Huntington-Krankheit: Ursachen, Symptome und Behandlungsansätze

Die Huntington-Krankheit (HK), auch Chorea Huntington oder Morbus Huntington genannt, ist eine seltene, autosomal-dominant vererbte neurodegenerative Erkrankung des Gehirns. Sie ist durch eine Trias von motorischen Symptomen, kognitiven Beeinträchtigungen und psychiatrischen Symptomen gekennzeichnet. Die Erkrankung führt zu einem fortschreitenden Verlust von Nervenzellen in bestimmten Hirnbereichen, insbesondere in den Basalganglien.

Was ist die Huntington-Krankheit?

Die Huntington-Krankheit ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung des Gehirns. Sie wird durch eine Mutation des Huntingtin-Gens verursacht, die zu unkontrollierten Bewegungen, kognitiven Beeinträchtigungen und psychiatrischen Symptomen führt. Die Erkrankung beginnt meist im mittleren Lebensalter, verschlimmert sich zunehmend und führt in fast allen Fällen zum Tod.

Ursachen und Genetik

Genetische Grundlagen

Der HK liegt eine Mutation des Huntingtin-Gens (HTT) zugrunde, die durch übermäßige Wiederholung (Repeats) dreier Basen (CAG) im Exon 1 auf Chromosom 4 (4p16.3) verursacht wird. Die Länge der CAG-Wiederholungen bestimmt, ob eine Person an HK erkrankt.

  • CAG-Wiederholungen: Die Anzahl der CAGs in der Allgemeinbevölkerung liegt im Bereich von 6 bis 35 CAG-Wiederholungen. Bei ≥ 40 CAG-Wiederholungen zeigt die Mutation volle Penetranz und löst einen Krankheitsprozess aus, der unvermeidlich zu den Symptomen der HK führt. Im Bereich zwischen 36 und 39 CAGs ist eine inkomplette Penetranz bekannt, d. h. die Betroffenen erkranken zu Lebzeiten nicht oder zeigen erst spät erste Symptome.
  • Intermediäre Allele: CAG-Wiederholungen zwischen 27 und 35 CAGs (auch als intermediäre Allele bezeichnet) sind in der Regel nicht mit Krankheitssymptomen assoziiert, aber die Möglichkeit der Expansion der CAG-Repeats stellt ein erhöhtes Erkrankungsrisiko für die Nachkommen dar. Das Vorhandensein dieser intermediären Allele ist einer der möglichen Gründe, warum Krankheitsfälle beobachtet werden, obwohl bisher niemand in der Familie erkrankt war.
  • Erkrankungsalter: Es besteht eine inverse Beziehung zwischen der Zahl der CAG-Wiederholungen und dem Erkrankungsalter, d. h. eine höhere Wiederholungszahl bedingt ein früheres Auftreten von Symptomen und ein rascheres Fortschreiten der HK.

Vererbung

Das mutierte Gen wird autosomal dominant vererbt: Das heißt, wenn ein Elternteil das genetische Merkmal hat, so wird es mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % an jedes Kind weitergegeben. Ist es bei einem Kind vorhanden, kommt es später im Leben praktisch ohne Ausnahme auch zum Ausbruch der Krankheit.

Symptome der Huntington-Krankheit

Die Huntington-Krankheit manifestiert sich durch eine Trias von Symptomen: motorische Störungen, kognitive Beeinträchtigungen und psychiatrische Symptome. Diese können sich individuell unterschiedlich äußern und im Verlauf der Krankheit verändern.

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Motorische Symptome

Die motorischen Symptome der HK umfassen:

  • Chorea: Unwillkürliche, ruckartige und unregelmäßige Bewegungen, die an einen Tanz erinnern. Diese Bewegungen betreffen vor allem das Gesicht, die Gliedmaßen und den Rumpf.
  • Bradykinesie: Verlangsamung der Bewegungen und Steifheit der Muskulatur.
  • Dystonie: Anhaltende Muskelkontraktionen, die zu verdrehten Körperhaltungen führen können.
  • Gleichgewichtsstörungen: Erhöhte Sturzgefahr.
  • Dysarthrie: Sprechprobleme aufgrund von Koordinationsstörungen der Sprechmuskulatur.
  • Dysphagie: Schluckbeschwerden, die zu Mangelernährung und Aspiration führen können.

