Das Raynaud-Syndrom, auch bekannt als Morbus Raynaud oder Weißfingerkrankheit, ist eine anfallsartige Durchblutungsstörung der Finger und Zehen. Seltener können auch andere Körperteile wie Lippen, Ohren, Nase oder Knie betroffen sein. Die Erkrankung ist nach dem französischen Arzt Maurice Raynaud benannt, der sie im 19. Jahrhundert erstmals beschrieb.
Was ist das Raynaud-Syndrom?
Beim Raynaud-Syndrom kommt es zu einer krampfartigen Verengung der kleinen Blutgefäße in den Fingern oder Zehen, wodurch die Blutzufuhr unterbrochen wird. Dies führt zu einer typischen Farbveränderung der betroffenen Hautareale, die sich in drei Phasen einteilen lässt:
- Blasse Haut: Durch die Verengung der Arterien fließt weniger Blut in die Finger oder Zehen, wodurch diese weiß und blutleer erscheinen. Sie fühlen sich oft kalt, taub oder eingeschlafen an, begleitet von Kribbeln oder Missempfindungen.
- Bläuliche Haut: Als Reaktion auf die verengten Arterien weiten sich die Venen, was zu einer Ansammlung von venösem Blut in den Extremitäten führt. Dadurch verfärben sich die Finger oder Zehen bläulich.
- Gerötete Haut: Schließlich löst sich die Gefäßverkrampfung, und die Durchblutung nimmt wieder zu. Die Finger oder Zehen färben sich rötlich, oft begleitet von Schmerzen.
Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle drei Phasen bei jedem Anfall vollständig ablaufen müssen.
Ursachen und Risikofaktoren
Ätiologisch wird zwischen primären und sekundären Formen unterschieden, bei denen es zu episodisch auftretenden Vasokonstriktionen der digitalen Arterien, präkapillären Arteriolen sowie zu kutanen arteriovenösen Shunts kommt.
Primäres Raynaud-Syndrom
Das primäre Raynaud-Syndrom tritt ohne erkennbare Ursache auf und wird als idiopathisches Raynaud-Phänomen bezeichnet. Es scheint nicht mit anderen Erkrankungen in Zusammenhang zu stehen. Fachleute vermuten, dass bei Betroffenen ein bestimmter Teil des vegetativen Nervensystems, der sogenannte Sympathikus, anders reagiert als bei anderen Menschen. Möglicherweise sind die Blutgefäße in Füßen und Händen empfindsamer für Reize wie Kälte oder Stress, was zu den krampfartigen Verengungen der Gefäße führt.
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Typische Zeichen eines primären RPs sind:
- Vasospastische Attacken, die durch Kälte oder Emotionen ausgelöst werden
- Symmetrische Attacken (Beide Hände)
- Normale Nagelbett-Kapillaren (Kapillarmikroskopie)
- Kein Anhalt für eine Erkrankung, die als Ursache für ein sekundäres RP dient.
- Normale BSG und negative ANA
Sekundäres Raynaud-Syndrom
Das sekundäre Raynaud-Syndrom entwickelt sich infolge einer Grunderkrankung. Dazu gehören:
- Autoimmunerkrankungen: Systemische Sklerodermie, systemischer Lupus erythematodes, rheumatoide Arthritis, Dermatomyositis, Polymyositis, Mixed Connective Tissue Disease (MCTD) / Overlap-Syndrom, Kollagenosen und Vaskulitiden. Bis zu 90 Prozent der Patientinnen und Patienten mit einer systemischen Sklerose haben ein Raynaud-Phänomen als erstes Symptom oder bekommen es im Verlauf der Erkrankung.
- Neurologische und neurovaskuläre Erkrankungen
- Erkrankungen des Blutes
- Äußere Einwirkungen: Ständige Erschütterungen, wie sie beispielsweise beim Umgang mit einem Presslufthammer auftreten.
- Medikamente: Betablocker, Migränemittel, Ergotamine, Bromocriptin, Cabergolin und andere gefäßverengende Medikamente.
- Drogenmissbrauch
- Berufliche Exposition: Hantieren mit Vinylchlorid oder chronische Erschütterungen durch Vibrationswerkzeuge.
