Ein Schlaganfall kann das Leben von Betroffenen und ihren Angehörigen von einem Moment auf den anderen verändern. Neben körperlichen Einschränkungen ist eine Aphasie, eine erworbene Sprachstörung, eine häufige Folge. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte der Sprachtherapie nach einem Schlaganfall, von den Ursachen und Formen der Aphasie bis hin zu modernen Therapieansätzen und der Rolle der Angehörigen.
Was ist ein Schlaganfall und wie entsteht eine Aphasie?
Etwa 270.000 Deutsche erleiden pro Jahr einen Schlaganfall. Ein solcher wird dadurch verursacht, dass sich die Blutgefäße im Gehirn verschließen oder platzen können, wodurch das Gehirn nicht länger ausreichend mit Blut versorgt wird. Geschieht dies, können Nervenzellen von der Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen abgeschnitten werden und Hirngewebe stirbt. Im schlimmsten Fall entstehen dadurch lebensbedrohliche Einschränkungen. Die Folgen, die dabei für das Gehirn auftreten, sind je nach Person unterschiedlich. Das hängt davon ab, in welcher Region und in welchem Umfang Gehirnzellen abgestorben sind, es also zu einer Unterversorgung mit Sauerstoff gekommen ist.
Wenn das Sprachzentrum betroffen ist, sind Sprechvermögen und Sprachverständnis gestört. Auch die Fähigkeit, zu lesen und zu schreiben, kann beeinträchtigt sein. Bei einer Hirnschädigung auf der linken Seite können bei den Betroffenen oftmals Sprachstörungen entstehen. Diese werden auch als Aphasie bezeichnet. Rund 30 Prozent der Schlaganfall-Patienten erleiden eine Aphasie. In Deutschland sind jedes dritte Schlaganfallopfer, etwa 90.000 Menschen pro Jahr, davon betroffen. In Deutschland erkranken jährlich über 25.000 Menschen neu an einer Aphasie. Die Prävalenz zerebrovaskulär bedingter Aphasien in Deutschland wird abhängig von der Ursache auf ca. 85.000 bis100.000 geschätzt.
Aphasie ist ein Sammelbegriff für unterschiedliche Ausprägungen von Sprach- oder Sprachverständnisstörungen. Der Begriff Aphasie bedeutet wörtlich übersetzt „Sprachverlust“. Medizinisch versteht man darunter eine durch Krankheit erworbene Sprachstörung. Die wörtliche Übersetzung ist jedoch irreführend: Aphasie bedeutet in der Regel keinen kompletten Sprachverlust. Vielmehr kommt es zu mehr oder weniger starken sprachlichen Ausfällen, die sich sowohl beim Sprechen und Sprachverstehen als auch beim Lesen und Schreiben zeigen können. Aphasien sind Störungen des gesamten Sprachsystems. D.h. dass alle Facetten der Sprache - Gehörtes verstehen, Gelesenes verstehen, Gedanken aussprechen und Gedanken aufschreiben - in unterschiedlicher Ausprägung betroffen sein können. Bei einer Aphasie ist die Kommunikationsfähigkeit in unterschiedlicher Ausprägung gestört. Sonstige geistige Fähigkeiten, insbesondere die Intelligenz, sind in der Regel nicht beeinträchtigt. In manchen Fällen kommt es neben einer Aphasie auch zu einer Störung der Gedächtnis-, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsleistungen. Daher umfasst die spezielle Sprachtherapie der Aphasie immer auch eine neuropsychologische Betreuung.
Ursache einer Aphasie ist immer eine Erkrankung des Gehirns. Eine Aphasie wird meist durch einen Schlaganfall verursacht, der häufig ohne Ankündigung und sehr plötzlich auftritt. Eine Aphasie tritt meist sehr plötzlich ein mit der Folge, dass derdie Betroffene sich nicht mehr in gewohnter Weise mit seinerihrer Umgebung austauschen kann. Aphasikerinnen fehlt krankheitsbedingt der Zugriff auf die sprachgebundenen Fertigkeiten. Damit fällt es schwer, mit der eigenen Sprache umzugehen. Aphasikerinnen haben Schwierigkeiten mit dem Sprechen, Verstehen, Lesen Schreiben.
