Geeignete Berufe für Menschen mit Epilepsie: Ein umfassender Leitfaden

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die sich bei jedem Menschen anders äußert. Die Auswirkungen auf das Arbeitsleben hängen stark von der Anfallsfrequenz, der Art der Anfälle, den Nebenwirkungen der Medikamente sowie dem jeweiligen Beruf und Arbeitsplatz ab. Dieser Artikel soll einen Überblick darüber geben, welche Aspekte bei der Berufswahl und der Ausübung eines Berufes mit Epilepsie zu beachten sind, welche Hilfen es gibt und welche Berufe grundsätzlich in Frage kommen.

Berufswahl und Epilepsie: Individuelle Lösungen finden

Die zentrale Herausforderung besteht darin, die persönlichen Wünsche, die individuelle Leistungsfähigkeit und die möglichen Einschränkungen durch die Epilepsie in Einklang zu bringen. Anstatt sich von vornherein auf die Einschränkungen zu konzentrieren, sollte man sich zunächst fragen: Wo liegen meine Neigungen, Interessen und Begabungen? Im nächsten Schritt werden die in Frage kommenden Berufsfelder genauer betrachtet.

Es gibt keine Berufe, die bei der Diagnose Epilepsie generell ungeeignet sind. Entscheidend sind vielmehr folgende Fragen:

  • Wie hoch ist das aktuelle Anfallsrisiko?
  • Welche Art von Anfällen treten auf?
  • Gibt es Vorboten (sogenannte Auren)?
  • Treten Anfälle während der Arbeitszeit auf oder eher in der Freizeit?

Die Antworten auf diese Fragen helfen dabei, mögliche Gefährdungen zu identifizieren und geeignete Schutzmaßnahmen zu treffen.

Eigen- und Fremdgefährdung

Bei der Berufswahl und der Ausübung eines Berufes muss unterschieden werden zwischen Eigen- und Fremdgefährdung.

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  • Eigengefährdung besteht beispielsweise, wenn die Gefahr besteht, dass man während eines Anfalls mit gesundheitsschädlichen elektrischen Spannungen, infektiösen oder toxischen Stoffen in Berührung kommt.
  • Fremdgefährdung liegt vor, wenn durch einen Anfall die Aufsichtspflicht über Minderjährige oder Menschen mit geistigen oder körperlichen Behinderungen im sozialpflegerischen oder pädagogischen Bereich unterbrochen wird.

Diese Gefährdungen lassen sich jedoch oft durch geeignete Maßnahmen minimieren oder ausschließen.

Offenlegung der Epilepsie gegenüber dem Arbeitgeber

Grundsätzlich besteht keine Pflicht, dem Arbeitgeber die Diagnose Epilepsie mitzuteilen. Eine Offenlegung ist jedoch dann erforderlich, wenn die Epilepsie die Arbeit erheblich beeinträchtigt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn durch Anfälle oder Medikamentennebenwirkungen die Leistungsfähigkeit gemindert ist oder eine Eigen- oder Fremdgefährdung besteht.

In solchen Fällen müssen Betroffene die Epilepsie von sich aus ansprechen, auch wenn der Arbeitgeber nicht explizit danach fragt. Ein Beispiel: Frau Maier, Rechtsanwaltsfachangestellte, ist seit drei Jahren anfallsfrei, leidet aber unter Konzentrationsstörungen durch ihr Antiepileptikum. Herr Ylmaz, Programmierer, hat häufige, unbemerkte fokale Anfälle, die zu Fehleingaben im Computer führen. Beide sollten ihre Situation dem Arbeitgeber offenlegen, um gemeinsam Lösungen zu finden.

Was tun, wenn die Epilepsie nach der Ausbildung auftritt?

