den Blutdruck, kurbelt den Stoffwechsel an und fördert die Verdauung.
Wenn das Zusammenspiel zwischen Sympathikus und Parasympathikus aus dem Gleichgewicht gerät, kann dies zu einer vegetativen Dystonie oder somatoformen Störungen führen. Somatoforme Störungen beschreiben Beschwerden, für die es keine organische Ursache gibt.
Vegetative Dystonie: Eine Begriffsklärung
Eine vegetative Dystonie bedeutet wörtlich eine "fehlregulierte Spannung (Dystonus) des vegetativen Nervensystems". Dieses Nervensystem koordiniert viele wichtige Körperfunktionen, die sich willentlich kaum oder gar nicht beeinflussen lassen - etwa den Herzschlag, die Atmung oder die Verdauung. Entsprechend lassen sich unter dem Oberbegriff der vegetativen Dystonie verschiedene Symptome zusammenfassen - von Herz-Kreislauf-Beschwerden und Kopfschmerzen bis zu zitternden Händen und Durchfall.
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Während die Diagnose "vegetative Dystonie" in den 1950er-Jahren ein Massenphänomen war, wurde sie inzwischen zum Teil von unterschiedlichen Synonymen abgelöst. Beispiele dafür sind neurovegetative Störung, vegetative Neurose und autonome Dysregulation.
Leiden Patienten dauerhaft unter Symptomen, für die sich keine körperlichen Ursachen finden lassen, sprechen Ärzte generell von somatoformen Störungen oder funktionellen Syndromen.
Symptome eines gereizten Nervensystems
Ein gereiztes Nervensystem kann sich durch eine Vielzahl von Symptomen äußern, die oft schwer einzuordnen sind. Die Vielfalt an unspezifischen Symptomen macht es oft schwierig, ein überreiztes Nervensystem unmittelbar zu erkennen. Daher ergibt sich das Krankheitsbild einer vegetativen Dystonie in der Regel über das Ausschlussverfahren anderer Erkrankungen.
Zu den häufigsten Symptomen gehören:
- Kopfschmerzen
- Schwindel
- Durchfall
- Verstopfung
- Schlafstörungen
- Krämpfe
- Vermehrtes Schwitzen oder mangelndes Schwitzen
- Erhöhter oder erniedrigter Pulsschlag
- Leichtes Zittern der Hände
- Kribbeln in den Gliedmaßen
- Herzbeschwerden wie Herzstechen oder Herzklopfen/-rasen
- Ohnmacht beim Aufstehen
- Sexuelle Funktionsstörungen beim Mann
- Probleme beim Entleeren der Blase
- Verdauungsbeschwerden wie Verstopfung oder Durchfall inkl. Magenlähmung
- Schluckbeschwerden
- Gefühlsstörungen (z.B. Kribbeln)
- Missempfindungen
- Taubheitsgefühle
- Empfindungsstörungen
- Elektrisierende Schmerzempfindungen
- Muskelschwäche
- Einschränkungen in der Feinmotorik (z.B. Zugreifen)
- Lähmungserscheinungen
- Durchblutungsstörungen
- Schweißausbruch
Im weiteren Sinne fallen unter die vegetative Dystonie verschiedene Symptomkomplexe, die häufig gemeinsam auftreten und zum Teil als eigenständige Erkrankungen mit unklarer Ursache behandelt werden. Dazu gehören beispielsweise das hyperkinetische Herzsyndrom (häufiges Herzrasen, große Blutdruckschwankungen), Reizdarm (chronische Verdauungsstörungen mit Bauchschmerzen und Blähungen) und Reizblase (ständiger Harndrang, häufiges Wasserlassen).
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Auch chronische Schmerzen mit unklarer Ursache, wie Fibromyalgie, können mit einem gereizten Nervensystem in Verbindung stehen. Unter Umständen werden sporadisch auftretende Panikattacken ebenfalls der vegetativen Dystonie zugeordnet. Hierbei ist jedoch abzuklären, ob eine Panikstörung vorliegt, die sich gut behandeln lässt.
