Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch eine Neigung zu Krampfanfällen gekennzeichnet ist. Diese Anfälle entstehen durch eine fehlerhafte oder übermäßige Erregung des Gehirns. Die Erkrankung ist seit dem Altertum bekannt, aber die Ursachen sind noch nicht vollständig geklärt. Glücklicherweise lässt sich Epilepsie in vielen Fällen gut mit Medikamenten behandeln.
Definition von Epilepsie
Unter Epilepsie versteht man die Neigung, Krampfanfälle zu erleiden. Grund dafür ist eine Störung der elektrischen Aktivität der Nervenzellen im Gehirn. Es ist wichtig zu beachten, dass ein einzelner Anfall noch nicht als Epilepsie gilt. Um eine Epilepsie handelt es sich nur, wenn man ohne ersichtlichen Grund mindestens zwei epileptische Anfälle hatte, die im Abstand von mehr als 24 Stunden auftraten, oder nach einem ersten Anfall ohne bekannten Auslöser eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass innerhalb der nächsten 10 Jahre weitere Anfälle auftreten. Letzteres kann z. B. angenommen werden, wenn die Krankheit in der Familie bereits häufiger diagnostiziert wurde.
Symptome von Epilepsie
Die Symptome eines epileptischen Anfalls können vielfältig sein und hängen von der Art des Anfalls und dem betroffenen Gehirnbereich ab. Einem epileptischen Anfall kann eine sogenannte Aura vorausgehen. Bei der Aura können Wahrnehmungsstörungen, Halluzinationen und Schwindelgefühle auftreten.
Fokale Anfälle
Manchmal beschränkt sich die Störung auf einen Gehirnbereich (fokaler Anfall) ‒ in anderen Fällen ist das gesamte Hirn betroffen (generalisierter Anfall). Ein fokaler Anfall (frühere Bezeichnung: „Petit-Mal”) führt zu weniger starken Symptomen, da nicht das ganze Gehirn betroffen ist: Die Person bewegt den Kopf oder die Augen, sie beginnt zu kauen, zu schlucken oder zu schmatzen, vielleicht gibt sie Stimmlaute von sich. Die Symptome sind vielfältig und hängen davon ab, welcher Bereich des Gehirns den Anfall auslöst. Oft geht der Anfall in einen generalisierten Anfall über.
Generalisierte Anfälle
Der generalisierte tonisch-klonische Anfall (frühere Bezeichnung „Grand-Mal”) führt zu plötzlichem Bewusstseinsverlust: Die Person kann stürzen. Danach kommt es zum Verlust der Kontrolle über die Muskeln: „Tonisch” bedeutet, dass sich die Muskulatur unkontrolliert anspannt. Mit dem Wort „klonisch” beschreibt man zuckende Bewegungen. Das bedeutet, dass die Person sowohl erstarren als auch Zuckungen erleiden kann. Außerdem kann sich die Haut leicht bläulich färben. Auch Speichelfluss ist möglich.
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Ein generalisierter Anfall ist schwere Muskelarbeit und eine große Anstrengung für den Körper. Danach ist man oft benommen, müde oder verwirrt. Es kann passieren, dass man die Kontrolle über Blase und Darm verliert. Auch kurzzeitige Lähmungen sind möglich. Einige Personen bemerken, dass sie sich während des Anfalls auf die Zunge gebissen haben. Anderen wird übel oder sie haben Kopfschmerzen und Muskelkater. Normalerweise ist der Anfall damit vorüber. Selten führt ein Anfall jedoch zu einer unmittelbar lebensgefährlichen Herzrhythmusstörung, die sofort behoben werden muss.
Absencen
Die Absence betrifft meist Kinder und Jugendliche. Sie äußert sich durch eine plötzliche Bewusstseinsstörung ‒ oft mit geöffneten Augen ‒ und ist meist nach weniger als 10 Sekunden vorüber.
