Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die Menschen jeden Alters betreffen kann. Im Alter treten epileptische Anfälle jedoch häufiger auf und werden unter dem Begriff Altersepilepsie zusammengefasst. In Deutschland erkranken jährlich 10.000 Menschen an Altersepilepsie. Und doch wird sie so oft übersehen.
Was ist Altersepilepsie?
Altersepilepsie, auch als spät auftretende Epilepsie bekannt, bezieht sich auf das Auftreten von epileptischen Anfällen bei Menschen im fortgeschrittenen Alter, typischerweise ab dem 60. Lebensjahr. Diese spät auftretende Form der Epilepsie unterscheidet sich von der frühkindlichen Epilepsie, die in jüngeren Jahren auftritt. Die Altersgruppe, in der Altersepilepsie am häufigsten diagnostiziert wird, liegt zwischen 60 und 70 Jahren. Selten entwickelt sich Epilepsie erst im Alter. Nur jede 10. Erkrankung wird erst im hohen Alter festgestellt. 90 Prozent aller Epilepsie-Fälle werden im frühkindlichen Alter diagnostiziert. In Deutschland sind Männer stärker als Frauen von Altersepilepsie betroffen.
Ursachen und Risikofaktoren
Die genauen Ursachen der Altersepilepsie sind oft schwer zu ermitteln. Epilepsien sind zwar seit dem Altertum bekannt, die Ursache der Erkrankung ist jedoch noch nicht völlig geklärt. Mit Medikamenten bekommt man die Erkrankung in vielen Fällen gut in den Griff.
Grundsätzlich gilt, dass jedes Ereignis, das einen Schaden im Gehirn verursacht, ein potenzieller Auslöser für ein epileptisches Anfallsleiden sein kann. Die Medizin unterscheidet hier zurzeit strukturelle, infektiöse, metabolische, genetische und immunologische Ursachen. Strukturelle Veränderungen am Gehirn entstehen beispielsweise durch Schlaganfälle oder Tumore. Infektionen des Gehirns können unter anderem durch Borreliose hervorgerufen werden. Metabolische Veränderungen, also solche, die den Stoffwechsel betreffen, stehen z. B. mit seltenen Stoffwechselerkrankungen, wie der Phenylketonurie* in Verbindung. Bei den immunologischen Ursachen handelt es sich um Entzündungsvorgänge im Gehirn, z. B. wenn die eigene Körperabwehr (Immunsystem) das Hirngewebe angreift und es zu einer Hirnhautentzündung kommt. Zusätzlich gibt es sogenannte kryptogene Epilepsien, die heute schlichtweg als Epilepsie mit unbekannter Ursache bezeichnet wird. Die häufigsten Ursachen sind die genetischen oder auch idiopathischen Epilepsieursachen. Genetisch bedingt haben manche Menschen eine stärkere Veranlagung zu epileptischen Anfällen als andere.
Einige der häufigsten Ursachen und Risikofaktoren für Altersepilepsie sind:
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- Zerebrovaskuläre Erkrankungen: Hirninfarkte oder Hirnblutungen können das Risiko für epileptische Anfälle erhöhen. Zerebrovaskuläre Erkrankungen sind die wichtigste Ursache von Epilepsien im Alter. Populations-basierte epidemiologische Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Hirninfarkt das Risiko für einen epileptischen Anfall um den Faktor 23 und für eine Epilepsie um den Faktor 17 im ersten Jahr nach dem Schlaganfall gegenüber der vergleichbaren Allgemeinbevölkerung erhöht (e6). Hierbei muss man sogenannte Früh-Anfälle, die als akute epileptische Reaktion in den ersten Stunden bis zu zwei Wochen nach dem Infarkt auftreten (e7), von Spät-Anfällen unterscheiden. Die Häufigkeit von fokalen Epilepsien nach Hirninfarkt liegt mit 2 bis 4 % somit zwei- bis viermal höher als in der Altersgruppe üblich (9).
- Neurodegenerative Erkrankungen: Demenz, insbesondere die Alzheimer-Krankheit, kann das Risiko für epileptische Anfälle erhöhen. Die Inzidenz von epileptischen Anfällen bei Patienten mit Alzheimer-Demenz nimmt mit zunehmender Erkrankung zu und beträgt kumulativ über sieben Jahre 8 % (11). Die Inzidenz ist bei jungen Alzheimer-Patienten deutlich höher (50 bis 59 Jahre; 4,3 %) als bei Patienten, die erst im hohen Alter erkranken (> 80 Jahre; 0,55 %).