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Neben der Aphasie können weitere neurologische Störungen auftreten, wie: Sprechapraxie (Störung der sprechmotorischen Programms), Dysarthrie (Artikulationsstörung), Dysphagie (Schluckstörungen), Apraxie (Störungen von Bewegungsabfolgen), Akalkulie (Einschränkungen bei der Verarbeitung von Zahlen), Hemianopsie (teilweise Einschränkungen des Gesichtsfelds/“Halbseitenblindheit“), halbseitige Lähmung, Sensibilitätsstörungen, Krampfanfälle (epileptische Anfälle), Gedächtnisstörungen, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen, Orientierungsstörungen, Gefühlsschwankungen mit depressiver Verstimmung, Reizbarkeit oder auch Ängsten.
Formen der Aphasie
Um bei einer Aphasie die Vielzahl möglicher sprachlicher Symptome im klinischen Alltag besser einordnen und behandeln zu können, werden bestimmte sprachliche Symptome zu Bündeln (Syndromen) zusammengefasst. Am häufigsten finden sich die folgenden vier Standardsyndrome der Aphasie:
- Globale Aphasie: Die Globale Aphasie ist die schwerste Form einer Aphasie. Die Betroffenen können kaum oder gar nicht sprechen. Die Störung beeinträchtigt ebenso das Sprachverständnis und in der Regel auch die Fähigkeit zum Lesen und Schreiben. Menschen mit einer globalen Aphasie haben große Schwierigkeiten sowohl beim Sprechen als auch beim Verstehen von Sprache. Auch Lesen und Schreiben ist für die Betroffenen oft nicht möglich. Häufig können die Betroffenen nicht mehr als einzelne Wörter sprechen. Das Sprachverständnis ist stark eingeschränkt, sodass oft nur einzelne Wörter verstanden werden können oder diese aus der jeweiligen Situation erschlossen werden.
- Broca-Aphasie (motorische Aphasie): Bei der Broca-Aphasie können die Betroffenen nicht flüssig sprechen und keine kompletten Sätze bilden. Typisch ist ein sogenannter „Telegrammstil“ der Sprache. Das Sprachverständnis ist dagegen in der Regel weitgehend ungestört. Menschen mit einer Broca-Aphasie können nur in kurzen, einfachen Sätzen sprechen oder reihen einzelne, inhaltstragende Wörter aneinander. Das Sprechen ähnelt einem „Telegrammstil“. Betroffene haben Mühe, die passenden Wörter zu finden und sprechen mit großer Anstrengung. Das Verstehen von Sprache ist aber relativ gut erhalten.
- Wernicke-Aphasie: Bei der Wernicke-Aphasie ist der Redefluss gut erhalten, manchmal sogar gesteigert. Dagegen ist das Sprachverständnis und häufig auch das Störungsbewusstsein für die Sprachstörung stärker beeinträchtigt. Die Betroffenen verstehen häufig auch einfache Wörter nicht. Das bedeutet, sie können zwar flüssig sprechen, das Gesprochene aber nicht mit Inhalt füllen. Menschen mit einer Wernicke-Aphasie sprechen flüssig, produzieren häufig lange, verschachtelte Sätze, in denen sich Satzteile oder ganze Sätze wiederholen. Die Betroffenen haben keine Sprachkontroller. In schweren Fällen kommt es zu einer scheinbar flüssigen Produktion von Sprache, deren Inhalt jedoch wenig oder keinen Sinn ergibt. Die Wahl von passenden Wörtern oder Lauten fällt Menschen mit Wernicke-Aphasie häufig schwer. Ihr Sprachverständnis ist sehr eingeschränkt.
- Amnestische Aphasie: Patient*innen mit Amnestischer Aphasie zeigen oft nur leichte Defizite. Hauptsymptom sind Wortfindungsstörungen. Die Betroffenen zeigen ein gutes Störungsbewusstsein und versuchen Fehler zu korrigieren. Häufig werden Statthalterwörter wie „Ding“, „das da“ oder „es“ verwendet. Menschen mit einer amnestischen Aphasie finden nur schwer die richtigen Wörter. Deshalb verwenden sie oft Umschreibungen, Floskeln oder Ersatzwörter wie zum Beispiel „Dingsda“. Gelegentlich benutzen sie Wörter, die nicht genau passen, aber eine ähnliche Bedeutung wie das gesuchte Wort haben (z.B. Blume statt Baum). Manchmal kommt es auch zu Satzabbrüchen.
