Hängendes Augenlid: Neurologische Ursachen, Diagnose und Behandlung

Hängende Augenlider, medizinisch als Ptosis bezeichnet, können sowohl kosmetische als auch funktionelle Auswirkungen haben. Die Folgen reichen von einer rein kosmetischen Störung bis zum Verlust der Sehfähigkeit. Bei der Ptosis hängen beide Augenlider oder auch nur eines so sehr herab, dass die Unterkante des Oberlids größere Teile der Hornhaut verdeckt. Typisch ist, dass der oder die Betroffene das Lid nicht oder nur mit großer Mühe anheben kann.

Was ist Ptosis?

Als Ptosis (der griechische Begriff für "Fall") bezeichnen Mediziner, wenn das Oberlid eines oder beider Augen herabhängt. Es bedeckt die Pupille dabei zumindest teilweise, was die Sicht behindert, manchmal auch komplett. Viele Betroffenen versuchen dann bewusst oder unbewusst, die Sicht aus der verkleinerten Lidspalte zu verbessern - etwa indem sie das Kinn immer anheben. Das Ober- und das Unterlid stellen die vordere Begrenzung der Augenhöhle dar. Die Augenlider sollten bei Lidschluss die Augenoberfläche (Hornhaut und Bindehaut) vollständig bedecken. Sie bieten dadurch einen Schutz vor Berührungen, Fremdkörpern und Verletzungen für diese sensiblen Gewebe. Beim Lidschlag verteilen die Lider den Tränenfilm, der den Vorderabschnitt des Auges vor dem Austrocknen bewahrt und somit für die Qualität der durch die Hornhaut erzielten Lichtbrechung sehr wichtig ist. Ein tiefer hängendes Oberlid wird Ptosis genannt und kann verschiedene Ursachen haben.

Arten der Ptosis

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen einer angeborenen (kongenitalen) und erworbenen Ptosis. In beiden Fällen handelt es sich um eine Schwäche des Muskelzugs: Betroffene können ihr Lid nicht mehr nach oben ziehen und die Lidkante verdeckt die Pupille. Betrifft dies beide Augen, ist die Sicht stark beeinträchtigt. Die angeborene Form kann vererbt werden. Sie wird durch eine Fehlbildung des lidhebenden Muskels oder des Nervs hervorgerufen.

Nicht verwechseln!Die Ptosis ist nicht zu verwechseln mit zwei weiteren Phänomenen, die sich ähnlich präsentieren - das Ektropium und die Pseudoptosis:

  • Bei einem Ektropium ist der Lidrand auswärts gedreht. Davon betroffen ist fast immer das Unterlid. Das Ektropium ist manchmal angeboren. In anderen Fällen ist es durch Narben oder Lähmungen erworben. Am häufigsten aber handelt es sich um eine Altersveränderung (seniles Ektropium).
  • Bei der Pseudoptosis ist - wie der Name schon vermuten lässt - das herabhängende Lid kein "echtes Symptom" - das Lid hängt nicht aufgrund einer Muskel- oder Nervenstörung herab, sondern meist infolge einer entzündlichen Lidveränderung, einer Augapfelverkleinerung oder -schrumpfung.

Ursachen der Ptosis

Für die Lidstellung wirken mehrere kleine Muskeln zusammen, die teils vom Sympathikus, teils vom III. Hirnnerv aktiviert werden. Es kommen hierfür zum einen neurologische Störungen, Muskelerkrankungen, als auch im Alter erworbene Lidmuskelschwäche (senile Ptosis) in Frage.

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Die Ursachen für Ptosis können vielfältig sein und sowohl den Muskel, der das Lid anhebt, als auch die ihn steuernden Nerven betreffen. Zu den häufigsten Ursachen gehören:

  • Fehlbildung oder Fehlen des Lidhebermuskels: Bei einer erblich bedingten Ptose (kongenitale Ptose) ist der Levatormuskel, der die Augenlider anhebt, von Geburt an defekt.
  • Muskelschwächen: Muskelschwächen (z. B. Myasthenia gravis) oder verschiedene neurologische Erkrankungen können zu einer Lidmuskelschwäche führen, z. B. Myasthenia gravis oder myotonische Dystrophie.
  • Altersbedingter Funktionsverlust des Lidhebermuskels: Altersbedingte Veränderungen: Mit dem Alter kommt es häufig zu einer Erschlaffung der Sehnen und Muskeln, einschließlich des Lidhebermuskels, wodurch das Augenlid herabhängen kann.
  • Nervenlähmungen: Nervenlähmungen, insbesondere bei einem Schlaganfall, bei einer Hirn- oder Hirnhautentzündung (Ptosis paralytica).
  • Sympathikusschwäche: Sympathikusschwäche z. B. bei einem Horner-Syndrom (Ptosis sympathica). Gleichzeitig kann man hier auf der betroffenen Seite eine kleinere Pupille und ein tiefer eingesunkenes Auge beobachten
  • Verletzungen des Lidhebermuskels
  • Vergiftungen: Vergiftungen, z. B. mit Clostridium botulinum (Botulismus) oder Schlangengift
  • Kontaktlinsen: Inzwischen ist auch ein Zusammenhang zwischen dem jahrelangen Tragen von Kontaktlinsen und der Entwicklung einer Ptosis belegt, wobei der Levatormuskel durch das wiederholte Einsetzen der Linsen in das Augenlid verletzt wird.
  • Tumore und Schwellungen: Tumore oder erhebliche Schwellungen am Auge können das Augenlid mechanisch nach unten ziehen.
  • Seltene genetische Erkrankungen: Erkrankungen wie das Marcus-Gunn-Syndrom, bei dem das Lid beim Kauen angehoben wird, sind seltene Ursachen für angeborene Ptosis.

