Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die das Leben der Betroffenen in vielerlei Hinsicht beeinflussen kann. Da die Diagnose oft im erwerbsfähigen Alter zwischen 20 und 40 Jahren erfolgt, stellt sich die Frage, wie sich MS und Berufsleben vereinbaren lassen. Dieser Artikel soll Betroffenen und Arbeitgebern gleichermaßen als Ratgeber dienen, um Wege für ein erfülltes und erfolgreiches Berufsleben trotz MS aufzuzeigen.
MS und die Arbeitswelt: Eine Herausforderung
Die Vereinbarkeit von MS und Beruf kann eine Herausforderung darstellen, da die Symptome der Erkrankung sehr vielfältig sind und sich individuell unterschiedlich äußern. Fatigue, kognitive Einschränkungen, Sehstörungen oder Depressionen können die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen. Es ist wichtig zu betonen, dass MS viele Gesichter hat und nicht zwangsläufig bedeutet, dass Betroffene nicht mehr arbeiten können. Viele Menschen mit MS sind bis ins Rentenalter in ihrem Beruf tätig, während andere neue Fähigkeiten entdecken oder ihren Arbeitsplatz anpassen.
Offenheit und Kommunikation: Der Schlüssel zum Erfolg
Ein offenes Gespräch mit Vorgesetzten und Kollegen kann die Arbeitsplatzsituation verbessern. Eine Studie zeigt, dass 46 Prozent der Befragten offen mit ihrer Erkrankung umgehen, was sich positiv auf ihre Arbeitsplatzsituation auswirkt. So verfügen 60 Prozent derer, die ihre MS nicht verheimlichen, über einen individuell angepassten Arbeitsplatz. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass es keine generelle Auskunftspflicht gegenüber dem Arbeitgeber gibt. Die Entscheidung, wann und wie man die MS thematisiert, sollte individuell getroffen werden.
Wann ist Offenheit ratsam?
- Wenn Konzentrationsstörungen das Arbeitspensum beeinträchtigen.
- Wenn die Erkrankung die Sicherheit am Arbeitsplatz gefährdet (z. B. Sehstörungen bei Maschinenführern).
- Um gemeinsam mit dem Arbeitgeber nach individuellen Lösungen und Anpassungen zu suchen.
Wann ist Vorsicht geboten?
- Bei Angst vor Ausgrenzung oder Diskriminierung.
- Wenn der Gesundheitszustand stabil ist und keine Beeinträchtigungen vorliegen.
Rechtliche Aspekte und Unterstützungsmöglichkeiten
Menschen mit MS stehen verschiedene rechtliche und finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten zur Verfügung, die ihnen die Teilhabe am Arbeitsleben erleichtern sollen.
Schwerbehindertenausweis und Gleichstellung
Ein Schwerbehindertenausweis (ab GdB 50) bietet einen erweiterten Kündigungsschutz und ermöglicht den Zugang zu Leistungen des Integrationsamtes. Auch Menschen mit einem GdB von 30 bis 40 können unter bestimmten Voraussetzungen schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden.
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Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
Die Rentenversicherung und die Agentur für Arbeit bieten verschiedene Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben an, um die Arbeitsfähigkeit zu erhalten oder wiederherzustellen. Dazu gehören:
- Berufliche Bildungsmaßnahmen: Umschulungen oder Weiterbildungen, um neue Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben.
- Anpassung des Arbeitsplatzes: Technische Hilfsmittel, ergonomische Anpassungen oder bauliche Veränderungen, um den Arbeitsplatz an die individuellen Bedürfnisse anzupassen.
- Arbeitsassistenz: Unterstützung durch einen Arbeitsassistenten, der bei der Bewältigung von Aufgaben hilft.
- Kraftfahrzeughilfe: Zuschüsse zum Kauf oder Umbau eines Autos, um den Arbeitsweg zu erleichtern.
- Lohnkostenzuschüsse: Zuschüsse an den Arbeitgeber, um Minderleistungen auszugleichen.
Teilerwerbsminderungsrente
Wenn die Arbeitsfähigkeit aufgrund der MS eingeschränkt ist, kann eine Teilerwerbsminderungsrente beantragt werden. Diese steht zu, wenn man zwischen drei und sechs Stunden täglich arbeiten kann.
