Schluckbeschwerden nach Schlaganfall: Therapie und Behandlungsansätze

Schluckbeschwerden, in der Fachsprache als Dysphagie bezeichnet, sind eine häufige Folgeerkrankung nach einem Schlaganfall. Sie können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen und zu ernsthaften Komplikationen führen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Diagnose und vor allem die verschiedenen Therapieansätze bei Schluckbeschwerden nach einem Schlaganfall.

Was ist Dysphagie?

Der Begriff Dysphagie beschreibt eine Störung des Schluckvorgangs, bei der feste Nahrung und/oder Flüssigkeiten nicht mehr problemlos heruntergeschluckt werden können. Es handelt sich um eine schmerzfreie Störung, die sich von der Odynophagie unterscheidet, welche schmerzhafte Schluckstörungen bezeichnet. Je nach Schweregrad kann die Dysphagie die Nahrungsaufnahme erschweren oder sogar unmöglich machen, was zu Mangelernährung und Dehydration führen kann.

Schluckstörungen sind ein Symptom, das viele Ursachen haben kann. Sie können durch neurologische Erkrankungen, Entzündungen im Mund- und Rachenraum, Tumore oder auch psychische Faktoren ausgelöst werden. Ein Schlaganfall ist jedoch eine der häufigsten Ursachen für Schluckstörungen, insbesondere im höheren Alter.

Ursachen von Schluckstörungen nach Schlaganfall

Ein Schlaganfall kann die komplexen motorischen und sensorischen Mechanismen des Schluckablaufs beeinträchtigen. Der Schluckvorgang besteht aus fünf Phasen, an denen zahlreiche Organe und Muskeln beteiligt sind: Lippen, Kiefer, Zunge, Gaumen, Kehlkopf und der Schließmuskel der Speiseröhre müssen im Zusammenspiel funktionieren.

Durch den Schlaganfall kann es zu Schädigungen der Hirnareale oder der Hirnnerven kommen, die diese komplexen Bewegungsabläufe steuern. Störungen in einer oder mehreren Schluckphasen sind die Folge. Dies kann dazu führen, dass Nahrung oder Flüssigkeit in die Luftröhre gelangt (Aspiration), was wiederum eine Lungenentzündung (Aspirationspneumonie) verursachen kann.

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Symptome und Diagnose

Schluckstörungen können sich auf unterschiedliche Weise äußern. Einige Betroffene bemerken die Störung selbst, während andere keine offensichtlichen Anzeichen zeigen. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Verlangsamte Nahrungs- oder Flüssigkeitsaufnahme
  • Häufiges Verschlucken
  • Hustenanfälle oder Atemnot beim Essen oder Trinken
  • Häufiges Räuspern nach dem Essen
  • Rückfluss von Speichel oder Flüssigkeit aus Mund und Nase
  • Druckgefühl im Halsbereich nach dem Essen
  • Wiederholte Atemwegsinfektionen

Eine frühzeitige Diagnose ist entscheidend, um Komplikationen zu vermeiden. Die Diagnostik sollte idealerweise durch einen speziell geschulten Schlucktherapeuten (Logopäden) erfolgen. Sie umfasst eine detaillierte Beurteilung der motorischen und sensorischen Funktionen in den Schluckphasen. Wenn indiziert, wird ein Schluckversuch mit verschiedenen Nahrungskonsistenzen durchgeführt.

Ergänzend zur klinisch-therapeutischen Untersuchung können bildgebende Verfahren eingesetzt werden, um die Aspirationsgefahr und -menge zu beurteilen. Ein gängiges Verfahren ist die flexible endoskopische Evaluation des Schluckaktes (FEES).

Therapieansätze bei Schluckstörungen nach Schlaganfall

Die Therapie von Schluckstörungen nach einem Schlaganfall ist ein multidisziplinärer Ansatz, der idealerweise von einem Team aus Ärzten, Logopäden, Pflegepersonal und Ernährungsexperten durchgeführt wird. Ziel der Therapie ist es, die Schluckfunktion wiederherzustellen, das Aspirationsrisiko zu minimieren und eine adäquate Ernährung sicherzustellen.

In den Schön Kliniken beispielsweise, liegt der Schwerpunkt der Rehabilitation in der Schlucktherapie. Diese ist individuell auf den Patienten zugeschnitten und wird von einem erfahrenen logopädischen Behandlungsteam durchgeführt.

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Grundsätzlich lassen sich drei Arten von Therapieverfahren unterscheiden:

1. Kausale Verfahren

Diese Verfahren zielen darauf ab, gestörte Funktionen teilweise oder vollständig wiederherzustellen. Sie umfassen ein sensomotorisches Training der am Schlucken beteiligten Bewegungsabläufe. Schluckrelevante Bewegungen werden, falls nötig, zunächst stimuliert und dann aktiv trainiert. Ziel ist es, die Voraussetzungen für ein normales Schlucken zu schaffen.