Allgemeine Symptome
Allgemeine Symptome bei epileptischen Anfällen können sein:
- Bewusstseinsveränderungen, geistige Abwesenheit (Absence), Bewusstseinsverlust
- Wahrnehmungsstörungen: Sehstörungen, Geschmacks- und Geruchshalluzinationen
- Schwindelgefühle
- Übelkeit und Unwohlsein
- Kribbeln in den betroffenen Körperteilen
- ungewöhnliche Muskelaktivität, Muskelzuckungen und Krämpfe im Sinne tonisch-klonischer Entäußerungen (s. Symptome bei einem generalisierten Anfall)
- unwillkürliche Laute
Je nach Art des Anfalls sind die Betroffenen in der Regel zwischen den Anfällen beschwerdefrei und weisen keine neurologischen Symptome auf.
Ursachen und Risikofaktoren von Epilepsie
Ein Anfall entsteht, wenn Nervenzellen in der Hirnrinde aus dem Takt geraten. Sie senden zu viele elektrische Impulse aus ‒ oder senden im selben Rhythmus, obwohl sie das gar nicht tun sollten. Dies liegt daran, dass Hirnzellen einander anregen können. Daher können sich fokale Anfälle auch ausbreiten, das ganze Gehirn erfassen und damit in generalisierte Anfälle übergehen.
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Die Ursache einer Epilepsie kann in einer Schädigung des Hirngewebes liegen, etwa nach einem Schlaganfall, einer Entzündung oder einer Kopfverletzung, aber auch durch die Parkinson-Krankheit und Alzheimer-Demenz. Einige Gene können zur Epilepsie führen. Das heißt, dass die Neigung, eine Epilepsie zu entwickeln, angeboren sein kann. Meistens kommt es dann schon im Kindesalter zur Epilepsie. In einigen Fällen liegt die Ursache in einer Stoffwechselstörung, im Immunsystem oder ist unbekannt.
Die Ursachen der Epilepsie sind vielfältiger Natur. So können zum einen unfallbedingte Verletzungen des Gehirns zu epileptischen Symptomen führen, aber auch Verletzungen, die aus anderen Krankheiten entstehen. Zu letzteren zählen beispielsweise Schlaganfälle oder Gehirntumore. Des Weiteren gibt es seelische Ursachen wie zum Beispiel vermehrten Stress. Grelles Stroboskoplicht, wie es in der Disco und in Clubs vorkommt, kann ebenfalls epileptische Anfälle auslösen.
Mögliche Auslöser
- Schlafmangel
- Flackernde Lichter (moderne Bildschirme sind kein Auslöser)
- Alkoholkonsum und Alkoholentzug
- Giftstoffe
Risikofaktoren
- Schlaganfall
- Kopfverletzungen
- Hirntumor
- Entzündung der Hirnhäute (Meningitis) oder des Gehirns (Enzephalitis)
- Bei Kindern: Fieberkrampf
Auch wenn bisher kein epileptischer Anfall aufgetreten ist: Ein Fieberkrampf in der Kindheit steigert das Risiko, irgendwann eine Epilepsie zu entwickeln. Eine Kopfverletzung kann ebenso Jahre später eine Epilepsie verursachen. Auch Schlaganfälle und Hirntumoren können verantwortlich sein. Außerdem spielen psychosoziale Faktoren eine Rolle: Wer in Armut lebt, hat ein höheres Risiko, an Epilepsie zu erkranken.
Diagnose von Epilepsie
Wenn Sie einen Anfall erlebt haben, sollten Sie in der Hausarztpraxis auch die Begleitsymptome beschreiben. Dazu zählen Übelkeit und plötzliche Stimmungsschwankungen. Sie können nach einem Auslöser suchen: Haben Sie derzeit Schlafmangel? Nehmen Sie seit Kurzem Medikamente ein? Berichten Sie auch, ob in Ihrer Familie bereits eine Epilepsie aufgetreten ist.
