Heilende Musiktherapie bei Nervenschmerzen: Ein umfassender Überblick

Musik ist mehr als nur Unterhaltung; sie ist ein mächtiges Werkzeug, das tiefgreifende Auswirkungen auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden haben kann. Studien haben gezeigt, dass Musik das vegetative Nervensystem beeinflusst und somit Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen kann. Dieser Artikel beleuchtet die heilende Kraft der Musiktherapie, insbesondere im Kontext von Nervenschmerzen, und untersucht verschiedene Therapieansätze sowie deren Anwendungsmöglichkeiten.

Die wissenschaftliche Basis: Wie Musik das Nervensystem beeinflusst

Musik wirkt sich auf vielfältige Weise auf unseren Körper und Geist aus. Neuere Studien belegen, dass Musik die Herzfrequenz und den Blutdruck senken, die Atmung beruhigen und Stresshormone reduzieren kann. Prof. Dr. med. Hans-Joachim Trappe erklärt, dass Musik das vegetative Nervensystem beeinflusst, was zu emotionalen und hormonellen Veränderungen führt. Da das vegetative Nervensystem auch das Herz-Kreislauf-System kontrolliert, hat Musik indirekten Einfluss auf die Herz- und Atemfrequenz sowie den Blutdruck.

Klassische Musik wird oft als besonders heilend angesehen. Musik von Bach, Mozart, Händel, Corelli, Albinoni und Tartini wird bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen empfohlen. So senkte beispielsweise Bachs Orchestersuite Nr. 3 in einer Studie den Blutdruck um durchschnittlich 7,5 zu 4,9 mmHg und die Herzfrequenz um etwa sieben Schläge pro Minute. Interessanterweise wurden auch Blutdrucksenkungen bei Heavy-Metal-Musik festgestellt, was die Bedeutung individueller Vorlieben unterstreicht.

Was ist Musiktherapie? Eine Definition

Die Musiktherapie ist ein Sammelbegriff für verschiedene musiktherapeutische Konzepte, die tiefenpsychologische, verhaltenstherapeutisch-lerntheoretische, systemische, anthroposophische und humanistische Ansätze verfolgen. Sie ist praxis- und wissenschaftsorientiert und steht in enger Wechselwirkung mit verschiedenen Wissenschaftsbereichen wie Medizin, Sozialwissenschaften, Pädagogik, Psychologie und Musikwissenschaft. Musiktherapeuten sind in kurativen, rehabilitativen, präventiven und palliativen Bereichen tätig und behandeln Menschen aller Altersgruppen mit somatischen, psychischen, psychosomatischen und psychiatrischen Erkrankungen.

Das Ziel der Musiktherapie ist es, durch den gezielten Einsatz von Musik die körperliche, geistige und seelische Gesundheit zu erhalten, zu fördern oder wiederherzustellen.

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Wann ist Musiktherapie sinnvoll? Anwendungsbereiche

Musiktherapie wird besonders bei psychischen und psychosomatischen Krankheiten angewandt, wie beispielsweise bei:

  • Depressionen
  • Burnout
  • Autismus
  • Tinnitus
  • Trauma
  • Alzheimer-Demenz
  • Anderweitigen psychischen/physischen Behinderungen
  • Frühgeburten
  • Entwicklungsbedürftigen Kindern
  • Permanenten Kopfschmerzen/ Migräne

Die Musiktherapie kann in Krisensituationen unterstützend und besänftigend wirken. Es ist jedoch wichtig, dass die Person gegenüber diesem Heilungsprozess offen ist und sich freiwillig darauf einlässt.

Therapeutische Musik und Methodik

Die Musiktherapie nutzt die Besonderheit und Kraft des Mediums Musik, um die Gefühlswelt zu beeinflussen, Erinnerungen hervorzurufen, Schmerzen zu lindern, Energie zu geben, zu motivieren und zu verbinden. Die aktive Mitgestaltung durch Singen oder Musizieren mit Instrumenten steht im Vordergrund, wobei improvisatorisch gearbeitet wird. Musikalische Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Gerade in Bereichen, in denen die Sprache an ihre Grenzen stößt, ist die Musiktherapie durch ihren Verzicht auf Worte oft die erste Wahl.

