Unsere Gesichtsmuskeln sind ein natürliches Werkzeug der Mimik und damit der menschlichen Kommunikation. Eine plötzliche Regungslosigkeit oder Lähmung dieser Muskeln kann eine einschneidende Erfahrung sein. Wenn die Mimik plötzlich schlaff und wie eingefroren wirkt, kann ein ausgefallener Gesichtsnerv die Ursache sein. Jährlich erkranken etwa 25 von 100.000 Menschen an einer sogenannten Fazialisparese, was so viel wie "erschlafftes Gesicht" bedeutet. Oft ist nur eine Gesichtshälfte betroffen, und die Beschwerden gehen mit der Zeit wieder vollständig zurück.
Typische Symptome einer einseitigen Gesichtslähmung
Typische Anzeichen für einseitig gelähmte Gesichtsmuskeln sind:
- Asymmetrisch wirkende Gesichtszüge
- Hängender Mundwinkel
- Undeutliche Sprache
Betroffene haben oft Schwierigkeiten, die Stirn zu runzeln, die Wangen aufzublasen oder die Augen zusammenzukneifen. Auch der Geschmackssinn kann beeinträchtigt sein.
Hängender Mundwinkel: Wann ist es ein Notfall?
Es ist wichtig zu wissen, dass ähnliche halbseitige Beschwerden auch andere Ursachen haben können, zum Beispiel einen Schlaganfall. Eine umgehende ärztliche Abklärung ist ratsam, insbesondere wenn nicht nur die Mimik betroffen ist und folgende weitere Symptome auftreten:
- Arme und Beine einer Körperhälfte sind schlaff oder taub.
- Sehstörungen wie Gesichtsfeldausfälle oder Doppelbilder treten auf.
- Wortfindungsstörungen oder Schwierigkeiten, Sprache zu verstehen, bestehen.
- Schwindel mit Gangunsicherheit tritt auf.
- Starke Kopfschmerzen bestehen.
Ursachen für einen hängenden Mundwinkel
Die Ursachen für hängende Mundwinkel können vielfältig sein.
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Ursachen der Fazialisparese
Wenn die mimische Muskulatur ihren Dienst versagt, kann der Arzt nicht immer den Grund dafür finden. In rund 60 bis 75 Prozent aller Gesichtslähmungen lässt sich keine Ursache feststellen. Ärzte sprechen dann von einer idiopathischen Form, die vermehrt in Frühjahr und Herbst auftritt. Mögliche Ursachen der anderen 25 bis 40 Prozent können sein:
- Infektion mit Borrelien (häufigste Ursache bei Kindern)
- Viruserkrankungen, zum Beispiel Herpes Zoster des Ohrs
- Mittelohrentzündungen
- Sturz oder Trauma
- Andere seltene Erkrankungen
- Gut- oder bösartige Gewebsvermehrungen
Auch eine fortgeschrittene Schwangerschaft oder ein Diabetes mellitus können eine Fazialisparese begünstigen. Eine ausgeglichene Blutzuckereinstellung ist in diesem Fall die beste Vorsorge.
Weitere Ursachen für hängende Mundwinkel
- Knöcherne Veränderungen: Im Laufe des Lebens zieht sich der Knochen im Kinn- und Kieferbereich etwas zurück, was die Wangen relativ gesehen nach vorne kommen lässt und zu den sogenannten "Hängebäckchen" führt.
- Gewichtsschwankungen: Starke Gewichtsschwankungen sollten vermieden werden.
- Sonnenexposition und Rauchen: Diese Faktoren können die Hautalterung beschleunigen und somit auch das Erschlaffen der Gesichtsmuskeln begünstigen.
- Liegefalten: Auf der Seite liegen kann die Mundwinkel betonen. Hier gibt es pflegende Pads, die man sich nachts aufkleben kann, um den Liegefalten entgegenzuwirken.
- Psychische Faktoren: Psychische Faktoren wie extremer Stress können eine Entzündung des Nervus facialis auslösen. Gesichtslähmungen treten statistisch häufiger nach Wetterumschwüngen auf.
- Hoher Blutdruck: Hoher Blutdruck und Diabetes scheinen das Phänomen ebenso wie massiver Stress zu begünstigen.
Der menschliche Gesichtsnerv: Nervus facialis
Der Gesichtsnerv, der Nervus facialis, ist essenziell für viele Funktionen im Gesicht. Er ermöglicht es uns zu lächeln, das Gesicht zu verziehen, zu weinen, zu sprechen und sogar zu schmecken. Das vielseitige Nervenbündel entspringt links und rechts am Hirnstamm. Von dort aus ziehen sich die Fasern auf der jeweiligen Seite zu den über zwanzig Gesichtsmuskeln. Auf seinem Weg durch das Mittelohr gibt der Gesichtsnerv noch kleine Nervenäste ab, die uns zum Beispiel Gefühl im äußeren Gehörgang verleihen sowie den Speichel- und Tränenfluss steuern. Er durchzieht nicht nur die mimische Muskulatur, sondern zu zwei Dritteln auch unsere Zunge. Damit ist der Gesichtsnerv ein wichtiger Teil unseres Geschmackssinns.
