Die Honigbiene, Apis mellifera, verfügt über ein erstaunlich leistungsfähiges Gehirn, das trotz seiner geringen Größe von etwa 1 Million Neuronen zu bemerkenswerten kognitiven Leistungen fähig ist. Dies hat die westliche Honigbiene Apis mellifera immer häufiger in den Fokus der Forschung gerückt.
Bienen als Modellorganismen in der Forschung
Insekten, insbesondere die Honigbiene, dienen als wichtige Modellorganismen für die Forschung. Traditionell wurde vor allem die Fruchtfliege Drosophila melanogaster eingesetzt, doch die Honigbiene rückt zunehmend in den Vordergrund. Dies liegt an ihrem komplexen Sozialverhalten und ihren Fähigkeiten in den Bereichen Orientierung, Kommunikation, Lernen und Gedächtnis.
Die Intelligenz der Bienen
Bienen sind zu erstaunlichen kognitiven Leistungen in der Lage, um sich in einer komplexen äußeren Umgebung und im eigenen Nest zurechtzufinden. Trotz ihres kleinen Gehirns sind Bienen hochflexibel und intelligent. Sie können sich in einer komplexen äußeren Umgebung und im eigenen Nest zurechtfinden.
Sensorische Fähigkeiten und Verarbeitung von Reizen
Mit sensiblen Sinnesorganen nehmen Bienen vielfältige Reize auf, darunter Düfte, Farben, Formen, Mengen, Licht, Berührung und Magnetfelder. Diese Reize werden in ihrem Gehirn verarbeitet. Sie registrieren nicht nur jede einzelne Komponente des Blütenduftes, sondern auch die für jede Blume spezielle Mixtur und deren Wert für die Nektarsuche. Da das Nektarangebot der aufgesuchten Pflanzen sowohl während der Saison als auch während des Tages schwankt, müssen Bienen ihre Sammelroute ständig aktualisieren.
Lernen und Gedächtnis
Bienen lernen sehr schnell und merken sich, zu welcher Tageszeit sie an einem bestimmten Ort Nektar oder Pollen finden. Sie lernen auch, wie sie komplexe Blütenmechanismen bedienen müssen, um an den Nektar heranzukommen. Die Landschaft prägen sie sich mit einer Art „inneren Landkarte“ ein, die sich in den sogenannten Pilzkörpern ihres Gehirns verorten lässt. Egal wie lange sie auf der Suche nach Nahrung zuvor herumgeirrt sind - beim nächsten Mal steuern sie diesen Ort wie am Faden gezogen wieder an.
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Kommunikation und Koordination
Bienen tauschen nicht nur Informationen über Nektar und Pollen aus, sondern auch über Wasserquellen und Harzstellen. Sie koordinieren komplexe Prozesse wie das Schwärmen und die anschließende Wohnungssuche. Der blinde Schweizer Naturwissenschaftler François Huber (1750-1831) hat gezeigt, wie Bienen in der Bautraube den Beginn des Wabenbaus vorausschauend abstimmen, ebenso die Baurichtung der Waben und dabei flexibel auf sich ändernde Gegebenheiten reagieren.
Neuronale Grundlagen der Bienenintelligenz
Das Gehirn der Biene enthält etwa 1 Million Neuronen. Ein 35.000 Individuen großes Bienenvolk bringt es auf etwa 35 Milliarden Neurone, das sind mehr als ein Drittel vom Gehirn eines Menschen, welches etwa 86 Milliarden Nervenzellen enthält.
Pilzkörper als Zentren der Intelligenz
Bienen besitzen wie alle Insekten im Gehirn besonders auffällige Strukturen, so genannte Pilzkörper. Sie bestehen aus etwa 170 000 dicht gepackten Nervenzellen und liegen symmetrisch links und rechts im Hirn. Hier kommen Informationen über Bilder, Düfte und mechanische Reize an, werden verarbeitet und gespeichert. Pilzkörper wurden deshalb auch als Sitz der Insektenintelligenz bezeichnet.
