Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte, unprovozierte Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle entstehen durch abnorme elektrische Aktivität im Gehirn. Die Behandlung von Epilepsie zielt darauf ab, Anfälle zu verhindern oder ihre Häufigkeit zu reduzieren, und dies wird in der Regel mit Medikamenten erreicht, die als Antiepileptika (Antikonvulsiva) bezeichnet werden.
Antiepileptika: Grundlagen der Behandlung
Antiepileptika wirken, indem sie die übermäßige Aktivität der Nervenzellen im Gehirn hemmen. Sie heilen zwar nicht die Ursachen der Epilepsie, können aber das Risiko von Anfällen deutlich senken. Es gibt eine Vielzahl von Antiepileptika, die in verschiedenen Formen erhältlich sind, darunter Tabletten, Kapseln, Säfte, Injektionen, Infusionen und Zäpfchen.
Die Wahl des geeigneten Antiepileptikums hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Art der Epilepsie, die Wirksamkeit des Medikaments und mögliche Nebenwirkungen. Einige der häufig verwendeten Antiepileptika sind:
- Carbamazepin
- Gabapentin
- Lamotrigin
- Levetiracetam
- Pregabalin
- Valproinsäure
Die Behandlung beginnt in der Regel mit einem einzelnen Wirkstoff in niedriger Dosierung. Bei Bedarf wird die Dosis schrittweise erhöht, bis eine ausreichende Anfallskontrolle erreicht ist. Wenn ein einzelnes Medikament nicht wirksam ist oder zu starke Nebenwirkungen verursacht, kann ein anderes Antiepileptikum eingesetzt oder eine Kombinationstherapie mit mehreren Medikamenten in Betracht gezogen werden.
Wirksamkeit und Nebenwirkungen von Antiepileptika
Antiepileptika sind bei der Anfallskontrolle oft sehr wirksam. Etwa 5 von 10 Personen werden bereits mit dem ersten Medikament anfallsfrei oder haben seltener Anfälle. Insgesamt treten bei etwa 7 von 10 Menschen mit Epilepsie keine Anfälle mehr auf, wenn sie Medikamente einnehmen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Medikamente nicht bei allen Menschen ausreichend helfen. Etwa 3 von 10 Menschen haben trotz mehrerer Behandlungsversuche weiterhin regelmäßig Anfälle.
Lesen Sie auch: Kann ein Anfall tödlich sein?
Antiepileptika können verschiedene Nebenwirkungen haben, darunter Müdigkeit, Schwindel, verlangsamtes Denken, Übelkeit und Hautausschlag. Die Art und Schwere der Nebenwirkungen variieren von Medikament zu Medikament und von Person zu Person. Oft sind die Beschwerden leicht und gehen nach einiger Zeit vorüber. Es ist wichtig, alle Nebenwirkungen mit dem behandelnden Arzt zu besprechen, um die Behandlung gegebenenfalls anzupassen.
Corticosteroide (Cortison) in der Behandlung von Epilepsie
Corticosteroide (KST), oft auch als Cortison bezeichnet, und ACTH (adrenocorticotropes Hormon) werden seit über 70 Jahren zur Behandlung von frühkindlichen Epilepsien eingesetzt, insbesondere wenn diese sich als resistent gegenüber konventionellen Antiepileptika erweisen. Die Studienlage zu Wirkung und Verträglichkeit ist jedoch unterschiedlich.
Studienlage und Anwendung
Umfangreiche, aktiv-kontrollierte prospektive Studien liegen vor allem für das infantile epileptische Spasmensyndrom (IESS) vor. Diese Studien haben die Wirksamkeit von Corticosteroiden im Vergleich zu Vigabatrin nachgewiesen und zu klaren Empfehlungen in aktuellen Leitlinien geführt. Für andere Epilepsieformen im frühen Kindesalter ist die Studienlage jedoch weniger eindeutig.
Eine systematische Stichwortrecherche in Registern und Datenbanken ergab 38 Veröffentlichungen, die für eine detaillierte Zusammenfassung und Metaanalyse geeignet erschienen. Diese Studien umfassten randomisiert-kontrollierte Studien, prospektiv-kontrollierte Studien und retrospektive Fallserien. Die Indikation zur Steroidbehandlung war meist eine schwere Epilepsie mit Resistenz gegen mehrere Antiepileptika, schwere EEG-Veränderungen und kognitive Verschlechterung.
