Musik, die das Gehirn stimuliert: Studien und Erkenntnisse

Musik ist ein integraler Bestandteil des menschlichen Lebens und hat vielfältige Auswirkungen auf unser Gehirn und unsere Seele. Studien haben gezeigt, dass Musik das Gehirn auf verschiedene Weise stimuliert und dabei unterschiedliche Teile des Gehirns aktiviert. Sie kann starke emotionale Reaktionen hervorrufen, Stimmungen regulieren, das Selbstbewusstsein stärken und sogar Schmerzen lindern.

Die vielschichtige Wirkung von Musik auf das Gehirn

Beim Musizieren oder Musikhören werden zahlreiche Hirnareale gleichzeitig aktiviert. Musik zu machen beansprucht ein kompliziertes Zusammenspiel sehr verschiedener Fähigkeiten: den Hörsinn, den Sehsinn, den Tastsinn und die Feinmotorik. Neuere Untersuchungen haben sogar gezeigt, dass bei der Verarbeitung von Musik das Broca-Areal beteiligt ist, eines der beiden Sprachzentren.

Aktivierung auditiver Areale

Wenn wir Musik hören, werden Bereiche im Gehirn, die für die Verarbeitung von Klängen und Rhythmen zuständig sind, aktiviert. Die Strukturen werden zuerst im Hirnstamm verarbeitet, bevor die Reize das Hörzentrum, den sogenannten Hörkortex, erreichen.

Motorische Steuerung

Musizieren erfordert Bewegung und Koordination von Muskeln und Gelenken, insbesondere bei Instrumentalspielern.

Kreative Prozesse

Musizieren erfordert Kreativität und Improvisation, was ebenfalls bestimmte Bereiche im Gehirn aktiviert.

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Emotionale Reaktionen

Musik kann starke emotionale Reaktionen hervorrufen und helfen, Stimmungen zu regulieren. Beim Musizieren oder Musikhören werden Endorphine ausgeschüttet, körpereigene Glückshormone, die auch beim Essen, Sport, bei Sex und durch Drogen produziert werden.

Soziale Auswirkungen

Das Musizieren wirkt sich ebenfalls positiv auf das Sozialverhalten eines Menschen aus, etwa, wenn ein großes Orchester eine Symphonie aufführt.

Unterschiede im Musikerhirn

Forscher der Universität Jena haben in Zusammenarbeit mit Gottfried Schlaug von der Harvard Medical School in Boston herausgefunden, dass sich die Gehirne von Berufsmusikern auffällig von jenen der Nichtmusiker unterscheiden. Bereiche, die für das Hören, das räumliche Sehen und das Umsetzen von Bewegung zuständig sind, waren bei Musikern deutlich vergrößert. Mithilfe der Schnittbilder des menschlichen Gehirns zeigte sich, dass in Musikerhirnen die Verbindung zwischen rechter und linker Gehirnhälfte, das sogenannte Corpus callosum, deutlich kräftiger ausgebildet ist. Es ist schon länger bekannt, dass Musiker andere Gehirnstrukturen haben als Nicht-Musiker.

Jazzpianisten vs. klassische Pianisten

Neu hingegen ist, dass bei Jazzpianisten andere Hirnprozesse ablaufen als bei klassischen Pianisten, selbst wenn sie das gleiche Musikstück spielen. Die Aufgabe von Klassikpianisten ist es, ein Stück einfühlsam zu interpretieren. Demnach konzentrieren sich klassische Pianisten bei ihrem Spiel besonders darauf, wie sie ein Stück spielen. Für sie gehe es darum, ein Stück technisch einwandfrei und persönlich ausdrucksstark wiederzugeben. Bei Jazzpianisten geht es vor allem darum, eine Melodie einfallsreich zu variieren. Sie fokussieren sich vor allem auf das "Was" und sind darauf vorbereitet, zu improvisieren und ihr Spiel flexibel an überraschende Harmonien anzupassen. Entsprechend schneller können Jazzpianisten in der Regel auf eine unerwartete musikalische Situation reagieren und ihr Klavierspiel fortsetzen.

Musik und Emotionen: Eine untrennbare Verbindung

Schon länger steht das Verhältnis von Musik und Stimmungslage im Fokus verschiedener Disziplinen. Studien haben gezeigt, dass die Stimmungsregulation ein wichtiger Motivator für uns ist, Musik zu hören. Andere Untersuchungen legten nahe, dass sich bestimmte Songs positiv auf das Selbstbewusstsein auswirken. Und weitere Studien ergaben, dass speziell die Musik unserer Jugendzeit prägend für uns ist und wir uns besonders gut an sie erinnern.

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Regionale Unterschiede im Musikgeschmack

Eine Analyse von Millionen Online-Streams der Musik-Plattform Spotify ergab tageszeitliche und saisonale Muster. So wählten Menschen in Asien eher entspannende Musik, Hörer in Lateinamerika hingegen mehrheitlich anregende Stücke. Generell hören der Analyse zufolge vor allem jüngere Menschen intensivere Musik.

Musik als universelle Sprache der Gefühle

Musik ist Emotion pur. Sie kann uns positiv berühren und bewegen, aber auch negativ beeinflussen. Verzerrt klingende Musik löst Ängste und Trauer in uns aus. Diese Klangeffekte werden etwa für Filmmusiken bei drohendem Unheil oder bei Verfolgungsjagden hergenommen, um Spannung zu erzeugen.

Musiktherapie: Heilung durch Klänge

Wenn Musik so viele positive Effekte hat, könnte man sie auch gezielt im medizinischen Bereich einsetzen. Musiktherapie kann als Schmerzlinderung bei chronischen Schmerzen eingesetzt werden. Mehr und mehr erkennen Forschende, wie verblüffend das therapeutische Potenzial von Musik ist. Der Neurowissenschaftler Stefan Kölsch über Rhythmen, die unsere Gesundheit stärken.

