Epileptische Anfälle und Epilepsien gehören zu den häufigsten chronisch-neurologischen Erkrankungen im Erwachsenenalter. Die Diagnose wird klinisch gestellt und basiert auf der Anamnese und körperlicher Untersuchung, kann aber durch EEG und andere Messinstrumente je nach Verdachtsdiagnose ergänzt werden. Die Behandlung umfasst sowohl anfallsunterbrechende als auch präventive Medikamente. In selbstlimitierenden Fällen ohne Hinweis auf eine strukturelle Ätiologie sind möglicherweise keine medikamentösen Therapien erforderlich.
Was ist eine Aura?
Eine Aura ist ein Vorgefühl vor epileptischen Anfällen, das jedoch auch ohne nachfolgenden Anfall isoliert auftreten kann. Aus epileptologischer Sicht gehören Auren bereits zum beginnenden Anfall bzw. isolierte Auren stellen ihrerseits ein epileptisches Ereignis dar. Im Rahmen des Langzeit-EEG oder Video-EEG-Monitorings lassen sich bereits während der vom Patienten angezeigten Aura spezifische EEG-Veränderungen im Sinne hypersynchroner elektrischer Entladungen großer Nervenzellverbände und entsprechend schnelle und hochamplitudige elektrische Feldpotentialschwankungen an der Kopfoberfläche ("Spikes") messen.
Ursachen der isolierten Aura Epilepsie
Die Ursachen der isolierten Aura Epilepsie sind vielfältig und können in strukturelle, genetische, infektiöse, metabolische und immunologische Ursachen unterteilt werden.
Strukturelle Ursachen
Eine strukturelle Epilepsie ist mit umschriebenen pathologischen Hirnveränderungen assoziiert. Diese können erworben oder genetisch bedingt sein. Epileptogene Läsionen sind beispielsweise Hirntumore und Hirninfarkte, Kontusionsdefekte, vaskuläre Malformationen, Enzephalozelen, fokale kortikale Dysplasien, Polymikrogyrie der kortikalen Neurone, hypothalamische Hamartome oder eine Hippocampussklerose. Ebenso kann eine perinatale Hirnschädigung, oft infolge von Sauerstoffmangel während des Geburtsvorgangs, eine Epilepsie verursachen.
Genetische Ursachen
In den letzten Jahren wurden mehrere Hundert Gene und Gen-Veränderungen identifiziert, die vermutlich oder sicher eine Epilepsie (mit)verursachen. Die Mehrzahl der Fälle der idiopathischen generalisierten Epilepsien (IGE) sind polygenetische Erkrankungen. Das Erkrankungsrisiko hängt von verschiedenen genetischen Suszeptibilitätsfaktoren und Umwelteinflüssen ab. Zu den IGE gehören die kindliche und die juvenile Absence-Epilepsie (CAE und JAE), die juvenile myoklonische Epilepsie und die Epilepsieformen mit ausschließlich generalisierten tonisch-klonischen Anfällen. Sehr viel seltener ist nur ein Gen betroffen (zum Beispiel Ionenkanal-Gene oder Neurotransmitter assoziierte Gene). Die Mutation kann vererbt werden oder de novo auftreten. Monogenetische Epilepsien weisen eine beachtliche phänotypische und genotypische Heterogenität auf. Beispielhaft sind das im ersten Lebensjahr beginnende Dravet-Syndrom, bei dem mehr als 80 Prozent der Patienten Mutationen im SCN1A-Gen aufweisen, und das sich in den ersten Lebenstagen manifestierende Ohtahara-Syndrom mit möglichen Mutationen im Gen STXBP1, seltener auch ARX. Ferner können nicht läsionelle fokale Epilepsien (non-acquired focal epilepsy, NAFE) in Teilen genetisch determiniert sein (speziell DEPDC5-Mutationen). So gibt es eine Reihe familiärer fokaler Epilepsiesyndrome, die klassischen Mendel’schen Erbgängen folgen - etwa die autosomal-dominante nächtliche Frontallappenepilepsie (ADNFLE) oder die autosomal-dominante laterale Temporallappenepilepsie (ADLTE).
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Infektiöse Ursachen
Infektionen sind die weltweit häufigste Ursache von Epilepsie. Eine infektiöse Ätiologie bezieht sich auf Patienten mit Epilepsie und nicht auf Patienten, die Anfälle im Verlauf einer akuten Infektion erleiden. Infektiöse Ursachen können regional variieren; typische Beispiele sind Neurozystizerkose, Tuberkulose, HIV, zerebrale Malaria, subakute sklerosierende Panenzephalitis, zerebrale Toxoplasmose und kongenitale Infektionen - etwa durch das Zika- oder Zytomegalie-Virus. Zudem sind post-infektiöse Entwicklungen einer Epilepsie möglich, beispielsweise nach einer viralen Enzephalitis.
Metabolische Ursachen
Eine metabolisch verursachte Epilepsie ist direkte Folge einer Stoffwechselstörung, die epileptische Anfälle als Kernsymptomatik aufweist. Es wird angenommen, dass die meisten metabolisch bedingten Epilepsien einen genetischen Hintergrund haben und nur selten erworben sind. Mit einer Epilepsie assoziierte Erkrankungen/Situationen sind u.a.: Hypoparathyreoidismus, Hämochromatose, Porphyrie, Störungen des Aminosäurestoffwechsels, Pyridoxin-abhängige Epilepsie (PDE), Hyponatriämie beim Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH), Urämie, Hyper-/Hypoglykämie, zerebraler Folsäuremangel.
