Hashimoto und Gehirn: Ein umfassender Überblick über den Zusammenhang

Die Hashimoto-Thyreoiditis ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise die Zellen der Schilddrüse angreift und schädigt. Obwohl die Schilddrüse ein kleines Organ ist, hat sie einen großen Einfluss auf Körper und Psyche. Die in der Schilddrüse produzierten Schilddrüsenhormone beeinflussen nicht nur organische Vorgänge wie Herz, Kreislauf, Verdauung oder Wachstum, sondern aktivieren auch den Stoffwechsel der Nervenzellen und die Gehirntätigkeit. Daher ist es wichtig, den Zusammenhang zwischen Hashimoto und Gehirn zu verstehen.

Die Rolle der Schilddrüsenhormone für das Gehirn

Schilddrüsenhormone wirken wie Energielieferanten auf verschiedene Gehirnstrukturen. Bei einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) laufen viele Hirnprozesse überschießend, also zu schnell und zu stark ab. Bei einer Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) ist das Gegenteil der Fall. Daher ist sowohl eine Schilddrüsenunterfunktion als auch eine Schilddrüsenüberfunktion mit psychischen Symptomen gekoppelt. Beide Funktionsstörungen führen zu einer Beeinträchtigung der Lebensqualität.

Psychische Auswirkungen von Schilddrüsenfunktionsstörungen

Ist das psychische Gleichgewicht gestört, wirkt sich dies auch auf das körperliche Wohlbefinden aus.

Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose)

Bei einer Hyperthyreose befinden sich zu viele Hormone im Regelkreis. Betroffene sind häufig nervös, schreckhaft und leicht erregbar bis aggressiv. Es fällt ihnen schwer, sich zu entspannen, sie schwitzen schnell, haben Schlafstörungen, Herzrasen oder Vorhofflimmern. Oftmals zittern die Patienten auch stark. Viele klagen über Durchfälle, starken Gewichtsverlust, Müdigkeit und Schwäche. Symptome wie beispielsweise das Schwitzen können leicht mit den Anzeichen der Wechseljahre verwechselt werden.

Bei einer Hyperthyreose können sogar akute psychotische Symptome auftreten, die bis zur Einweisung in die Psychiatrie führen können. Es gibt auch Überschneidungen mit primär psychiatrischen Krankheitsbildern, sodass es bei einer Hyperthyreose zu einer Verstärkung psychischer Symptome kommen kann. Daher sollte bei entsprechenden Symptomen immer auch an die Schilddrüse gedacht und die Schilddrüsenfunktion abgeklärt werden.

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Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose)

Im Fall einer Schilddrüsenunterfunktion klagen Betroffene häufig über depressive Verstimmungen, Apathie, Interessenlosigkeit, schnelle Erschöpfung, Müdigkeit und Konzentrationsstörungen. Die Gefühlslage kann sehr schwankend sein und im Extremfall über Wahnvorstellungen bis hin zu Suizidgedanken reichen. Zu den körperlichen Symptomen der Schilddrüsenunterfunktion zählen Gewichtszunahme, langsamer Herzschlag, verlangsamte Reflexe und eine verminderte Libido.

Bei etwa 50 - 90 % der Hypothyreosepatienten können zusätzlich geistige Funktionseinschränkungen wie Aufmerksamkeits-, Konzentrations- oder Gedächtnisstörungen, verlangsamte Gedankengänge, Initiativlosigkeit, Stumpfheit oder Lethargie festgestellt werden. Depressive Zustände in unterschiedlichen Ausprägungen treten bei etwa 40 - 50 % der Hypothyreosepatienten auf.

Die ätiologische Abgrenzung zu primär psychiatrisch-neurologischen Krankheitsbildern ist mitunter schwierig, Überschneidungen kommen vor. Bislang ist noch nicht abschließend geklärt, ob eine Hypothyreose an sich ein Risikofaktor für das Auftreten bestimmter psychiatrischer Erkrankungen ist. Verschiedene Studien kamen hier zu teilweise unterschiedlichen Ergebnissen.