Binaurale Beats: Ein akustischer Trick für das Gehirn?

Binaurale Beats sind ein akustisches Phänomen, das auftritt, wenn man sich einen Kopfhörer aufsetzt und links und rechts zwei unterschiedlich hohe Töne auf die Ohren spielt. Die Lautstärke ist nicht so entscheidend, wichtiger ist, dass sich die Töne in ihrer Höhe nur ganz leicht unterscheiden. Dann hört man eine Art Auf- und Abschwellen des Tons, ein hin- und herpendelndes Brummen.

Die umstrittene Wirkung binauraler Beats

Die Idee hinter den Effekten der binauralen Beats ist, dass man mit der hervorgerufenen Schwingung auch andernorts im Gehirn Gehirnwellen gleicher Frequenz hervorrufen kann. Dass, wenn also binaurale Beats mit 10 Hertz schwingen, dies weitere 10 Hertz-Gehirnwellen hervorruft.

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Wissenschaftliche Erkenntnisse zu binauralen Beats

Trotzdem gibt es die ein oder andere Studie, in der Forscherinnen und Forscher binaurale Beats untersucht haben. Zwar konnten in den meisten wissenschaftlichen Arbeiten keine positiven Effekte beobachtet werden. Doch kamen einige wenige Studien zu dem Ergebnis, dass das Hören von binauralen Tönen zu positiven Auswirkungen führt. Die Forschung zum Thema legt also nahe, dass binaurale Beats keine der diskutierten Effekte auf Schlaf, Gedächtnis, Schmerzen, Konzentration, Stress oder Ängste haben.

Musikunterricht: Förderung der kognitiven Fähigkeiten

Immer mehr Studien zeigen, dass Musikunterricht in der Kindheit sich langfristig positiv auf das Gehirn auswirken kann. Das liegt daran, dass eine musikalische Ausbildung einen „tiefgreifenden“ und langanhaltenden Einfluss auf das Gehirn hat. Sie erzeugt zusätzliche neuronale Verbindungen, die ein Leben lang bestehen bleiben und so den kognitiven Verfall in späteren Lebensabschnitten kompensieren können.

Vorteile für ältere Erwachsene

Die Neurowissenschaftlerin Nina Kraus von der Northwestern University in Chicago hat noch weitere positive Auswirkungen einer frühen musikalischen Ausbildung auf ältere Erwachsene festgestellt. Sie vermutet, dass der Grund für die Vorteile des Musikunterrichts darin liegt, dass man beim Musizieren einen sehr präzisen Zusammenhang zwischen Ton und Bedeutung herstellen muss.

Klavierunterricht im Alter

Die Musikprofessoren Jennifer Bugos von der University of South Florida in Tampa untersuchte die Auswirkungen von Klavierunterricht auf Erwachsene im Alter von 60 bis 85 Jahren. Nach sechs Monaten zeigten die Teilnehmer Verbesserungen bei der Gedächtnisleistung, Wortfindung, Informationsverarbeitung, Planungsfähigkeit und anderen kognitiven Funktionen.

Der Einfluss von Musik auf den Musikgeschmack

Ob wir Musik gut oder schlecht finden, hat keinen Nutzen. Trotzdem stellt das Gehirn Nervenschaltkreise zur Verfügung, um Musik gut oder schlecht zu finden, sagt Neurowissenschaftler Henning Beck. Forschende aus Montreal haben mit einer Studie untersucht, ob Musik uns abhängig davon gefällt, welche Gehirnregion gerade aktiv ist. Sie haben den Beischlafkern oder Nucleus accumbens der Probanden stimuliert. Er ist daran beteiligt, wenn positive Belohnungsempfindungen ausgelöst werden. Wenn diese Region aktiviert ist, gefällt uns Musik besser.

Musik als Lernhilfe

Musik hilft beim Lernen. Das besagt zumindest eine von dem Musikstreamingdienst Spotify in Auftrag gegebene Studie. Für Mathe sollen sich demnach vor allem Songs mit einem Tempo von 50 bis 80 Beats pro Minute eignen, weil sie die linke, logische Gehirnhälfte stimulieren. Wer kreativ sein muss, sollte dagegen lieber „Firework“ von Katy Perry hören, das spricht die rechte Gehirnhälfte an.

Die richtige Musik zum Lernen

Wir sollten beim Pauken also Musik hören, die uns gut gefällt. Wer sich von Musik stark beeinflussen lässt, darauf aber nicht verzichten möchte, sollte es beim Auswendiglernen lieber mit Instrumentalmusik probieren.

Musik und das Opioidsystem des Gehirns

Musik kann gute Laune machen und zu wahrhaften Gänsehautmomenten führen. Wie das funktioniert, haben finnische Forscher analysiert. Schon länger war bekannt, dass Musik auf das Opioidsystem des Gehirns wirken kann, zu dem auch das Belohnungszentrum gehört. Das Hören der Lieblingsmusik beeinflusst demnach die Freisetzung von Opioiden in mehreren Hirnregionen, die an Emotionen und Belohnung beteiligt sind.

Singen: Eine Wohltat für Körper und Seele

Singen stärkt die Abwehrkräfte, mindert Stress und schafft Zusammenhalt. Darüber hinaus hingen individuelle Unterschiede in der Anzahl der Opioidrezeptoren mit der Hirnaktivierung beim Musikhören zusammen: Je mehr solche Rezeptoren die Teilnehmerinnen hatten, desto stärker erfreut reagierte ihr Gehirn auf die Musik.

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