Grundsätzlich ist jedoch jede Aphasie individuell, d.h. anders ausgeprägt. Im klinischen und therapeutischen Alltag ist daher nicht allein das Syndrom entscheidend, sondern vielmehr die Art und Weise, wie und wieweit die Symptome der Sprachstörung die Betroffenen bzw. die Kommunikationsfähigkeit beeinträchtigen. Beurteilt wird dabei etwa: Handelt es sich um eine ´flüssige´ (Sprache ist zwar korrekt, aber häufig inhaltsleer) oder eine ´nichtflüssige´ (Sprache ist eher stockend) Aphasie? Wie inhaltsreich oder -leer ist das Gesagte oder Geschriebene? Wie stark ist eine Störung des Sprachverständnisses ausgeprägt? Gibt es Wortfindungsstörungen? Sind Grammatik, Sprachlaute und der Satzbau beeinträchtigt? Wie stark ist die alltägliche Kommunikationsfähigkeit eingeschränkt? Ist gegebenenfalls eine Kommunikation mit Hilfe von Gesten, Mimik oder Hilfsmitteln wie Büchern, Tablet und Smartphone möglich?
Logopädie und Sprachtherapie: Wege zurück zur Sprache
Sprach- und Sprechstörungen können mit Sprachtherapie behandelt werden. Die Behandlung erfolgt z. B. durch Fachpersonal aus Logopädie, Sprachtherapie, klinischer Linguistik oder Atem-, Sprech- und Stimmtherapie. Logopädie ist bei Störungen nach einem Schlaganfall verordnungsfähig. Der Begriff Logopädie bedeutet wörtlich übersetzt „Sprecherziehung“. Logopädinnen und Logopäden helfen Betroffenen, beispielsweise nach einem Schlaganfall, die Aussprache zu verbessern, die Stimme zu trainieren oder wieder richtig sprechen zu lernen. Die Sprache verbessern, indem zum Beispiel die Bildung von Lauten, die Bedeutung von Wörtern oder der Satzbau geübt werden.
Bei der Behandlung von Einschränkungen des Sprachzentrums, kann eine logopädische Therapie helfen. Wie zuvor erwähnt, sollten erste Sprachübungen möglichst kurzfristig nach dem Schlaganfall mit dem Betroffenen durchgeführt werden. Auch während der Regeneration sollten die Patienten bereits sprachlich gefordert, aber auch unterstützt und motiviert werden. Sollten Sprach- oder Sprechstörungen aufgetreten sein, ist eine gezielte logopädische Therapie, nach ein bis zwei Monaten, ratsam. Diese wird speziell und individuell an die Störungen angepasst, um die sprachlichen und kommunikativen Fähigkeiten des Betroffenen zu verbessern. Zunächst erfolgt zumeist eine Übungsphase, anschließend wird versucht, die Erfolge in den Alltag zu integrieren sowie Strategien dafür zu entwickeln. Dabei nehmen auch Angehörige eine zentrale Rolle ein. Da eine Aphasie jedoch teilweise gemeinsam mit einer Störung in der Planung der Sprechvorgänge (Sprechapraxie) auftritt, kann das Ausmaß nicht von Beginn an richtig eingeschätzt werden. Dies führt dazu, dass in schweren Fällen Verbesserungen erst nach einem Jahr sichtbar sind.
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Die Sprachtherapie beginnt in der Regel direkt in der Akut-Klinik und wird je nach Bedarf in der Rehabilitation und ambulanten Therapie fortgeführt. Je nach Symptomen der Störung legt das therapeutische Fachpersonal gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten (und Angehörigen) die Ziele der Therapie fest. Hauptziel der Sprachtherapie ist, dem*der von einer Aphasie Betroffenen wieder eine Kommunikationsbasis zu geben, die trotz Aphasie ein Leben in der Gemeinschaft ermöglicht, sei es in der Familie, im Freundeskreis oder beruflichen Umfeld. Dabei werden in der intensiven Sprachtherapie zunächst Verbesserungen im Sprechen, Verstehen, Lesen oder Schreiben angestrebt. Für den Erfolg wichtig ist dabei nicht nur eine Zusammenarbeit von Betroffenen und Sprachtherapeuten sondern häufig auch die Einbeziehung der Angehörigen.