- Kopfverletzungen: Traumata des Schädels können zu strukturellen Schäden im Gehirn führen, die epileptische Anfälle auslösen können.
- Hirntumore: Tumore im Gehirn können die normale Funktion der Nervenzellen beeinträchtigen und Anfälle verursachen. Hirntumoren spielen im Alter eine untergeordnete Rolle und bei einem Drittel der Patienten bleibt die Ätiologie unklar (7).
- Alkoholmissbrauch: Chronischer Alkoholkonsum kann das Gehirn schädigen und das Risiko für epileptische Anfälle erhöhen.
- Andere Erkrankungen: Stoffwechselstörungen, Infektionen des Gehirns oder Autoimmunerkrankungen können ebenfalls zu Epilepsie im Alter beitragen.
Symptome
Altersepilepsie kann unterschiedliche Erscheinungsformen haben. Dazu gehören fokale Anfälle, die in einem begrenzten Bereich des Gehirns beginnen, und generalisierte Anfälle, die das gesamte Gehirn betreffen. Epileptische Anfälle im Alter können vielfältige Symptome haben. Es ist wichtig, zu beachten, dass nicht alle Anfälle offensichtlich sind.
Epileptische Anfälle sind im Grunde Krampfanfälle, die durch vorübergehende Funktionsstörungen von Nervenzellen im Gehirn ausgelöst werden. Anders als bei epileptischen Anfällen ist bei der Altersepilepsie meist nur ein bestimmter Bereich des Gehirns betroffen. Symptome wie kurz auftretende Abwesenheitszustände, Verwirrtheit oder einfach nur Sprachunfähigkeit sind charakteristisch, aber leider nicht sehr spezifisch.
Ein epileptischer Anfall ist im Grunde ein Krampfanfall, der durch eine vorübergehende Funktionsstörung von Nervenzellen im Gehirn ausgelöst wird. Die Anfälle können zwar unterschiedlich sein, aber das Bild der Epilepsie ist stark geprägt von den Symptomen des großen Anfalls, bei dem es zu einem Bewusstseinsverlust, heftigen Krämpfen und unkontrollierbaren Zuckungen kommt. Bei einer Altersepilepsie hingegen ist es wahrscheinlicher, dass der Anfall nur einen bestimmten Bereich des Gehirns betrifft. Die Beschwerden sind weniger spezifisch und subjektiv ist das Anfallsgefühl geringer ausgeprägt. Statt der Verkrampfungen und Zuckungen sind zum Beispiel kurz auftretende Abwesenheitszustände, Verwirrtheit oder Sprachunfähigkeit charakteristisch.
Einige häufige Symptome von Altersepilepsie sind:
- Fokale Anfälle: Diese Anfälle können sich durch eine Vielzahl von Symptomen äußern, je nachdem, welcher Bereich des Gehirns betroffen ist. Dazu gehören:
- Motorische Symptome: Zuckungen, Krämpfe oder Lähmungen in einem Arm oder Bein, unwillkürliche Bewegungen
- Sensorische Symptome: Kribbeln, Taubheitsgefühl, Schmerzen oder Halluzinationen in einem bestimmten Körperteil
- Psychische Symptome: Angst, Verwirrung, Déjà-vu-Erlebnisse
- Autonome Symptome: Veränderungen der Herzfrequenz, des Blutdrucks, der Atmung oder der Verdauung
- Generalisierte Anfälle: Diese Anfälle betreffen das gesamte Gehirn und führen oft zu Bewusstseinsverlust und Krämpfen. Es gibt verschiedene Arten von generalisierten Anfällen, darunter:
- Tonisch-klonische Anfälle (Grand-mal-Anfälle): Bewusstseinsverlust, Versteifung des Körpers (tonische Phase), gefolgt von rhythmischen Zuckungen (klonische Phase)
- Absencen (Petit-mal-Anfälle): Kurze Bewusstseinsverluste ohne Krämpfe, oft mit Starren oder Blinzeln verbunden
- Myoklonische Anfälle: Plötzliche, kurze Zuckungen einzelner Muskeln oder Muskelgruppen
- Atonische Anfälle: Plötzlicher Verlust des Muskeltonus, der zu Stürzen führen kann
- Verhaltensänderungen: Einige Menschen mit Altersepilepsie können Verhaltensänderungen wie Reizbarkeit, Aggressivität oder Depressionen aufweisen.
- Kognitive Beeinträchtigungen: Epileptische Anfälle können zu Gedächtnisproblemen, Konzentrationsschwierigkeiten oder anderen kognitiven Beeinträchtigungen führen.