Ursachen und Risikofaktoren
Für eine vegetative Dystonie gibt es oft keine konkrete Ursache. Nicht selten spielen mehrere körperliche, seelische und soziale Umstände eine Rolle. Es ist schwierig, einen konkreten Auslöser zu finden. Ist eine rein körperliche, organische Ursache für die jeweiligen Symptome nach allen notwendigen medizinischen Untersuchungen ausschließbar, zieht der Arzt eine psychosomatische Ursache in Betracht.
Mögliche Ursachen und Risikofaktoren sind:
- Psychosomatische Ursachen: Körper und Psyche stehen in einem ständigen Wechselspiel miteinander. Schwere seelische Belastungen können sich auf verschiedene Körperfunktionen niederschlagen.
- Stress: Permanenter Stress kann zu Kopfschmerzen, Schlafstörungen oder häufigem Zittern führen.
- Trauer, Sorgen und Ängste: Belastende Empfindungen können langfristig körperliche Symptome auslösen.
- Hormonelle Veränderungen: Wechseljahre oder Schwangerschaft können unklare körperliche Beschwerden verursachen.
- Diabetes mellitus (Typ 2): Die Stoffwechselerkrankung kann das autonome Nervensystem schädigen.
- Neurologische Erkrankungen: Parkinson oder Erkrankungen des peripheren Nervensystems können eine vegetative Dystonie auslösen.
- Verletzungen des Rückenmarks
- Medikamente
- Virusinfektionen
- Alkohol
- Mechanische Kompression
Es ist wichtig zu betonen, dass die Beschwerden bei einer vegetativen Dystonie nicht eingebildet oder "nicht echt" sind. Die Symptome können teils beängstigend sein und auf Dauer eine große Belastung darstellen. Somatoforme Störungen sind genauso ernst zu nehmen wie jene, die eindeutig körperliche Ursachen haben. Beide erfordern eine sorgfältige Diagnose und, wenn sich die Symptome nicht von selbst legen, Behandlung.
Stress entsteht im Gehirn und wird durch die innere Bewertung äußerer Reize ausgelöst. Im Falle einer Aktivierung wird der Organismus „bis zur letzten Zelle“ über das Nerven- und Hormonsystem in einen Alarmzustand versetzt. Stress kann auf körperlicher Ebene zu Magengeschwüren, Bluthochdruck und Zuckerkrankheit führen.
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Diagnose
Die vegetative Dystonie ist keine Diagnose im Sinne einer konkreten Krankheit, sondern umfasst ein uncharakteristisches Zustandsbild, bei dem offensichtlich verschiedene Funktionen des vegetativen Nervensystems gestört sind. Einen spezifischen Test auf vegetative Dystonie gibt es wegen der Vielzahl der möglichen Symptome nicht. Die Diagnose stellen Mediziner in der Regel dann, wenn keine körperlichen Ursachen zu finden sind.
Die Diagnose umfasst in der Regel folgende Schritte:
- Anamnese: Der Arzt erkundigt sich nach der Krankengeschichte, Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahme, Beginn und Verlauf der Beschwerden, auslösenden Situationen und weiteren Symptomen. Auch die Lebenssituation sowie der Alkohol- und Drogenkonsum des Patienten liefern wichtige Hinweise.
- Körperliche Untersuchung: Sie gibt Aufschluss über manche Symptome. Bei Magen-Darm-Problemen tastet der Arzt die Bauchdecke ab, bei Herzbeschwerden horcht er die Herztöne ab.
- Puls- und Blutdruckmessung: Besonders bei Kreislaufbeschwerden aufschlussreich. Schwankungen im Tagesverlauf lassen sich ggf. vom Patienten selbst prüfen.
- Blutuntersuchung: Überprüft, ob Entzündungsprozesse im Körper stattfinden, Nährstoffmängel vorliegen oder ein Überschuss/Mangel an bestimmten Hormonen besteht. Mögliche körperliche Ursachen wie Schilddrüsenfehlfunktion oder Eisenmangel können so ausgeschlossen werden.
