Demenz ist eine Erkrankung, die mit kognitiven und emotionalen Einbußen sowie Schwierigkeiten bei der Bewältigung alltäglicher Aufgaben einhergeht. Trotz dieser Herausforderungen bleibt die Fähigkeit, ausgelassen und fröhlich zu lachen und humorvolle Interaktionen emotional zu erfassen, oft lange erhalten. Humor, verstanden als Förderung von Heiterkeit, Fröhlichkeit, Spiel und der Fähigkeit, Schwierigkeiten und Missgeschicken mit Gelassenheit zu begegnen, kann das Wohlbefinden und die Lebensqualität von Menschen mit Demenz positiv beeinflussen. Dies wird durch bisherige, wenn auch noch wenige Studien nahegelegt.
Die Bedeutung von Humor bei Demenz
Humor ist eine besondere Ressource im Umgang mit Demenz. Betroffene behalten ihren Sinn für Humor bei Demenz oft erstaunlich lange und genau darin liegt eine große Chance für Nähe, Entspannung und Lebensfreude. Humor ist viel mehr als Heiterkeit. Humor ist eine Haltung zum Leben - und zum Sterben. Diese Art, das Leben zu nehmen, ist von Gelassenheit statt von Verzweiflung geprägt - wertvoll in der Pflege. Das gilt ganz besonders für "Humor in der Pflege". Humor ist für mich Normalität, auch im Umgang mit Krankheit und Tod. Humor ist Begegnung. Humor löst Glücksmomente aus.
Was Humor eigentlich bedeutet
Das Wort "Humor" stammt vom lateinischen "umor", was "Flüssigkeit" oder "Körpersaft" bedeutet. Dies ist ein Verweis auf die antike Säftelehre, nach der das Temperament vom Verhältnis der Körpersäfte abhing. Heute verstehen wir unter Humor die Fähigkeit, schwierigen oder unangenehmen Situationen mit Gelassenheit und Heiterkeit zu begegnen. Humorvolle Menschen bringen andere zum Lachen und sorgen für eine positive Atmosphäre. Obwohl Humor auch kulturell geprägt ist, gilt er als angeborene Fähigkeit. Die Wissenschaft zeigt: Lachen wirkt ganzheitlich auf Körper und Geist und stärkt das soziale Miteinander. Besonders im Umgang mit einer chronischen Erkrankung wie Demenz ist das von unschätzbarem Wert.
Der lange Weg des Humors durch die Geschichte
In der Geschichte hatte Humor nicht immer einen guten Stand. Im antiken Griechenland war Spott ein geläufiger Anlass zum Lachen, was Philosophen wie Aristoteles kritisierten. Cicero forderte kultivierte Ironie statt derbem Spott. Im Mittelalter wurde Humor als sündhaft angesehen und sogar verboten. Klöster verbannten das Lachen, weil es als Zeichen von Schwäche oder Sünde galt. Erst in der Aufklärung wandelte sich dieses Bild. Humor wurde als Mittel verstanden, um Erkenntnisse zu vermitteln. In den Jahren vor der deutschen Märzrevolution 1848 entstanden zahlreiche Karikaturen und Satireblätter. Humor wurde damit zum Werkzeug demokratischer Bewegungen.
Was Humor mit Gesundheit zu tun hat
Bereits Sigmund Freud erkannte Humor als seelisches Ventil: eine Möglichkeit, mit schwierigen Lebenslagen besser umzugehen. In der modernen Medizin wird Humor längst therapeutisch genutzt. Studien belegen: Lachen kann Stresshormone abbauen, die Schmerzwahrnehmung senken, Glückshormone freisetzen und das Immunsystem stärken. Humor fördert soziale Beziehungen, regt die Kreativität an und unterstützt sogar die Heilung. Clowns auf Kinderstationen in Krankenhäusern sind ein gutes Beispiel dafür, wie heitere Zuwendung wirkt.
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Humorvolle Interventionen in der Demenzpflege
Schwerpunkte von humorvollen Interventionen sind nonverbale Kommunikationsformen, die Bildung eines heiteren Milieus und die Förderung des Sinns für Humor von Angehörigen und Professionellen.
Nonverbale Kommunikation
Nonverbale Kommunikation spielt eine entscheidende Rolle, da Menschen mit Demenz im Laufe der Erkrankung oft Schwierigkeiten haben, verbale Botschaften zu verstehen. Mimik, Gestik, Körperhaltung und Tonfall können jedoch auch ohne Worte eine humorvolle Atmosphäre schaffen.
Schaffung eines heiteren Milieus
Ein heiteres Milieu kann durch verschiedene Maßnahmen geschaffen werden, wie z.B.:
- Dekoration mit bunten Farben und fröhlichen Bildern
- Abspielen von Musik, die positive Erinnerungen weckt
- Gemeinsames Singen und Tanzen
- Spiele und Aktivitäten, die Spaß machen und zum Lachen anregen
Förderung des Sinns für Humor bei Angehörigen und Professionellen
Es ist wichtig, dass auch Angehörige und professionelle Pflegekräfte ihren Sinn für Humor bewahren und einsetzen. Dies kann helfen, schwierige Situationen zu entschärfen, Stress abzubauen und eine positive Beziehung zu den Betroffenen aufzubauen.
Praktische Beispiele für den Einsatz von Humor
Der Gerontopsychiater Rolf-Dieter Hirsch empfiehlt Humor als ein Mittel, das ohne Rezept zu haben ist und auch keine unerwünschten Nebenwirkungen mit sich bringt. Er berichtet von positiven Erfahrungen aus seiner eigenen Praxis und als früherer Chefarzt der Rheinischen Kliniken Bonn.
