Parkinson ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die durch den Verlust von dopaminproduzierenden Nervenzellen im Gehirn gekennzeichnet ist. Dies führt zu motorischen Symptomen wie Zittern, Steifheit, verlangsamter Bewegung und Gleichgewichtsproblemen. Obwohl es derzeit keine Heilung für Parkinson gibt, können Behandlungen helfen, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern.
Ein vielversprechender Ansatz zur Behandlung von Parkinson ist die Immuntherapie, bei der das Immunsystem des Körpers stimuliert wird, um die Ursachen der Krankheit zu bekämpfen. AFFiRiS, ein österreichisches Biotechnologieunternehmen, forscht seit einigen Jahren an einer Parkinson-spezifischen Immuntherapie von Patienten im Frühstadium. Die beforschten Impfstoffe tragen den Namen AFFITOPE® PD01A und PD03A und werden synthetisch hergestellt. Sie imitieren das bei Parkinson falsch gefalteten Eiweiß Alpha-Synuclein, dessen normale Funktion noch nicht vollständig verstanden wird. Es verändert sich bei Parkinson in seiner Struktur, verklumpt, bildet Fibrillen (Faserverbände) und führt zum Absterben von Nervenzellen in bestimmten Regionen des Gehirns, unter anderem in der Schwarzen Substanz (Substantia nigra). Ziel dieser Schutzimpfung mit PD01A/PD03A ist eine Aktivierung des Immunsystems. Die Impfung soll dazu führen, dass der Patient Antikörper gegen das körpereigene krankmachende Alpha-Synuclein bildet. Diese Therapie beinhaltet eine von AFFiRiS neu entwickelte Technologie, welche durch Verwendung künstlich erschaffener kleiner Eiweißketten die Bildung dieser spezifischen Antikörper anregt, die Affitome-Technologie. Die Idee ist, dass durch diese Impfung die Menge an falsch gefaltetem Alpha-Synuclein reduziert werden kann. Auf diesem Weg soll das Fortschreiten der Erkrankung gestoppt oder verlangsamt werden.
AFFITOPE® PD01A: Ergebnisse einer Phase-1-Studie
Im Juni 2020 wurden die Ergebnisse einer ersten Langzeit-Phase-1-Versuchsreihe von AFFiRiS mit PD01A in der renommierten Fachzeitschrift „The Lancet Neurology“ veröffentlicht. In dieser Studie konnte gezeigt werden, dass die wiederholte Schutzimpfung mit PD01A sicher und gut verträglich war. Die Einzel-Studien wurden bei EudraCT registriert (2011-002650-31, 2013-001774-20, 2014-002489-54 und 2015-004854-16). Sie erfolgten monozentrisch, also in einem Zentrum (PROSENEX, Wien) und wurden von der Michael J. Fox-Stiftung unterstützt.
Studiendesign und Teilnehmer
Es wurden 32 Patienten in die Studie eingeschlossen. Davon erhielten 24 den Impfstoff, acht Patienten waren Kontrollpersonen. Die Verum-Patienten erhielten insgesamt vier subkutane (unter die Haut) Impfungen mit zwei verschiedenen Wirkstoff-Dosen von PD01A (15 und 75 Mikrogramm). Um die Sicherheit und Verträglichkeit zu bewerten, wurden die Patienten im Rahmen einer Versuchsreihe über mindestens 3,5 Jahre beobachtet. Diese setzte sich aus insgesamt vier Phasen zusammen, in der Phase-1a-Studie (NCT1568099) erfolgten die Schutzimpfungen, Studiendauer 24 Wochen. Nach Abschluss wurden die Probanden in eine erweiterte Nachbeobachtung ohne weitere Impfungen aufgenommen (NCT01885494). In einer dritten sogenannten Phase-1b-Follow-up-Studie (NCT02216188) wurden Sicherheit und Verträglichkeit der ersten Auffrischungs-Impfung (Immun-Boost) bewertet.
Ergebnisse zur Sicherheit und Verträglichkeit
Die Ergebnisse der Phase 1-Studie zeigten, dass die Immunisierung mit PD01A bei wiederholter Verabreichung sicher ist und über einen längeren Zeitraum gut vertragen wurde. Mit Ausnahme der erwarteten lokalen Reaktionen an der Einstichstelle wurden die meisten anderen Nebenwirkungen nicht mit der Studienbehandlung in Zusammenhang gebracht. Kein Patient schied aufgrund von Nebenwirkungen aus der Studie aus.