Diagnose der Aphasie
Unmittelbar nach Auftreten der Aphasie sollte eine ausführliche Diagnose stattfinden, um die verbliebenen Fähigkeiten zu erfassen und einen geeigneten Maßnahmenkatalog aufzustellen. Je nach Ausprägung gibt es sprachsystematische, modellorientierte oder funktionale Diagnostik. Im Rahmen der neurolinguistischen/logopädischen und neuropsychologischen Diagnostik werden die folgenden Bereiche der Sprachfunktion untersucht:
- Lautstruktur (Phonologie)
- Wortgestalt (Morphologie)
- Satzbau (Syntax)
- Wort- und Satzbedeutung (Semantik)
- Sprachverständnis
- Störungen des Lesens (Dyslexie)
- Störungen des Schreibens (Dysgraphie)
- Störungen von Sprechbewegungen (Sprechapraxien)
- Störungen der Artikulation, der Stimmgebung und der Sprechatmung (Dysarthrophonie)
Zudem werden mögliche zusätzliche Einschränkungen folgender Bereiche erfasst: Konzentration und Aufmerksamkeit, Orientierung, Gedächtnis, Auditive und visuelle Wahrnehmung, Räumlich-konstruktive Störungen, Handlungsplanung, Rechenfähigkeit, Antrieb und psychomotorisches Tempo, Stimmung und Affektivität.
Mit Hilfe unterschiedlicher Test- und Screeningverfahren (bspw.: Aachener Aphasie Test (AAT, Huber er al.), Bielefelder Aphasie Screenings zur Diagnostik akuter Aphasien (BIAS, Richter et al.), Aphasie-Checkliste (ACL, Kalbe et al.)) können die Beeinträchtigungen analysiert werden. Auf Grund der weitreichenden Ausprägung der Aphasie bzw. des Schlaganfalles sind die logopädischen Maßnahmen immer speziell auf den Einzelfall zugeschnitten.
Therapieansätze und -methoden
Ziel der Aphasietherapie ist es, die Kommunikationsfähigkeit so gut es geht zu verbessern und vorhandene Fähigkeiten zu fördern. Nach wissenschaftlichen Studien gilt auch für die Aphasietherapie: Je intensiver die Behandlung, desto effektiver ist das Ergebnis. Gerade in der akuten und subakuten Phase einer Aphasie hat sich gezeigt, dass vor allem eine intensive Sprachtherapie (IST) die Kommunikationsfähigkeit verbessern kann. Aber auch im Krankheitsverlauf, d.h. zu einem späteren Zeitpunkt, sind durch ein ausreichend intensives Training Besserungen der Symptome einer Aphasie möglich. Sprach- und Sprechtherapie sind jedoch nur dann wirksam, wenn wesentliche Faktoren der Wirksamkeit in einem mehrdimensionalen Behandlungskonzept zusammenfließen. Eine intensive Sprachtherapie (IST) erfolgt daher vorzugsweise im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme - in einer neurologischen Fachklinik (stationär oder teilstationär). Vorteil dabei ist, dass neben der intensiven Sprachtherapie die häufig vorhandenen neurologischen Begleitsymptome mitbehandelt werden können.
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Die Rehabilitationsbehandlung der Aphasien kann folgende Therapiemodule umfassen: Sprachtherapie (Logopädie und/oder Linguistik) inkl. computerunterstützte Sprachtherapie, Neuropsychologische Therapie (zur Verbesserung u. a. von Aufmerksamkeit und Gedächtnis), Physiotherapie (bei Lähmungen und Bewegungseinschränkungen), Ergotherapie (Übungen zum Wiedererlernen von Alltagsfähigkeiten), Physikalische Therapien (Elektrotherapie, Massage, Bäder). Die Aphasie-Therapien finden in der Regel in Einzel- und Gruppentherapien statt. Ein wesentliches Ziel ist dabei, Aphasiker*innen wieder in die Lage zu versetzen, trotz eventueller Einschränkungen wieder möglichst selbstständig im Alltag zurechtzukommen. Im hierzu beispielsweise durchgeführten Real Life-Training können die Betroffenen lernen, während der Behandlung eingeübte Kommunikationsmuster in einer realen Alltagssituation anzuwenden (z.B. beim Einkaufen).