- Spezielle Untersuchungen: Wenn eine körperliche Erkrankung noch nicht auszuschließen ist und die Symptome über längere Zeit bestehen, folgen je nach Symptomatik spezielle Untersuchungen wie Elektrokardiografie (EKG), Stuhl- oder Urinuntersuchung sowie bildgebende Verfahren wie Ultraschall- und Röntgenuntersuchung. Der Arzt versucht dabei aber, unnötige und eventuell belastende Untersuchungen zu vermeiden.
Die Diagnose "vegetative Dystonie" bzw. "somatoforme Störungen" ist letztlich diagnostisch nicht sicher nachweisbar, aber auch nur schwer zu widerlegen.
Behandlung
Wie eine vegetative Dystonie am besten behandelt wird, hängt von ihrem jeweiligen Auslöser und ihrer Ausprägung ab. Bleibt die körperliche Diagnostik ohne Ergebnis, raten Ärzte häufig dazu, zunächst abzuwarten und den Verlauf der Beschwerden zu beobachten - somatoforme Störungen legen sich häufig nach einer Weile von alleine wieder.
Ist dies nicht der Fall, empfiehlt der Arzt meist eine Psychotherapie. Dies bedeutet keinesfalls, dass er die Beschwerden des Patienten nicht ernst nimmt. Oft haben körperliche Symptome ihre Wurzeln in der Psyche - es sind dann sogenannte psychosomatische Beschwerden. Die vegetative Dystonie lässt sich deshalb am besten mit psychotherapeutischen Maßnahmen behandeln. Sie versprechen die größte Aussicht auf Beschwerdefreiheit.
Einige Psychotherapeuten sind auf somatoforme Störungen bzw. vegetative Dystonie spezialisiert. Mit dieser Unterstützung lernen viele Betroffene, ihre Beschwerden besser einzuordnen und mit ihnen im Alltag umzugehen - dies geschieht zum Beispiel im Rahmen einer kognitiven Verhaltenstherapie.
Besonders hilfreich ist es, die Gründe und Gefühle aufzuarbeiten, die hinter den Symptomen stehen. Sind belastende Empfindungen wie Stress, Sorgen oder Trauer aus der Welt zu schaffen oder anders zu verarbeiten, bessern sich auf Dauer meist auch die körperlichen Beschwerden.
Viele Betroffene stecken auch in einer Art "Teufelskreis der Vermeidung". Sie gehen Situationen, in denen ihre Symptome verstärkt auftreten, immer wieder aus dem Weg. Letztlich verstärken sie so den Leidensdruck, den die vegetative Dystonie mit sich bringt. Ein Psychotherapeut ist dabei ein guter Ansprechpartner, um dieses Verhalten zu durchbrechen.
Auf einige somatoforme Störungen hat körperliche Bewegung einen positiven Einfluss, also Sport oder Spaziergänge. Einigen Betroffenen helfen Entspannungsübungen wie progressive Muskelentspannung, autogenes Training, Tai-Chi oder Yoga.
Medikamentöse Therapie
Häufig mildern bereits diese Maßnahmen die Symptome mit der Zeit ab und helfen so gegen die vegetative Dystonie. Medikamente sind in den meisten Fällen nicht notwendig, werden bei großem Leidensdruck aber eingesetzt, um die Symptome zu behandeln.
Dazu gehören zum Beispiel Schmerzmedikamente sowie verschiedene moderne Antidepressiva. Dabei bespricht der Arzt das Vorgehen genau mit seinem Patienten und stimmt die Medikation individuell auf den jeweiligen Fall ab. In der Regel behandelt der Arzt die vegetative Dystonie nicht dauerhaft, sondern nur vorübergehend mit Medikamenten.