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Immunologische Auswirkungen
Die ersten drei Grundimmunisierungen führten bereits zu einem signifikanten Anstieg spezifischer Antikörper, wobei in Woche 12 ein maximaler Titer erreicht wurde. Darüber hinaus führten die Grund-Immunisierungen zu einem wesentlichen immunologischen Memory-Effekt (Bildung von immunologischen Gedächtniszellen). Dieser Effekt wird durch die Reaktivierung und Verstärkung der spezifischen Antikörperantwort nach den Booster-Immunisierungen belegt.
Hinweise zur klinischen Wirksamkeit
Obwohl die Studie nicht zur Bewertung der klinischen Wirksamkeit konzipiert wurde, fanden sich auch erste Hinweise zur klinischen Wirksamkeit. So zeigten sich die Beweglichkeit (Motorik), gemessen mit dem motorischen MDS-UPDRS-Score, über die gesamte Studiendauer stabil. Es gab also über diesen Zeitraum keine Verschlechterung der motorischen Funktionen.
Ausblick
Eine Phase 2-Studie bei Parkinson-Patienten im Frühstadium ist in Vorbereitung, abhängig von der weiteren Entwicklung der COVID-19-Situation.
SYMPATH: Untersuchung von AFFITOPE® PD03A
Im Rahmen eines von der Europäischen Kommission finanzierten Projekts SYMPATH erfolgte die Untersuchung eines zweiten Impfstoffs der Firma AFFiRiS, Affitope PD03A. Auch er zielt auf das kranke Alpha-Synuclein ab. Der Studienablauf erfolgte ähnlich PD01A. Einschluss von 36 Patienten, 12 Patienten mit 15 µg PD03A, 12 Patienten mit 75 µg PD03A und 12 Patienten mit Referenzsubstanz ohne Wirkstoff (Placebo). Studiendauer 52 Wochen, 4 Injektionen als Grundimmunisierung im 4-Wochen-Intervall, eine Booster-Injektion nach 36 Wochen. Die Studie erfolgte an zwei Standorten, Wien und Innsbruck (NCT02267434). Studienbeginn 2014.
Eingeschlossen in dieses Projekt war auch eine Studie mit MSA-Patienten (Multisystematrophie), einem atypischen Parkinson-Syndrom mit schweren autonomen Störungen und vermindertem Ansprechen auf die aktuell mögliche symptomatische Parkinson-Therapie. Die Ergebnisse der Studie wurden im September 2020 Movement Disorders Journal veröffentlicht. Auch bei MSA-Patienten waren die Impfstoffe sicher und verträglich, so dass weitere Untersuchungen der spezifischen aktiven Immuntherapie mit PD01A und PD03A bei MSA-Patienten vorgeschlagen werden.
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AC Immune: Fortschritte mit ACI-7104.056
Das Schweizer Biotech-Unternehmen AC Immune hat am Freitag seine Zahlen für das erste Halbjahr vorgelegt. Forschungs- und Entwicklungskosten sanken von 30,8 Mio. CHF auf 27,6 Mio. CHF. Der Betriebsverlust sank von 38,7 Mio. CHF auf 34,6 Mio. CHF. Die Cash-Position des Unternehmens beläuft sich auf runde 90 Mio. Mehr Augenmerk als die Finanzzahlen des börsennotierten, aber zugleich von den Großfinanziers Strüngmann, Hopp sowie dem MIG Fonds unterstützten Medikamentenentwicklers erhielten die Angaben zur Wirkstoffpipeline. Denn die kommenden Monate könnten für die Schweizer interessant werden, da eine ganze Reihe von Daten oder anderen Entwicklungsmeilensteinen aus den verschiedenen Entwicklungsprogrammen anstehen. So werden für ACI-24.060 im ersten Halbjahr 2024 weitere vorläufige Sicherheits- und Immunogenitätsdaten sowie Abeta-PET-Bildgebungsanalysen zur Reduktion von Amyloid-Plaques bei der Alzheimer-Erkrankung erwartet.
Doch auch im Bereich der Parkinson-Erkrankung tut sich etwas in der Schweiz. Die vom österreichischen Unternehmen Affiris übernommene Wirkstoffpipeline hat Fortschritte gemacht: AC Immune startete nun eine multizentrische Phase II-Studie mit dem Immuntherapie-Kandidaten ACI-7104.056 gegen Alpha-Synuklein bei Parkinson-Patienten im Frühstadium. Nach wie vor gibt es keine wirksamen Therapien gegen die Krankheit, der medizinische Bedarf ist sehr hoch. Nun wurde die Verabreichung einer Impfung an den ersten Patienten in einer randomisierten klinischen Phase II-Studie (VacSYn), in der AC Immunes aktive Immuntherapie ACI-7104.056 gegen Alpha-Synuklein bei Parkinson-Patienten im Frühstadium untersucht wird, erfolgreich eingeleitet. Nach der Injektion wurden keine Komplikationen beobachtet. VacSYn ist eine internationale multizentrische Phase II-Studie, die in klinischen Zentren in Spanien und Deutschland (Bochum, Kassel und Kiel) durchgeführt wird. Weitere Parkinson-Patienten werden bereits auf ihre Eignung zur Teilnahme an der klinischen Studie untersucht.