Hashimoto-Thyreoiditis und psychische Symptome

Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis leiden nicht selten an kognitiven Störungen im Bereich Denken, Merkfähigkeit und Konzentration. Zudem kommt es auch häufig zu affektiven Störungen im Bereich Stimmung, Gefühl oder sozialen Verhalten. Die Symptome kommen dabei in unterschiedlicher Ausprägung vor. Manchmal führen die Beschwerden nur zu einer leichten Beeinträchtigung, manchmal aber auch zu ernsthaften Erkrankungen wie Depression, Panikattacken oder Pseudo-Demenz.

Es ist noch nicht endgültig geklärt, ob diese Symptome eine direkte Folge der Schilddrüsenfunktionsstörung sind. Manche Schilddrüsenspezialisten machen auch die Schilddrüsenantikörper selber dafür verantwortlich. Andere sehen die Ursache der bei Hashimoto-Thyreoiditis so häufig auftretenden psychischen Beschwerden in einem übergeordneten immunologischen Krankheitsprozess im Gehirn. Auch die lokale Verteilung der Thyroxin-Rezeptoren im Gehirn spielt wohl eine bedeutende Rolle.

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Diagnose von Hashimoto-Thyreoiditis

Im Gespräch wird der Arzt sich die aktuellen Beschwerden des Patienten schildern lassen sowie die bisherige Krankengeschichte. Bei Verdacht auf eine Erkrankung der Schilddrüse, folgt anschließend eine Blutuntersuchung. Im Labor wird die Konzentration der Schilddrüsenhormone T3 und T4 gemessen sowie der TSH-Wert bestimmt. Zudem wird das Blut auf Antikörper gegen Eiweiße der Schilddrüse hin kontrolliert. Eine Ultraschall-Untersuchung der Schilddrüse kann die Diagnose Hashimoto im Krankheitsfall zusätzlich bestätigen. Dann ist die Schilddrüse kleiner als im Normalfall und weist eine gleichmäßig dunkle Struktur auf. Mittels Biopsie (Gewebeprobe) lässt sich zudem nachweisen, ob im Gewebe der Schilddrüse auffallend viele weiße Blutkörperchen vorkommen. Dies ist ein weiterer Hinweis auf die Autoimmunerkrankung. Die Ursachen dafür kennt man bislang nicht. Wird bei einem Patienten eine Hashimoto-Enzephalopathie vermutet, sind meist weitere Kontrollen nötig. So unter anderem eine Liquoranalyse (Untersuchung des Nervenwassers) sowie ein EEG (Messung der elektrischen Hirnaktivität).

Deuten Anamnese, klinische Untersuchung und der erhöhte TSH-Wert auf eine Hypothyreose hin, sollte fT4 bestimmt werden. Um dann das Vorliegen einer Hashimoto-Thyreoiditis abzuklären, sollte in beiden Fällen die Bestimmung von Antikörpern gegen die thyreoidale Peroxidase (TPO-Ak) erfolgen. Bei einer Hashimoto-Thyreoiditis findet man bei 90 % der Patienten erhöhte Werte. Bei einer latenten Hypothyreose weist ein auffälliger Wert auf ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer manifesten Hypothyreose hin. Für eine weitere Absicherung können zusätzlich die Antikörper gegen Thyreoglobulin (Tg-Ak) untersucht werden.

Behandlung von Hashimoto-Thyreoiditis

Hashimoto-Thyreoiditis lässt sich nicht ursächlich therapieren. Allerdings kann man die Symptome der Schilddrüsenunterfunktion durch Hormongabe behandeln. In der Regel verordnet der Arzt das künstliche Schilddrüsenhormon Levothyroxin (L-Thyroxin). Dies entspricht dem körpereigenen Hormon Thyroxin (T4) und wird teilweise zu Trijodthyronin (T3) umgewandelt. L-Thyroxin muss meist lebenslang eingenommen werden. Die Tabletten am besten morgens, eine halbe Stunde vor dem Frühstück, auf nüchternen Magen mit einem Glas Wasser schlucken.

