Die Hashimoto-Thyreoiditis ist eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse, die häufig mit einer Vielzahl von Begleiterkrankungen einhergeht. Eine davon ist die Polyneuropathie (PNP), eine Erkrankung des peripheren Nervensystems. Dieser Artikel beleuchtet die Zusammenhänge zwischen Hashimoto-Thyreoiditis und Polyneuropathie, ihre Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten.
Was ist Hashimoto-Thyreoiditis?
Die Hashimoto-Thyreoiditis ist eine chronische Entzündung der Schilddrüse, die durch eine Autoimmunreaktion verursacht wird. Dabei bildet der Körper fälschlicherweise Antikörper gegen das eigene Schilddrüsengewebe, was zu einer Zerstörung der Schilddrüse führt. Die Schilddrüse ist für die Produktion von Schilddrüsenhormonen verantwortlich, die eine Vielzahl von Körperfunktionen steuern. Eine Zerstörung der Schilddrüse kann daher zu einer Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) führen.
Die Hashimoto-Thyreoiditis verdankt ihren Namen dem japanischen Chirurgen Dr. Hashimoto, der die Erkrankung im Jahr 1912 beschrieb. Sie ist keine seltene Erkrankung und betrifft schätzungsweise 10 % der deutschen Bevölkerung. Die Ursachen der Hashimoto-Thyreoiditis sind noch nicht vollständig geklärt, aber es wird vermutet, dass sowohl genetische Faktoren als auch Umwelteinflüsse eine Rolle spielen. Auffällig ist, dass in Ländern mit Zwangsjodierung der Lebensmittel die Häufigkeit von Hashimoto-Erkrankungen zugenommen hat.
Was ist Polyneuropathie?
Die Polyneuropathie (PNP) ist eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, bei der mehrere Nerven geschädigt werden. Das periphere Nervensystem umfasst alle Nerven außerhalb des Gehirns und Rückenmarks. Diese Nerven sind wichtig, um Reize wahrzunehmen, Muskeln zu bewegen und Organe zu steuern. Bei einer Polyneuropathie ist die Reizweiterleitung der Nerven gestört, was zu Missempfindungen, Schmerzen, Muskelschwäche und anderen Symptomen führen kann. Typischerweise beginnt die Polyneuropathie mit Beschwerden an den unteren Extremitäten, wobei meist Missempfindungen im Bereich der Zehen oder der Fußsohle initial auftreten.
Die Ursachen der Polyneuropathie sind vielfältig. Häufige Ursachen sind Diabetes mellitus, Alkoholmissbrauch, Vitaminmangel und bestimmte Medikamente. Aber auch Autoimmunerkrankungen wie die Hashimoto-Thyreoiditis können eine Polyneuropathie auslösen.
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Zusammenhang zwischen Hashimoto-Thyreoiditis und Polyneuropathie
Eine groß angelegte Studie aus dem Jahr 2000 belegt, dass ein großer Anteil von Patienten mit einer Schilddrüsenunterfunktion die typischen Symptome einer Polyneuropathie zeigt. Grund dafür sind die Auswirkungen eines zu geringen Hormonspiegels von T3 und T4. Dieser wirkt auf den Körper wie ein Ernährungsmangel. Ferner führt die Schilddrüsenunterfunktion zu einer Schädigung der Nervenfasern und ihrer Hüllen, die für die regelrechte Reizweiterleitung entscheidend sind.
Es besteht die Möglichkeit, dass Hashimoto-Thyreoiditis direkt oder indirekt zur Entstehung einer Polyneuropathie beitragen kann. Eine unbehandelte Schilddrüsenunterfunktion kann die Nerven schädigen und somit eine Polyneuropathie auslösen. Durch die fehlenden Schilddrüsenhormone sammeln sich bestimmte Zuckermoleküle an und sorgen für Schmerzen und Bewegungseinschränkungen.
Ursachen der Hashimoto-Polyneuropathie
Die genauen Mechanismen, wie die Hashimoto-Thyreoiditis zu einer Polyneuropathie führen kann, sind noch nicht vollständig verstanden. Es gibt jedoch mehrere Theorien:
- Schilddrüsenhormonmangel: Ein Mangel an Schilddrüsenhormonen kann die Funktion der Nerven beeinträchtigen und zu einer Polyneuropathie führen. Die Schilddrüsenhormone sind wichtig für den Energiestoffwechsel der Nervenzellen und für die Bildung der Myelinscheide, die die Nervenfasern umgibt und für eine schnelle Reizweiterleitung sorgt.