Interhemisphärische Konnektivität
Es wurde nachgewiesen, dass die beiden Pilzkörper miteinander verschaltet sind und somit ein den beiden Hirnseiten übergeordnetes integratives Lernzentrum bilden. Mit dieser Funktion scheinen die Pilzkörper den Seiten übergreifenden Strukturen der Wirbeltierhirne zu ähneln.
Olfaktorische Verarbeitung
Bei der Wahrnehmung und Verarbeitung olfaktorischer Reize leisten die Insekten Erstaunliches. Der umgekehrte Lernprozess ist wesentlich anspruchsvoller, denn hierbei durften sie nur ihren Rüssel strecken, wenn sie die einzeln angebotenen Düfte wahrnahmen, nicht jedoch beim Gemisch. Zur Lösung dieser Lernaufgaben mussten die Bienen die Informationen, die in dem linken und dem rechten Pilzkörper ankamen, miteinander vergleichen und bewerten können, das Duftgedächtnis der Honigbiene wird also Seiten übergreifend gebildet.
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Experimentelle Studien zur Bienenintelligenz
Geruchssinn und neuronale Codierung
Ein Team von Forschern hat einen Calcium-Sensor in eine Honigbiene integriert, um die neuronale Informationsverarbeitung zu untersuchen, unter anderem die Reaktion auf Gerüche. Ein Calcium-Sensor wurde unmittelbar in das Nervengewebe - die Neuronen - eingebaut. Calcium spielt eine wichtige Rolle bei der Aktivität von Nervenzellen. „Wir haben den genetischen Code von Honigbienen so verändert, dass ihre Gehirnzellen ein fluoreszierendes Protein produzieren. Dieses dient als Sensor, mit dem wir die Bereiche überwachen können, die als Reaktion auf Umweltreize aktiviert werden. Die Intensität des ausgestrahlten Lichts variiert je nach neuronaler Aktivität“, erklärt Dr. Prof. Martin Beye von der Universität Düsseldorf.
Für die Untersuchungen wurde ein so genanntes Konfokales Zwei-Photonen-Fluoreszenzmikroskop eingesetzt. Dabei wird Licht aus verschiedenen Richtungen auf einen winzigen Punkt fokussiert. Nur wenn zum gleichen Zeitpunkt zwei Lichtteilchen (Photonen) auf eines der fluoreszierenden Proteine treffen, das an einen gerade aktiven Calciumkanal gekoppelt ist, wird dieses Protein angeregt. „Die Messungen am lebenden Tier wurden mit einem ‚Konfokalen Zwei-Photonen-Fluoreszenzmikroskop‘ durchgeführt, mit dem wir von außen ins Gehirn der Biene schauen können. Dazu wird das Tier in einen Messstand geschnallt und dann werden ihm verschiedene Geruchsproben präsentiert“, so Dr. Marianne Otte von der Universität Düsseldorf und Prof. Dr.
Lernverhalten und Belohnung
Bienen lernen nicht allein und nicht für sich allein. Vor über fünfzig Jahren führte der Bienen- und Verhaltensforscher Martin Lindauer ein Experiment durch: Er dressierte die Sammelbienen eines Bienenvolkes auf eine Futterquelle, die zwischen 5 und 6 Uhr morgens zur Verfügung stand. Anschließend entnahm er aus diesem Volk verdeckelte Brut und ließ die jungen Bienen in einem anderen Volk schlüpfen, welches ganztägig eine Nektarquelle anfliegen konnte. Durch Beobachtungsstudien wissen die Forscher, dass die Bienen deswegen so schnell lernen, weil sie für jedes Erinnern sofort mit leckerem Nektar belohnt werden. "Belohnungslernen ist ungeheuer effektiv", sagt Grünewald.