Patienten, die aufgrund der Hashimoto-Erkrankung unter einer Vergrößerung der Schilddrüse (Struma) leiden, können sich das Organ meist operativ entfernen lassen. Im Fall einer Hashimoto-Enzephalopathie verordnet der Arzt üblicherweise hochdosiertes Kortison (zum Beispiel Prednisolon).

Die Therapie bei Hashimoto-Thyreoiditis sollte als primäres Ziel eine Verbesserung der Lebensqualität der Patienten als Ziel haben. Eine ausschließliche Orientierung am im Blut bestimmte TSH-Wert ist nicht sinnvoll, da hiermit keine sichere Aussage zur adäquaten Thyroxin-Versorgung der einzelnen Organe wie z. B. dem Gehirn möglich ist. Zahlreiche internationale Studien haben nachweisen können, dass auch vermeintlich euthyreote (normale Schilddrüsenwerte) Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis von einer Thyroxin-Therapie profitieren. Auch diese Patienten mit einem TSH im Normbereich verspürten durch die Hormongabe einen deutlichen Rückgang ihrer psychischen Beschwerden. Insbesondere verbesserten sich Symptome wie Denkschwäche, Konzentrationsstörung, Antriebslosigkeit, Traurigkeit, Müdigkeit oder Ängstlichkeit.

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Ernährung bei Hashimoto-Thyreoiditis

Patienten, die an Hashimoto erkrankt sind, leiden häufig unter Müdigkeit und nehmen an Gewicht zu. Dies kann jedoch günstig über die Ernährung beeinflusst werden. Dabei sollte man auf möglichst zuckerarme Speisen achten sowie auf Lebensmittel, die das Immunsystem unterstützen und die Entzündungen hemmen. Folgende Ernährungstipps können für Hashimoto-Patienten hilfreich sein:

  • Bei starker Gewichtszunahme: Intervallfasten. Dazu täglich 16 Stunden Essenspause einlegen. Am besten recht früh zu Abend essen oder das Frühstück nach hinten verschieben. Zusätzlich Kohlenhydrate reduzieren.
  • Bei Glutenunverträglichkeit: Auf glutenhaltiges Getreide verzichten. Besser sogenanntes Scheingetreide verzehren (Buchweizen, Amarant, Quinoa).
  • Viel Gemüse und zuckerarmes Obst, wie Beeren, verzehren. Zudem auf hochwertige Öle achten.
  • Ausreichend viele Eiweiß zu jeder Mahlzeit essen, um gut und lange satt zu sein. Beispielsweise Hülsenfrüchte, Pilze, Milchprodukte, Fisch und mageres Fleisch.
  • Entzündungshemmende Lebensmittel auf den Speiseplan nehmen: Lachs, Paranüsse oder Champignons enthalten das entzündungshemmende Spurenelement Selen. Omega-3-Fettsäuren findet man in hochwertigem Leinöl, Hanföl, Algenöl sowie in Lachs. Antioxidative Pflanzenstoffe kommen in Gemüse vor, aber auch in Gewürzen wie Zimt, Ingwer, Pfeffer, Kurkuma und in dunklem Kakao.
  • Präbiotika (Ballaststoffe, die vom Körper nicht verdaut werden) stärken die Darmflora. Enthalten sind sie zum Beispiel in Zwiebeln, Knoblauch, Chicorée, Spargel, Schwarzwurzel, grünen Bananen, Lauch, Vollkorn-Weizen, Roggen und Hafer.
  • Auf Probiotika in der Nahrung setzen (Mikroorganismen, die den Darm stärken und Krankheitserreger in Schach halten). Enthalten sind sie zum Beispiel in Joghurt, Kefir, Buttermilch, Sauerkraut, Misosuppe und Kimchi.
  • Genug trinken: Am besten 1,5 bis 2 Liter Wasser, Kräutertee oder Gemüsesaft. Möglichst nicht mehr als drei Tassen Kaffee täglich.