In seltenen Fällen kann Ptosis auch plötzlich auftreten und ein Hinweis auf ernsthafte gesundheitliche Probleme wie einen Schlaganfall sein. In solchen Fällen ist eine sofortige ärztliche Untersuchung erforderlich.

Symptome und Beschwerden

Menschen mit einer Lidmuskelschwäche fällt es oft schwer, die Augen offen zu halten - die Augen fühlen sich müde und überanstrengt an. Die große Anstrengung beim Anheben der Augenlider kann zu Schmerzen im Bereich der Augenbrauen führen.

Diagnose

Vor der Einleitung einer Therapie sollte zunächst die Ursache geklärt werden, da je nach Ursache eine unterschiedliche Therapie gewählt werden muss. Aufgrund der zahlreichen möglichen Ursachen ist eine interdisziplinäre Abklärung unerlässlich. Insbesondere neurologische Untersuchungen sind erforderlich, um die Ursachen für Lähmungen oder eine Muskelschwäche einzugrenzen.

Die Diagnose beginnt in der Regel mit einer ausführlichen augenärztlichen Untersuchung. Der Augenarzt wird prüfen, wie stark das Lid herabhängt und wie gut der Lidhebermuskel funktioniert. Dabei kommen verschiedene Untersuchungsmethoden zum Einsatz:

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  • Anamnese: Der Arzt wird zunächst im Gespräch mit Ihnen Ihre Krankengeschichte erheben (Anamnese). Dabei erkundigt er sich zum Beispiel, seit wann Sie das hängende Augenlid bzw. die hängenden Augenlider haben und ob sich eventuell das Herabhängen im Laufe des Tages verstärkt.
  • Visuelle Inspektion: Eine erste Einschätzung kann oft schon durch die visuelle Inspektion des herabhängenden Lids erfolgen.
  • Messung der Lidspaltenweite: Die Lidspaltenweite wird gemessen, um die Schwere der Ptosis zu bestimmen.
  • Untersuchung der Muskelfunktion: Hierbei wird getestet, wie gut der Muskel das Lid heben kann. Bei Verdacht auf eine muskuläre Störung führt sie den Simpson-Test durch. Dabei blickt die Patient*in eine Minute nach oben - senken sich die Lider, spricht dies für eine Muskelschwäche.
  • Bildgebende Verfahren: In einigen Fällen können MRTs oder CT-Scans notwendig sein, um andere zugrunde liegende Ursachen wie Tumore auszuschließen.
  • Neurologische Tests: Bei Verdacht auf eine neurologische Ursache können spezifische Tests, einschließlich des Tensilon-Tests zur Diagnose von Myasthenia gravis, durchgeführt werden.

Behandlung der Ptosis

Die Behandlung einer erworbenen Ptosis richtet sich nach der Ursache. Die Behandlung von Ptosis richtet sich nach der Ursache und dem Schweregrad der Erkrankung. In einigen leichten Fällen ist möglicherweise keine Behandlung erforderlich. Bei schwereren Formen, insbesondere wenn das Sehvermögen beeinträchtigt ist, gibt es verschiedene Behandlungsoptionen.