Kognitive Symptome

Die kognitiven Beeinträchtigungen bei der HK umfassen:

  • Aufmerksamkeitsstörungen: Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit zu fokussieren und aufrechtzuerhalten.
  • Exekutive Dysfunktion: Probleme mit Planung, Organisation, Problemlösung und Entscheidungsfindung.
  • Gedächtnisstörungen: Schwierigkeiten, sich neue Informationen zu merken und sich an vergangene Ereignisse zu erinnern.
  • Psychomotorische Verlangsamung: Verlangsamung der Denk- und Reaktionsgeschwindigkeit.
  • Demenz: Fortschreitender Verlust der geistigen Fähigkeiten, der die Lebensqualität erheblich beeinträchtigt.

Psychiatrische Symptome

Psychische und Verhaltenssymptome sind bei der HK häufig und können Jahre vor den motorischen Symptomen auftreten. Zu den psychiatrischen Symptomen gehören:

  • Depression: Anhaltende Traurigkeit,Interesseverlust und Antriebslosigkeit.
  • Angst: Übermäßige Sorgen und Ängste, die das tägliche Leben beeinträchtigen.
  • Apathie: Mangel an Interesse und Motivation für Aktivitäten.
  • Reizbarkeit und Aggressivität: Neigung zu Wutausbrüchen und aggressivem Verhalten.
  • Zwangssymptome: Wiederholte Gedanken und Handlungen, die als quälend erlebt werden.
  • Psychosen: Realitätsverlust mit Wahnvorstellungen und Halluzinationen.
  • Impulskontrollstörungen: Schwierigkeiten, impulsive Handlungen zu kontrollieren.
  • Suizidgedanken: Gedanken an Selbsttötung.

Weitere Symptome

Zusätzlich zu den oben genannten Symptomen können bei der HK auch Schlafstörungen, Gewichtsverlust und Harninkontinenz auftreten.

Diagnose

Die Diagnose der Huntington-Krankheit basiert auf einer Kombination von klinischen Befunden, Familienanamnese und genetischen Tests.

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Klinische Untersuchung

Die klinische Diagnose einer manifesten HK basiert aktuell auf dem Vorhandensein motorischer Symptome wie Chorea und Bradykinesie. Psychische Symptome und Verhaltensauffälligkeiten können jedoch schon viele Jahre zuvor auftreten.

Familienanamnese

Da die HK eine Erbkrankheit ist, ist die Erhebung der Familienanamnese von großer Bedeutung. Der Arzt wird nachfragen, ob andere Familienmitglieder an der HK erkrankt sind oder ähnliche Symptome aufweisen.

Molekulargenetische Untersuchung

Die Diagnose kann durch den molekulargenetischen Nachweis einer verlängerten CAG-Wiederholung im Huntingtin-Gen gesichert werden. Hierbei wird die Anzahl der CAG-Wiederholungen im HTT-Gen bestimmt. Eine erhöhte Anzahl von Wiederholungen bestätigt die Diagnose.

Bildgebende Verfahren

Eine Magnetresonanztomografie (MRT) kann Aufschluss darüber geben, ob bestimmte Gehirnregionen bereits durch Huntington geschädigt sind. Eine Positronen-Emissions-Tomographie (PET) kann charakteristische Störungen im Stoffwechsel von Hirngewebe sichtbar machen.

Stadien der Huntington-Krankheit

Zu Forschungszwecken wurde das Huntington’s Disease Integrated Staging System (HD-ISS) eingeführt, das Personen von Geburt an charakterisiert:

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  • Stadium 0: Personen mit der genetischen Mutation für die Huntington-Krankheit ohne nachweisbare Pathologie.
  • Stadium 1: Personen mit der genetischen Mutation für die Huntington-Krankheit mit messbaren Indikatoren (z. B. Magnetresonanztomographie, MRT) der zugrunde liegenden Pathologie.
  • Stadium 2: Personen mit der genetischen Mutation für die Huntington-Krankheit mit einem nachweisbaren klinischen Phänotyp.
  • Stadium 3: Personen mit der genetischen Mutation für die Huntington-Krankheit mit funktionellem Abbau.

