Ein hängender Mundwinkel ist ein häufiges Symptom, das viele Menschen beunruhigt, da es oft mit einem Schlaganfall in Verbindung gebracht wird. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass ein hängender Mundwinkel, auch Fazialisparese genannt, verschiedene Ursachen haben kann. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen eines hängenden Mundwinkels, insbesondere im Zusammenhang mit einem Schlaganfall, und beschreibt verschiedene Behandlungsmöglichkeiten.
Einführung in die Fazialisparese
Die Fazialisparese, auch Gesichtslähmung genannt, ist eine Funktionsstörung des Nervus facialis (VII. Hirnnerv), der hauptsächlich für die Aktivierung der mimischen Gesichtsmuskulatur zuständig ist. Sie äußert sich durch eine Schwäche oder Lähmung der Gesichtsmuskulatur, die zu einem hängenden Mundwinkel, Schwierigkeiten beim Schließen des Auges und anderen Beeinträchtigungen der Gesichtsmimik führen kann.
Ursachen eines hängenden Mundwinkels
Ein hängender Mundwinkel kann verschiedene Ursachen haben. Es ist wichtig, zwischen zentralen und peripheren Ursachen zu unterscheiden, da dies die Behandlung beeinflusst.
Zentrale Ursachen
Die häufigste Ursache einer zentralen Fazialisparese ist ein Schlaganfall. Ein Schlaganfall tritt auf, wenn die Blutversorgung des Gehirns unterbrochen wird, entweder durch einen Gefäßverschluss (ischämischer Schlaganfall) oder eine Blutung (hämorrhagischer Schlaganfall). Wenn der Schlaganfall den Bereich des Gehirns betrifft, der für die Steuerung der Gesichtsmuskulatur zuständig ist, kann dies zu einer zentralen Fazialisparese führen. Weitere Ursachen für eine zentrale Fazialisparese können sein:
- Zentrale Demyelinisierungen, z. B. im Rahmen einer Multiplen Sklerose
- Raumforderungen jedweder Art
Im Gegensatz zur peripheren Fazialisparese sind bei der zentralen Form die Stirnmuskulatur und der Lidschluss oft nicht betroffen, da die mimische Muskulatur der oberen Gesichtshälfte von beiden Großhirnhemisphären versorgt wird.
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Periphere Ursachen
Die periphere Fazialisparese ist die häufigere Form und betrifft den Nervus facialis außerhalb des Gehirns. Die Ursachen können vielfältig sein:
- Idiopathische Fazialisparese (Bell'sche Parese): In den meisten Fällen (60-75 %) bleibt die Ursache ungeklärt. Vermutet wird ein Virusinfekt, z. B. das Wiederauftreten einer Herpes-simplex-Infektion.
- Infektionen: Bakterielle oder virale Infektionen, wie z. B. Influenza B, COVID-19, Zytomegalie, Varizellen/Herpes Zoster, Neuroborreliose oder Mumps können eine Fazialisparese verursachen. Am häufigsten sind die Neuroborreliose oder ein Zoster oticus verantwortlich.
- Traumatische Läsionen: Felsenbeinfrakturen oder iatrogen gesetzte Schäden während einer Operation können den Nervus facialis schädigen.
- Entzündliche Erkrankungen: Otitis media oder das Guillain-Barré-Syndrom können ebenfalls eine Fazialisparese verursachen.
- Raumforderungen: Tumore im Nervenverlauf des N. facialis (z. B. Schwannome, Meningeome, Cholesteatome oder maligne Tumore) können den Nerven komprimieren und somit schädigen.
- Andere Ursachen: Diabetes mellitus (schlecht eingestellte Zuckerwerte schädigen generell die Nerven), Schwangerschaft, psychische Faktoren wie extremer Stress oder banale Umgebungsfaktoren wie Zugluft können eine Entzündung des Nervus facialis auslösen.
Symptome der Fazialisparese
Die Symptome einer Fazialisparese können je nach Ursache und Schweregrad variieren. Typische Symptome sind:
- Hängender Mundwinkel
- Unfähigkeit, die Stirn zu runzeln
- Unzureichender Lidschluss (führt zu trockenem Auge und erhöhtem Risiko für Hornhautschädigungen)
- Verminderte Speichelproduktion oder Tränensekretion
- Überempfindlichkeit für Geräusche (Hyperakusis)
- Geschmacksstörungen
- Asymmetrie des Gesichts (glatte Stirn, verstrichene Falten)
- Speichelfluss aus dem Mundwinkel
- Schmerzen hinter dem Ohr (retroaurikulär)
- Missempfindungen im Bereich der Wange
Bei einer zentralen Fazialisparese ist der Stirnast kaum betroffen, die Stirn kann also gerunzelt und das Auge geschlossen werden, gelegentlich leicht abgeschwächt.
Diagnose der Fazialisparese
Die Diagnose der Fazialisparese basiert auf der Anamnese, der klinischen Untersuchung und gegebenenfalls weiteren diagnostischen Maßnahmen.
- Anamnese: Der Arzt erfragt die Krankengeschichte des Patienten, einschließlich der Symptome, des zeitlichen Verlaufs und möglicher Risikofaktoren.