Ein leichter, von außen gezielt zugefügter Stromfluss kann das Zusammenspiel verschiedener Hirnareale stimulieren. Funktionsverluste nach einem Schlaganfall können so besser kompensiert werden. Um die Sprachfähigkeit und damit die Lebensqualität von Aphasikern zu verbessern, erforschte Prof. Agnes Flöel mit ihrem Team an der Klinik und Poliklinik für Neurologie an der Charité Berlin einen neuen Therapieansatz - die transkranielle Gleichstromstimulation. Das Verfahren ist gut verträglich. Es bedarf keines operativen Eingriffs, denn es wirkt von außen durch den Schädel (lateinisch cranium) hindurch. Die transkranielle Gleichstromstimulation funktioniert wie eine Starthilfe für die Reorganisation des Sprachzentrums: „Intakte Hirnregionen übernehmen die Aufgaben zerstörter oder geschädigter Areale und kompensieren so die Funktionsverluste im Sprachzentrum. Der Stromfluss stimuliert diese Kompensation, ist also eine Hilfe zur Selbsthilfe für das Gehirn“, erläutert Flöel.
Noch heute verstecken sich die Worte manchmal in Karin Schmidts Gedächtnis - aber sie findet sie immer schneller. Die vielversprechende transkranielle Gleichstromstimulation wird bisher nur in klinischen Studien eingesetzt. Aktuell ist eine neue Studie zur Hirnstimulation mit mehreren Hundert Patientinnen und Patienten in Planung. Wenn auch deren Ergebnisse in den nächsten Jahren positiv ausfallen, kann die Gleichstromstimulation in die Regelversorgung übernommen werden. Flöels Team verbesserte durch die Stimulation übrigens auch die Hirnfunktionen älterer Menschen mit beginnenden kognitiven Einschränkungen, zum Beispiel Gedächtnisstörungen.
Auditive Stimulierung nach Schuell (Schuell et al.) Eine vorangegangen Zieldefinition fördert den Erfolg und die Planung der logopädischen Maßnahmen bei einer Aphasie. Dabei sollten nicht nur konkrete Aussagen, sondern auch zeitliche Ziele aufgestellt werden. Wichtig bei einer Aphasie ist eine unmittelbare Handlung. Desto eher mit der logopädischen Therapie begonnen wird, desto höher sind auch die Erfolgschancen. Wichtige Gedanken für den Erfolg sind ein frühestmöglicher, intensiver Beginn der therapeutischen Interventionen und unterstützt durch andere, ggf. notwendige Therapieformen, wie Krankengymnastik und auch Ergotherapie. Berücksichtigung finden sollte der Lebensalltag des Betroffenen und seine Wünsche und Vorstellungen. Fortschritte in der Rehabilitation von Aphasikern vollziehen sich anfangs deutlich spürbar und werden im Laufe der Zeit geringer. Besonders bedeutsam ist für den Aphasiker eine ruhige Therapiesituation, die dem Patienten die Chance gibt, sich ohne Anspannung mit der Therapie und ihren Inhalten zu beschäftigen. Auch darf man als Angehöriger nicht erwarten, dass es stets „bergauf“ geht, sondern auch eine Stagnation bzw. ein leichter Leistungseinbruch gehören zum Therapiegeschehen.
Teletherapie
Zwei Wissenschaftlerinnen der Hochschule für Gesundheit (hsg) in Bochum haben eine App entwickelt und evaluiert, die ergänzend zur logopädischen Präsenztherapie eingesetzt werden kann. „DiaTrain“ ist auf Basis der Studie „Teletherapie bei Aphasie nach Schlaganfall“ entstanden, die vom europäischen Fond für regionale Entwicklung gefördert wurde. Sie richtet sich speziell an Menschen mit einer Sprach- und Kommunikationsstörung, wie sie beispielsweise nach einem Schlaganfall auftreten kann. Die App enthält kurze strukturierte Videosequenzen von Dialogen in Alltagssituationen, die Patienten über verschiedene Hilfestufen üben können. Die Dialoge finden zum Beispiel in der Bäckerei, beim Arzt oder in der Apotheke statt. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass ein hochfrequentes Training mit der App in Kombination mit einer professionellen Sprachtherapie nicht nur die Benenn- und Kommunikationsfähigkeit verbessern, sondern auch einen positiven Einfluss auf das Selbstvertrauen und die Freude am Sprechen haben könne. Die App ist kostenfrei für iOS verfügbar. Drei Dialoge stehen kostenfrei zur Verfügung, weitere 47 sind für 9,99 Euro erhältlich. Da die App nach Angaben der Entwicklerinnen keinen kommerziellen Zwecken dient, fließen die Einnahmen zurück in die Deckung der laufenden Kosten sowie die Kosten für Forschung und Entwicklung.