Diagnose
Die Diagnose von Altersepilepsie erfordert eine gründliche Untersuchung durch einen Neurologen. Dies beinhaltet eine Anamnese, neurologische Tests und bildgebende Verfahren wie MRT oder CT-Scans, um mögliche Ursachen oder Anomalien im Gehirn zu identifizieren.
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Da sich Betroffene oft nicht an das Ereignis erinnern und der Anfall im Alter nicht so dramatisch abläuft wie ein klassischer, sind die Verwandten gefragt. Der Neurologe benötigt eine möglichst genaue Schilderung dessen, was passiert ist.
Die Elektroenzephalographie stellt in der Diagnostik epileptischer Anfälle, insbesondere innerhalb der ersten 48 h [36], zur Abgrenzung gegenüber Differenzialdiagnosen ein wichtiges diagnostisches Werkzeug dar.
Behandlung
Die Behandlung von Altersepilepsie hängt von der Art und Schwere der Anfälle sowie den individuellen Bedürfnissen des Patienten ab. In den meisten Fällen werden antiepileptische Medikamente verschrieben, um die Anfallshäufigkeit zu reduzieren oder zu verhindern. Eine sorgfältige Abwägung der Medikamente ist wichtig, um mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu vermeiden.
Derzeit stehen mehr als 20 verschiedene Präparate zur Verfügung. Die Medikamente beeinflussen den Gehirnstoffwechsel, haben aber kaum Nebenwirkungen.
Die medikamentöse Behandlung der Epilepsie bei alten Patienten stellt den behandelnden Arzt vor eine Reihe von Herausforderungen, wobei folgende Aspekte vor der Einleitung einer Antiepileptikatherapie beim alten Menschen bedacht werden müssen: (1) Alte Menschen reagieren meist sensibler auf Medikamente, insbesondere zentral wirksame Substanzen, wobei unspezifische Nebenwirkungen wie Schwindel, Müdigkeit, Gangunsicherheit und Konzentrationsstörungen häufig sind. Diese können im Weiteren zu Problemen wie sozialer Isolation, Sturzneigung mit Immobilisierung und Medikamenten-Non-Compliance führen, sodass Antiepileptika beim alten Menschen insbesondere hinsichtlich ihrer Verträglichkeit ausgewählt werden sollten. (2) Eingeschränkte Nierenfunktion, reduzierter hepataler Metabolismus und Mangelernährung mit verminderter Eiweißbindung führen zu Veränderungen von Pharmakokinetik und Pharmakodynamik beim alten Patienten. Die therapeutische Breite von Medikamenten ist bei alten Menschen häufig reduziert, sodass es oft zu Überdosierung kommt. (3) Aufgrund von Komorbiditäten nehmen alte Patienten häufig eine Reihe unterschiedlicher Medikamente ein, sodass das Risiko von Medikamenteninteraktionen hoch ist. (4) Die Wirkung von Medikamenten auf Lipidstoffwechsel, Reizleitungssystem des Herzens, Knochenstoffwechsel und Kognition etc. ist bei älteren, multimorbiden Patienten von entscheidender Bedeutung.
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Umgang mit Altersepilepsie im Alltag
Wenn Sie Familienangehörige haben, die an Altersepilepsie leiden, ist es wichtig, sie zu unterstützen, damit sie möglichst lange selbständig in den eigenen vier Wänden leben können. Vermeiden Sie es, alleine zu lassen, wenn sie Anfälle haben und sorgen Sie für eine sichere Wohnumgebung.
Sind Bewusstseinsstörungen aufgetreten, darf man zu seinem eigenen und dem Schutz anderer vorerst nicht selbst Auto fahren oder sollte bei bestimmten Aktivitäten wie zum Beispiel baden vorsichtig sein, denn eine epileptische Bewusstseinsstörung kann ohne jede Ankündigung auftreten.
Eine 24h Betreuungskraft von Promedica24 kann Ihren Liebsten helfen, mit den Folgen der Epilepsie zurechtzukommen. Im Notfall ist die Betreuungskraft sofort vor Ort und kann Erste Hilfe leisten.
Verlauf und Prognose
Der Krankheitsverlauf von Altersepilepsie kann variieren. Einige Patienten erleben eine vollständige Kontrolle über ihre Anfälle mit der richtigen Behandlung, während andere möglicherweise weiterhin gelegentliche Anfälle haben.
Wenn die Medikamente dazu führen, dass die Betroffenen anfallsfrei sind oder deutlich weniger Anfälle erleiden, können diese ein weitgehend normales Leben führen. Solange das Risiko von Anfällen besteht, dürfen die Betroffenen jedoch kein Kraftfahrzeug fahren.