Die Frage, ob Demenz geheilt werden kann, beschäftigt Forschende und Mediziner weltweit. Alzheimer ist nicht heilbar, aber nun stehen neue Therapien kurz vor der Zulassung. Im Interview mit Prof. Dr. Dorothee Saur, Neurologin am Universitätsklinikum Leipzig und Alzheimer-Expertin, wird deutlich, dass das Thema sie und ihre Kolleg:innen „in Atem“ hält, da neue Alzheimer-Therapien vor der Zulassung stünden. Die Entwicklung von Behandlungsmethoden, die den Verlauf der Krankheit verlangsamen oder sogar aufhalten können, rückt immer stärker in den Fokus. Dieser Artikel beleuchtet den aktuellen Stand der Forschung, neue Therapieansätze und Präventionsmaßnahmen im Kampf gegen Demenz, insbesondere die Alzheimer-Krankheit.
Was ist Demenz und Alzheimer?
Demenz ist ein Oberbegriff für Erkrankungen, die neurokognitive Störungen hervorrufen, also Einschränkungen in den kognitiven Leistungen des Gehirns. Durch diese Störungen geht allmählich das Denken, das Erinnerungsvermögen und die Orientierung verloren. Die Alzheimer-Krankheit ist eine fortschreitende Demenzerkrankung, die das Gedächtnis und andere kognitive Fähigkeiten zunehmend beeinträchtigt. Sie ist die häufigste Form der Demenz, die etwa 60 bis 70 Prozent aller Demenz-Fälle ausmacht. Im Gehirn von Alzheimer-Patienten gehen zunehmend Nervenzellen und die Übertragungsstellen dazwischen zugrunde. Verantwortlich sind wachsende Eiweißablagerungen zwischen den Neuronen, die sogenannten Amyloid-Plaques. Außerdem bündeln sich im Zellinneren Tau-Proteine zu den sogenannten Neurofibrillen. Diese „Vermüllung“ des Gehirns führt zu den bekannten Symptomen von Gedächtnislücken bis zum Verlust aller kognitiver Fähigkeiten und der Persönlichkeit.
Symptome und Diagnose von Demenz
Demenzsymptome betreffen die kognitiven Fähigkeiten, zum Beispiel können Menschen mit Alzheimer sich zunehmend schlechter erinnern, ihnen fällt die Orientierung schwer oder das Lernen neuer Dinge. Die Alzheimer-Demenz kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geheilt werden. Es gibt jedoch in der Demenz-Therapie Behandlungen, Medikamente und andere Maßnahmen, die die Symptome lindern und das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen sollen.
Die Symptome beginnen schleichend und verschlechtern sich allmählich. Erst wenn diese Symptome den Alltag erheblich beeinträchtigen, spricht man von einer Demenz.
Die Diagnose einer Demenzerkrankung erfolgt in der Regel durch eine Ärztin oder einen Arzt. Für eine Diagnose werden verschiedene Untersuchungen durchgeführt. Am Anfang der Diagnostik steht das ärztliche Gespräch über die persönliche Krankengeschichte. Besonders wichtig sind dabei frühere oder aktuelle Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungen der Hirngefäße, Bluthochdruck und Diabetes.
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Die Ärztin oder der Arzt erkundigt sich nach Beschwerden und Problemen im Alltag, nach Stimmungsschwankungen sowie nach den Lebensumständen. Nach dem Gespräch folgt eine körperliche Untersuchung, um festzustellen, ob Durchblutungsstörungen vorliegen. Mit bildgebenden Verfahren wie CT (Computertomographie) oder MRT (Magnetresonanztomographie) können Veränderungen im Gehirn festgestellt werden. Bei einem Verdacht auf eine vaskuläre Demenz wird vor allem das Herz-Kreislauf-System untersucht, also Blutdruck, Herzgeräusche und Herzgröße. Ebenso wichtig ist der neurologische Status, der die Koordination, Motorik, den Tastsinn und den Gleichgewichtssinn umfasst.
Medizinische Demenztests dienen der Beurteilung der geistigen Leistungsfähigkeit. Dabei werden bestimmte geistige Leistungsbereiche, wie Gedächtnis und die Konzentrationsfähigkeit getestet.