Symptome des Raynaud-Syndroms
Die Symptome des Raynaud-Syndroms können je nach Form und Schweregrad variieren.
Primäres Raynaud-Syndrom
Beim primären Raynaud-Syndrom sind meist Zeige-, Mittel-, Ring- und kleiner Finger betroffen, während der Daumen oft ausgespart bleibt. Die Attacken treten in der Regel symmetrisch an beiden Händen auf und dauern nicht länger als 30 Minuten. Die Durchblutungsstörung ist meist schwach ausgeprägt, sodass keine Gewebeschäden zu befürchten sind.
Sekundäres Raynaud-Syndrom
Beim sekundären Raynaud-Syndrom kann die Durchblutungsstörung asymmetrisch auftreten. Die Attacken sind oft schwerer und schmerzhafter als beim primären Phänomen. In schweren Fällen kann es zu Nekrosen (offenen Finger) oder nicht heilenden Wunden kommen.
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Diagnose des Raynaud-Syndroms
Die Diagnose des Raynaud-Syndroms wird in der Regel klinisch-anamnestisch gestellt. Da sich die meisten Patienten nicht während einer Raynaud-Attacke vorstellen, ist die klinische Untersuchung der Hände in der Regel unauffällig. Entscheidend ist zunächst, die Sensitivität der Hände auf Kälteexposition und die damit verbundenen Farbänderungen (weiße oder blaue, dann rote Finger) zu erfragen.
Die Anamnese sollte eine detaillierte Erfragung der Symptome, etwaiger Begleiterkrankungen, stattgehabter Traumen und eine komplette Medikamentenanamnese beinhalten. Des Weiteren sind Laboruntersuchungen (BSG, Auto-Antikörper) sowie spezielle diagnostische Maßnahmen (Kapillarmikroskopie, Laser-Doppler) hilfreich. Im Zweifelsfall kann auch versucht werden, durch Kälte-Expositions-Tests Raynaud-Attacken gezielt auszulösen.
Um die Diagnose zu sichern und eine mögliche Grunderkrankung auszuschließen, können folgende Untersuchungen durchgeführt werden:
- Körperliche Untersuchung: Inspektion der Hände und Füße, Blutdruckmessung an beiden Armen, Untersuchung der Haut und Schleimhäute, neurologische Untersuchung.
- Laboruntersuchungen: Großes Blutbild, Bestimmung von Markern und Werten im Blut, Urinuntersuchung.
- Kapillarmikroskopie des Nagelfalzes: Analyse der Haargefäße im Nagelfalz, um Hinweise auf eine Kollagenose zu finden.
- Kälteprovokationstest: Überprüfung, ob die Hände oder Füße bei Kälte weiß werden.
- Faustschlussprobe: Beurteilung der Durchblutung der Hände nach Faustschluss.
- Ultraschall oder Angiographie: Untersuchung der Blutgefäße mittels Ultraschall oder Kontrastmittel.
Differenzierung zwischen primärem und sekundärem Raynaud-Phänomen
Ist die Diagnose RP gestellt, so ist die Differenzierung zwischen primärem und sekundärem RP hinsichtlich Prognose und therapeutischer Strategien von großer Relevanz.
Die Differenzierung zwischen primärem und sekundärem RP kann jedoch schwierig sein. Die Beurteilung vaskulärer Veränderungen der digitalen Gefäße wird durch die Kapillarmikroskopie der Nagelbettkapillaren ermöglicht. Hierbei werden unter anderem die Morphologie der Kapillarschlingen sowie Einblutungen und der Blutfluss beurteilt.
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Therapie des Raynaud-Syndroms
Die Therapie des Raynaud-Syndroms richtet sich nach der Form der Erkrankung und dem Schweregrad der Symptome.
Allgemeine Maßnahmen
Unabhängig von der Form des Raynaud-Syndroms sollten folgende allgemeine Maßnahmen beachtet werden:
- Kälte meiden: Tragen von warmer, nicht einengender Kleidung, insbesondere Handschuhen (bevorzugt Fäustlinge), Muffs, Taschenöfen, Schuhen mit dicken Sohlen, Einlegesohlen und warmen Wollsocken. Beheizbare Wärmehandschuhe können hilfreich sein.
