Kann man an Myasthenie gravis sterben? Ein umfassender Überblick

Myasthenia gravis ist eine Autoimmunerkrankung, die durch eine gestörte Erregungsübertragung vom Nerv auf den Muskel gekennzeichnet ist, was zu Muskelschwäche führt. Die Erkrankung ist zwar nicht heilbar, aber dank moderner Behandlungsmethoden können die meisten Betroffenen ein weitgehend normales Leben führen. Im frühen 20. Jahrhundert galt Myasthenia gravis noch als eine für die Mehrheit der Betroffenen tödliche Erkrankung. Heute sind Todesfälle die absolute Ausnahme.

Was ist Myasthenia gravis?

Myasthenia gravis ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise gesunde Zellen und Gewebe angreift. Bei dieser Erkrankung werden Autoantikörper gegen Acetylcholinrezeptoren (AChR) gebildet, die sich an den Kontaktstellen zwischen Nerven und Muskeln befinden. Diese Antikörper blockieren oder zerstören die Rezeptoren, wodurch die Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln gestört wird. Die Folge ist eine Muskelschwäche, die sich bei Belastung verstärkt und nach Ruhepausen wieder bessert.

Die genauen Ursachen für die Entstehung von Myasthenia gravis sind noch ungeklärt. Es wird jedoch vermutet, dass eine Kombination aus genetischer Veranlagung und Umweltfaktoren eine Rolle spielt. Einige Studien deuten auf einen Zusammenhang zwischen Myasthenia gravis und krankhaften Veränderungen des Thymus hin. Der Thymus ist ein Organ im oberen Brustbereich, das wichtig für das Immunsystem ist, besonders in der Kindheit.

Symptome von Myasthenia gravis

Die Symptome von Myasthenia gravis können von Person zu Person variieren. Zu Beginn der Erkrankung kommt es oft zu Doppelbildern, Herabhängen des Oberlids, Kau- und Schluckbeschwerden oder näselnder Sprache. Später kann es zu Schwäche von Armen und Beinen, Kopfhalteschwäche und in schweren Fällen zu Atemnot kommen.

Die Erkrankung beginnt bei zwei Dritteln der Patientinnen mit Doppelbildern (durch Augenmuskelschwäche) und Herabhängen des Augenlids, oft gehören auch Schluck- und Sprechstörungen zu den ersten Beschwerden. Später kommt es je nach Form zu Schwäche von Armen und Beinen, zu einer Kopfhalteschwäche, in schweren Fällen ist auch die Atemmuskulatur betroffen und die Patientinnen entwickeln Luftnot.

Lesen Sie auch: Kann ein Anfall tödlich sein?

Es gibt verschiedene Formen von Myasthenia gravis, die sich im Alter des Beginns und den betroffenen Muskelgruppen unterscheiden:

  • Myasthenia gravis mit frühem Krankheitsbeginn (EOMG): Betrifft vor allem Frauen unter 50 Jahren und verläuft generalisiert.
  • Myasthenia gravis mit spätem Krankheitsbeginn (LOMG): Betrifft vor allem Männer über 50 Jahren und ist die häufigste Variante.
  • Okuläre Myasthenia gravis (OMG): Betrifft in erster Linie die Augen und kommt häufiger bei Frauen vor.
  • Thymom-assoziierte Myasthenia gravis (TAMG): Ist mit der Vergrößerung der Thymusdrüse verbunden und verläuft generalisiert.
  • Anti-MuSK-AK-assoziierte Myasthenia gravis (MAMG): Seltene Variante, die vor allem jüngere Frauen betrifft.

Diagnose von Myasthenia gravis

Die Diagnose von Myasthenia gravis basiert auf einer Kombination aus Anamnese, körperlicher Untersuchung, neurologischer Untersuchung und speziellen Tests. Zu den diagnostischen Tests gehören:

  • Belastungstests: Um eine schnelle Ermüdung der Muskulatur festzustellen.
  • Pharmakologische Tests: Die Gabe von Edrophoniumchlorid oder Pyridostigmin bessert die Symptomatik innerhalb kurzer Zeit.
  • Elektrophysiologische Untersuchungen: Messung der Muskelaktivität nach Nervenstimulation.
  • Blutuntersuchungen: Nachweis von Autoantikörpern gegen Acetylcholinrezeptoren oder MuSK.
  • Bildgebende Verfahren: Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) zur Untersuchung des Thymus.