Schwillt der Nervus facialis an - etwa durch eine Infektion mit Bakterien oder Viren - kann es schnell zu einer Schädigung des Nervs und Funktionsstörungen kommen, die sich dann im Gesicht in Form einer Gesichtslähmung spiegeln. Der Nervus facialis ist eigentlich ein Nervenpaar - je ein Strang für die linke und rechte Hälfte des Gesichts. Wie die Äste eines Baums verzweigen sich die Arme des Nervs dann jeweils auf einer Gesichtshälfte.
Periphere und zentrale Fazialisparese
Die Namen beziehen sich auf die Lage des auslösenden Problems. Peripher bedeutet "am Rand gelegen" und meint in diesem Zusammenhang den Gesichtsnerv, der vom Gehirn bis ins Gesicht führt. Die periphere Fazialisparese ist mit rund 60 Prozent der Fälle die häufigere Form. Ursache für die Schädigung des Gesichtsnervs oder einen Teil des Nervs kann dabei ein Unfall oder eine Schwellung aufgrund einer Infektion mit Bakterien oder Viren sein. Auch am Gesichtsnerv liegende Tumore oder eine Mittelohrentzündung können periphere Fazialisparesen auslösen.
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Am bekanntesten ist die Fazialisparese als Symptom für einen Schlaganfall im Gehirn. Aber: Es gibt auch andere Ursachen. Die Fazialislähmung kann zum Beispiel auch durch Krankheiten, Infektionen oder Verletzungen hervorgerufen werden.
Die andere Form der Gesichtslähmung, die sogenannte zentrale Fazialisparese wird durch eine Verletzung im Gehirn hervorgerufen. Diese kann sowohl durch einen Schlaganfall, aber auch durch einen Tumor oder eine Entzündung des Gehirns verursacht sein.
Risikofaktoren
Die Faszialislähmung tritt meist im mittleren Lebensalter auf. Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen. Ein bekannter Risikofaktor für die Entwicklung der Gesichtslähmung ist Diabetes: Schlecht eingestellte Zuckerwerte schädigen generell die Nerven und können auch den Gesichtsnerv betreffen. Ein höheres Risiko für eine Fazialisparese haben auch Schwangere, wobei hier die Ursache unbekannt ist.
Diagnose und Therapie
Es ist wichtig, mögliche Ursachen zeitnah durch einen Arzt abklären zu lassen. Er kann mit einer speziellen Lampe ins Ohr sehen, Blut abnehmen und weitere Untersuchungen empfehlen, zum Beispiel eine Bildgebung vom Kopf oder eine Untersuchung von Hirnwasser, auch Liquor genannt. So können mögliche Auslöser entdeckt und gezielt behandelt werden.
Die Diagnose der Fazialisparese ist vor allem Ursachenforschung. Mithilfe einer Magnetresonanztomografie (MRT) oder Computertomografie (CT) untersucht der Arzt oder die Ärztin, ob der Auslöser im Gehirn liegt. Im nächsten Schritt wird Blut abgenommen oder eine Lumbalpunktion zur Gewinnung von Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit durchgeführt. Auch eine Mittelohrentzündung kann den Nervus facialis in Mitleidenschaft ziehen, daher kann für die Diagnose eine Zusammenarbeit zwischen HNO-Arzt und Neurologen sehr hilfreich sein.
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Konservative Behandlung
Lässt sich keine Ursache finden, ist die Prognose dennoch günstig. Die idiopathische Form der Gesichtslähmung bildet sich auch unbehandelt bei rund 85 Prozent der Betroffenen innerhalb weniger Wochen oder Monate meist vollständig zurück. Das gilt insbesondere dann, wenn die Mimik nur teilweise ausfällt. In der Behandlung kommen Kortison in Tablettenform sowie befeuchtende Augensalben oder -tropfen zum Schutz der Hornhaut zum Einsatz, da Betroffene die Augenlider oft nicht richtig schließen können. Ein spezielles Augenpflaster mit einem Sichtfenster, ein sogenannter Uhrglasverband, kann trockenen Augen entgegenwirken.
Mittels Infusionen verabreichen Arzt oder Ärztin auch manchmal durchblutungsfördernde Medikamente. Bei Vitamin-B12-Mangel wird mit Präparaten aus dem Vitamin-B-Komplex behandelt. Hierbei werden insbesondere Vitamin B12 aber auch Vitamin B6 und B1 eingesetzt. Da bei den meisten Patienten und Patientinnen mit peripherer Fazialisparese eine Schädigung der Lidschluss-Funktion besteht, muss das Auge besonders gepflegt werden, damit sich die Hornhaut nicht entzündet. Das geschieht mit künstlicher Tränenflüssigkeit und Augensalbe. Nachts tragen Patienten einen sogenannten Uhrglasverband (eine Art durchsichtige Augenklappe im Pflasterformat), um vor Austrocknung zu schützen.