Weitere Aspekte von Hashimoto-Thyreoiditis

Hashimoto-Thyreoiditis und andere Autoimmunerkrankungen

Die Hashimoto-Thyreoiditis ist mit anderen Autoimmunerkrankungen assoziiert. Darum nutzt das Wissen über die Form der Hypothyreose um das Risiko einzuschätzen, ob eine andere Autoimmunerkrankung vorliegt.

Hashimoto-Thyreoiditis und Schwangerschaft

Neben der Verschlechterung vorbestehender Schilddrüsenerkrankungen durch die hormonellen Veränderungen während einer Schwangerschaft gibt es eine spezielle Schilddrüsenentzündung, die ausschließlich bei Frauen kurz nach der Geburt eines Kindes auftritt. Sie trägt daher den Namen Postpartum-Thyreoiditis (Schilddrüsenentzündung nach der Geburt). Es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung letztlich noch ungeklärter Ursache. Diese hat Ähnlichkeiten mit einer Hashimoto-Thyreoiditis. In der Folge kann es zu einer kurzfristigen Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) mit den entsprechenden Symptomen kommen, viel häufiger ist eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) mit entsprechenden Folgen wie Antriebsarmut, Müdigkeit oder depressiven Verstimmungen. Da etwa 15 % der jungen Mütter unter depressiven Veränderungen leiden („Wochenbett-Blues“) leiden, sollte bei derartigen Problemen immer auch an die Schilddrüse gedacht werden.

Hashimoto-Thyreoiditis und Herzgesundheit

Eine im Januar 2017 veröffentliche Metaanalyse der chinesischen Kardiologen um Dr. Yu Ning der Universität Peking, bei der die Ergebnisse von 55 Studien mit insgesamt 1,9 Millionen Patienten in Europa und Nordamerika ausgewertet wurden, konnte zeigen, dass eine Schilddrüsenunterfunktion das Risiko für Erkrankungen des Herzens und der Gefäße in nicht unerheblichen Maße erhöht. Die Ursache des gesteigerten Risikos für Erkrankungen des Herzens ist eine vorzeitige Arteriosklerose.

Wann sollte man an die Schilddrüse denken?

Da sich die Schilddrüsenunterfunktion oft sehr langsam und schleichend entwickelt, werden die Symptome leicht übersehen und die Diagnose meist auch erst spät gestellt. Außerdem wird die Hypothyreose - vorwiegend als Folge der Autoimmunthyreoiditis Typ Hashimoto - mit zunehmendem Lebensalter immer häufiger, weshalb die Symptome nicht selten fälschlicherweise dem Alter zugerechnet werden. Bei entsprechenden psychischen und geistigen Symptomen sollte daher immer auch an die Schilddrüse gedacht und die Schilddrüsenfunktion abgeklärt werden. Eine weitere Risikogruppe stellen auch Frauen nach der Geburt eines Kindes dar. Bei circa vier Prozent entwickelt sich durch die hormonellen Umstellungen nach der Entbindung eine sogenannte Postpartum-Thyreoiditis mit erhöhten Schilddrüsenantikörperwerten und Funktionsstörungen der Schilddrüse. Diese können von Depressionen begleitet sein. Bei starken Stimmungsschwankungen und anderen Symptomen sollte deshalb immer auch die Schilddrüse als Auslöser in Betracht gezogen werden. Patienten mit psychischen Problemen sollten unbedingt untersuchen lassen, ob ihre Beschwerden organische Ursachen haben. Eine rechtzeitige und richtige Behandlung kann Betroffenen einen langen Leidensweg ersparen. Schilddrüsenfunktionsstörungen gehören zu den heilbaren Krankheiten.

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