Frühe Warnzeichen für Alzheimer sind laut Portal „Demenz-behandeln.de“ etwa:
- Häufiges Verlegen von Dingen
- Probleme mit der räumlichen Wahrnehmung
- Änderungen des Verhaltens
Neue Therapieansätze und Medikamente
Antikörper-Therapien
Ein echter Meilenstein sind die zwei neuen Therapien, die kurz vor der Zulassung stehen. Bisher haben wir keine wirksamen Therapien, um den bei einer Demenz einsetzenden Prozess des Abbaus kognitiver Fähigkeiten zu beeinflussen. Die jetzt vor der Zulassung stehenden zwei Therapien setzen genau da an - sie bremsen den Verlust an Gehirn- und Gedächtnisleistung. Das geschieht, indem die verabreichten Antikörper das Immunsystem so stimulieren, dass dieses die vorhandenen Amyloid-Ablagerung im Gehirn, die Plaques, angreift und entsorgt. Das lässt sich mit speziellen PET-Gehirnscans gut nachvollziehen - vorhandene Ablagerungen verschwinden nahezu vollständig. Allerdings wird dadurch bisher das Fortschreiten der Erkrankung noch nicht gestoppt, nur deutlich verlangsamt. Antikörper bringen die Amyloid-Plaques im Gehirn nachweislich zum Verschwinden. Das kann das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen, aber nicht rückgängig machen.
Prof. Saur betont, dass sich dank moderner Methoden zur Diagnostik inzwischen sehr genau erkennen lässt, ob eine frühe Form der Alzheimererkrankung vorliegt. Mit den neuen Mitteln können wir in dieser Phase die Behandlung beginnen und das Voranschreiten um bis zu 30 Prozent verlangsamen. Das ist ein echter Vorteil für die Patient:innen, deren ja noch überwiegend intakte Hirnfunktionen sich damit möglicherweise nicht so schnell verschlechtern.
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Leqembi (Lecanemab) und Kisunla (Donanemab)
Neu zugelassene Antikörper-Medikamente wie Leqembi (Lecanemab) und Kisunla (Donanemab) setzen direkt an einer möglichen Krankheitsursache an und eröffnen erstmals Behandlungsmöglichkeiten im frühen Krankheitsstadium. Ja, Leqembi wurde in Deutschland am 15.04.2025 zur medikamentösen Behandlung von Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen und im Frühstadium der Alzheimer-Demenz zugelassen.
Forschung an Tau-Proteinen
Ein Team aus Japan hat im Mäusemodell eine neue Behandlungsform geprüft. Diese zielt auf die sogenannten Tau-Proteine ab. Diese sorgen im Inneren der Gehirnzellen eigentlich für Stabilität und Nährstoffversorgung. Aber: Bei der Alzheimer-Krankheit ist das Tau-Protein chemisch so verändert, dass es seiner Funktion nicht mehr nachkommen kann, erklärt die Alzheimer-Forschung-Initiative. Stattdessen sammelt es sich im Gehirn an und sorgt dort, gemeinsam mit anderen Ablagerungen für bekannte Symptome wie den Gedächtnisverlust. Das Team fand heraus, dass die Behandlung mit bestimmten Peptiden diese Ablagerungen reduzierte.
Alzheimer-Impfstoffe
In den letzten Jahren haben immer wieder Studien zu neuen Alzheimer-Impfstoffen Aufsehen erregt. Aktuell ist der Wirkstoff Protollin ein besonders vielversprechender Kandidat. Der Impfstoff, der über die Nase verabreicht wird, soll körpereigene Abwehrkräfte mobilisieren, um gegen Ablagerungen an Nervenzellen vorzugehen. Eine erste Humanstudie, das heißt Tests an Menschen, läuft seit 2021 in den USA. Etwas weiter ist die Forschung beim Wirkstoff AADvac1. Dieser Wirkstoff greift bestimmte Proteine im Gehirn an und verhindert deren Verklumpung. So soll die Abnahme der geistigen Fähigkeiten verhindert werden.
Nicht-medikamentöse Therapien
Demenz kann bislang nicht geheilt werden. Therapien ohne Medikamente haben daher das Ziel Wohlbefinden und Lebensqualität der Erkrankten zu erhalten oder zu erhöhen. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Behandlungsmöglichkeiten. Kognitive Therapien sollen insbesondere die geistigen Fähigkeiten erhalten. Ein Beispiel hierfür ist die Erinnerungsarbeit. Die Ergotherapie soll die Selbstständigkeit bei alltäglichen Tätigkeiten erhalten. Andere Therapien setzen auf körperliche Aktivität. Angehörigenschulungen sollen Familienmitgliedern helfen, Demenz besser zu verstehen. Hier können Angehörige lernen mit der Erkrankung umzugehen und die Betroffenen zu unterstützen.
Nicht-medikamentöse Therapien sind ein wichtiger Bestandteil der Alzheimer-Behandlung. Sie können helfen, die Selbstständigkeit zu fördern, den Alltag zu strukturieren und kognitive Fähigkeiten möglichst lange zu erhalten. Zum Beispiel:
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- Kognitive Förderung (strukturierte Trainings, alltagsnahe Aufgaben)
- Ergotherapie
- Musik-, Kunst- oder Tanztherapie
- Biografiearbeit zur Aktivierung von Erinnerungen
- Gartentherapie
Wichtig ist, dass die Angebote zu den individuellen Möglichkeiten passen und regelmäßig von geschultem Personal angeleitet werden.