Es ist sehr hilfreich, wenn andere Personen einen Anfall beobachtet haben und bei der Untersuchung beschreiben können. Besonders nützlich sind Videoaufnahmen. So lässt sich sagen, wie lange der Anfall gedauert hat. Außerdem gibt es nicht-epileptische Anfälle, die psychische Ursachen haben und anders ablaufen. Eine Bewusstlosigkeit, wie sie bei Kreislaufstörungen auftritt, ist kein epileptischer Anfall.
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Nach dem Arztgespräch folgen meist eine körperliche Untersuchung und eine Blutentnahme. Außerdem werden Sie auf Anzeichen für neurologische Beschwerden hin untersucht. Es kann zusätzlich eine Messung der elektrischen Herzaktivität (EKG) gemacht werden.
Bei Verdacht auf Epilepsie erhalten Sie eine Überweisung zur Facharztpraxis für Neurologie. Wichtig ist eine Messung der Hirnströme (EEG) - für einige Minuten oder als Langzeitaufzeichnung. Ein EEG sollte innerhalb von 24 Stunden nach einem Anfall gemacht werden, weil es dann aufschlussreicher ist. Derselbe Zeitrahmen gilt für die schmerzlose, ungefährliche Darstellung des Gehirns durch Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT). Diese Untersuchungen finden in der radiologischen Praxis statt.
Normalerweise ist keine weitere Untersuchung nötig. In seltenen Fällen kann das Hirnwasser, das Gehirn und Rückenmark umgibt, untersucht werden. Dies geschieht durch den Einstich mit einer Nadel in den Rücken (Liquorpunktion). Nach einem erstmaligen Anfall sollten Sie sich im Krankenhaus untersuchen lassen, um gefährliche Ursachen wie einen Schlaganfall auszuschließen. Gleiches gilt, wenn Sie sehr lange bewusstlos waren oder wiederholte oder untypische Anfälle erlitten haben. Personen mit bekannter Epilepsie benötigen nach einem einzelnen Anfall meist keine Krankenhauseinweisung.
Die Diagnose wird nach den Vorgaben der International League Against Epilepsy (ILAE) anhand des Anfallgeschehens und durch Zusatzbefunde, die auf eine Prädisposition für weitere epileptische Anfälle hindeuten - zum Beispiel epilepsietypische Potenziale im Elektroenzephalogramm (EEG) und/oder zum Anfallsereignis passende strukturelle Läsionen in der Bildgebung - erhoben.
Verhalten bei einem epileptischen Anfall
Wenn man Zeug*in eines epileptischen Anfalls bei einer anderen Person wird, ist es sehr wichtig, ruhig und besonnen zu bleiben. Vor allem sollte man überlegen, wie man die Person vor Verletzungen schützt. Alles andere hängt von der Stärke und der Art der Anfälle ab.
Leichte epileptische Anfälle mit wenigen Symptomen
Bei kurzen Absencen oder Muskelzuckungen besteht keine unmittelbare Gefahr. Danach können sich die Betroffenen unsicher fühlen und Unterstützung benötigen.
Anfälle mit eingeschränktem Bewusstsein oder Verhaltensänderungen
Wenn Menschen mit einem epileptischen Anfall verwirrt wirken, ist es wichtig, sie vor Gefahren zu schützen (z. B. im Straßenverkehr). Gehen Sie dabei mit der Person ruhig um und fassen Sie sie nicht hart an. Hektik, Zwang oder Gewalt können zu starken Gegenreaktionen führen. Versuchen Sie dem oder der Betroffenen Halt und Nähe zu vermitteln.
Große generalisierte epileptische Anfälle
Bei einem großen generalisierten Anfall verkrampft der ganze Körper und die Person verliert das Bewusstsein. In diesen Fällen sollten Sie Folgendes tun:
- Ein epileptischer Anfall kann verschiedene Ursachen haben und das Symptom eines lebensbedrohlichen Notfalls sein. Wählen Sie daher immer den Notruf 112 und rufen Sie professionelle Hilfe.
- Sorgen Sie für Sicherheit, indem Sie z. B. gefährliche Gegenstände beiseite räumen.