Krankengeld
Bei Arbeitsunfähigkeit aufgrund der MS wird eine Lohnfortzahlung für sechs Wochen garantiert. Danach zahlt die Krankenkasse Krankengeld in Höhe von 70 % des Bruttoeinkommens (maximal 90 % des Nettoverdienstes).
Arbeitsplatzanpassung: Individuelle Lösungen für mehr Komfort und Produktivität
Eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung kann die physischen Belastungen reduzieren und die Arbeitsfähigkeit verbessern.
Ergonomische Maßnahmen
- Ergonomischer Stuhl: Fördert eine korrekte Sitzhaltung und unterstützt die Wirbelsäule.
- Richtige Bildschirmhöhe: Beugt Nacken- und Augenbeschwerden vor.
- Optimierung der Arbeitsumgebung: Minimiert den Energieverbrauch und steigert die Konzentration.
Barrierefreie Gestaltung
- Verbesserte Mobilität: Barrierefreie Büros ermöglichen eine verbesserte Mobilität für Menschen mit MS, die möglicherweise auf Rollstühle oder Gehhilfen angewiesen sind.
- Angepasste Arbeitsplätze: Individuell angepasste Arbeitsplätze, die auf die Bedürfnisse von Menschen mit MS zugeschnitten sind, können den Komfort und die Produktivität erhöhen.
- Sicherheit am Arbeitsplatz: Barrierefreie Büros sind oft sicherer für Menschen mit eingeschränkter Mobilität.
Technologische Hilfsmittel
- Sprachgesteuerte Software: Erleichtert die Kommunikation und den Zugang zu Informationen.
- Spezielle Tastaturen und Mäuse: Können die Arbeit am Computer erheblich erleichtern.
Barrierefreie Kommunikation
- Leicht verständliche Sprache: Verwendet werden sollte eine leicht verständliche Sprache.
- Verschiedene Interaktionsmöglichkeiten: Die Verwendung von Textnachrichten, Sprache oder visuellen Elementen.
- Zugängliche Meetings: Wichtige Meetings sollten aufgezeichnet oder ein Protokoll im Nachgang versendet werden.
Pausen und Ruheräume
- Ermüdungsreduktion: Menschen mit MS neigen dazu, schneller müde zu werden.
- Stressreduktion: Stress kann bei Menschen mit MS die Symptome verschlimmern.
- Schmerzlinderung: MS kann mit verschiedenen Arten von Schmerzen einhergehen.
- Verbesserung der kognitiven Funktionen: MS kann kognitive Beeinträchtigungen verursachen.
- Flexibilität und Selbstmanagement: Durch die Möglichkeit, Pausen nach Bedarf einzulegen, erhalten die Mitarbeiter*innen mit MS mehr Kontrolle über ihre Arbeitszeit.
Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)
Viele Unternehmen haben mittlerweile ein BGM etabliert. Hier kann es sinnvoll sein, mit den Betroffenen ins Gespräch zu gehen oder sich Unterstützung durch die Schwerbehindertenvertretung einzuholen.
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Stressbewältigung und Selbstmanagement
Stress kann die Symptome der MS verstärken und Schübe begünstigen. Daher ist es wichtig, Stressoren zu identifizieren und Strategien zur Stressbewältigung zu entwickeln.
Tipps zur Stressbewältigung
- Umfassende Information: Eigne dir umfassendes Wissen über MS an.
- Tages- und Wochenplan erstellen: Schreib dir detailliert anstehende Termine und Aufgaben für den jeweiligen Tag und die ganze Woche auf.
- Austausch mit anderen Betroffenen: Oft hilft es zu erfahren, wie andere Betroffene ihre Erkrankung erleben und damit umgehen.
- Stress-Management: Lerne z. B. Prioritäten zu setzen, Pausen einzuplanen, wenn möglich Aufgaben zu delegieren und auch mal Nein zu sagen.
- Hilfe in Anspruch nehmen: Scheue dich nicht, deinen Partner und deine Familie sowie Freunde um Unterstützung zu bitten.
- Informationsflut stoppen: Nimm dir ab und zu eine Auszeit von Telefon, Radio, Fernsehen und Internet.
- Für schöne Dinge Zeit nehmen: Räume dir regelmäßig Zeit für Erholung und Dinge ein, auf die du dich freust.
- Tagebuch führen: Nimm dir regelmäßig - am besten täglich - Zeit, um deine Gedanken aufzuschreiben.
- Stress-Anzeichen beachten: Achte auf dein Wohlbefinden - und steuere schon bei den ersten Stress-Anzeichen aktiv dagegen.