- Klinische Untersuchung: Der Arzt untersucht die Gesichtsmuskulatur, um den Schweregrad der Lähmung zu beurteilen und andere neurologische Auffälligkeiten auszuschließen. Dabei wird der Patient aufgefordert, verschiedene Gesichtsbewegungen auszuführen, wie z. B. die Stirn zu runzeln, die Augen zu schließen, die Zähne zu zeigen oder den Mund zu spitzen.
- Neurologische Untersuchung: Es sollte auf etwaige weitere Hirnnervenläsionen und Begleiterscheinungen neben der motorischen Symptomatik geachtet werden.
- Bildgebung: In der Regel wird eine Magnetresonanztomografie (MRT) oder Computertomografie (CT) durchgeführt, um die Ursache der Fazialisparese zu ermitteln. Ein MRT ist besonders geeignet, um die Strukturen um den Verlauf des N. facialis herum genauer darzustellen.
- Laborchemische Diagnostik: Es sollte ein Differentialblutbild, eine Borrelien-Serologie, eine Varizella-Zoster-Serologie und ggf. die Bestimmung von Gangliosid-Autoantikörpern bei Verdacht auf ein Guillain-Barré-Syndrom durchgeführt werden.
- Lumbalpunktion: In einigen Fällen kann eine Lumbalpunktion erforderlich sein, um Entzündungen oder Infektionen des Nervensystems auszuschließen.
Behandlung der Fazialisparese
Die Behandlung der Fazialisparese richtet sich nach der Ursache und dem Schweregrad der Erkrankung.
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Medikamentöse Therapie
- Glukokortikoide (Kortison): Bei der idiopathischen Fazialisparese wird häufig eine Behandlung mit oralen Glukokortikoiden (z. B. Prednisolon) empfohlen, um die Entzündung des Nervs zu reduzieren und die Regeneration zu fördern.
- Virostatika: Bei Verdacht auf eine Virusinfektion (z. B. Herpes Zoster) können Virostatika eingesetzt werden.
- Antibiotika: Bei einer bakteriellen Infektion (z. B. Neuroborreliose) werden Antibiotika eingesetzt.
- Symptomatische Therapie: Augentropfen und Augensalben werden verwendet, um das Auge vor Austrocknung zu schützen, insbesondere wenn der Lidschluss unvollständig ist.
Physiotherapie
Physiotherapeutische Übungen können helfen, die Gesichtsmuskulatur zu stärken und die Koordination zu verbessern. Es gibt spezielle Fazialisparese-Übungen, die unter professioneller Anleitung durchgeführt werden können.
Weitere Therapien
- Transkutane Nervenstimulation: Leichte Stromwellen regen die betroffenen Nerven und Muskeln an.
- Botulinumtoxin: Bei Synkinesien (unwillkürliche Mitbewegungen der Gesichtsmuskulatur) kann Botulinumtoxin in die betroffenen Muskeln gespritzt werden, um die unwillkürlichen Bewegungen zu verhindern.
- Chirurgische Maßnahmen: In seltenen Fällen, insbesondere bei chronischen Fazialisparesen, können chirurgische Maßnahmen erforderlich sein, um die Funktion des Nervus facialis wiederherzustellen oder die Folgen der Lähmung zu korrigieren. Dazu gehören z. B. Nervenrekonstruktionen oder Lidkorrekturen.
Behandlung von Schlaganfall-bedingter Fazialisparese
Bei einer Fazialisparese als Folge eines Schlaganfalls steht die Behandlung des Schlaganfalls im Vordergrund. Dazu gehören:
- Thrombolyse: Bei einem ischämischen Schlaganfall kann eine Thrombolyse (Auflösung des Blutgerinnsels) innerhalb der ersten Stunden nach Symptombeginn durchgeführt werden, um die Durchblutung des Gehirns wiederherzustellen.
- Thrombektomie: In einigen Fällen kann eine Thrombektomie (mechanische Entfernung des Blutgerinnsels) erforderlich sein.
- Rehabilitation: Nach einem Schlaganfall ist eine umfassende Rehabilitation erforderlich, um die verloren gegangenen Funktionen wiederzuerlangen. Dazu gehören Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie.
Prognose der Fazialisparese
Die Prognose der Fazialisparese hängt von der Ursache und dem Schweregrad der Erkrankung ab. In vielen Fällen, insbesondere bei der idiopathischen Fazialisparese, ist die Prognose gut. Bei etwa 80 % der Betroffenen verschwinden die Symptome innerhalb weniger Wochen oder Monate vollständig. In manchen Fällen bleiben jedoch Restsymptome zurück, wie z. B. Synkinesien oder Kontrakturen der Gesichtsmuskulatur.
Bei einer Fazialisparese als Folge eines Schlaganfalls hängt die Prognose von der Schwere des Schlaganfalls und dem Ausmaß der Hirnschädigung ab.
Vorbeugung
Da die Ursache der Fazialisparese meist unbekannt bleibt, lässt sich ihr nur bedingt vorbeugen. Es ist jedoch wichtig, Risikofaktoren wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck und Infektionen zu kontrollieren.
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