Alzheimer stoppen: Möglichkeiten, Therapien und Prävention

Alzheimer ist eine der am meisten gefürchteten Krankheiten des Alters, von der in Deutschland rund 1,8 Millionen Menschen betroffen sind. Die Vorstellung, Namen zu vergessen, sich zu verirren oder eines Tages vertraute Menschen nicht mehr zu erkennen, verunsichert viele. Bislang gibt es nur sehr begrenzte Möglichkeiten, die Krankheit zu stoppen oder den geistigen Abbau zu verlangsamen. Doch es gibt Hoffnung durch neue Therapien und Präventionsansätze.

Neue Therapieansätze bei Alzheimer

Antikörper-Therapien: Ein Meilenstein in der Alzheimer-Behandlung

Ein vielversprechender Ansatzpunkt für die Behandlung von Alzheimer ist das sogenannte Amyloid, ein Eiweißstoff, der sich bei Alzheimer im Gehirn ansammelt. Lange Zeit galt Amyloid als möglicher Ansatzpunkt für eine Behandlung dieser häufigsten Demenzerkrankung. Doch erst in jüngster Zeit brachten entsprechende Arzneimittel in Studien am Menschen die erhoffte Wirkung.

Im Interview mit Prof. Dr. Dorothee Saur, Neurologin am Universitätsklinikum Leipzig und Alzheimer-Expertin, wird deutlich, dass neue Alzheimer-Therapien kurz vor der Zulassung stehen. Diese Therapien basieren auf Antikörpern, die die Amyloid-Plaques im Gehirn nachweislich zum Verschwinden bringen.

Wie funktionieren diese Antikörper-Therapien?

Die verabreichten Antikörper stimulieren das Immunsystem so, dass dieses die vorhandenen Amyloid-Ablagerungen im Gehirn, die Plaques, angreift und entsorgt. Das lässt sich mit speziellen PET-Gehirnscans gut nachvollziehen - vorhandene Ablagerungen verschwinden nahezu vollständig.

Für wen sind diese Therapien geeignet?

Die Antikörper-Therapien eröffnen vor allem bei Menschen mit einem sehr frühen Stadium der Demenz ganz neue Möglichkeiten. Dank moderner Methoden zur Diagnostik kann inzwischen sehr genau erkannt werden, ob eine frühe Form der Alzheimererkrankung vorliegt. Mit den neuen Mitteln kann in dieser Phase die Behandlung begonnen und das Voranschreiten um bis zu 30 Prozent verlangsamt werden.

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Wann sind die neuen Medikamente verfügbar?

In Deutschland wird im Frühsommer 2024 mit der Zulassung gerechnet. Für die sehr aufwändigen Therapien werden entsprechende Voraussetzungen benötigt: Die Bildgebung und Nervenwasseruntersuchung für die Frühdiagnostik und die Therapieplätze. Die mehrstündigen Infusionen müssen regelmäßig im Abstand von zwei bis vier Wochen verabreicht werden. Die Behandlung wird über mehrere Monate dauern, wobei die genaue Dauer noch nicht bekannt ist. Die Patient:innen müssen in dieser Zeit gut betreut werden, mit regelmäßigen MRT-Untersuchungen zur Verlaufskontrolle, vor allem zu Beginn der Therapie.

Welche Herausforderungen gibt es?

Die Strukturen für die aufwändigen Therapien sind noch nicht vorbereitet. Es wird an einer entsprechenden Ausstattung der Demenzsprechstunden gearbeitet. Zudem sind weitere Forschungen notwendig, um die langfristigen Auswirkungen der Therapien zu beobachten und auszuwerten.

Verbesserung der Anti-Amyloid-Therapie

Die neuen Anti-Amyloid-Medikamenten bieten erstmals die Möglichkeit, gegen die Ursachen von Alzheimer vorzugehen. Die traditionellen Therapien wirken ja nur symptomatisch. Sie lindern die Beschwerden, verhindern jedoch nicht, dass die Erkrankung im Gehirn voranschreitet. Zwar sind sie kostspielig, ihr Einsatz aufwändig und sie können die Erkrankung nicht aufhalten. Doch sie verlangsamen etwas deren Verlauf und den Abbau der geistigen Fähigkeiten. Es handelt sich um künstlich hergestellte Antikörper, die bislang per Infusion verabreicht werden müssen. Über die Blutbahn gelangen sie ins Gehirn und binden an das Amyloid. Diese molekulare Markierung hat eine Signalwirkung auf Immunzellen des Gehirns, die das Amyloid daraufhin beseitigen. Um die Anti-Amyloid-Therapie zu verbessern, gibt es mehrere Ansatzpunkte:

  • Optimierung der Antikörper: Es gilt, die Antikörper so zu optimieren, dass sie in möglichst großer Menge ins Gehirn gelangen. Das Gehirn hat eine natürliche Barriere, die es zu überwinden gilt.
  • Untersuchung der molekularen Struktur der verschiedenen Amyloid-Formen: Um das Amyloid möglichst effektiv zu beseitigen, sind Studien hilfreich, die verschiedene Antikörper unter einheitlichen Bedingungen miteinander vergleichen.
  • Frühzeitige Behandlung: Eine Alzheimer-Erkrankung beginnt mindestens 20 Jahre bevor Symptome auftreten und verläuft in zwei Phasen. Zu Beginn ist das Amyloid der Krankheitstreiber. In der zweiten Phase kommen weitere Phänomene hinzu, wie Entzündungsprozesse und die Aggregation des Tau-Proteins. In dieser Phase ist das Amyloid offenbar nicht mehr der einzige Krankheitstreiber, die Situation ist nun viel komplexer. Deshalb hat zu diesem Zeitpunkt eine alleinige Anti-Amyloid-Therapie nur begrenzte Wirkung.
  • Bessere Früherkennung: Ziel muss es sein, von der Behandlung zur Prävention zu kommen. Also den Ausbruch von Demenzsymptomen zu verhindern oder zumindest soweit wie möglich zu verzögern. Sind die Symptome von Demenz schon da, wird eine wirksame Behandlung immer schwieriger.
  • Biomarker: Ein Schlüssel für die Früherkennung sind sogenannte Biomarker, das sind Indikatoren, die uns verraten, was genau im Gehirn passiert. Dafür eignen sich Messwerte, die man aus dem Blut, dem Nervenwasser oder aus sogenannten PET-Hirnscans ablesen kann.
  • Minimierung der Behandlungsrisiken: Eine Nebenwirkung, die man in den klinischen Studien beobachtet hat, sind Schwellungen um die Blutgefäße des Gehirns und kleine Blutungen. Diese Einflüsse müssen wir besser verstehen und die Behandlungsrisiken minimieren.

Nanopartikel als Transportmittel für Medikamente

Ein weiteres vielversprechendes Forschungsgebiet ist der Einsatz von Nanopartikeln, um Medikamente gezielt ins Gehirn zu transportieren. Das Gehirn wird durch die sogenannte Blut-Hirn-Schranke abgeriegelt und geschützt. Diese Schranke verhindert, dass schädliche Substanzen, aber eben auch Alzheimer-Medikamente, in das Gehirn gelangen. Die Forscher versehen die Nanopartikel mit Ankermolekülen, die bestimmte Strukturen in der Blut-Hirn-Schranke erkennen und so die Nanopartikel und mit ihnen auch das Alzheimer-Medikament quasi huckepack ins Gehirn transportieren.

Prävention von Alzheimer

Neben den neuen Therapieansätzen gibt es auch Möglichkeiten, das Risiko an Alzheimer zu erkranken, zu senken.

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Beeinflussbare Risikofaktoren

Mittlerweile wurden in der Forschung zwölf Faktoren identifiziert, die rund 40 Prozent des Demenzrisikos erklären. Diese Risikofaktoren sind:

  • Hörminderung
  • niedrige schulische Bildung
  • Rauchen
  • Depression
  • vermehrter Alkoholkonsum
  • soziale Isolation
  • traumatische Hirnschädigungen
  • Feinstaubbelastung
  • Bluthochdruck
  • körperliche Inaktivität
  • Übergewicht
  • Diabetes

Diese Faktoren sind prinzipiell beeinflussbar. Ein allgemein gesunder Lebensstil, der den großen Volkskrankheiten vorbeugt, kann auch das Risiko für Demenz in Maßen verringern.

Körperliche und geistige Aktivität

Das wichtigste, um Demenz vorzubeugen, ist geistige und körperliche Aktivität. Regelmäßige körperliche Aktivität verbessert Fitness, Stimmung und Schlaf. Moderate Bewegung wie Walking, Tanzen oder Gymnastik wirkt ausgleichend und baut Ängste ab. Aktivitäten, die das Gehirn fordern, können den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Geeignet sind Brettspiele, Puzzles, Handarbeiten oder Basteln. Wichtig ist, dass die Beschäftigung Freude macht und nicht überfordert.