  • Nicht-operative Behandlung:
    • Augentropfen: Spezielle Augentropfen wie Oxymetazolin können in Betracht gezogen werden, um den Lidhebermuskel zu stimulieren und das Lid anzuheben.
    • Ptosisbrille: Eine spezielle Brille, die das Lid mechanisch stützt, kann in einigen Fällen eine hilfreiche Alternative zur Operation darstellen.
  • Operative Therapie:
    • Bei einer angeborenen Ptosis muss verhindert werden, dass das Auge schwachsichtig wird (Gefahr einer Amblyopie).
    • Bei schwerwiegenden Fällen oder wenn die Ptosis das Sehvermögen stark beeinträchtigt, ist eine operative Therapie oft die effektivste Lösung. Die Wahl der Operationsmethode hängt von der Ursache der Ptosis und dem Zustand der Lidhebermuskulatur ab.
    • Bei der Operation einer Lidsenkung werden in der Regel die Muskeln oder Sehnen verkürzt, die das Augenlid anheben. Dabei wird ein versteckter Schnitt wird in der natürlichen Hautfalte des Oberlids gesetzt. Der wichtigste Schritt bei der Behandlung eines Lidabfalls ist es, den Muskel zu identifizieren, der die Hebung des Augenlids steuert, um diesen dann zu verschieben und wieder mit dem Lid zu verbinden.
    • Die Ptosis-Operation wird meistens in örtlicher Betäubung durchgeführt und dauert etwa 45-90 Minuten, je nachdem, ob ein oder beide Augenlider behandelt werden. Der Eingriff wird häufig zusammen mit einer Oberlidplastik durchgeführt, um ein optimales Aussehen des Oberlids zu erreichen und die Sicht zu verbessern.

Lähmungen bilden sich oft spontan zurück, so dass eine Operation frühestens nach 6 Monaten Abwarten ansteht. Manchmal führt eine operative Korrektur dazu, dass die Patient*in vor allem nachts das Auge nicht mehr komplett schließen kann. Eine Ptosis verschwindet nur durch die operative Korrektur oder die Behandlung der zugrundeliegenden Erkrankung.

In Abhängigkeit von der Art der Ptosis gibt es unterschiedliche Operationsmethoden. Meist wird der Lidhebemuskel gekürzt und bei Bedarf auch der vorhandene Hautüberschuss entfernt. Dadurch können wir das Auge wieder öffnen, was sowohl das Gesichtsfeld als auch die Ästhetik verbessert.

Was ist nach der Operation zu beachten?

Nach der Operation sollten Sie sich einige Tage körperlich schonen. Anfängliche Schwellungen und Blutergüsse können durch Kühlung gelindert werden. Vermeiden Sie in den ersten Tagen jeglichen Druck oder Zug auf die Augenpartie und berühren Sie diese möglichst wenig. Sportliche Aktivitäten, Saunabesuche und Schwimmen sollten für 1 bis 3 Wochen pausiert werden, abhängig von den Anweisungen Ihres Arztes.

Risiken der Operation

Wie jede Operation birgt auch die Ptosis-Operation gewisse Risiken. Dazu gehören Infektionen, Nachblutungen, Wundheilungsstörungen und Verletzungen der Augenstrukturen. Ein erfahrener und qualifizierter Chirurg kann jedoch das Risiko minimieren. Asymmetrien der Augenlider können nach der Operation auftreten und erfordern gegebenenfalls einen Folgeeingriff.

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Kann das hängende Lid wiederkommen?

In den meisten Fällen ist die Korrektur durch eine Operation dauerhaft. Allerdings kann es durch natürliche Alterungsprozesse im Laufe der Zeit zu einer erneuten Gewebeerschlaffung kommen, die einen weiteren Eingriff notwendig machen könnte.

Weitere Lidfehlstellungen

Neben der Ptosis gibt es noch andere Lidfehlstellungen, die operativ korrigiert werden können:

  • Schlupflider (Dermatochalasis): Bei Schlupflidern (Dermatochalasis) kann überschüssige und erschlaffte Lidhaut zu einer Sehbehinderung und eventuell sogar zum Tieferstand des Lides führen. Wird die überschüssige Lidhaut operativ entfernt, öffnet sich das Auge wieder wie gewohnt. Die Kosten für diesen Eingriff trägt nicht in jedem Fall die gesetzliche Krankenversicherung.
  • Blepharospasmus: Bei einem Blepharospasmus kommt es zu krampfartigem und unwillkürlichen Schließen und Zucken der Augenlider. Die einfachste Therapiemöglichkeit besteht in einer Lähmung des verantwortlichen Muskels durch gezielte Injektion von Botulinumtoxin. Der Effekt einer Injektion hält ca. Ein unvollständiger Lidschluss, der zum Austrocknen der Augenoberfläche führen kann, wird Lagophthalmusgenannt und wird meist durch eine Lähmung des Gesichtsnervs (Fazialisparese) verursacht.
  • Ektropium und Entropium: Häufig kommt es im Alter zu einer Erschlaffung der Lidmuskulatur und / oder der Lidbänder und in Folge davon zu verschiedenen Lidfehlstellungen. Zum anderen können die Lider (meist das Unterlid) auch nach außen rotieren, was Ektropium genannt wird und zu einer gestörten Benetzungsfunktion der Lider führt. Beide Formen der Lidfehlstellung begünstigen den Eintritt von Bakterien in das Auge, was schwere Augeninfektionen zur Folge haben kann. Daher sollten sowohl das Ektropium als auch das Entropium rechtzeitig operativ korrigiert werden.

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