Wenn eine Epilepsie erst nach der Berufsausbildung auftritt und die bisherige Tätigkeit trotz Behandlung nicht mehr ausgeübt werden kann, müssen alternative Optionen geprüft werden. Oft ist eine Weiterbeschäftigung im selben Unternehmen möglich. Dies kann durch Anpassung des Arbeitsplatzes oder durch einen Wechsel auf eine andere Stelle erreicht werden, bei der die vorhandenen Erfahrungen und Qualifikationen weiterhin genutzt werden können, aber keine Eigen- oder Fremdgefährdung besteht.

Die Kosten für solche Anpassungen können unter Umständen im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben von verschiedenen Kostenträgern übernommen werden. Bei Vorliegen einer Behinderung aufgrund der Epilepsie gibt es zudem verschiedene Schutz-, Hilfs- und Fördermöglichkeiten.

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Rechtliche Grundlagen und Hilfestellungen

Der Ausschuss Arbeitsmedizin der Gesetzlichen Unfallversicherung hat die DGUV Information 250-001 - "Berufliche Beurteilung bei Epilepsie und nach erstem epileptischen Anfall" herausgegeben. Diese enthält eine Einschätzung des Gefährdungsrisikos nach Anfallsart und kann bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit hilfreich sein.

Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsminderung

Eine Epilepsie und ihre Behandlung, beispielsweise durch eine Operation oder die Medikamenteneinstellung, können eine längere Arbeitsunfähigkeit zur Folge haben. Wenn die Arbeitsfähigkeit aufgrund der Epilepsie dauerhaft eingeschränkt ist, kann unter Umständen eine Erwerbsminderungsrente in Frage kommen.

  • Wer wegen Epilepsie nur noch unter sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten kann, gilt als teilweise erwerbsgemindert.
  • Bei einer Arbeitsfähigkeit von unter drei Stunden täglich liegt eine volle Erwerbsminderung vor.

Es ist wichtig zu wissen, dass eine volle Erwerbsminderung nicht zwingend bedeutet, dass man nicht mehr arbeiten kann. Sie bezieht sich lediglich auf die Fähigkeit, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Daneben gibt es auch einen besonderen Arbeitsmarkt, der vom Staat geförderte Arbeitsverhältnisse umfasst.

Berufsunfähigkeit und private Absicherung

Die gesetzliche Berufsunfähigkeitsversicherung wurde in Deutschland abgeschafft. Nur für vor dem 2.1.1961 Geborene gibt es noch die teilweise Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit. Wer eine private Berufsunfähigkeitsrente abschließen möchte, hat es mit einer Epilepsie-Diagnose schwer, da die Epilepsie bei Vertragsabschluss angegeben werden muss. Andernfalls kann die Versicherung im Falle einer Berufsunfähigkeit die Leistung verweigern.

Arbeitsassistenz

Arbeitsassistenz kann Menschen mit Epilepsie eine Berufstätigkeit in Anstellung oder Selbstständigkeit ermöglichen. Voraussetzung ist, dass der Mensch mit Epilepsie die Kernarbeit selbst verrichten kann und lediglich für Hilfsarbeiten Unterstützung benötigt. Arbeitsassistenz kann unter Umständen eine krankheitsbedingte Kündigung aufgrund der Epilepsie verhindern.

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Ein Beispiel: Eine aufgrund ihrer Epilepsie fahruntüchtige Sozialpädagogin arbeitet in einer Region mit schlechter Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Sie kann eine Fahrassistenz im Rahmen der Arbeitsassistenz beantragen.

Lohnkostenzuschüsse

Eine Epilepsie kann die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen, sodass Beschäftigte für die gleiche Arbeit mehr Zeit benötigen als andere. In solchen Fällen können Lohnkostenzuschüsse im Rahmen des sogenannten "Budget für Arbeit" gewährt werden. Besonders bei einer zusätzlichen Intelligenzminderung kann das Budget für Arbeit auch Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz finanzieren.