Therapeut und Patient begegnen sich auf musikalischer Ebene. Durch das aktive Einbringen der Patientinnen können eigene Gefühle auf einer zunächst nicht fassbaren Ebene für das Gegenüber, vor allem aber für sich selbst hörbar gemacht werden. Der Therapeut spielt aktiv mit und bietet den Patientinnen ein reales Gegenüber mit einer stärkenden oder auch provokativen und konfrontativen Funktion. Neben dem musikalischen Element kommt je nach musiktherapeutischer Methode das reflektierende Gespräch über die durch die Musik ausgelösten Gefühle hinzu.

Der Gruppenleiter regt die Patienten zur Wahrnehmung von Erlebnisinhalten, zur genauen Wahrnehmungsbeschreibung von Gefühlsreaktionen, zum Erkennen innerer Reaktionen und Verhaltensweisen sowie zur Differenzierung zwischen akzeptierbaren und nicht akzeptierbaren Wahrnehmungen an. Zeitpunkt und Entwicklungsinhalte bestimmt immer der konkrete Zustand der Therapiegruppe.

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Setting der Musiktherapie

Das Setting der Musiktherapie hängt individuell vom Krankheitsbild des Patienten und den institutionellen Rahmenbedingungen ab. Sie findet am häufigsten in Musikschulen, Psychiatrien, Kliniken und Krankenhäusern Anwendung und kann als Einzel- oder Gruppentherapie durchgeführt werden.

  • Einzeltherapie: Bevorzugt für Patient*innen mit starken Kontakt- und Beziehungsstörungen, wobei die verbale und nonverbale Kommunikation im Vordergrund steht.
  • Gruppentherapie: Setzt ein gewisses Maß an Gruppenfähigkeit seitens der Patient*innen voraus. Der therapeutische Schwerpunkt liegt hier vor allem auf kommunikativen und sozialen Aspekten.

Welche Therapieform den Heilungsprozess am besten in Gang setzt, hängt von den Erfahrungen, den Erwartungen und dem Einlassen auf das Therapiegeschehen seitens der Patienten ab.

Arten von Musiktherapie

Im Laufe der Jahre haben sich verschiedene Arten von Musiktherapie etabliert:

Rezeptive Musiktherapie

Bei der rezeptiven Musiktherapie steht das aktive Hören von Musik und die Wahrnehmung von Schwingungen im Vordergrund. Nach einer Einstimmungsphase wird den Patient*innen Musik vorgespielt, die psychisch und/oder physisch hautnah auf sie einwirken soll. Es wird davon ausgegangen, dass durch Musik subjektiv bedeutsame Erinnerungen hervorgerufen werden können. Therapeutische Prozesse werden in Gang gesetzt, indem nach dem gemeinsamen Hören der Musik über die entstandenen Assoziationen, Körperwahrnehmungen und bildhaften Vorstellungen gesprochen wird.

Die rezeptive Musiktherapie gibt es auch als Klangtherapie, die eine eher spirituelle Richtung einschlägt und versucht, Wissen und Tradition der Heilkunde anderer Kulturen zu nutzen, um auf veränderte Bewusstseinszustände zurückzugreifen.

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Neurologische Musiktherapie

Hierbei handelt es sich um ein sensomotorisches und sprachliches Funktionstraining für neurologische Patienten. Das Konzept ist eine als medizinisch wirksam anerkannte Behandlungsmethode, die das gesamte Gehirn stimuliert und den Körper in eine erhöhte motorische Aktivitätsbereitschaft versetzt. Ein klar strukturierter Rhythmus unterstützt gezielte Bewegungsabläufe wie rhythmisches Gehen oder Atmen.

Die neurologische Musiktherapie eignet sich zur Behandlung aller neurologischen Erkrankungen, die Kognition, Bewegung und Kommunikation beeinträchtigen. In der Therapie werden vor allem Aufmerksamkeit und Konzentration trainiert. Musikalische Kenntnisse oder Fähigkeiten sind für die Teilnahme nicht erforderlich.

Anthroposophische Musiktherapie

Diese kreative Musiktherapie basiert auf dem Vertrauen in die heilende Kraft der Musik und verfügt über eine stark spirituelle Ader in ihren Grundannahmen. Die therapeutische und spirituelle Dimension der Musik ist stets die Grundlage des Musizierens. Der Glaube an Authentizität und emotionale Erfahrung und die Inspiration der Musik lässt musikalisches Tun so zur Therapie werden.

Grundannahmen der anthroposophischen Musiktherapie

Zur anthroposophisch orientierten Musiktherapie gehört zudem der Schicksalsgedanke als Motivation und Antriebskraft. Die therapeutische Sichtweise basiert auf einem tiefen Verständnis des Schöpferischen. Das Vertrauen in die schöpferische Kraft des Individuums ist ein Vertrauen in seine eigene Problembewältigung, in seinen Wunsch nach Heilung und in sein Streben nach Befreiung.