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Humor bei aggressivem Verhalten
Hirsch berichtet, dass er im Extremfall bei einem aggressiven älteren Menschen manchmal eine rote Nase aufgesetzt hat. Humorvolle Interventionen bei Aggression könnten auch das unerwartete Singen oder Summen eines Liedes oder gemeinsames Tanzen beinhalten. Wichtig ist dabei, dass die Pflegekraft selbst innerlich humorvoll aufgelegt ist und nicht wütend oder ärgerlich.
Humor im Umgang mit Inkontinenz
Hirsch gibt ein Beispiel, wie man mit Humor auf Inkontinenz reagieren kann: "Wenn ich diesen mehr zusteuere, dann kann ich das andere leichter ertragen. Und es gibt ja Situationen, zum Beispiel ein älterer Dementer lässt Wasser unter sich und da gibt es so eine Patsche und Ähnliches. Stellen wir uns ein kleines Kind vor, das würde sich erst mal freuen und würde damit mal rumspielen, und wir sind sofort darauf aus, es muss normal sein, muss sofort und schnell und akut gehandelt werden."
Humor im Alltag
Hirsch ermutigt dazu, im Alltag humorvolle Situationen zu suchen und zu nutzen: "Gestern bin ich mit dem Fahrrad gefahren, kam mir jemand entgegen, wir hatten eigentlich keine Chance, die hatte mich angeguckt, ich sie, wir haben miteinander schallend gelacht, weil wir nicht aneinander vorbeigekommen sind, und lächelnd sind wir weitergefahren. Und schon den anderen angucken, der ist vielleicht verlegen, ich bin verlegen, man lacht miteinander, man braucht nichts machen."
Wertschätzender Humor
Uli Zeller, Krankenpfleger, Theologe und Autor, betont die Bedeutung von "wertschätzendem Humor": „Ich lache nicht über die Schwächen von Menschen mit Demenz, sondern ich lache mit, wenn sie selbst über eine eigene Schwäche lachen können. So, wie ich auch über meine eigenen Fehler und Missgeschicke lache.“ Für Zeller ist dabei wichtig, zu betonen, dass er sich nicht über die Begrenzungen von Menschen mit Demenz lustig macht, sondern sich mit ihnen über ihr kreatives Potenzial freut.
Beispiele für unfreiwillig komische Situationen
Zeller erzählt folgende drei Erlebnisse mit Menschen mit Demenz, die zeigen, wie „unfreiwillig komisch“ Situationen manchmal sein können:
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- Situation 1: Ein Kompliment: Frau Frischbutter musterte Zeller eines Tages ganz genau von oben bis unten und dann wieder von unten nach oben. Als sie ihn zu Ende begutachtet hatte, machte sie ihm ein etwas zweifelhaftes Kompliment: „Für uns alte Weiber bist du schön genug.“
- Situation 2: Drei Versprecher: In einer Aktivierungsrunde wurden folgende Redewendungen verwechselt:
- Frau Bach verwechselte denjenigen, den der Fuchs mitgenommen hat: „Fuchs, du hast den Hans gestohlen …“. In Wirklichkeit ist es natürlich nicht der Hans, sondern die Gans.
- Bei Frau Schneiderheinze haben Lügen keine kurzen Beine. Sie ergänzte die Redewendung einfallsreicher: „Lügen haben kurze Steine.“
- Und Herrn Lehmberger saß der Kloß offensichtlich nicht im Hals, sondern an einer anderen Stelle: „Ihm sitzt ein Kloß im Nacken.“
- Situation 3: Unfreiwilliger Nichtraucher: Herr Fritz, leidenschaftlicher Raucher, war acht Tage wegen einer Lungenentzündung im Krankenhaus. Als er zurück ins Altenheim kam, erzählte er: „Jetzt habe ich eine Woche nicht geduscht und durfte eine Woche lang nicht rauchen. Naja, das mit dem Duschen ist ja nicht so schlimm …“
Humor als therapeutische Ressource
Martin Herberg zeigt anhand von mehr als 50 Praxisbeispielen die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Humor in der Arbeit mit Demenzerkrankten, zum Beispiel in Verbindung mit Musik, Basteln, Gymnastik und kognitivem Training. Er geht außerdem darauf ein, wie Humor in die Unternehmenskultur von Pflegeeinrichtungen integriert werden kann.
Humor für Angehörige
Auch für Angehörige und Pflegende ist Humor ein effektives Mittel zur Stressbewältigung. Er hilft, Spannungen zu lösen, mit Schamgefühlen umzugehen und schwierige Alltagssituationen gelassener zu meistern. Wer liebevoll und mit einem Augenzwinkern reagiert, fühlt sich weniger ausgeliefert und kann so Kraft schöpfen. Humor ermöglicht echte Begegnung: Er verändert den Blick weg von der Defizitorientierung hin zu gemeinsamen Momenten.
Ausstellung "Demensch" von Peter Gaymann
Im Alten- und Pflegeheim Haus Elbmarsch der Regio Kliniken sorgte eine Gute-Laune-Ausstellung für Begeisterung: Gäste sowie Interessierte konnten die humorvolle Kunst des renommierten Illustrators, Schriftstellers und Karikaturisten Peter Gaymann bestaunen. In zwölf Bildern widmete sich der Künstler auf humorvolle Weise dem ernsten Thema „Demenz“. Die Leihgabe der Kunstwerke ist Teil des Projekts „Demensch“, das Peter Gaymann zusammen mit dem Gerontologen Prof. Dr. Thomas Klie 2013 ins Leben gerufen hat. Das Projekt setzt sich für einen menschlichen, respektvollen Umgang mit Demenzerkrankten ein und nutzt die Kraft des Humors, um Demenz aus der gesellschaftlichen Tabuzone zu holen und im Alltag Barrieren zu überwinden.