ACI-7104 wurde ursprünglich von Affiris aus Österreich entwickelt, die auch die Phase I-Studie durchgeführt hatte. Diese erzielte damals sehr gute Ergebnisse in Bezug auf Sicherheit und Immunisierung, das Parkinson-Portfolio wurde dann aber von den Affiris-Aktionären (unter anderem von MIG Fonds und Strüngmann) gegen eine Beteiligung in die AC Immune eingebracht. Der Impfstoff gegen die toxische Form des Alpha-Synucleins ist einer von zweien, die derzeit in der klinischen Entwicklung sind. Ziel von AC Immune ist es, das Behandlungsparadigma für neurodegenerative Erkrankungen in Richtung Präzisionsmedizin und Prävention zu verschieben. Prävention wäre "der beste Weg zur langfristigen Erhaltung der Hirnfunktion", so das Unternehmen. Zudem sieht AC Immune in Impfstoffen erhebliche Vorteile gegenüber monoklonalen Antikörpern, die teurer in der Entwicklung und Herstellung und komplexer in der Verabreichung seien.
BlueRock Therapeutics: Zelltherapie Bemdaneprocel in Phase III
Die Bayer-Tochter BlueRock Therapeutics, die sich im Schwerpunkt um neue Formen von Zelltherapien kümmern soll, darf mit Unterstützung der FDA direkt von der Phase I in die Phase III der klinischen Entwicklung einer Zelltherapie bei Parkinson übergehen. Gleichwohl befindet sich der Ansatz noch in einem frühen Stadium des Wirksamkeitsnachweises.
Die Bayer AG und ihre hundertprozentige Tochtergesellschaft BlueRock Therapeutics LP planen den Start einer Phase III-Studie für Bemdaneprocel. Dabei handelt es sich um eine Zelltherapie, die in der Entwicklung zur Behandlung der Parkinson-Krankheit ist. Die Zulassungsstudie mit dem Namen exPDite-2 soll in der ersten Jahreshälfte 2025 beginnen und stellt einen bedeutenden Meilenstein für die Entwicklung von allogenen Zelltherapien zur Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen dar. Der Schritt in die nächste Phase folgt direkt nach dem Abschluss der Phase I mit Unterstützung der FDA.
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„Wir freuen uns, diesen entscheidenden Schritt in unserem Entwicklungsprogramm zu gehen und eine potentielle neue Therapieoption für Menschen mit Parkinson zu untersuchen“, sagte Amit Rakhit, MD, MBA, Chief Development und Medical Officer von BlueRock Therapeutics. „ExPDite-2 ist die erste zulassungsrelevante Phase III-Studie, die eine aus allogenen pluripotenten Stammzellen abgeleitete experimentelle Therapie für die Parkinson-Krankheit untersucht. Daten aus der zuvor absolvierten Phase I-Studie mit zwölf Teilnehmern zeigten, dass Bemdaneprocel auch 24 Monate nach der Operation gut vertragen wurde. Es traten keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse im Zusammenhang mit der Therapie auf. Darüber hinaus wurden ermutigende Trends bei den sekundären Endpunkten bezüglich motorischer Beeinträchtigungen nach 24 Monaten beobachtet. Aufbauend auf diesen positiven Ergebnissen wird durch die FDA wegen des hohen Bedarfs an Parkinson-Behandlungsoptionen die klinische Entwicklung unter enger Begleitung verkürzt und die Phase III-Studie exPDite-2 als Doppelblind-Studie durchgeführt. Der primäre Endpunkt der Studie ist die Veränderung der Zeit, die Patienten im „ON“-Zustand ohne störende Dyskinesien nach 78 Wochen verbringen. Diese Zeit wird mithilfe eines Patiententagebuchs erfasst, das an einen 16-Stunden-Wachtag angepasst ist.