Mathematische Fähigkeiten
Forschende der RMIT University in Melbourne haben in verschiedenen Experimenten mit Farbtafeln herausgefunden, das Bienen Matheaufgaben lösen können. Die Farbtafeln haben verschiedene Farben und unterschiedlich viele Quadrate. Bereits kurz nach dem Training haben die Bienen begriffen, dass Blau für Addition und Gelb für Subtraktion steht und haben dann Aufgaben wie 2+1 oder 4-1 gelöst. Zwar ist das Rechnen keine Fähigkeit, die Bienen in ihrem Alltag häufig brauchen, aber die australischen Forschenden glauben, dass die mentalen Prozesse, die mit dieser Rechenfähigkeit verknüpft sind, den Bienen im Alltagsleben Vorteile bringen können. Beispielsweise wenn es darum geht, welche Blütenmerkmale beim Nektarsammeln wertvolle Ressourcen ankündigen und welche nicht.
Lernen durch Beobachtung
Eine weitere intelligente Eigenschaft konnte bei Erdhummeln gezeigt werden, die nämlich durch Abgucken lernen. Dazu haben Forschende der Queen Mary University of London ein Experiment gemacht, in dem sie den Erdhummeln beigebracht haben, kleine gelbe Bälle in ein Loch zu rollen. "Den Erdhummeln wurde beigebracht, kleine gelbe Bälle zielgenau in ein kleines Loch zu rollen. So eine Art 'Hummelgolf'. Zur Belohnung gab es Zuckerwasser.Mario Ludwig, Biologe Diese Art Hummelgolf haben die Insekten schnell gelernt. Zur Belohnung haben sie Zuckerwasse bekommen. Im zweiten Teil des Experimentes haben untrainierte Hummeln zugesehen, wie eine der trainierten Hummeln den Ball ins Loch rollt, um an das Zuckerwasser zu kommen. Dabei haben die Forschenden festgestellt, dass die untrainierten Hummeln alleine durch Zusehen lernen, die Kugel ins Loch zu rollen.
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Logisches Denken
Bei Wespen geht es mit der Intelligenz noch einen Schritt weiter. Wespen können nämlich offenbar logisch Planen. Forschende der Universität Michigan haben Feldwespen darauf trainiert, zwischen zwei Farben zu unterscheiden. Wenn sich die Wespen der falschen Farbe annähern, bekommen sie als eine Art Bestrafung einen leichten Stromschlag. So lernen die Wespen innerhalb weniger Tage besser auf der Farbe A anstatt auf Farbe B zu landen, und lieber auf C als auf B und so weiter. Letztendlich beherrschen sie vier Farbpaare mit fünf verschiedenen Farben. In einem nächsten Schritt haben die Forschenden den Wespen neue Farbkombinationen präsentiert, mit denen sie vorher noch nicht konfrontiert waren. Und tatsächlich sind die Wespen auch bei den ihnen unbekannten Kombinationen auf den richtigen Farben gelandet. Für die Forschenden ein klarer Beweis, dass Wespen logisch schlussfolgern können.
Schlaf und Gedächtniskonsolidierung
Dass das menschliche Gehirn Gelerntes im Schlaf festigt, ist bekannt. Dass dies auch bei der Biene der Fall ist, die schlafend möglicherweise sogar Traumphasen durchlebt, erklärt der Neurobiologe Randolf Menzel: „Bienen zeigen im Schlaf etwas ganz Ähnliches wie die REMPhasen beim Menschen, also jene traumintensiven Phasen, in denen sich unsere Augen schnell bewegen - Rapid Eye Movement. Die Bienen machen im Schlaf oft ganz schnelle Antennenbewegungen.
Umwelteinflüsse auf die Bienenintelligenz
Versuche haben gezeigt, dass Pestizide das Lernvermögen von Bienen und ihre Fähigkeit zur Orientierung in der Landschaft stark beeinträchtigen können. Bei Honigbienen weiß man auch, dass die Ernährung mit Honig u. a.
Die Bedeutung der neuronalen Verschaltung
Britische Forschende, die sich mit der Intelligenz von Insekten beschäftigen, erklären dieses Phänomen damit, dass wir bei Computern auch nicht erwarten, dass die größeren bessere Leistung bringen. Nach Ansicht der englischen Wissenschaftler hängt Intelligenz nicht entscheidend von der Hirngröße, sondern von der Art der neuronalen Verschaltung ab. Und dazu sind offenbar nur wenige Neuronen (Nervenzellen) notwendig.