- Autoimmunreaktion: Die Autoimmunreaktion, die bei der Hashimoto-Thyreoiditis stattfindet, kann auch die Nerven angreifen und zu einer Polyneuropathie führen. Die Antikörper, die gegen das Schilddrüsengewebe gebildet werden, können möglicherweise auch gegen Bestandteile der Nerven gerichtet sein.
- Begleiterkrankungen: Hashimoto-Thyreoiditis tritt häufig zusammen mit anderen Autoimmunerkrankungen auf, die ebenfalls eine Polyneuropathie verursachen können. Dazu gehören beispielsweise Zöliakie, rheumatoide Arthritis und systemischer Lupus erythematodes.
- Entzündliche Prozesse: Bei einer Hashimoto-Thyreoiditis ist die Schilddrüse chronisch entzündet. Diese Entzündung kann sich auf andere Organe ausweiten und auch die Nerven schädigen.
Symptome der Hashimoto-Polyneuropathie
Die Symptome der Hashimoto-Polyneuropathie können vielfältig sein und hängen davon ab, welche Nerven betroffen sind. Typische Symptome sind:
- Missempfindungen: Kribbeln, Taubheitsgefühl, Brennen oder Schmerzen in den Füßen und Beinen, später auch in den Händen und Armen
- Muskelschwäche: Schwäche in den Beinen oder Armen, Schwierigkeiten beim Gehen oder Greifen
- Gleichgewichtsstörungen: Unsicherheit beim Gehen, Schwindel
- Vegetative Störungen: Verminderte Schweißsekretion, trockene Haut, Verdauungsstörungen, Herzrhythmusstörungen
- Schmerzen: Schmerzhafte Missempfindungen in den Beinen, als ob sie in einem Ameisenhaufen gestanden habe und jetzt Tausende der Tiere an ihren Unterschenkeln entlang krabbeln würden.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Symptome einer Polyneuropathie oft unspezifisch sind und auch bei anderen Erkrankungen auftreten können. Daher ist eine sorgfältige Diagnose wichtig, um die Ursache der Beschwerden zu finden.
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Diagnose der Hashimoto-Polyneuropathie
Die Diagnose der Hashimoto-Polyneuropathie basiert auf verschiedenen Untersuchungen:
- Anamnese: Der Arzt erfragt die Krankengeschichte des Patienten, einschließlich der Symptome, Vorerkrankungen, Medikamente und Lebensumstände.
- Körperliche Untersuchung: Der Arzt untersucht die Reflexe, die Sensibilität und die Muskelkraft des Patienten.
- Neurologische Untersuchung: Der Arzt führt spezielle Tests durch, um die Funktion der Nerven zu überprüfen.
- Blutuntersuchung: Im Blut werden verschiedene Werte bestimmt, um eine Schilddrüsenunterfunktion, Autoantikörper und andere mögliche Ursachen der Polyneuropathie zu identifizieren. Ein Basislabor beinhaltet: Blutzucker (mit HbA1C), Differential-Blutbild, Nieren-Leberwerte, Elektrolyte, Schilddrüsenwerte, differenzierte Eiweißbestimmung (Eiweißelektrophorese), Vitamine, Folsäure und ggf. bestimmte Rheumafaktoren und Antikörper.
- Elektrophysiologische Untersuchungen: Mithilfe von Nervenleitgeschwindigkeitsmessungen (NLG) und Elektromyographie (EMG) kann die Funktion der Nerven und Muskeln überprüft werden.
- Schilddrüsensonographie: Mit der Schilddrüsensonographie lässt sich die zerstörte Binnenstruktur der Schilddrüse darstellen. Die typische Hashimoto-Schilddrüse zeigt in der Ultraschalluntersuchung dabei eine echoarme (dunkle) und unregelmäßige Struktur, die als "mottenfrass- oder leopardenfellartig" beschrieben werden kann.
- Weitere Untersuchungen: In einigen Fällen können weitere Untersuchungen erforderlich sein, wie z. B. eine Nervenwasseruntersuchung (Liquoruntersuchung), eine Hautbiopsie oder eine genetische Untersuchung.
Behandlung der Hashimoto-Polyneuropathie
Die Behandlung der Hashimoto-Polyneuropathie zielt darauf ab, die Grunderkrankung (Hashimoto-Thyreoiditis) zu behandeln und die Symptome der Polyneuropathie zu lindern.
