Angst und Epilepsie: Ein komplexer Zusammenhang

Epilepsie ist eine chronische neurologische Erkrankung, die durch wiederholte epileptische Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle entstehen durch übermäßige elektrische Entladungen von Nervenzellen im Gehirn. Dank moderner Untersuchungs- und Behandlungsmethoden können viele Menschen mit Epilepsie ein Leben mit hoher Lebensqualität führen. Allerdings leiden viele Epilepsie-Patienten nicht nur unter den Anfällen selbst, sondern auch unter psychiatrischen Begleiterkrankungen, insbesondere Angststörungen und Depressionen.

Epilepsie: Ursachen, Diagnose und Therapie

Epilepsie kann vielfältige Ursachen haben, darunter Stoffwechselstörungen, genetische Faktoren, Kopfverletzungen, Tumore, Hirnhautentzündungen oder Schlaganfälle. Oftmals bleibt die genaue Ursache jedoch unbekannt. Die Diagnose erfolgt in der Regel durch eine Kombination aus Anamnese, neurologischer Untersuchung, EEG (Elektroenzephalographie) und MRT (Magnetresonanztomographie).

Die Behandlung von Epilepsie zielt darauf ab, Anfallsfreiheit zu erreichen und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Die Basis der Therapie sind Antikonvulsiva, Medikamente, die die Erregbarkeit der Nervenzellen im Gehirn reduzieren. Es ist wichtig, die richtige Art von Antiepileptika für die jeweilige Epilepsieform (fokal oder generalisiert) auszuwählen, da der falsche Einsatz von Antiepileptika die Epilepsie sogar verschlimmern kann.

Es gibt Epilepsiesyndrome, die als Ausdruck einer vorübergehenden Erregbarkeit des Gehirns auftreten und nach einiger Zeit wieder verschwinden können, wie beispielsweise die Absencen-Epilepsie des Schulalters. Andere Epilepsien, wie Anfälle nach Autoimmunenzephalitiden, können ebenfalls vorübergehend sein. Bei den meisten Epilepsien, die im Jugend- oder Erwachsenenalter auftreten und eine strukturelle Ursache haben, ist es jedoch unwahrscheinlich, dass sie von alleine verschwinden.

Angst als Begleiterscheinung von Epilepsie

Psychiatrische Komorbiditäten sind bei Epilepsie-Patienten häufig. Studien zeigen, dass bei jedem zweiten Patienten eine psychiatrische Erkrankung festgestellt wird. Besonders häufig sind Depressionen, Panikattacken und Angststörungen. Angstgefühle können dabei Teil der Anfallssymptome sein und während, kurz vor oder nach einem Anfall auftreten.

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In manchen Fällen sind solche Angst- und Panikattacken sogar wichtig für die Epilepsie-Diagnose, da sie Hinweise auf Tumoren geben können. Ein Beispiel hierfür ist der Fall einer jungen Frau, die mit plötzlicher Nervosität, Panikgefühl bis zur Todesangst und verschwommener Wahrnehmung zum Arzt kam. Erst ein Jahr später wurde per MRT ein Astrozytom entdeckt.

Iktale Angst vs. Panikattacken

Es ist wichtig, zwischen iktaler Angst (Angst, die direkt durch die epileptische Aktivität im Gehirn verursacht wird) und Panikattacken ohne Anfallskorrelat zu unterscheiden. Iktale Angst tritt vor allem bei Temporallappen-Epilepsien auf, insbesondere in der rechten Hemisphäre. Bei Panikattacken ohne Anfallskorrelat bleibt das Bewusstsein erhalten, während es beim Übergang in komplex-fokale Anfälle gestört ist.

Epilepsie-Patienten berichten häufig erst auf Nachfragen von der Angstattacke, formulieren eher undeutlich und zögernd. Patienten mit nicht-epileptischen Panikattacken erzählen häufiger von sich aus über das Ereignis, können sich gut erinnern und die Attacke klar beschreiben. Iktale Attacken dauern meist ein bis zwei Minuten, Panik- und Angstanfälle anderer Ursache eher fünf bis zehn Minuten.

Diagnostik bei iktalen Angst-Attacken

Bei plötzlichen iktalen Angst-Attacken empfiehlt es sich, EEG und MRT zur Differentialdiagnose zu verwenden. Diese Untersuchungen können helfen, die Ursache der Angst zu identifizieren und zwischen epileptischen Anfällen und anderen Ursachen zu unterscheiden.

Therapie von Epilepsie und Angst

Die bio- und neurochemische Verwandtschaft von Angst und Epilepsie mit einem gemeinsamen System von Botenstoffen wie GABA, Serotonin und Noradrenalin lässt sich therapeutisch nutzen. Antikonvulsiva stabilisieren die Nervenzellen im Gehirn, sodass sie nicht zu schnell entladen. Die Medikamente werden in der Regel zweimal täglich eingenommen. Wichtig ist, die Einnahmezeitpunkte so in den Tagesablauf zu integrieren, dass man sie nicht vergisst.

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Wenn trotz Medikation weiterhin epileptische Anfälle auftreten, können weitere Therapieoptionen in Betracht gezogen werden, wie z.B. andere Medikamente, Epilepsiechirurgie, Stimulatoren oder die ketogene Diät.

Notfallmaßnahmen bei Anfällen

Es ist wichtig, dass Angehörige und Betroffene wissen, wie man im Notfall während eines Anfalls Erste Hilfe leistet. Dazu gehört, die Atemwege des Betroffenen freizuhalten, ihn auf die Seite zu lagern und gegebenenfalls einen Notarzt zu rufen, insbesondere wenn der Anfall länger als fünf Minuten dauert (Status epilepticus).

Ein Notfallausweis kann hilfreich sein, um im Falle eines Anfallsereignisses oder Unfalls wichtige Informationen über die Erkrankung und die eingenommenen Medikamente bereitzustellen. Ein Anfallskalender kann insbesondere in Phasen der Umstellung der Medikation helfen, den Effekt der Umstellung zu dokumentieren.

Differenzialdiagnose: Dissoziative Anfälle

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alles, was zuckt, ein epileptischer Anfall ist. Dissoziative Anfälle können ähnliche Symptome wie epileptische Anfälle verursachen, sind aber psychisch bedingt und nicht mit krankhaften elektrischen Entladungen im Gehirn verbunden. Bei Dissoziativen Anfällen verlieren Betroffene vorübergehend die Kontrolle über ihren Körper - mit Zuckungen, Ohnmachtsanfällen oder Verkrampfungen. Die Anfälle entstehen ohne erkennbare körperliche Ursache und dauern oft mehrere Minuten. Eine individuell angepasste Psychotherapie kann jedoch sehr wirksam sein.

Leben mit Epilepsie: Herausforderungen und Perspektiven

Die Diagnose Epilepsie kann bei vielen Menschen Verunsicherung auslösen, da Unwissen und Vorurteile in der Bevölkerung weit verbreitet sind. Daher ist eine eingehende Aufklärung Betroffener und ihrer Familien besonders wichtig.

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Epileptische Anfälle können durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden, wie z.B. fehlende Medikamente, Alkohol, Drogen, Schlafmangel, Stress, Dehydrierung, unregelmäßige Mahlzeiten oder flackerndes Licht. Es ist wichtig, diese Auslöser zu identifizieren und möglichst zu vermeiden.

Trotz der Herausforderungen, die mit Epilepsie verbunden sind, können viele Menschen mit der Erkrankung ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben führen. Die Anfallskontrolle durch Medikamente und andere Therapien ermöglicht oft ein uneingeschränktes Leben bis ins hohe Alter.

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