Anwendungsbereiche der anthroposophisch fundierten Therapie

Ursprünglich für die Arbeit mit behinderten Kindern entwickelt, findet der Ansatz der anthroposophischen Musiktherapie heute Anwendung in der Arbeit mit Frühgeburten und behinderten Kindern, in der Jugend- und Erwachsenenpsychiatrie, in der Schmerztherapie bis hin zur Arbeit mit Senioren im Kontext von Demenz und Sterbebegleitung.

Welche Instrumente werden in der Musiktherapie verwendet?

Meistens begleitet der Therapeut am Klavier, jedoch gibt es keine Regel ohne Ausnahme. Sie können ebenso singen oder gemeinsam mit den Patienten leicht bedienbare Instrumente spielen. Herkömmliche Instrumente zum eigenständigen Ausdruck sind:

  • Klavier
  • Gitarre
  • Trommeln
  • Klangschalen
  • Glockenspielen
  • Schlagzeug
  • Pauken

Zum Einsatz kommen in der aktiven Musiktherapie allgemein Instrumente, die keine musikalischen Vorkenntnisse abverlangen, leicht spielbar sind und verschiedene Sinne ansprechen. Der Therapeut spielt eine Begleitung mit, wobei die Melodie von dem/der Patient*in selbst bestimmt wird.

Klang der therapeutischen Musik

Die für die Musiktherapie verwendete Musik ist zumeist gehaltvoll und vielseitig strukturiert. Die jeweilige Musikauswahl stellt hohe Anforderungen an den Therapeuten hinsichtlich der Kenntnis über Musikstruktur, Befindlichkeit der Gruppenmitglieder und beabsichtigte Reaktionen. Man unterscheidet im allgemeinen zwei Hauptgruppen von Musik mit jeweils typischen Eigenschaften:

  • Beruhigende Musikgruppe: Ruhige Tempi, harmonische Melodien, ruhige Metrik mit geringen rhythmischen Akzentuierungen, einheitliche Dynamik und eine leicht erfassbare Gesamtstruktur.
  • Aktivierende Musik: Rasche Tempi, kontrastreiche Melodik, unruhige Metrik wechselnde Dynamik, diskontinuierliche Harmonik mit erweiterten Kadenzen, einen sich rhythmisch verändernden Ablauf und den Wechsel einzelner Instrumentengruppen.

Es ist wichtig zu beachten, dass unterschiedliche Menschen über eine unterschiedliche Auffassung von „beruhigend" und „aktivierend" verfügen. Entsprechend sind die von der Musik ausgelösten Empfindungen nicht nur von ihr selbst abhängig, sondern auch von dem Hörer.

Geschichte der Musiktherapie

Bereits vor ca. 4200 Jahren komponierte und dichtete Encheduanna Tempelhymnen, mit denen sie Kranke heilte. In der klassischen Antike diente die Musik zur Wiederherstellung geistig-seelischer Harmonie und der physischen Proportionen.

Musik bei Nervenschmerzen

Chronische Schmerzen können das Leben erheblich belasten. Musik kann akute Schmerzen lindern und bei chronischen Rückenschmerzen wirken. Musik lenkt ab und kann Emotionen durch ein spezielles Stück ausdrücken. Eine individuell erarbeitete Musiktherapie ist empfehlenswert, da Medikamente oft nicht helfen oder abhängig machen. Bewegungen zur Musik, Trommeln oder Singen in einem Chor können dabei erstaunliche Wirkung auf das Schmerzempfinden haben.

Sound Healing oder Klangheilung

Sound Healing oder Klangheilung geht noch einen Schritt weiter als die Musiktherapie. Hier geht es vor allem um die entstehenden Schallwellen, die beim Spielen eines Gongs oder einer Klangschale ausgesendet und von unserem Körper wahrgenommen werden. Diese besondere Form der Musik kann daher auch eine ganz besondere Heilwirkung auf uns haben.

Klangheilung hat das Ziel, mithilfe musikalischer Klänge eine Verbesserung des emotionalen, physischen, psychologischen oder mentalen Gesundheitszustandes bei einem Patienten hervorzurufen. Beim Sound Healing mit Gongs oder Klangschalen geht es vor allem darum, die Schallwellen wahrzunehmen, die nicht nur in unser Gehör eindringen, sondern auch in die Muskeln, Organe, Knochen und unser Nervensystem.

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