Behandlung

Derzeit gibt es keine Möglichkeit, die Entwicklung der Huntington-Krankheit zu verhindern oder die Krankheit zu heilen. Die Behandlung zielt allein auf eine Symptomlinderung ab.

Medikamentöse Therapie

Verschiedene Medikamente können zur Linderung der Symptome eingesetzt werden:

  • Neuroleptika: Können die unwillkürlichen Bewegungen (Chorea) mildern und auch bei psychischen Symptomen wie Angst und Depression hilfreich sein.
  • Antidepressiva: Werden zur Behandlung von Depressionen eingesetzt.
  • Tetrabenazin: Ist zur Therapie von choreatischen Hyperkinsen zugelassen.
  • Tiaprid: Ist zur Therapie von choreatischen Hyperkinsen zugelassen, es wird empfohlen, die antihyperkinetische Therapie mit Tiaprid zu beginnen, bei dem ein günstigeres Nebenwirkungsprofil vorliegt.
  • Antipsychotika: Können bei Psychosen eingesetzt werden.
  • Dopaminagonisten: Können bei bradykinetischen Patienten und der juvenilen Westphal-Variante angewendet werden.

Nebenwirkungen müssen dabei sorgfältig beobachtet werden, denn mitunter sind diese den eigentlichen Symptomen der Krankheit recht ähnlich, was eine Medikamentenbehandlung erschwert.

Nicht-medikamentöse Therapie

Ebenfalls wichtig sind eine psychosoziale Betreuung und Unterstützung im Alltag. Dazu kommen regelmäßig Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie (Training bei Sprech- und Schluckschwierigkeiten). Ziel ist es, dass die Betroffenen möglichst lange ihre Selbstständigkeit bewahren.

  • Physiotherapie: Kann die Beweglichkeit und Koordination verbessern. Studien konnten eine Verbesserung der Gangsicherheit durch Krankengymnastik belegen.
  • Ergotherapie: Kann die Selbstständigkeit im Alltag fördern.
  • Logopädie: Kann bei Sprech- und Schluckbeschwerden helfen.
  • Psychotherapie: Kann helfen, mit den psychischen Belastungen der Erkrankung umzugehen.
  • Ernährungstherapie: Eine hochkalorische Ernährung kann helfen, Gewichtsverlust entgegenzuwirken.

Da die Symptome und der Verlauf der Krankheit sehr unterschiedlich sein können, muss jede Therapie individuell auf die Patient*innen abgestimmt und im Verlauf immer wieder angepasst werden.

Tiefe Hirnstimulation

Ein experimentelles Verfahren im Rahmen von klinischen Studien ist die Tiefenhirnstimulation. Dabei wird den Patient*innen ein Hirnschrittmacher eingesetzt, um die unwillkürlichen Bewegungen zu unterdrücken. Einigen Betroffenen hat das geholfen.

Was können Sie selbst tun?

  • Führen Sie ein möglichst aktives Leben mit viel Bewegung, das kann den Krankheitsbeginn etwas hinauszögern.
  • Nehmen Sie nach Ausbruch der Erkrankung ergänzende Therapien wie Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie in Anspruch. Diese können helfen, Beschwerden zu lindern und im Alltag selbstständig zu bleiben.
  • Eine Psychotherapie und ggf. Medikamente können Ihnen helfen, besser mit der Erkrankung umzugehen.
  • Suchen Sie den Kontakt zu Selbsthilfegruppen.

Vorbeugung

Eine Vorbeugung ist bei dieser Erkrankung nicht möglich.

Prognose

Huntington ist ein chronisches Leiden, dessen Symptome allmählich immer schwerer werden. Bei Ausbruch der Krankheit beträgt die verbleibende Lebenszeit häufig noch mehr als 20 Jahre. Sie endet mit praktisch 100-prozentiger Sicherheit tödlich. Häufigste Todesursache sind Schluckstörungen, die zu Erstickung oder Lungeninfekten führen.

Die durchschnittliche Erkrankungsdauer liegt bei etwa 12-15 Jahren, sodass die Lebenserwartung auch maßgeblich davon abhängt, in welchem Alter die Erkrankung auftritt. Das 60. Lebensjahr wird nur von den wenigsten Patienten erreicht.

Dennoch können ein individuell angepasstes Behandlungsschema und pflegerische Unterstützung im Alltag dazu beitragen, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen.

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