Weitere Therapieansätze
- Pflanzliche oder homöopathische Mittel: Können eine unterstützende Therapieoption sein, da sie eine gute Verträglichkeit bei geringem Gewöhnungspotenzial aufweisen. Die Passionsblume kann bei Unruhezuständen oder Schlafstörungen helfen. Gelber Jasmin und Schlangenwurzel können bei Schwindel, nervlich bedingtem Bluthochdruck oder Herz-Kreislauf-Beschwerden Linderung verschaffen. Und die gelbe Nieswurz kann Kreislaufproblemen vorbeugen.
- Entspannungsmethoden: Yoga, Meditation oder andere Achtsamkeitsübungen können helfen, das Stresslevel zu senken und das Nervensystem wieder zu beruhigen.
- Physiotherapie: Kann bei Muskelverspannungen und Schmerzen helfen.
- Nervenblockaden, Infiltrationen, transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS): Können bei Nervenschmerzen eingesetzt werden.
Vorsorge und Stärkung des vegetativen Nervensystems
Bei einer vegetativen Störung ist es wichtig, die Balance zwischen Körper und Psyche wiederherzustellen. Folgende Maßnahmen können helfen, das vegetative Nervensystem zu stärken:
- Entspannungsmethoden erlernen und anwenden: Entspannungsmethoden wie Yoga, Meditation oder andere Achtsamkeitsübungen können dabei helfen, das Stresslevel zu senken und das Nervensystem wieder zu beruhigen. Ebenso fördert regelmäßige Bewegung wie Ausdauertraining oder Krafttraining den Stressabbau.
- Ausgewogen ernähren: Vitaminmangel, insbesondere ein Mangel an Vitamin B12, kann die Funktion des Nervensystems beeinträchtigen. Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und gesunden Fetten kann die Gesundheit des autonomen Nervensystems unterstützen. Um möglichen Beschwerden vorzubeugen, empfiehlt es sich außerdem, auf Alkohol und Koffein zu verzichten.
- Ausreichend schlafen: Ein gesunder Schlaf ist unerlässlich für die Stressbewältigung und Regeneration des Nervensystems. Dazu sollte die Schlafumgebung eine Temperatur von etwa 18 Grad haben und sich gut abdunkeln lassen. Ebenso wichtig ist ein ruhiges Schlafumfeld. Fernseher oder mobile Geräte wie Smartphones sollten abends ausgeschaltet werden, um Ablenkung und laute Geräusche zu vermeiden. Deftiges Essen, Alkohol und Stress am Abend können die Schlafqualität erheblich beeinträchtigen. Besser sind daher leicht verdauliche Speisen und warme Getränke wie Tee am Abend. Ebenso unterstützen regelmäßige Zubettgehzeiten und Aufstehzeiten, regelmäßige Bewegung und eine ergonomische Matratze einen gesunden Schlaf und stärken damit auch indirekt das vegetative Nervensystem.
- Regelmäßige Bewegung: Fördert den Stressabbau.
- Gesunde Schlafroutine: Hilft bei der Stressbewältigung und Regeneration des Nervensystems.
Verlauf und Prognose
Wie die vegetative Dystonie verläuft, hängt von verschiedenen Umständen ab. In der Regel ist die Prognose gut. Eine vegetative Dystonie schränkt die Lebenserwartung nicht ein. In 50 bis 75 Prozent der Fälle verlaufen somatoforme Störungen leicht und die Symptome bessern sich mit der Zeit wieder.
Bei Patienten mit einer sehr ängstlichen und negativen Sicht auf ihre Beschwerden, bei starkem Vermeidungsverhalten und parallelen psychischen Erkrankungen (wie etwa Depressionen oder Angststörungen) ist die Prognose schlechter. Dies gilt auch für starke psychosoziale Belastungen, die sich nicht auflösen lassen.
Ebenfalls scheint es sich negativ auf den Verlauf auszuwirken, wenn der Betroffene länger als einen Monat aus seinem Beruf ausscheidet oder sich von Freunden und der Familie zurückzieht.