Studienergebnisse und Metaanalyse
Die Metaanalyse der aggregierten Daten zeigte, dass die Rate der frühen Anfallsabnahme um mehr als 50 % (Response) und der frühen EEG-Besserung um mehr als 50 % im Durchschnitt bei 60 % bzw. 56 % lag. Nach Beendigung der Behandlung erlitten jedoch 33 % der Patienten einen Rückfall. Längerfristig hielten eine Anfallsresponse bei 39 % und eine EEG-Verbesserung bei 52 % der Patienten an.
Lesen Sie auch: Sicher Autofahren mit Parkinson: Ein Leitfaden für Deutschland
Subgruppenanalysen nach Medikamentengruppen ergaben keine signifikanten Unterschiede. Allerdings deuteten Metaregressionstests auf einen positiven Effekt der ACTH-Behandlung und des Epilepsietyps DEE-SWAS/LKS (Landau-Kleffner-Syndrom) hin. Ein negativer Effekt wurde bei symptomatischer Ätiologie festgestellt.
Behandlungsschemata und Nebenwirkungen
Es kamen verschiedene Corticosteroide und ACTH in unterschiedlichen Dosierungen und Protokollen zum Einsatz. Traditionell wurde eine hoch dosierte Initialphase mit anschließender schrittweiser Dosisreduktion angewendet. In neuerer Zeit wurde häufiger ein gepulstes Behandlungsschema eingesetzt.
Ein starker Zusammenhang wurde zwischen dem Behandlungsschema und dem Auftreten von Übergewicht oder Cushing-Syndrom festgestellt. Gepulste intravenöse Methylprednisolon- oder Dexamethason-Behandlungen waren mit geringeren Raten dieser Nebenwirkungen verbunden als kontinuierliche Behandlungen mit ACTH oder oralen Corticosteroiden.
Vergleichsstudien
Eine Studie verglich orales Hydrocortison mit Deflazacort bei Patienten mit therapierefraktärer Epilepsie. Nach 6 Monaten gab es in beiden Gruppen ähnliche Ansprechraten, aber die Rückfallquote war in der Hydrocortison-Gruppe höher. Eine weitere randomisierte, kontrollierte Studie verglich gepulste intravenöse Methylprednisolon-Behandlung mit einer Standardtherapie mit Antiepileptika. Die Methylprednisolon-Gruppe zeigte eine signifikant höhere Anfallsreduktion und Responserate.
Einschränkungen und Interpretation
Die Studienlage ist durch ein hohes Verzerrungsrisiko gekennzeichnet, insbesondere bei retrospektiven Studien. Die objektive Zählung von Anfallsformen, die Quantifizierung von EEG-Veränderungen und die prospektive psychologische Testung sind oft schwierig. Zudem hat sich die ätiologische Diagnostik und die epileptologische Nomenklatur im Laufe der Zeit weiterentwickelt.
Lesen Sie auch: Corona und das Gehirn: Was wir wissen
Trotz dieser Einschränkungen deuten die Metaanalysen darauf hin, dass etwa die Hälfte der Patienten kurzfristig von einer Corticosteroid- oder ACTH-Behandlung profitiert. Allerdings kommt es häufig zu Rückfällen, sodass langfristig etwa 30-40 % der Patienten eine anhaltende Response zeigen. Gepulste Protokolle scheinen mit weniger Nebenwirkungen verbunden zu sein als kontinuierliche Schemata.
Bedeutung für die Praxis
Die Ergebnisse der Metaanalysen sollten mit Vorsicht interpretiert werden. Corticosteroide und ACTH können in bestimmten Fällen eine wertvolle Option zur Behandlung von therapierefraktären Epilepsien sein. Die Entscheidung für oder gegen eine solche Behandlung sollte jedoch sorgfältig abgewogen werden, unter Berücksichtigung der potenziellen Vorteile und Risiken.
Wann ist ein Absetzen der Medikamente möglich?