Übungen und Selbsthilfe
Auch bei guter Prognose haben viele Betroffene das Bedürfnis, selbst etwas zu unternehmen, um ihr Lächeln zurückzugewinnen. Auch wenn der Nutzen vieler zusätzlicher Maßnahmen nicht eindeutig belegt ist, kann der Arzt Übungen für zu Hause empfehlen. Diese können mehrmals täglich daheim vor dem Spiegel durchgeführt werden:
- Massieren Sie Ihr Gesicht sanft mit den Fingern oder mit einer elektrischen Zahnbürste.
- Schneiden Sie Grimassen.
- Setzen Sie Temperaturreize, zum Beispiel durch kurze Berührungen mit einem Eiswürfel.
- Sprechen Sie nacheinander die Vokale a, e, i, o und u.
Zudem können Sie Ihren Kopf vor Zugluft und starker Unterkühlung durch Klimaanlagen, offene Fenster oder Ventilatoren schützen. Akupunktur wird vielerorts angeboten und kann möglicherweise helfen, die Beschwerden zu lindern.
Spezielle Fazialisparese-Übungen ermöglichen es den Betroffenen, unter professioneller Anleitung das Sprechen zu verbessern, leichter essen und trinken zu können sowie Gesichtsausdrücke zu trainieren. Auch müssen Erkrankte lernen, wie sie das Auge - wenn es sich nicht mehr richtig schließen lässt - vor Umwelteinflüssen im Alltag schützen können. Das erleichtert ihnen den Umgang mit der Gesichtslähmung.
Unterstützend wirken krankengymnastische Übungen, die nach vorheriger Anleitung selbst vor einem Spiegel durchgeführt werden können. Eine Besserung der Lähmung soll auch ein Training der mimischen Gesichtsmuskulatur bewirken sowie Massagen und Lymphdrainagen.
Filler und Operationen
Bei nur dezent ausgeprägten Mundwinkelfurchen kann man mit Fillern oder auch Eigenfett arbeiten, um diese zu kaschieren. Bei tieferen Mundwinkeln und längeren Furchen ist in der Regel ohne OP nicht sehr viel zu erreichen. Filler aus Hyaluronsäure wirken für etwa ein Jahr, manchmal auch länger. Eigenfett bleibt teilweise dauerhaft bestehen. Bei der Behandlung mit Fillern ist das Verhalten danach kaum eingeschränkt. Massagen und extremen Sport sowie Sonnenexposition würde ich für einige Tage vermeiden. Wie bei jeder Fillerbehandlung kann es zu blauen Flecken und Schwellungen kommen.
Gelingt der Lidschluss trotz optimaler Behandlung nicht wieder von allein, kann das Lid auch künstlich beschwert werden. In wenigen Fällen hat eine Fazialisparese Langzeitfolgen. Ist die Gesichtslähmung chronisch (dauerhafte Schädigung der Nerven) und beispielsweise der Lidschluss des Auges eines Patienten gestört, gibt es die Möglichkeit der Therapie mit rekonstruktiver, plastischer Operation. Ein offenstehendes Unterlid kann beispielsweise mit einer besonderen Operationstechnik (Canthoplastik) behandelt werden. Eine entsprechende OP am Oberlid, bei der das Sichtfeld korrigiert wird, heißt Blepharoplastik.
Ein Facelift birgt in der Hand eines erfahrenen Chirurgen auch wenige Risiken. Wird jedoch zu nah in Richtung Kinn operiert, so steigt das Risiko von Nervenverletzungen. Das bedeutet, es kommt zu einem „schiefen“ Lachen, was natürlich furchtbar wäre.
Regenerationsfähigkeit von Nerven
Wie alle Organe in unserem Körper haben auch Nerven die Fähigkeit, sich zu erholen. Die elektrischen Fasern regenerieren dabei im Vergleich viel langsamer als andere Gewebsarten: Nur wenige Millimeter kann ein Nerv pro Tag nachwachsen, wenn er zum Beispiel bei einer Operation durchtrennt wurde. Einige Erkrankungen können die elektrischen Faserbündel nachhaltig schädigen, so zum Beispiel ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus.
Vorbeugung
Da viele Gesichtslähmungen buchstäblich aus heiterem Himmel auftreten, gibt es nicht allzu viele Tipps zur Vorbeugung. Grundsätzlich sollte man aber Erkrankungen wie Mittelohrentzündungen oder eine Borreliose ernst nehmen und ärztlich behandeln lassen. Das Tragen eines Helms beim Radfahren oder bei anderen risikoreichen Sportarten kann Schädelverletzungen verhindern, die ebenfalls Ursache einer Gesichtslähmung sein können. Interessanterweise treten Gesichtslähmungen statistisch häufiger nach Wetterumschwüngen auf.
Starke Gewichtsschwankungen sollten vermieden werden, ebenso wie Sonnenexposition und Rauchen. Auch Liegefalten (auf der Seite liegen) können die Mundwinkel betonen.
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