Behandlung der Hashimoto-Thyreoiditis
- Hormontherapie: Bei einer Schilddrüsenunterfunktion werden Schilddrüsenhormone (L-Thyroxin) in Tablettenform eingenommen, um den Hormonmangel auszugleichen. Die Dosis wird individuell angepasst und regelmäßig kontrolliert. Die meisten Patienten fühlen sich dann bei einem relativ niedrigen TSH- Wert am wohlsten. Deshalb streben wir meist einen solchen TSH-Wert an. T3 und T4 sollten dabei aber auf jeden Fall im Normbereich bleiben. Außerdem muss auf das Auftreten von Folgen einer eventuellen zu hohen Dosierung wie z. B. geachtet werden.
- Jod: Menschen mit Hashimoto-Thyreoiditis und noch funktionierender Schilddrüse sollten sehr hohe Mengen an Jod, wie sie zum Beispiel in Algen oder hochdosierten Jodpräparaten vorkommen, meiden, da diese die schädliche Autoimmunreaktion beschleunigen könnten.
- Selen: Es gibt Hinweise darauf, dass Selentabletten die entzündlichen Reaktionen in der Schilddrüse bei Menschen mit einer Hashimoto-Thyreoiditis dämpfen können.
Behandlung der Polyneuropathie
- Schmerztherapie: Gegen die Schmerzen können verschiedene Medikamente eingesetzt werden, wie z. B. Antidepressiva, Antikonvulsiva oder Opioide. Auch lokale Medikamente können bei der Behandlung zum Einsatz kommen.
- Physiotherapie: Physiotherapie kann helfen, die Muskelkraft und Koordination zu verbessern und Stürzen vorzubeugen. Gangtraining im Rahmen einer intensivierten Physiotherapie und durch Eigenübungen ist ebenfalls sinnvoll, um Stürzen und der en Folgen vorzubeugen.
- Ergotherapie: Ergotherapie kann helfen, den Alltag besser zu bewältigen und компенсаторische Strategien zu entwickeln.
- Weitere Maßnahmen: Je nach Ursache der Polyneuropathie können weitere Maßnahmen erforderlich sein, wie z. B. die Behandlung eines Vitaminmangels, die Vermeidung von Alkohol oder die Behandlung einer Grunderkrankung. Hautschädigungen und Wundheilungsstörungen müssen vermieden werden.
Ganzheitlicher Ansatz
Die Schilddrüsenspezialisten im Zentrum für Schilddrüsenerkrankungen in Bornheim und in Bonn legen großen Wert darauf, nicht nur isoliert die Schilddrüse in ihre diagnostischen und therapeutischen Entscheidungen einzubeziehen, da Erkrankungen der Schilddrüse und insbesondere die Hashimoto-Thyreoiditis oft Auswirkungen auf zahlreiche andere Organe haben und in 25% autoimmune Begleiterkrankungen vorliegen. Die zusätzliche Kontrolle weiterer Organe im Sinne eines umfangreichen Gesundheitschecks wie Herz, Leber, Nieren oder Nebennieren ist aus ganzheitlicher Sicht notwendig.
Leben mit Hashimoto-Polyneuropathie
Die Hashimoto-Polyneuropathie ist eine chronische Erkrankung, die das Leben der Betroffenen beeinträchtigen kann. Es gibt jedoch verschiedene Möglichkeiten, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern:
- Regelmäßige Einnahme von Medikamenten: Es ist wichtig, die verordneten Medikamente regelmäßig einzunehmen und die Schilddrüsenwerte regelmäßig kontrollieren zu lassen.
- Gesunde Lebensweise: Eine gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung und genügend Schlaf können helfen, die Symptome zu lindern.
- Stress vermeiden: Stress kann die Symptome der Hashimoto-Thyreoiditis und der Polyneuropathie verstärken. Entspannungstechniken wie Yoga oder Meditation können helfen, Stress abzubauen. Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis sollten ausreichende Ruhe- und Schlafzeiten einhalten, Stress und Überforderung meiden, Entspannungstechniken wie z. B.
- Unterstützung suchen: Der Austausch mit anderen Betroffenen kann helfen, mit der Erkrankung besser umzugehen. Es gibt verschiedene Selbsthilfegruppen und Online-Foren für Menschen mit Hashimoto-Thyreoiditis und Polyneuropathie.
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