- Polstern Sie den Kopf des*r Betroffenen ab.
- Nehmen Sie seine/ihre Brille ab.
- Lockern Sie enge Kleidung am Hals, um die Atmung zu erleichtern.
- Bitten Sie Menschen, die in der Situation nicht helfen können, weiterzugehen.
- Viele Epileptikerinnen haben eine „Notfalltablette“ dabei, die einen längeren Anfall beenden kann. Diese Tablette sollte demr Betroffenen jedoch von geschulten Hilfspersonen verabreicht werden. Wenn Sie selbst nicht darin geschult sind, warten Sie bis professionelle Hilfe angekommen ist.
- Bleiben Sie nach dem Anfall bei der Person und bieten Sie Ihre Unterstützung an.
- Wenn die Person nach dem Anfall erschöpft ist und einschläft, bringen Sie sie in die stabile Seitenlage.
Das sollten Sie in keinem Fall tun:
- Dieden Betroffenen festhalten oder zu Boden drücken
- Der betroffenen Person etwas in den Mund schieben - auch wenn sie sich in die Zunge beißt
Während des Anfalls können Anwesende eine weiche Unterlage unter den Kopf legen und harte Gegenstände aus der Umgebung entfernen. Die Person sollte während des Anfalls nicht festgehalten werden. Bringen Sie die Person nach dem Anfall in die stabile Seitenlage. Wenn bei der Person keine Epilepsie vorbekannt ist, sollte der Rettungsdienst gerufen werden (112), auch wenn der Anfall vorbei ist. Anfälle über 5 Minuten gelten als Notfall - rufen Sie den Rettungsdienst! Bei zwei Anfällen in kurzer Zeit ohne zwischenzeitige Erholung müssen Sie ebenfalls den Notruf wählen!
Aufmerksam sollten Sie sein, wenn Sie bei einer anderen Person einen Anfall beobachten. Gefährlich ist jeder Anfall, der lange andauert, und zwar länger als 5 Minuten ‒ dieser Zustand ist ein Notfall! In dieser Situation müssen Sie den Rettungsdienst rufen! Gleiches gilt, wenn die Person binnen kurzer Zeit mehrere Anfälle erleidet und sich dazwischen nicht vollständig erholt hat.
Behandlung von Epilepsie
Die Behandlung basiert nahezu immer auf einer medikamentösen Therapie, ggf. begleitet von nicht pharmakologischen Maßnahmen wie ketogener Diät und Psychotherapie. Das Hauptziel der Therapie ist es, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Anfallsfreiheit ist oft ein Schlüssel dazu, aber nicht das einzige Ziel. Die Behandlung der Epilepsie zielt nicht nur auf die Kontrolle epileptischer Anfälle ab, sondern berücksichtigt den gesamten Menschen in seiner individuellen Lebenssituation. Es geht darum, die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten zu verbessern und ihnen trotz der Erkrankung ein erfülltes Leben zu ermöglichen. Dabei stehen nicht nur medizinische Aspekte im Vordergrund, sondern auch psychologische, soziale und emotionale Faktoren.
Die Beziehung zwischen Ärztinnen und Ärzte und Patientinnen und Patienten ist zentral. Es geht nicht nur darum, eine Krankheit zu behandeln, sondern einen Menschen in einer bestimmten Lebensphase mit all seinen Ängsten, Hoffnungen und Wünschen.
Medikamente
Medikamente sind der wichtigste Teil der Behandlung. Sie blockieren Kanäle in den Gehirnzellen, durch die Kalzium- und Natriummoleküle fließen und beeinflussen die Freisetzung von Neurotransmittern (Botenstoffen im Gehirn). Bei fokaler Epilepsie wird oft das Medikament Lamotrigin verwendet. Die generalisierte Epilepsie wird häufig mit Lamotrigin oder Valproinsäure behandelt. Absencen therapiert man oft mit Ethosuximid.