Berufliche Orientierung und Unterstützung

Die Vielfalt an Berufen und Ausbildungswegen ist groß. Menschen mit Behinderungen stehen grundsätzlich die gleichen Ausbildungswege offen wie Menschen ohne Behinderungen. Es können sich jedoch Einschränkungen aus den Auswirkungen der Behinderung ergeben.

Für künstlerisch begabte Menschen mit einer Behinderung kann es besonders schwer sein, sich auf dem ersten Arbeitsmarkt beruflich zu verwirklichen. Es gibt jedoch einige Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, die Qualifizierungen und Arbeitsplätze im künstlerischen Bereich anbieten.

Es gibt eine Vielzahl an Hilfsmitteln und Arbeitshilfen, die Menschen mit körperlichen Behinderungen in ihrem angestrebten Beruf unterstützen können. Allgemeine und epilepsiespezifische Sozialberatung und Unterstützung (Beruf, Fahreignung, Freizeit, Wohnen usw.) sind ebenfalls wichtige Anlaufstellen.

Erfolgsgeschichten

Lena, die seit ihrer Kindheit mit Epilepsie zu kämpfen hatte, ließ sich nicht davon abhalten, ihre beruflichen Ziele zu verfolgen. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Bürokauffrau und fand einen verständnisvollen Arbeitgeber, der sie unterstützt. Tom entschied sich nach mehreren Jahren in einem handwerklichen Beruf für eine Umschulung zum Mediengestalter. Er wollte etwas Kreatives machen, das ihn erfüllt, und meisterte die Herausforderung der Umschulung.

Fazit

Eine Epilepsie muss kein Hindernis für eine erfolgreiche berufliche Zukunft sein. Wichtig ist, sich frühzeitig beraten zu lassen, die eigenen Fähigkeiten und Interessen zu erkennen und die möglichen Einschränkungen realistisch einzuschätzen. Mit der richtigen Unterstützung und den passenden Rahmenbedingungen können Menschen mit Epilepsie ihre beruflichen Ziele erreichen und ein erfülltes Arbeitsleben führen.

Anlaufstellen und weiterführende Informationen

  • JobMe - Berufliche Rehabilitation bei Epilepsien: Ambulante berufliche Reha mit medizinischer Epilepsie-Kompetenz in Hamburg.
  • Epilepsie-Zentrum Hamburg: Bietet umfassende berufliche und medizinische Begleitung im Reha-Prozess.
  • Agentur für Arbeit: Bietet Berufsberatung und Unterstützung bei der Jobsuche.
  • DGUV Information 250-001: "Berufliche Beurteilung bei Epilepsie und nach erstem epileptischen Anfall" des Ausschusses Arbeitsmedizin der Gesetzlichen Unfallversicherung.
  • Selbsthilfegruppen und Patientenorganisationen: Bieten Austausch und Unterstützung für Menschen mit Epilepsie und ihre Angehörigen.

Berufe im Gesundheitswesen und der Pflege

Auch im Gesundheitswesen und der Pflege gibt es vielfältige Möglichkeiten für Menschen mit Epilepsie. So suchen beispielsweise Kliniken und Einrichtungen Mitarbeiter zur Durchführung von Pflegemaßnahmen bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Asthma, Epilepsie oder onkologischen Erkrankungen.

Schulbegleitung

Für Kinder und Jugendliche mit Epilepsie kann eine Schulbegleitung eine wichtige Unterstützung sein. Schulbegleiter unterstützen die Schüler im Schulalltag und helfen ihnen, ihre individuellen Bedürfnisse zu erfüllen.

Forschung und Spezialisierung

Die Forschung im Bereich Epilepsie ist sehr aktiv. So gibt es beispielsweise Fachzentren für pädiatrische Neurologie, Neuro-Rehabilitation und Epileptologie, die sich auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Epilepsie spezialisiert haben. Auch die Epilepsiechirurgie ist ein wichtiger Bereich, in dem innovative Behandlungsmethoden entwickelt werden.

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