Bemdaneprocel (BRT-DA01) ist eine Zelltherapie in der klinischen Entwicklung, um die Dopamin-produzierenden Neuronen zu ersetzen, die bei der Parkinson-Krankheit zerstört werden. Diese dopaminergen Neuronen werden aus pluripotenten Stammzellen (PSC), einschließlich menschlicher embryonaler Stammzellen, gewonnen. Sie werden während einer Operation in das Gehirn von Parkinson-Patienten implantiert. Nach der Transplantation sollen sie neuronale Netzwerke regenerieren, die durch die Krankheit beschädigt wurden, und so motorische und nicht-motorische Funktionen der Patienten verbessern. Die indizierbaren pluripotenten Stammzellen werden durch BlueRock mittels CRISPR/Cas genetisch editiert, so dass ihnen die HLA-Oberflächenmarker fehlen, die zur Erkennung durch Zellen des Empfängerimmunsystems und gegebenfalls einer Abstoßungsreaktion führen könnten. Dennoch ist der klinische Ansatz noch in einem frühen Stadium. Bisher ging es hauptsächlich um die Verträglichkeit des Transplantats, was die Kontrolle einer eventuell auftretenden Abwehrreaktion des Immunsystems des Empfängers einschloss. Bei den bisher beobachteten Studienteilnehmern wurde keine solche Reaktion gefunden. Die wesentliche Frage ist jedoch noch weitgehend ungeklärt, ob die neuen Stammzellen im Gehirn des Empfängers auch das durch die Parkinsonkrankheit bereits gestörte Netzwerk aus Neuronen und vielen weiteren Zelltypen wieder reparieren können oder zumindest den weiteren Abbau verhindern.
BlueRock Therapeutics LP wurde 2016 als ein Joint Venture von Versant Ventures und Leaps by Bayer gegründet, der Impact-Investing-Einheit der Bayer AG. Ende 2019 übernahm Bayer alle Anteile und machte BlueRock zu einer hundertprozentigen Bayer-Tochter als eine Kerneinheit der neu gegründeten Zell- und Gentherapieplattform von Bayer. Bayer hat mit den US-Töchtern gerade einen Lauf.
Stammzelltherapien: Ein Blick nach Japan
Bei der Parkinson-Krankheit sterben Neuronen ab, die von der Substantia nigra ins Corpus striatum reichen und dort Dopamin freisetzen. Es hatte deshalb zuvor bereits Versuche gegeben, bei Parkinson-Patienten die zugrunde gegangenen Zellen mit Stammzellen zu ersetzen, genauer gesagt mit fetalen Stammzellen. Diese Versuche waren jedoch gescheitert, weil die behandelten Patienten Dyskinesien entwickelt hatten.
Die in der aktuellen Studie eingesetzten Zellen waren dopaminerge Vorläuferzellen, die aus einer klinisch validierten iPS-Zelllinie (induzierte pluripotente Stammzellen) gewonnen worden waren. Die Transplantate wurden bilateral ins Gehirn appliziert, wobei drei Patienten eine niedrige Dosis von 2,1 bis 2,6 Millionen Zellen/Hemisphäre und vier Patienten eine höhere Dosis von 5,3 bis 5,5 Millionen Zellen/Hemisphäre erhielten. Das primäre Ziel war es, die Sicherheit einer solchen Behandlung zu ermitteln. Während der Nachbeobachtungszeit von 24 Monaten zeigte keiner der sieben Patienten schwerwiegende Nebenwirkungen. Insgesamt wurden 73 unerwünschte Ereignisse registriert, die meist leicht bis moderat waren. Bildgebend (MRT, PET) traten weder Tumorwachstum noch Entzündungszeichen auf. Einzelfälle von Dyskinesien waren reversibel und traten ausschließlich während der sogenannten On-Zeiten auf. Das deutet darauf hin, dass die Dyskinesien nicht auf die Transplantation, sondern auf die Parkinson-Medikation der Patienten zurückzuführen waren, die diese während der Studie weiter einnahmen.
Bei sechs der sieben Patienten wurde im Phase-II-Teil der Studie eine erste Wirksamkeitsbewertung vorgenommen. Die durchschnittlichen Veränderungen aller sechs Patienten betrugen 9,5 beziehungsweise 4,3 Punkte, was 20,4 beziehungsweise 35,7 Prozent für die Off- beziehungsweise On-Scores bedeutete. Bemerkenswert war, dass jüngere Patienten (< 60 Jahre) besser auf die Therapie ansprachen als ältere. Die jüngeren Patienten in dieser Studie hatten allerdings auch geringere Ausgangsscores, während die älteren Patienten mit fortgeschrittener Symptomatik nur geringfügig profitierten.
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