Fatigue-Management
Fatigue ist ein häufiges Symptom der MS und kann die Arbeitsfähigkeit stark beeinträchtigen.
Tipps zum Fatigue-Management
- Professionellen Rat einholen: Lasse dich von deiner behandelnden Ärztin oder deinem behandelnden Arzt, Physiotherapeuten und MS-Fachberater/-in beraten.
- Tagesablauf planen: Die täglichen Aufgaben erfordern Kraft und Konzentration. Lerne, nicht einfach schnell loszulegen - koordiniere stattdessen deine Aufgaben.
- Regelmäßig bewegen: Sei aktiv! Sport und Bewegung verbessern dauerhaft dein Wohlbefinden, deine Stimmung und Leistungsfähigkeit.
- Hitze vermeiden: Fatigue kann durch Hitze und höhere Körpertemperaturen verstärkt werden.
- Ruhepausen einplanen: Integriere gezielt Pausen in den Alltag, in denen du dich erholen und entspannen kannst.
- Soziales Umfeld einweihen: Rede mit Familie und Freunden, aber auch mit deinem beruflichen Umfeld offen über deine Erschöpfbarkeit.
- Wohn- und Arbeitsumfeld anpassen: Richte deine Wohnung nach deinen Bedürfnissen ein.
- Ausgewogen ernähren: Achte auf eine gesunde Ernährung.
Sport und Bewegung
Sport und Bewegung können die Muskelkraft verbessern, das Gleichgewicht fördern und MS-Symptome wie Fatigue und Spastik lindern.
Tipps für das Training
- Verzichte während eines Schubes weitgehend auf körperliche Aktivitäten.
- Vermeide Überanstrengung!
- Achte darauf, dass du dich während des Trainings wohlfühlst, und nimm auch Rücksicht auf deine Symptome.
- Verzichte bei Hitze auf Sport oder trainiere in einem kühlen Raum!
- Dusche nach dem Training eher mit kühlem Wasser.
- Bevorzuge beim Schwimmen Wassertemperaturen zwischen 22 und 26 Grad.
- Führe ein Sport-Tagebuch.
- Entspanne dich nach dem Training.
Geeignete Sportarten
Ideal für MS-Erkrankte ist ein moderates Ausdauertraining. Besonders geeignet sind zum Beispiel Nordic Walking, Radfahren und Schwimmen.
Kognitives Training
Kognitives Training hilft dir, deine Konzentration zu steigern und dein Gedächtnis zu verbessern.
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Tipps für das kognitive Training
- Nutze Memo-Spiele oder Spieleklassiker.
- Nutze deine Tätigkeiten im Alltag, um eigene Übungen zu entwickeln.
- Achte auf kurze und vor allem regelmäßige Trainingseinheiten.
- Im Alltag helfen Routinen.
- Schlafe ausreichend.
- Bewege dich ausreichend!
Blasenstörungen
Viele Betroffene mit MS im Laufe ihres Lebens, auch von einer Blasenstörung betroffen.
Tipps bei Blasenstörungen
- Trinke ausreichend!
- Verzichte auf Kaffee, schwarzen Tee oder Cola, da diese Getränke harntreibend sind.
- Stelle deine Tagesmenge an Flüssigkeit am besten schon morgens gut sichtbar bereit, zum Beispiel an deinem Arbeitsplatz.
- Trinke bei Hitze mehr.
- Gehe noch einmal auf die Toilette, bevor du das Haus verlässt.
- Vermeide einen verstärkten Druck bei der Entleerung des Darms.
Hygienemaßnahmen und Körperpflege
- Gelangt Urin auf die Haut, sollte er möglichst schnell abgewaschen werden, um Hautreizungen vorzubeugen.
- Bei minimaler Inkontinenz reicht die Verwendung einer normalen Slipeinlage.
- Verwende zum Waschen möglichst pH-neutrale Produkte.
- Trockne die Haut gut ab.
Ernährung
Experten gehen davon aus, dass die Ernährung über die Darmflora den Krankheitsverlauf der MS beeinflusst.
Ernährungstipps
- Omega-3-Fettsäuren: Hemmen entzündliche Prozesse im Körper.
- Antioxidantien: Schützen den Körper vor oxidativem Stress.
- Vitamin D: Ein Vitamin D-Mangel könnte zur Entstehung der Multiplen Sklerose beitragen.