Manche Medikamente führen zu Nebenwirkungen wie Schläfrigkeit, Schwindel und Konzentrationsstörungen. Einige Medikamente erhöhen das Risiko für Osteoporose oder verringern die Wirkung von Verhütungsmitteln („Pille”). Valproinsäure und manche andere Epilepsiemedikamente dürfen in der Schwangerschaft nicht eingenommen werden. Aus diesen Gründen sollten Kosten und Nutzen immer abgewogen werden. Nach 2 Jahren Anfallsfreiheit können Sie mit den behandelnden Ärzt*innen besprechen, ob es sinnvoll ist, das Medikament abzusetzen.
Die Behandlung beginnt meist mit Medikamenten (Anfallssuppressiva / Antikonvulsiva), mit deren Hilfe etwa zwei von drei Patientinnen und Patienten anfallsfrei werden. Allerdings müssen die Medikamente dafür häufig über Jahre, oder sogar ein Leben lang eingenommen werden. Zudem wirken die verschiedenen Wirkstoffe nicht bei allen Betroffenen gleichermaßen und gehen oft mit unterschiedlichsten Nebenwirkungen einher. Die genaue Auswahl und Einstellung der Medikation kann deshalb oft Monate oder sogar Jahre dauern und erfordert regelmäßige Untersuchungen und vor allem ein großes Vertrauen zwischen Angehörigen, Ärztinnen und Ärzte und Patientinnen und Patienten. Stellt sich allerdings nach mindestens einem Jahr, unter maximal möglicher Dosierung und der Verabreichung von mindestens zwei unterschiedlichen Anfallssuppressiva (entweder in Mono- oder Kombinationstherapie) noch immer kein Behandlungserfolg ein, also eine Verbesserung des Anfallsgeschehens, handelt es sich eventuell um eine pharmakoresistente Epilepsie (Epilepsie spricht nicht auf Medikamente an).
Die verwendeten Anfallssuppressiva und Medikamente werden immer in enger Abstimmung mit Arzt oder Ärztin gewählt. Das Ziel der Behandlung ist völlige Ausheilung der Epilepsie. Es ist dann erreicht, wenn auch ohne Medikamente keine Anfälle mehr auftreten.
Bei der medikamentösen Behandlung der Epilepsie ist es besonders wichtig, dass die Anfallssuppressiva regelmäßig und zu festen Zeiten eingenommen werden. In den letzten Jahren ist unser Wissen über epileptische Anfälle und Epilepsien deutlich angewachsen, so sind auch neue Medikamente gefunden bzw. gezielt entwickelt worden. Es ist davon auszugehen, dass es auch in den nächsten Jahren gelingen wird, unsere Erkenntnisse über die Epilepsien zu erweitern.
Es gibt beträchtliche Unterschiede in Bezug auf das Risiko für Nebenwirkungen. So sind bei Phenobarbital oder Primidon sehr viel häufiger negative Auswirkungen zu erwarten als bei Carbamazepin oder Valproat. Einige Anfallssuppressiva, wie z. B. Lamotrigin und Levetiracetam, zeichnen sich durch deutlich seltener auftretende kognitive Nebenwirkungen aus. Das Risiko steigt auch mit der Anzahl der Medikamente, die eine Therapie.
Monotherapie vs. Kombinationstherapie
Ein zentraler Aspekt ist, ob die Epilepsie mit einem oder mehreren Medikamenten behandelt werden sollte. In der Regel wird mit einer Monotherapie begonnen. Wenn diese nicht erfolgreich ist, kann eine zweite Monotherapie oder auch bereits eine Kombinationstherapie in Erwägung gezogen werden.
Die Monotherapie, bei der nur ein Antikonvulsivum eingesetzt wird, ist in der Regel der erste Schritt in der Behandlung von Epilepsie. Der Vorteil dieser Methode liegt in ihrer Einfachheit: Es gibt eine klare Übersicht über Wirksamkeit und Nebenwirkungen, und die Medikamenten-Compliance der Patientinnen und Patienten ist am höchsten. Bei Epilepsien fokalen Ursprungs sind beispielsweise Carbamazepin, Lamotrigin, Levetiracetam, Topiramat und Valproinsäure Mittel der ersten Wahl.