Eine vegetative Dystonie mit "schwerem Verlauf" bedeutet, dass die Symptome mit der Zeit stärker werden und dauerhaft auftreten (Chronifizierung). Dies heißt jedoch nicht, dass die Beschwerden für immer bestehen, nur weil sie sich zunächst nicht erfolgreich behandeln lassen. Es besteht immer die Möglichkeit, dass die vegetative Dystonie sich von selbst zurückentwickelt.
Nervenschmerzen (Neuropathische Schmerzen)
Nervenschmerzen (neuropathische Schmerzen) treten oft stechend oder kribbelnd in Rücken oder Beinen auf. Sie sind weit verbreitet: Die Neuralgie zählt sogar, neben Rückenschmerzen und Kopfschmerzen, zu den häufigsten Ursachen für chronische Schmerzen. Dem Schmerzsyndrom liegt eine direkte Aktivierung der Schmerzbahn zwischen dem Bereich des Nervenschadens und dem Gehirn zugrunde - diese Aktivierung kann durch kleinste Reize getriggert werden und bei Patientinnen und Patienten Schmerzen wie Stromschläge auslösen.
Auslöser für Nervenschmerzen oder neuropathische Schmerzen ist eine Schädigung im Nervengewebe. Nervenschmerzen entstehen durch Erkrankungen, Infektionen oder Verletzungen, die zu Nervenschädigungen und Fehlfunktionen im Nervensystem führen. Die Einwirkung von Neurotoxinen (Nervengifte) kann ebenfalls zu Nervenschmerzen führen.
Nervenschmerzen können nicht nur körperliche Auslöser haben. Eine Angststörung, eine Depression oder ständiger Stress kann körperliche Symptome zur Folge haben. Dann ist die Spannung im Körper erhöht, die Schmerzempfindlichkeit steigt. Man nennt diese Form von Schmerzsyndromen somatoforme Störung beziehungsweise somatoforme Schmerzstörung oder auch psychosomatische Erkrankung.
Neuropathische Schmerzen strahlen meist in den ganzen Körperbereich aus, der von einem Nerv oder mehreren Nerven versorgt wird. Manchmal haben Betroffene auch an verschiedenen Körperstellen gleichzeitig stechende Schmerzen. Die Schmerzwahrnehmung bei Nervenschmerzen ist typischerweise verändert. Schon harmlose Reize wie leichte Berührung, Wärme, Kälte oder Druck auf der Haut können bei Betroffenen Schmerzen auslösen (Allodynie).
Im Rücken kann ein Bandscheibenvorfall zu Schmerzen führen. Die Bandscheibe drückt auf einen Nerv und reizt ihn. Besonders der Ischias ist oft betroffen. Die Schmerzen können bis in Gesäß und Bein ausstrahlen. Schmerzen im unteren Rücken und Po können auf ein Piriformis-Syndrom hinweisen. Der Piriformis-Muskel drückt auf den Ischias-Nerv und irritiert ihn. Bei der Post-Zoster-Neuralgie handelt es sich um starke Nervenschmerzen auf der Haut, die nach einer Gürtelrose auftreten, vor allem am Rumpf, an einem Arm oder im Gesicht. Sind die Symptome der Nervenschmerzen am Kopf oder Gesicht, handelt es sich in vielen Fällen um eine Trigeminusneuralgie. Schmerzen am Fuß können von einer diabetischen Polyneuropathie kommen. Überhöhte Zuckerwerte schädigen die Nerven.
Die Therapie von Nervenschmerzen ist oft schwierig, denn rezeptfreie Schmerzmittel wirken in der Regel nicht bei den Patienten. Diese Medikamente modulieren die Nervenaktivität und blockieren Schmerzsignale. Ob die medikamentöse Schmerztherapie hilft und die Intensität der Schmerzen nachlässt, zeigt sich meist erst nach zwei bis vier Wochen. Auch Pflaster mit Capsaicin oder Spritzen mit Botulinumtoxin werden zur Therapie von Nervenschmerzen eingesetzt. In der Schmerztherapie werden häufig Medikamente mit Physiotherapie oder Psychotherapie kombiniert. Weitere Ansätze für die Therapie sind Nervenblockaden, Infiltrationen, transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) und Entspannungstechniken. Hausmittel können Nervenschmerzen nicht beseitigen, aber tun bisweilen gut. Dazu zählen kühle Kompressen, warme Auflagen oder Bäder.