Funktionstraining stärkt die Muskelkraft der am Schluckprozess beteiligten Organstrukturen. Außerdem lässt sich die Bewegungsfähigkeit zum Beispiel von Zunge, Kehlkopf und Kiefer gezielt trainieren. Stimulationstechniken, die mit Vibration, Druck oder Geschmack arbeiten, können helfen, dass Betroffene mit Wahrnehmungsstörungen ihre Schluckorgane wieder steuern können. Auch Sensibilitätsstörungen können logopädisch behandelt werden.

2. Kompensatorische Verfahren

Ziel ist es, trotz bestehender Funktionseinbußen das Schlucken zu verbessern. Dazu wird der Schluckvorgang durch Haltungsänderungen oder bestimmte Schlucktechniken verändert. Eine aufrechte Haltung des Körpers beim Essen und Trinken ist sehr wichtig, um die Nahrungsaufnahme zu vereinfachen. Ist der Betroffene bettlägerig, sollte er zu jeder Mahlzeit und auch zum Trinken in eine aufrechte Liegeposition gebracht werden.

Wenn verloren gegangene Fähigkeiten nicht wiedererlangt werden können, erlernen die Betroffenen in der Therapie zum Ausgleich verschiedene Kompensationstechniken, die den Schluckvorgang erleichtern.

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3. Adaptive Verfahren

Hierunter versteht man die Anpassung der Nahrungsaufnahme an die individuelle Störung. Bei der individuell angepassten Dysphagie-Kost kommt es auf die richtige Konsistenz (flüssig, breiig, fest) und Menge der aufgenommenen Nahrung oder Flüssigkeit an - je nach Art der Störung. Eine Begleitung beim Essen oder der Einsatz spezieller Ess- und Trinkhilfen kann dabei helfen, sich trotz Dysphagie sicher und selbstständig zu ernähren.

Es ist wichtig, trockene, körnige, faserige oder klebrige Produkte zu vermeiden. Logopäden können bei der Auswahl der geeigneten Kostform helfen.

Pharyngeale Elektrostimulation (PES)

Für Patienten mit schwerer Schluckstörung, meist auch mit Trachealkanülenversorgung, vor allem nach Schlaganfall in den Großhirn-Hemisphären oder Schädel-Hirn-Trauma, kann die pharyngeale Elektrostimulation (PES) in Betracht gezogen werden. Mit einem speziellen Katheter, ähnlich einer Ernährungssonde, werden Nervenbahnen im Schlund an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen elektrisch gereizt. Die dadurch verursachte Umorganisation in den Schluckzentren der Hirnrinde kann zu einer Verbesserung der Schluckfrequenz und auch zur rascheren Entwöhnung von der Trachealkanüle führen.

Eine in „The Lancet Neurology“ veröffentlichte multizentrische Interventionsstudie bestätigt, dass sich bei Patienten, die nach einem Schlaganfall unter Schluckstörungen leiden und eine pharyngeale elektrische Stimulation (PES) erhalten, die schlaganfallbedingte Dysphagie deutlich rascher zurückbildet.

Weitere unterstützende Maßnahmen

  • Mundpflege: Eine sorgfältige Mundpflege ist essenziell, um Munderkrankungen wie Zahnfleischentzündungen und Mundsoor vorzubeugen, die die Nahrungsaufnahme zusätzlich erschweren können.
  • Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung ist wichtig, um Mangelernährung und Dehydration vorzubeugen. Bei Bedarf kann eine Ernährung über eine Magensonde (PEG) erforderlich sein.
  • Medikamentöse Therapie: Manche Begleiterscheinungen von Dysphagie lassen sich mit bestimmten Wirkstoffen abmildern. So kann zum Beispiel das Risiko einer Lungenentzündung (Pneumonie) mit bestimmten Medikamenten verringert werden. Andere Medikamente verringern konkret den Speichelfluss, wenn dieser verstärkt auftritt und eine gesundheitliche Gefahr darstellt.

Trachealkanülenmanagement

Rund 12,5 Prozent aller in ein Krankenhaus eingelieferten Schlaganfallpatienten werden künstlich beatmet und bei 16,3 Prozent muss eine Tracheotomie (Luftröhrenschnitt) durchgeführt werden. In der Rehabilitation dieser Patienten ist die sichere Entfernung der Trachealkanüle ein wichtiges Ziel. Eine fortbestehende, durch den Schlaganfall verursachte Dysphagie ist in diesem Szenario der Hauptgrund, warum die Entwöhnung von der Trachealkanüle häufig nur sehr langsam oder überhaupt nicht gelingt.

Die pharyngeale elektrische Stimulation (PES) hat sich als eine innovative Neurostimulationstherapie zur Reaktivierung des Schlucknetzwerkes erwiesen und kann die Entwöhnung von der Trachealkanüle beschleunigen.

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