Die Kombinationstherapie kommt ins Spiel, wenn die Monotherapie nicht den gewünschten Erfolg bringt. Hier werden zwei oder mehr Antikonvulsiva kombiniert, um verschiedene, sich ergänzende Wirkmechanismen zu nutzen. Dies kann die Wirksamkeit der Behandlung erhöhen.
Die Entscheidung zwischen Mono- und Kombinationstherapie sollte immer individuell getroffen werden, basierend auf dem klinischen Bild der Patientinnen und Patienten, den bisherigen Therapieerfahrungen und den potenziellen Nebenwirkungen der Medikamente.
Oberstes Ziel einer jeden antiepileptischen Therapie muss Anfallsfreiheit oder doch wenigstens Anfallskontrolle sein und zwar mit möglichst geringen Nebenwirkungen.
Nervenstimulation
Sollten Medikamente keine Wirkung zeigen, dann bietet Nervenstimulation eine Alternative. Es wird ein Stimulator implantiert, der elektrischen Strom an den Vagusnerv abgibt. Dadurch sinkt die Zahl der Anfälle ‒ Anfallsfreiheit wird damit jedoch nicht erreicht.
Dieses elektrische Gerät von der Größe einer Streichholzschachtel wird bei einem ambulanten Eingriff in eine Hautfalte unterhalb des Schlüsselbeins gelegt. Der Stimulator sendet nun über einen feinen Draht elektrische Impulse an den Hirnnerv Nervus vagus, der sie ans Gehirn weiterleitet. Wenn Sie vor einem Anfall Warnzeichen spüren, können Sie mittels eines Magneten das Gerät gezielt anstellen. Manche Anfälle können auf diese Weise unterbrochen werden. Durch die Vagusnerv-Stimulation ist eine deutliche Anfallsreduktion möglich. Die Therapie mit Medikamenten wird nach wie vor beibehalten.
Operation
Reicht eine Therapie mit Medikamenten nicht aus, dann kann operiert werden. Operationen haben sich in der Behandlung der Epilepsie bewährt. Dabei wird oft mit modernen Lasern oder Radiowellen ein Stück Hirngewebe abgetragen.
Mindestens zwei Medikamente haben nicht ausreichend gewirktUrsache der Epilepsie ist eine Gewebsveränderung im Gehirn, wie ein Tumor, eine Narbe, eine Fehlbildung der Hirnrinde oder eine GefäßfehlbildungDie Anfälle haben ihren Ursprungsort im Gehirn. Bei der OP wird dann der Gehirnabschnitt mit den krankhaften Veränderungen identifiziert und anschließend operativ entfernt.
Ketogene Ernährung
Wenn Sie von Epilepsie betroffen sind, sollten sich besonders Kinder und Jugendliche ketogen ernähren. Das heißt, sie sollten viel Fett und sehr wenige Kohlenhydrate (Brot, Nudeln, Kartoffeln) zu sich nehmen. Der Körper reagiert auf diese Ernährung mit Fettverbrennung ‒ einem Zustand, der sonst beim Fasten auftritt. Auch im Gehirn laufen dann andere Stoffwechselprozesse ab ‒ bei jeder zweiten genetisch bedingten Epilepsie kann man so Anfallsfreiheit erreichen. Die Ernährungsumstellung braucht jedoch Disziplin.
Dabei wird die Ernährung auf fettreichere, kohlenhydratreduzierte Produkte umgestellt. Es werden vorwiegend gesunde Fette verwendet. So kann nicht nur die Anzahl epileptischer Anfälle verringert, sondern auch Ihr Ernährungszustand verbessert werden.