- Stress reduzieren: Entspannungsübungen wie autogenes Training, progressive Muskelentspannung oder Yoga können helfen, Stress abzubauen.
- Nikotinverzicht: Nikotin wirkt sich negativ auf die Gefäßgesundheit aus und sollte vermieden werden.
- Regelmäßiges Gefäßtraining: Gymnastik, Wechselbäder, Sport und Massagen der Finger können die Durchblutung fördern.
- Gute Hautpflege: Regelmäßiges Eincremen der Hände beugt trockener Haut vor.
- Vermeidung von auslösenden Faktoren: Identifizierung und Vermeidung von individuellen Auslösern wie bestimmten Medikamenten oder beruflichen Belastungen.
- Ernährung: Eine Ernährung, die reich an Omega-3-Fettsäuren ist (z. B. Fettfisch, Walnüsse, pflanzliche Öle), kann in manchen Fällen positive Effekte haben. Koffeinhaltige Getränke sollten mit Vorsicht genossen werden, da sie gefäßverengend wirken können.
Medikamentöse Therapie
Wenn die allgemeinen Maßnahmen nicht ausreichen, können Medikamente eingesetzt werden, um die Symptome zu lindern und die Durchblutung zu verbessern. Zu den häufig verwendeten Medikamenten gehören:
- Kalziumantagonisten: Nifedipin, Amlodipin, Felodipin, Isradipin oder Nisoldipin. Sie erweitern die Blutgefäße und verbessern die Durchblutung.
- ACE-Hemmer: Sie wirken ebenfalls gefäßerweiternd.
- Alpha-Rezeptorenblocker: Prazosin. Sie blockieren die Wirkung von Adrenalin an den Blutgefäßen und verhindern so eine Verengung.
- Prostaglandin-Analoga: Iloprost. Sie erweitern die Blutgefäße und wirken entzündungshemmend. Iloprost wird meist intravenös verabreicht.
- Nitrate: Topisch applizierte Nitrate können die Gefäße erweitern.
- Phosphodiesterase-5-(PDE5)-Inhibitoren: Sildenafil, Vardenafil oder Tadalafil. Sie führen zu einer Entspannung der glatten Muskulatur in den Gefäßen und verbessern die Durchblutung. Der Einsatz von PDE5-Inhibitoren beim Raynaud-Syndrom ist jedoch nichtStandard und erfolgt meist im Rahmen eines individuellen Therapieversuchs.
- Selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRIs): Fluoxetin. Sie können die Anfallshäufigkeit und den Schweregrad reduzieren.
- Angiotensin AT1-Rezeptor-Antagonisten: Losartan.
Operative Therapie
In besonders schweren Fällen, in denen andere Behandlungen nicht ausreichend wirksam sind, kann eine operative Therapie in Erwägung gezogen werden. Dabei werden die Nerven, die für die Gefäßverengung verantwortlich sind, blockiert oder durchtrennt (Sympathektomie). Allerdings sind die Ergebnisse solcher Eingriffe nicht immer optimal, und es kann zu einem Wiederauftreten des Raynaud-Syndroms kommen.
Therapie bei sekundärem Raynaud-Syndrom
Beim sekundären Raynaud-Syndrom steht die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund. Zusätzlich können die oben genannten allgemeinen Maßnahmen und Medikamente eingesetzt werden, um die Symptome zu lindern.
Verlauf und Prognose
Das primäre Raynaud-Syndrom ist in der Regel harmlos und nimmt meist einen guten Verlauf. Bei Frauen hören die Beschwerden häufig mit Beginn der Wechseljahre auf. Wie die sekundäre Form verläuft, hängt vor allem von der zugrunde liegenden Erkrankung und deren Therapie ab.
In schweren Fällen kann es beim sekundären Raynaud-Syndrom dazu kommen, dass die Endglieder von Zehen und Fingern nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden, was zu Gewebeschäden und Nekrosen führen kann. In Extremfällen kann eine Gangrän oder Amputation erforderlich sein.
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