Wer mehrere Jahre anfallsfrei war, möchte die Medikamente häufig absetzen. Dies ist oft möglich: Es wird geschätzt, dass etwa 3 von 10 Menschen, die nach Beginn der Behandlung keine Anfälle mehr haben, die Medikamente nach einigen Jahren weglassen können, ohne dass es zu neuen Anfällen kommt. Ob ein Absetzen sinnvoll ist, hängt vor allem davon ab, wie hoch das Risiko für einen Rückfall ist. Die Entscheidung sollte zusammen mit einer Ärztin oder einem Arzt abgewogen werden.
Ein niedrigeres Rückfallrisiko besteht, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:
- schon lange anfallsfrei sind
- ein niedrig dosiertes Medikament einnehmen
- bei denen im EEG keine erhöhte Anfallsneigung festgestellt wird
Dagegen können Menschen mit einem höheren Rückfallrisiko oft nicht auf Medikamente verzichten, ohne dass es erneut zu einem Anfall kommt. Dabei spielt auch die Ursache der Epilepsie eine Rolle: Manche Menschen haben ein dauerhaft erhöhtes Risiko, etwa aufgrund einer Veranlagung oder bleibender Gehirnschäden. Sie brauchen oft ihr Leben lang Medikamente. Ist eine Gehirnerkrankung aber abgeheilt und ist lange kein Anfall mehr aufgetreten, kann eher auf die Medikamente verzichtet werden.
Um die Einnahme zu beenden, wird die Dosis schrittweise über mindestens 2 bis 3 Monate reduziert. Werden zwei oder mehr Medikamente eingenommen, wird zunächst nur die Dosierung eines Medikaments verringert.
Epilepsie bei Frauen
Bestimmte Antiepileptika können die Wirksamkeit der Antibabypille herabsetzen. Umgekehrt kann die Pille die Wirksamkeit bestimmter Antiepileptika beeinflussen. Deshalb ist es für junge Frauen mit Epilepsie wichtig, frühzeitig mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt über das Thema Verhütung zu sprechen und zu überlegen, welche anderen Verhütungsmethoden infrage kommen.
Frauen mit Kinderwunsch fragen sich häufig, ob eine Schwangerschaft trotz Epilepsie möglich ist. Sie sorgen sich, dass Anfälle und Medikamente einem ungeborenen Kind schaden könnten. Die meisten Frauen mit Epilepsie bringen aber gesunde Kinder zur Welt. Wichtig ist, sich rechtzeitig ärztlich beraten zu lassen und sich auf eine Schwangerschaft vorzubereiten. Dies kann das Risiko für Komplikationen senken.
Es kann sein, dass die Behandlung der Epilepsie während einer Schwangerschaft angepasst werden muss. Je höher Antiepileptika dosiert sind, desto eher können sie zu Fehlbildungen des Kindes führen oder die Entwicklung seines Nervensystems verzögern. Dieses Risiko ist besonders im ersten Drittel der Schwangerschaft erhöht, also bis zur zwölften Woche. Deshalb wird versucht, die Dosis der Medikamente während der Schwangerschaft möglichst niedrig zu halten und Mittel zu vermeiden, bei denen ein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen besteht. Ein einzelnes Medikament in niedriger Dosierung erhöht das Risiko für Fehlbildungen sehr wahrscheinlich nicht wesentlich.
Wie bei jeder Schwangerschaft wird auch Schwangeren mit Epilepsie empfohlen, Folsäurepräparate einzunehmen, um das Risiko für Missbildungen zu senken. Einige Epilepsie-Medikamente können den Folsäurespiegel im Körper senken; dann wird die Einnahme höherer Dosen Folsäure empfohlen.
Epileptische Anfälle schaden dem Kind in aller Regel nicht. Eine Ausnahme können lang anhaltende, generalisierte Anfälle sein, oder wenn sich eine Schwangere während eines Anfalls schwer verletzt.
Epilepsie im höheren Alter
Ein Drittel der Menschen mit Epilepsie erkrankt erst nach dem 60. Lebensjahr. Ältere Menschen sind oft anfälliger für Nebenwirkungen von Medikamenten. Dies gilt auch für Antiepileptika. Wenn man aufgrund anderer Erkrankungen weitere Medikamente einnimmt, können Wechselwirkungen zwischen Medikamenten auftreten.
Als älterer Mensch ist es daher besonders wichtig, am besten nur ein Epilepsie-Medikament in möglichst niedriger Dosis einzunehmen.