Verhaltensorientierte Strategien
Verhaltensorientierte Strategien werden meist ergänzend zu Ihrer medikamentösen Therapie eingesetzt und in der Regel von Ihrer Krankenkasse bezahlt. Nach und nach lernen Sie, Ihre Krankheit besser zu verarbeiten, zu akzeptieren und mit ihr umzugehen. Durch die psychische Entlastung kann es zu einer deutlichen Verbesserung der Anfallssituation kommen, besonders dadurch, dass die Angst vor der Krankheit gemildert wird.
Um solche Zusammenhänge zuverlässig zu entdecken, ist eine genaue Beobachtung erforderlich, am besten in Form eines Tagebuchs. Hier halten Sie fest, welche Faktoren Ihre Anfälle fördern, wie diese aussehen und wie oft und in welchen Formen sie auftreten, aber auch, in welchen Situationen selten oder nie Anfälle auftreten. Diese „stabilen Lebenssituationen“ sind für die Behandlung sehr wichtig. Wenn wir anfallsfördernde Faktoren ermittelt haben, erarbeiten wir gemeinsam mit Ihnen einen gesundheitsfördernden Umgang mit diesen Situationen.
Wenn der Anfall mit einer Aura beginnt, gibt es eine weitere Möglichkeit der Anfallsabwehr: die Unterbrechung der Aura. Die Grundregel für ein wirksames „Gegenmittel“ lautet, dass das „Gegenteil“ der Anfallssymptome versucht werden sollte: Einem „epileptischen Kribbeln“ wird durch Reiben der betroffenen Körperstelle begegnet, ein komischer Geschmack im Mund kann durch Einnahme einer Prise Salz unterbrochen werden, bei plötzlicher und intensiver Wahrnehmung der Farbe Rot wird intensiv an die Farbe Grün gedacht. Das Gegenmittel aktiviert gezielt die Nervenzellen, die dem epileptischen Herd benachbart sind, und verhindert so die Ausbreitung der Anfallsaktivität im Gehirn. Die Entwicklung von Strategien der Anfalls-Unterbrechung kann durch EEG-Biofeedback-Verfahren unterstützt werden.
Anfallsselbstkontrolle
Fokale Anfälle können sich durch eine Aura ankündigen. Als Aura bezeichnet man einen fokalen Anfall, der mit bestimmten Missempfindungen einhergeht. Dabei kann die Aura vereinzelt auftreten oder Vorreiter eines generalisierten Anfalls sein. Wenn ein Anfall als oder mit Aura auftritt, können Betroffene erlernen, ihm entgegenzuwirken. Man spricht dann von einer Anfallsselbstkontrolle. Die Gegenmaßnahmen bestehen meist aus einfachen Handlungen, stoppen die Epilepsie aber direkt im Gehirn: Zellen, die bereits mit der Gegenmaßnahme beschäftigt sind, stehen zur Aufnahme und Weitergabe elektrischer Signale kaum mehr zur Verfügung. Aktive Atmungs- bzw. Allen Gegenmaßnahmen gemeinsam ist, dass sie Gehirnzellen kontrolliert aktivieren.
Leben mit Epilepsie
Epilepsie ist eine große Belastung im Beruf und im Privatleben. Da jeder Anfall ein Risiko birgt und es unmöglich ist, Anfälle vorherzusagen, führt Epilepsie zu großer Verunsicherung. Aus Angst und Scham ziehen sich Betroffene zurück. Epilepsie lässt sich jedoch gut behandeln: 2 von 3 Betroffenen, die Medikamente einnehmen, haben gar keine Anfälle mehr. Oft führt bereits das erste Medikament zum Erfolg. Meistens reicht ein einziges Medikament aus.
Es ist wichtig, je nach Anfallsform, Ausprägung, Epilepsie-Syndrom und bisherigem Behandlungserfolg, verschiedene therapeutische Ansätze zu integrieren, von Medikamenten, über psychologische und soziale Maßnahmen, bis hin zu chirurgischen Eingriffen (sofern es sich um eine pharmakoresistente Epilepsie handelt). Eine solche Integration erfordert auch die Zusammenarbeit verschiedener Institutionen, der Angehörigen, Arbeitskolleg*innen bzw.
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