Behandlung von Myasthenia gravis

Die Behandlung von Myasthenia gravis zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Es gibt verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, die je nach Schweregrad der Erkrankung eingesetzt werden:

  • Acetylcholinesterase-Hemmer: Diese Medikamente hemmen den Abbau von Acetylcholin und verbessern die Signalübertragung an der neuromuskulären Endplatte. Ein häufig verwendetes Medikament ist Pyridostigmin.
  • Immunsuppressiva: Diese Medikamente unterdrücken das Immunsystem und reduzieren die Produktion von Autoantikörpern. Zu den häufig verwendeten Immunsuppressiva gehören Kortison, Azathioprin, Rituximab, Cyclosporin A und Tacrolimus.
  • Thymektomie: Die operative Entfernung der Thymusdrüse kann bei einigen Patienten die Symptome verbessern. Die Thymektomie wird insbesondere bei Patienten mit einem Thymom empfohlen.
  • Plasmapherese und Immunadsorption: Diese Verfahren entfernen die Autoantikörper aus dem Blut und können bei schweren Formen der Myasthenia gravis oder bei einer myasthenen Krise eingesetzt werden.
  • Intravenöse Immunglobuline (IVIG): Die Verabreichung von Antikörpern aus gepoolten Blutplasmaspenden kann die Autoimmunreaktion hemmen.

Myasthene Krise

Eine myasthene Krise ist eine lebensbedrohliche Verschlimmerung der Muskelschwäche, die oft die Atemmuskulatur betrifft. Symptome einer myasthenen Krise sind schwere Atemnot, Schluckbeschwerden und Sprechschwierigkeiten. Eine myasthene Krise erfordert eine sofortige medizinische Behandlung, einschließlich Beatmung und intravenöser Immunglobuline oder Plasmapherese.

Kann man an Myasthenie gravis sterben?

Dank moderner Behandlungsmethoden sind Todesfälle durch Myasthenia gravis heute selten. Die meisten Betroffenen können mit Medikamenten und anderen Therapien ein weitgehend normales Leben führen. Allerdings kann eine unbehandelte oder schlecht behandelte Myasthenia gravis zu schweren Komplikationen führen, einschließlich einer myasthenen Krise, die lebensbedrohlich sein kann.

Lesen Sie auch: Sicher Autofahren mit Parkinson: Ein Leitfaden für Deutschland

Von den Patient*innen, die eine myasthene Krise entwickeln, sterben trotz Behandlung 2-3 %.

Leben mit Myasthenia gravis

Das Leben mit Myasthenia gravis kann eine Herausforderung sein. Es ist wichtig, die Erkrankung gut zu verstehen und eng mit einem Arzt zusammenzuarbeiten, um die bestmögliche Behandlung zu erhalten. Es gibt auch viele Selbsthilfegruppen und andere Ressourcen, die Unterstützung und Informationen bieten können.

Hier sind einige Tipps für das Leben mit Myasthenia gravis:

  • Halten Sie sich genau an die vom Arzt verschriebene Dosierung und Einnahmehinweise Ihrer Myasthenie-Medikamente.
  • Achten Sie bei Infekten und Fieber gut auf Ihre muskulären Beschwerden.
  • Vermeiden Sie Stress und Überanstrengung.
  • Sorgen Sie für ausreichend Ruhe und Schlaf.
  • Nehmen Sie an einer Selbsthilfegruppe teil.
  • Tragen Sie immer Ihren Myastheniepass bei sich.
  • Sprechen Sie bei Kinderwunsch mit Ihrer Ärzt*in, da eine Medikamentenumstellung erforderlich sein kann.

Lesen Sie auch: Corona und das Gehirn: Was wir wissen

tags: #Kann #man #an #Myasthenie #gravis #sterben?