Die Bedeutung von Schritten am Tag

Eine neue Studie hat gezeigt, dass bereits rund 3000 Schritte am Tag einen Unterschied machen. Wer zwischen 5000 und 7500 Schritten täglich erreicht, profitiert noch stärker. Ab etwa 7500 Schritten zeigt sich jedoch ein Plateau - zusätzliche Schritte führten nicht zu weiteren Vorteilen in Bezug auf die Erkrankung. Körperliche Aktivität setzt im Körper Prozesse in Gang, die dem Gehirn guttun können. Eine erhöhte Hirndurchblutung verbessert die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung und unterstützt den Abtransport von Abbauprodukten des Zellstoffwechsels. Zudem müssen Personen navigieren, sich orientieren und mit Ihrer Umgebung interagieren. Zudem schütte der Körper bei körperlicher Aktivität Schutz- und Wachstumsfaktoren aus.

Weitere Empfehlungen

  • Soziale Kontakte: Ein gutes Miteinander macht zufriedener - und hält den Kopf fit.
  • Ausgewogene Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung, die sich an der mediterranen Küche orientiert, ist empfehlenswert.
  • Ausreichend Schlaf: Eine erholsame Nachtruhe ist ein wichtiger Faktor, um der Krankheit vorzubeugen.

Symptome und Diagnose

Vergesslichkeit und Orientierungsstörungen sind oftmals erste Anzeichen für eine Alzheimer-Demenz. Es ist nicht immer einfach, eine Demenz-Erkrankung zu erkennen. Folgende Anzeichen können auf eine Demenz hindeuten:

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  1. Beeinträchtigungen des Kurzzeitgedächtnisses, die sich auf den Alltag auswirken.
  2. Betroffenen fällt es schwer, sich über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren oder etwas vorausschauend zu planen und umzusetzen. Sie brauchen für vieles mehr Zeit als zuvor.
  3. Alltägliche Handlungen werden plötzlich als große Herausforderung empfunden.
  4. Oft können Orte oder Zeitabstände nicht mehr eingeordnet werden.
  5. Viele Betroffene haben große Schwierigkeiten, Bilder zu erkennen und räumliche Dimensionen zu erfassen.
  6. Vielen Erkrankten fällt es schwer, einem Gespräch zu folgen und sich aktiv daran zu beteiligen. Sie verlieren den Faden, verwenden unpassende Füllwörter oder haben Wortfindungsprobleme.
  7. Betroffene lassen oft Dinge liegen oder legen sie an ungewöhnliche Orte. Sie vergessen nicht nur, wo die Sachen sind, sondern auch, wozu sie gut sind.
  8. Viele Betroffene verlieren zunehmend ihre Eigeninitiative und gehen immer weniger ihren Hobbies, sozialen oder sportlichen Aktivitäten nach.
  9. Starke Stimmungsschwankungen ohne erkennbaren Grund können eine Folge einer Alzheimer-Erkrankung sein.

Treten eines oder mehrere dieser Anzeichen bei Ihnen oder einem Familienmitglied wiederholt auf, sollten Sie dies ärztlich abklären lassen.

Es gibt keinen einfachen Test, mit dem man Alzheimer nachweisen kann. Diagnosen erfordern eine vollständige ärztliche Untersuchung. Ärzte können in der Regel feststellen, ob ein Patient an Demenz erkrankt ist, aber es kann schwieriger sein, die Demenz-Art zu ermitteln. Bei prä-senilem Alzheimer werden häufiger Fehldiagnosen gestellt.

Leben mit Alzheimer

Die Pflege eines Menschen mit Alzheimer oder einer anderen Demenz kann sowohl erfüllend als auch anspruchsvoll sein. Im Frühstadium der Demenz kann ein Betroffener noch unabhängig sein und kaum Pflege benötigen. Jedoch wird der Pflegeaufwand mit fortschreitender Krankheit ständig zunehmen und schließlich bei einer Betreuung rund um die Uhr enden.

Nicht-medikamentöse Therapien

Nicht-medikamentöse Therapien sind ein wichtiger Bestandteil der Alzheimer-Behandlung. Sie können helfen, die Selbstständigkeit zu fördern, den Alltag zu strukturieren und kognitive Fähigkeiten möglichst lange zu erhalten. Zum Beispiel:

  • Kognitive Förderung (strukturierte Trainings, alltagsnahe Aufgaben)
  • Ergotherapie
  • Musik-, Kunst- oder Tanztherapie
  • Biografiearbeit zur Aktivierung von Erinnerungen
  • Gartentherapie

Wichtig ist, dass die Angebote zu den individuellen Möglichkeiten passen und regelmäßig von geschultem Personal angeleitet werden.

Unterstützung für Betroffene und Angehörige

Eine Alzheimer-Diagnose verändert nicht nur das Leben der Betroffenen, sondern auch das der Angehörigen und Freunde. Es gibt vielfältige Informationsquellen und Unterstützungsangebote. Die Alzheimer's Association ist die weltgrößte freiwillige Gesundheitsorganisation für Pflege, Unterstützung und Erforschung von Alzheimer.

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