Immunologische Ursachen
Eine immunologische Epilepsie ist auf eine autoimmun vermittelte Entzündung des ZNS zurückzuführen. Hierzu gehören vor allem die Kalium-Kanal-Antikörper (LGI1)-bedingte limbische Enzephalitis und die NMDA-Rezeptor-Antikörper assoziierte Enzephalitis (NMDA = N-Methyl-D-Aspartat).
Unbekannte Ursachen
Neben den zuverlässig differenzierbaren Epilepsien gibt es Formen, deren Ursache (noch) nicht bekannt ist. Eine spezifischere Diagnose als die elektro-klinische Einordnung, etwa als Frontallappenepilepsie, ist bei diesen Patienten nicht möglich. Bislang sind die neurobiologischen Zusammenhänge der Epileptogenese nicht bis ins letzte Detail verstanden. Man weiß allerdings, dass eine neuronale intra- und transzelluläre Übererregung (Hyperexzitabilität) einzelner Nervenzellen, Fehlkoordinationen von Erregung und Hemmung neuronaler Zellverbände, veränderte Zellmembraneigenschaften und eine fehlerhafte Erregungsübertragung synaptischer Netzwerke zu einer abnormen exzessiven neuronalen Entladung führen.
Symptome der isolierten Aura Epilepsie
Die Symptome der isolierten Aura Epilepsie sind vielfältig und hängen von der betroffenen Gehirnregion ab. Mögliche Symptome sind:
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- Visuelle Auren: Diese äußern sich durch visuelle Phänomene wie Blitze, Farben, Muster oder Gesichtsfeldausfälle.
- Sensorische Auren: Diese äußern sich durch Kribbeln, Taubheit oder Schmerzen in bestimmten Körperteilen.
- Auditive Auren: Diese äußern sich durch Geräusche wie Klingeln, Summen oder Stimmen.
- Olfaktorische Auren: Diese äußern sich durch Gerüche, die nicht vorhanden sind.
- Gustatorische Auren: Diese äußern sich durch Geschmäcker, die nicht vorhanden sind.
- Psychische Auren: Diese äußern sich durch Gefühle wie Angst, Freude oder Déjà-vu-Erlebnisse.
Ein Patient, X.N., berichtete von einem "komischen Gefühl", das er bei diesen Auren empfindet. Auf Nachfrage beschrieb er es als ein sehr angenehmes Gefühl, ein Glücksgefühl. Er erklärte, dass er sich auf diese "Dimension" einlässt, wenn er allein ist und nichts passieren kann. Er sei dann ganz für sich und könne die Intensität des Gefühls kontrollieren, es stärker werden lassen oder eben nicht. Er verneinte, dass das Gefühl eine sexuelle oder religiöse Komponente habe.
Diagnose der isolierten Aura Epilepsie
Die Diagnose der isolierten Aura Epilepsie basiert auf der Anamnese, der körperlichen Untersuchung und dem EEG.
- Anamnese: Der Arzt wird den Patienten nach seinen Symptomen, der Häufigkeit und Dauer der Auren sowie nach möglichen Auslösern fragen.
- Körperliche Untersuchung: Der Arzt wird den Patienten neurologisch untersuchen, um andere Ursachen für die Symptome auszuschließen.
- EEG: Das EEG ist eine Untersuchung, bei der die elektrische Aktivität des Gehirns gemessen wird. Bei Patienten mit isolierter Aura Epilepsie können im EEG epilepsietypische Potenziale nachgewiesen werden.
Differenzialdiagnosen
Bei der Diagnose der isolierten Aura Epilepsie müssen andere Erkrankungen ausgeschlossen werden, die ähnliche Symptome verursachen können. Dazu gehören:
- Migräne mit Aura: Die Migräneaura ist das klassische Beispiel eines rezidivierenden und selbstlimitierenden, primär visuellen Phänomens. Im Unterschied zur Epilepsieaura dauern die visuellen Phänomene bei der Migräne jedoch länger als fünf Minuten. Außerdem berichten Migränepatienten häufig über Licht-/Lärmempfindlichkeit oder Übelkeit/Erbrechen, was bei Epilepsiepatienten seltener der Fall ist.
- Transitorische ischämische Attacke (TIA): Bei der TIA handelt es sich um eine passagere Durchblutungsstörung des Gehirns mit klinischen Ausfallsymptomen entsprechend des betroffenen Gefäßareals. Im Unterschied zur Epilepsieaura sind die Symptome bei der TIA jedoch meist länger anhaltend und mit neurologischen Ausfällen verbunden.
- Psychogener nichtepileptischer Anfall (PNES): PNES ähnelt epileptischen Anfällen, aber ohne typische kortikale EEG-Aktivität, die bei epileptischen Anfällen diagnostisch wäre. Charakteristische körperliche Untersuchungsbefunde unterscheiden PNES von epileptischen Anfällen, z.B. geschlossene Augen während des Anfalls bei einer Person mit PNES.
- Posteriore reversible Enzephalopathie-Syndrom (PRES): Länger anhaltende binokulare Sehstörungen lassen sich auch im Rahmen eines posterioren reversiblen Enzephalopathie-Syndroms (PRES) beobachten, wobei diese von weiteren Symptomen wie Kopfschmerzen, epileptischen Anfällen sowie Bewusstseinsstörungen begleitet werden. Bildgebende Verfahren des Schädels zeigen ein vasogenes Ödem, namensgebend meist parietookzipital.
Behandlung der isolierten Aura Epilepsie
Die Behandlung der isolierten Aura Epilepsie richtet sich nach der Ursache der Erkrankung. In vielen Fällen ist eine medikamentöse Therapie mit Antiepileptika erforderlich, um die Anfälle zu verhindern. In einigen Fällen kann auch eine Operation in Erwägung gezogen werden, um die epileptogene Zone im Gehirn zu entfernen.
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