Entzündliche Erkrankungen des Nervensystems
Entzündliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) spielen eine zunehmende Rolle in der Neurologie. Entzündliche Erkrankungen können erregerbedingt durch Bakterien, Pilze, Protozoen und Viren sowie nicht erregerbedingt/autoimmun (wie Multiple Sklerose, Vaskulitis) auftreten.
Autoimmunologische Prozesse, wenn der Organismus also nicht in der Lage ist, bestimmte Strukturen als körpereigene zu erkennen, können am Nervensystem Entzündungen hervorrufen. Das Immunsystem, das eigentlich krankmachende Einflüsse (wie Bakterien) ausschalten soll, produziert in diesen Fällen Antikörper gegen Gewebestrukturen des eigenen Körpers, zum Beispiel gegen bestimmte Teile des Nervensystems.
Häufige Krankheitsbilder durch erregerbedingte Infektionen des Gehirns sind die Neuborreliose und die Gürtelrose. Im Zusammenhang mit immunsuppressiven und immunmodulatorischen Therapien treten Infektionen des ZNS häufig bei immungeschwächten Patienten auf wie die progressive multifokale Leukenzephalopahtie (PML) bei der Multiplen Sklerose. Eine der häufigsten sporadischen Enzephalitiden Westeuropas ist die HerpesSimplex-Virus-Enzephalitis (HSVE). Die Symptome einer HSVE sind Kopfschmerzen, Fieber, quantitative und/oder qualitative Bewusstseinsstörungen. Schon bei dem Verdacht auf eine HSVE muss die antivirale Therapie mit Aciclovir rasch eingeleitet werden. Unbehandelt verläuft sie meist tödlich.
Die häufigsten Fälle einer ambulant erworbenen bakteriellen Meningitis sind Streptokokken (Streptococcus penumoniae), Listerien (Listeria monocytogenes) und Meningokokken (Neisseria meningitidis). Leitsymptome sind Kopfschmerzen, Fieber, Übelkeit und Erbrechen und Meningismus (Nackensteifigkeit). Meningismus kann bei sehr jungen und sehr alten Menschen fehlen.
Eine der bekanntesten Autoimmunerkrankungen ist die Multiple Sklerose (MS). Die MS ist eine chronisch entzündliche, demyelinisierende Erkrankung mit axonaler Schädigung des zentralen Nervensystems. Der Erkrankungsbeginn liegt meist im jungen Erwachsenenalter. Häufige Symptome einer MS sind Sehstörungen, Taubheit, Konzentrationsstörungen, Müdigkeit, Sprechstörungen, Koordinationsschwierigkeiten, Spastik, Blasenstörung, Sexualfunktionsstörung, Sprachstörungen, Schluckstörungen, Doppelbilder. Die MS ist heute aber gut behandelbar und je früher die Diagnose und Therapie begonnen werden, desto besser lässt sich der Verlauf verlangsamen.
Ein weiteres Beispiel einer entzündlichen ZNS-Erkrankung ist die Myelitis. Sie ist eine Entzündung des Rückenmarks. Die Symptome reichen über Muskelschwäche, Lähmungen, spastische Lähmungen, Gefühlsstörungen, Schmerzen, Depressionen und Erschöpfung bis hin zu Fehlfunktionen von Enddarm und Harnblase.
Das Guillian-Barré-Syndrom (GBS) ist eine akut oder subakut verlaufende Polyradikuloneuritis, die innerhalb von Tagen bis Wochen das Erkrankungsmaximum erreicht. Es kommt zu einer multifokalen Demyelinisierung und/oder axonalen Schädigung der peripheren Nerven und der Rückenmarkwurzeln. Sie ist seit dem Rückgang der Poliomyelitis die häufigste Ursache akuter schlaffer Lähmungen in der westlichen Welt.
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