Die Rolle der Angehörigen
Wichtig ist immer, ein verständnisvolles Umfeld der Betroffenen zu fördern, um die ansonsten wirksamen natürlichen Sprach- und Sprechängste abbauen zu können. Dabei ist es hilfreich, wenn auch die Angehörigen frühzeitig in die Therapien eingebunden werden und durch Beratungen und Seminare das Verständnis für die Störung gefördert wird. Die Angehörigen nehmen in der Sprachtherapie eine sehr wichtige Rolle ein. Denn einerseits bieten sie oft die Voraussetzung dafür, dass die Patienten überhaupt in die ambulante Therapie kommen können. Andererseits sind die Angehörigen auch wichtige für die Zusammenarbeit mit den Therapeuten. Ferner sind Angaben der Angehörigen über die Kommunikation des Patienten im Alltag für uns Therapeuten sehr wichtig.
In Ihrem Umfeld ist eine Person nach einem Schlaganfall von Sprach- und /oder Sprechstörungen betroffen? Sie benötigen Unterstützung dabei, haben noch weitere Fragen zum Therapieablauf oder allgemein zum Bereich der Logopädie?
Tipps zum Umgang mit Aphasiker*innen
- Behandeln Sie den oder die Aphasiker*in als Gesprächspartner auf Augenhöhe.
- Nehmen Sie der aphasischen Person „nicht das Wort aus dem Mund“
- Sprechen Sie nicht über sieihn, sondern mit ihrihm.
- Sprechen Sie in normaler Sprache und in einfachen Sätzen.
- Sprechen Sie langsam, klar und deutlich.
- Insbesondere bei den ausgeprägten Formen einer Aphasie versuchen Sie Fragen vorzugsweise so zu formulieren, dass sie mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können.
- Korrigieren Sie nicht.
- Halten Sie Blickkontakt.
- Setzen Sie alle Mittel der Kommunikation ein: Gesten und Mimik, zeichnen oder schreiben Sie, wenn nötig, zeigen auf Gegenstände oder Abbildungen und motivieren gegebenenfalls auch dendie Betroffenen ebenfalls dazu.
- Warten Sie geduldig auf eine Antwort.
- Sorgen Sie im Gespräch für eine ruhige Umgebung und schalten Sie störende Geräuschquellen wie Radio oder TV möglichst aus.
- Wenn der*die Betroffene in einem Satz nicht weiterkommt, drängen Sie nicht. Gegebenenfalls ist es auch hilfreich, zunächst das Thema zu wechseln. Ein erneuter späterer Versuch ist oft erfolgreich.
- Manche Betroffene sind leichter gereizt oder haben Gefühlsschwankungen. Hierbei handelt es sich um häufige Begleitsymptome der Grunderkrankung. Versuchen Sie dennoch verständnisvoll und geduldig zu sein.
Selbsthilfe
Vielen Aphasiker*innen und ihren Angehörigen hilft der Austausch mit anderen Betroffenen, wir er beispielsweise in Selbsthilfegruppen möglich ist.
Die Bedeutung der Zeit und der Neuroplastizität
Zeit ist der größte Feind nach dem Auftreten eines Schlaganfalls. Eine Behandlung und medizinische Versorgung müssen möglichst zeitnah erfolgen, um langfristige Folgen so gering wie möglich zu halten. Ansonsten sterben Gehirnzellen ab und können vom Körper nicht wieder vollständig hergestellt werden. Dadurch kommt es zu irreversiblen Schädigungen des Gehirns, die dazu führen können, dass von dem Betroffenen einfachste alltägliche Aufgaben nicht länger selbstständig durchgeführt werden können. Auch mit Sprachübungen sollte nach Stabilisation des Zustandes unmittelbar begonnen werden.
Auch wenn die Worte nicht so zur Verfügung stehen wie gewohnt, sollte man als Aphasiker*in sich nicht vor Kontakten mit anderen Menschen scheuen. Eine Besserung der Kommunikationsfähigkeit erfolgt - ebenso wie bei sonstigen neurologischen Störungen auch - durch Mechanismen, die man unter dem Begriff Neuroplastizität zusammenfasst. Darunter versteht man die „Um- bzw. Neuprogrammierung“ geschädigter Hirnareale. Voraussetzung dafür ist eine adäquate Anforderung an das Gehirn. Im Falle einer Aphasie ist dies die Kommunikation. Bedeutet für den Alltag, sich nicht zurückziehen und nicht entmutigen lassen, sondern trotz Aphasie den Kontakt und die Nähe zu anderen halten und Kommunikation immer wieder aufs Neue versuchen.
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