Ist das Gehirn sich selbst bewusst? Eine umfassende Betrachtung

Einführung: Die Definition von Bewusstsein

In seiner engsten Definition beschreibt der Begriff „Bewusstsein“ die Fähigkeit des Menschen zur Wahrnehmung des eigenen Ichs. Diese Selbsterkennung als eigenständiges Individuum ist das wesentliche Merkmal, das Menschen, mit Ausnahme einiger Menschenaffen, von anderen Tieren unterscheidet. Forscher gehen davon aus, dass das Phänomen Bewusstsein auf der Basis von Hirnfunktionen entsteht und somit für die Entwicklung des Bewusstseins bestimmte Leistungen des Gehirns notwendig waren. Diese wiederum sind eng mit der Architektur des Gehirns verknüpft. Also sollte ein Vergleich der Gehirne von Menschen und Tieren bei der Suche nach dem „Sitz des Bewusstseins“ weiterhelfen.

Die Rolle der Großhirnrinde

Dabei zeigt sich, dass sich die hoch komplexen Gehirne von Menschen von den weniger komplexen Tiergehirnen in einem einzigen Punkt unterscheiden: Im Verlauf der Evolution erfolgte beim Menschen eine dramatische Zunahme der Großhirnrinde. Zu den Leistungen, die Menschen nur bewusst vollbringen können und die daher als Kriterien für das Vorhandensein von Bewusstsein herangezogen werden, gehören das Selbsterkennen im Spiegel, das Lösen schwieriger Probleme und das Planen längerer Handlungsketten. Da auch einige Menschenaffen über diese Fähigkeiten verfügen, wird vermutet, dass sich auch bei ihnen ein Bewusstsein entwickelt hat. Weitere Indizien dafür sind, dass sie für diese Leistungen dieselben Hirnstrukturen benutzen wie Menschen und bei ihnen eine Großhirnrinde mit einer großen Dichte von Nervenzellen vorhanden ist.

Kein einzelner "Sitz des Bewusstseins"

Vieles spricht dafür, dass es keinen eng begrenzten Abschnitt im Gehirn gibt, der den Sitz des Bewusstseins darstellt. So befassen sich im menschlichen Gehirn allein 30 verschiedene Areale, die zum Teil räumlich weit auseinander liegen, mit der Verarbeitung visueller Informationen, also Informationen, die vom Auge geliefert werden. Es existiert offenbar kein übergeordnetes Zentrum, das die Ergebnisse der verschiedenen visuellen Bereiche miteinander vergleicht und koordiniert. Deshalb ist auch nicht anzunehmen, dass das Bewusstsein als höchste Instanz des Gehirns von einem bestimmten Ort aus die ihm untergeordneten Bereiche steuert. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich um ein Zusammenspiel unterschiedlichster Areale im Gehirn handelt. Das allein reicht aber noch nicht aus. Bewusstsein entsteht nur dann, wenn das dezentrale Zusammenwirken einen hohen Grad an Komplexität erreicht und so zu einer neuen Form der Selbstorganisation führt. Das Ergebnis, so die Vorstellung, ist eine Art „Inneres Auge“, das sich selbst beobachten kann und dadurch Wahrnehmung, Denkprozesse, Gefühle und Handlungen bewusst macht.

Neuronale Aktivitätsmuster und das "Ich"

Zu jeder Empfindung von der Welt, von uns selbst, unseren Gefühlen und Wahrnehmungen gibt es Muster von Aktivitäten der Nervenzellen im Gehirn, die genau diesem jeweiligen Zustand entsprechen. Das jedenfalls legen die Forschungen der Neurowissenschaftler nahe. In unserer alltäglichen Erfahrung ist ein Gefühl von "Ich" fast immer anwesend. Dieses "Ich" ist permanent in Bewegung und scheint unsere Handlungen zu steuern. Selbst unseren Körper können wir nicht unmittelbar wahrnehmen. Ein bekanntes Beispiel für die fehlerhafte Repräsentation des Körpers sind die sogenannten Phantomschmerzen: Menschen, denen Gliedmaßen amputiert wurden, empfinden manchmal Schmerzen in eben den Körperteilen, die sie gar nicht mehr haben. Auch der umgekehrte Fall ist in der Neurologie bekannt: Es gibt Patienten, die bestimmte Körperteile nicht als Teil ihrer selbst wahrnehmen. Den eigenen Arm oder das eigene Bein empfinden sie als störenden Fremdkörper. Doch neurologische Defekte wie die beschriebenen zeigen, wie wenig stabil selbst dieser scheinbar noch greifbare und klare Bezug von Körper und "Ich" ist.

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