Epilepsie und geistige Behinderung
Geistige Behinderungen entstehen meist aufgrund von Gehirnschäden. Diese können angeboren oder später durch einen Unfall oder eine Krankheit entstanden sein. Gehirnschäden sind auch der Grund, warum Menschen mit geistiger Behinderung häufiger Epilepsie haben.
Mit den Betroffenen über ihre Epilepsie zu sprechen, kann schwierig sein. Dies erschwert die Diagnose und auch die Behandlung: Es ist schwieriger, die passenden Medikamente zu finden und Nebenwirkungen festzustellen. Zudem können bei geistiger Behinderung Verhaltensauffälligkeiten und Bewegungsstörungen auftreten, die leicht mit epileptischen Anfällen zu verwechseln sind.
Therapieoptionen bei Therapieresistenz
Etwa 3 von 10 Menschen haben trotz mehrerer Behandlungsversuche mit verschiedenen Medikamenten weiter Anfälle - manche regelmäßig, andere können dazwischen einige Jahre anfallsfrei sein. Warum die Medikamente nicht bei allen Menschen ansprechen, ist nicht bekannt.
Spätestens wenn zwei verschiedene Medikamente keine ausreichende Wirkung gezeigt haben, wird empfohlen, die Diagnose in einem spezialisierten Zentrum überprüfen zu lassen. Manchmal stellt sich dann heraus, dass es sich nicht um eine Epilepsie, sondern eine andere Anfallserkrankung handelt.
Wirken Medikamente nicht, wird häufig ein Eingriff empfohlen.
- Operation: Wenn sich bei fokalen Epilepsien feststellen lässt, welcher Bereich des Gehirns Anfälle auslöst, kann dieser Teil unter Umständen entfernt werden. Das ist aber nicht immer möglich.
- Vagusnerv-Stimulation: Dabei wird ein Schrittmacher an der Brust unter die Haut implantiert, der elektrische Impulse abgibt. Er ist über Kontakte am Halsbereich mit dem Vagusnerv verbunden. Der Nerv leitet die Impulse ins Gehirn und soll so die Überaktivität hemmen. Der Vagusnerv ist ein wichtiger Nerv des vegetativen Nervensystems und an der Regulierung der inneren Organe beteiligt. Für den Nutzen dieser Therapie gibt es bisher nur wenige aussagekräftige Studien.
Notfall: Status epilepticus
Von einem „Status epilepticus“ spricht man, wenn ein generalisierter epileptischer Anfall länger als fünf Minuten dauert oder mehrere Anfälle rasch hintereinander auftreten. Dann handelt es sich um einen Notfall, der schnell medikamentös behandelt werden muss. Deshalb muss sofort der Rettungsdienst unter der 112 gerufen werden.
Meist gibt die Notärztin oder der Notarzt zuerst ein Beruhigungsmittel (Benzodiazepin). Es wird in die Vene gespritzt, in die Wangentasche gegeben oder als Creme über eine kleine Tube in den After eingeführt. Danach ist eine Weiterbehandlung im Krankenhaus erforderlich.
Was tun, wenn jemand in meiner Anwesenheit einen Anfall bekommt?
- Ruhe bewahren, nicht davonrennen.
- Den Betroffenen gegebenenfalls aus einem Gefahrenbereich entfernen.
- Beengende Kleidungsstücke am Hals lösen.
- Kopf polstern.
- Krampferscheinungen nicht unterdrücken, den Betroffenen nicht aufrichten, verkrampfte Hände nicht öffnen oder festhalten, Kiefer nicht gewaltsam öffnen, keine Gegenstände zwischen die Zähne schieben.
- Keine Unterbrechungsversuche: Nicht schütteln, klopfen oder anschreien.
- Patient nach dem Anfall in stabile Seitenlage bringen, damit eventuell Speichel abfließen kann.
- Nach dem Anfall bzw. Wiedererlangen des normalen Bewusstseins Hilfe und Begleitung anbieten.
- Wichtig ist auch, die Dauer des Anfalls zu registrieren. Zumeist sind Anfälle nach ein bis zwei Minuten vorbei.
tags: #Cortison #Epilepsie #Zusammenhang