Vaskuläre Demenz
Vaskuläre Demenz ist nach der Alzheimer-Krankheit die häufigste Demenzerkrankung. Bei der vaskulären Demenz ist es sehr unterschiedlich, welche Symptome im Vordergrund stehen oder auftreten. Dies hängt von der Art der Schädigung im Gehirn ab und davon, wo sie entstanden ist. Die vaskuläre Demenz wird durch eine Schädigung der Blutgefäße im Gehirn verursacht. Die Gefäße können das Gehirn nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgen, wodurch wichtige kognitive Funktionen eingeschränkt werden.
Eine vaskuläre Demenz ist nicht heilbar. Die im Gehirn entstandenen Schäden können nicht rückgängig gemacht werden. Ziel der Therapie ist es, weiteren Schäden vorzubeugen und eine Verschlimmerung der Beschwerden aufzuhalten, beziehungsweise zu verlangsamen.
Prävention von Demenz
Noch besser als Alzheimer zu behandeln, ist es, der Krankheit vorzubeugen. Es gibt Risikofaktoren, auf die jeder und jede achten kann:
- Bewegung: Was gut für Ihr Herz ist, ist auch gut für Ihr Gehirn. Dazu gehört, sich ausreichend zu bewegen - mindestens 2,5 Stunden pro Woche sind ideal.
- Geistige Fitness: Lernen Sie Neues - auch im Alter. Das hält Ihr Gehirn auf Trab. Egal ob ein Musikinstrument, eine Sprache oder der Umgang mit dem Computer, probieren Sie etwas Neues aus.
- Gesunde Ernährung: Orientieren Sie sich an der klassischen mediterranen Ernährung. Essen Sie viel Obst und Gemüse, Olivenöl und Nüsse. Ziehen Sie Fisch rotem Fleisch vor.
- Soziale Kontakte: Zu zweit oder in der Gruppe machen Aktivitäten mehr Spaß und Ihre grauen Zellen werden gefordert. Verabreden Sie sich zum Sport, zum Musizieren, zum Kartenspielen oder zum gemeinsamen Kochen.
- Übergewicht reduzieren: Achten Sie darauf, dass Sie nicht zu viele Kilo auf die Waage bringen. Eine gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung helfen Ihnen dabei.
- Ausreichend Schlaf: Sorgen Sie für guten und ausreichenden Schlaf, damit das Gehirn Schadstoffe abbauen und sich erholen kann.
- Nicht rauchen: Rauchen schadet auch Ihrem Gehirn. Hören Sie auf zu rauchen, es ist nie zu spät.
- Kopfverletzungen vermeiden: Passen Sie im Alltag und beim Sport auf Ihren Kopf auf und tragen Sie zum Beispiel einen Helm beim Fahrradfahren.
- Bluthochdruck checken: Lassen Sie Ihren Blutdruck regelmäßig kontrollieren. Bluthochdruck sollte auf jeden Fall behandelt werden.
- Diabetes überprüfen: Behalten Sie Ihren Blutzuckerspiegel im Blick. Ist er dauerhaft zu hoch, sollten Sie in Absprache mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin aktiv werden.
- Depressionen behandeln: Sorgen Sie gut für sich. Wenn Sie über eine längere Zeit antriebslos oder niedergeschlagen sind, ist es sinnvoll, Ihren Arzt oder Ihre Ärztin aufzusuchen, um die Ursache abzuklären. Eine Depression sollte nicht unbehandelt bleiben.
- Auf Schwerhörigkeit achten: Nehmen Sie es ernst, wenn Sie merken, dass Sie schlechter hören.
Forschung und Ausblick
Die Forschung zu Alzheimer macht große Fortschritte. Daneben rücken Prävention, Pflege und Diagnostik in den Mittelpunkt. Studien zeigen, dass sich das Alzheimer-Risiko durch Faktoren wie Bewegung, Blutdruckkontrolle oder soziale Teilhabe deutlich senken lässt.
Prof. Saur betont, dass das, was wir hier erleben, zudem nur ein Anfang ist. Es wird weitere Ansätze geben, beispielsweise zur Diagnostik mittels eines Bluttests, und auch zur Therapie. Die Strukturen sind dafür aber noch nicht vorbereitet. Wir arbeiten derzeit daran, das zu ändern und an dieser Stelle Vorreiter zu werden. Wir bereiten uns aber auch darauf vor, an dieser Stelle begleitend weiter zu forschen. Wir wissen noch nicht, welche Auswirkungen die Therapien auf lange Sicht haben, das muss beobachtet und ausgewertet werden.