Kann Demenz verbessert werden? Ein umfassender Überblick über Behandlungsmöglichkeiten und Lebensstilfaktoren

Demenz ist ein Sammelbegriff für verschiedene Erkrankungen, die mit einem fortschreitenden Verlust von kognitiven Fähigkeiten wie Gedächtnis, Denken, Orientierung, Sprache und Urteilsvermögen einhergehen. In Deutschland leben aktuell rund 1,6 Millionen Menschen mit Demenz. Obwohl eine Heilung der meisten Demenzformen derzeit nicht möglich ist, gibt es vielfältige Behandlungsmöglichkeiten und Lebensstilfaktoren, die den Verlauf der Erkrankung positiv beeinflussen und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern können.

Diagnose und Behandlungsplan

Ein ausführliches Beratungsgespräch mit der Hausärztin bzw. dem Hausarzt oder der Fachärztin bzw. dem Facharzt ist entscheidend, um einen individuellen Behandlungsplan zu erstellen. Dieser Plan berücksichtigt die spezifische Form der Demenz, das Stadium der Erkrankung, die individuellen Symptome und die persönlichen Bedürfnisse des Patienten.

Medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten

Die medikamentöse Behandlung zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und den Krankheitsverlauf hinauszuzögern. Je früher die Therapie beginnt, desto besser können die Betroffenen davon profitieren. Dabei kommen verschiedene Medikamentengruppen zum Einsatz:

Antidementiva

Antidementiva werden häufig im frühen und mittleren Stadium der Alzheimer-Demenz eingesetzt, um die Symptome zu lindern und den Verlauf hinauszuzögern. Sie können Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen verbessern und depressive Verstimmungen reduzieren.

Acetylcholinesterasehemmer wie Donepezil, Galantamin oder Rivastigmin hemmen das Enzym Acetylcholinesterase, das für den Abbau von Acetylcholin verantwortlich ist. Acetylcholin ist ein wichtiger Botenstoff für die Signalübertragung im Gehirn, der bei Alzheimer-Patienten nicht mehr in ausreichender Menge produziert wird. Durch die Hemmung des Abbaus von Acetylcholin können diese Medikamente die Alltagstätigkeiten länger erhalten und Fähigkeiten wie Denken, Lernen, Erinnern und Wahrnehmen verbessern. Allerdings können unter einigen Medikamenten Nebenwirkungen wie Erbrechen, Übelkeit und Durchfall auftreten.

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Memantin soll verhindern, dass Nervenzellen im Gehirn durch Überaktivität geschädigt werden. Memantin ist in Deutschland für die Behandlung bei mittelschwerer bis schwerer Alzheimer-Demenz zugelassen.

Es ist wichtig, dass die Medikamente regelmäßig und nach Vorschrift eingenommen werden. Angehörige können bei der Medikation in der häuslichen Pflege unterstützen.

Antidepressiva

Viele Menschen mit Demenz entwickeln im Verlauf der Erkrankung eine reaktive Depression. Aber auch der Verlust von Nervenzellen selbst kann Ursache für depressive Stimmungen sein. Antidepressiva können helfen, diese Symptome zu lindern, indem sie den Mangel an Botenstoffen wie Serotonin und Noradrenalin im Gehirn ausgleichen. Die Wahl des geeigneten Medikaments sollte in Absprache mit der Ärztin oder dem Arzt und gegebenenfalls den Angehörigen erfolgen.

Antipsychotika

Manche Menschen mit Demenz zeigen aggressives Verhalten, Sinnestäuschungen oder Verfolgungswahn. Antipsychotika können diese Symptome unterdrücken, indem sie das verantwortliche Dopamin hemmen, einen weiteren Botenstoff im Gehirn. Häufig verordnete Antipsychotika sind Risperidon, Melperon und Pipamperon. Allerdings können Antipsychotika bei Menschen mit Demenz auch verschiedenste Nebenwirkungen hervorrufen. Deshalb sollte ihr Einsatz behutsam und mit Augenmaß erfolgen.

Neue Therapien und Entwicklungen

Die Forschung zu Alzheimer macht große Fortschritte. Neu zugelassene Antikörper-Medikamente wie Leqembi (Lecanemab) und Kisunla (Donanemab) setzen direkt an einer möglichen Krankheitsursache an und eröffnen erstmals Behandlungsmöglichkeiten im frühen Krankheitsstadium.

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Nichtmedikamentöse Behandlungsmöglichkeiten

Neben der medikamentösen Behandlung gibt es eine Vielzahl nichtmedikamentöser Therapien, die sich für Menschen mit Demenz eignen. Diese Therapien können helfen, die Selbstständigkeit zu fördern, den Alltag zu strukturieren und kognitive Fähigkeiten möglichst lange zu erhalten.

Ergotherapie

Die Ergotherapie hilft Patientinnen und Patienten im frühen und mittleren Stadium der Demenz, Alltagskompetenzen möglichst lange aufrechtzuerhalten. Gemeinsam mit der Therapeutin oder dem Therapeuten üben Betroffene Tätigkeiten wie Einkaufen, Kochen oder auch Zeitunglesen. Körperliche Aktivierung kann dazu beitragen, Alltagsfunktionen, Beweglichkeit und Balance zu erhalten. Ergotherapie soll dazu beitragen, dass Menschen mit Demenz in der Lage bleiben, möglichst selbstständig zu leben, indem sie beispielsweise das Waschen oder Ankleiden zu Hause üben.

Physiotherapie

Regelmäßige und moderate körperliche Betätigung ist ein wirksames Mittel zur Vorbeugung von Krankheiten und ein wichtiger Baustein der Gesundheitsförderung bei älteren Menschen. Über das gezielte Training von Ausdauer, Kraft und Koordination kann die Physiotherapie Menschen mit Demenz dabei helfen, ein gesundes körperliches Aktivitätsniveau möglichst lange aufrecht zu erhalten, das Sturzrisiko im Alltag zu reduzieren und die Leistungsfähigkeit bei der Bewältigung der Aktivitäten des täglichen Lebens zu stabilisieren oder gar zu verbessern.

Kognitives Training

Durch kognitives Training können Menschen mit Demenz im frühen bis mittleren Stadium ihre Wahrnehmung, ihre Lernfähigkeit und ihr Denkvermögen schulen. Einfache Wortspiele in Einzel- oder Gruppentherapie kommen dazu infrage. Auch Farben zu erkennen, Begriffe zu erraten oder Reime zu ergänzen, sind häufig gestellte Aufgaben. Gute Therapeutinnen und Therapeuten achten darauf, dass die Betroffenen dabei weder unter- noch überfordert werden.

Verhaltenstherapie

Diese Form der Therapie ist besonders für Menschen im Frühstadium einer Demenz geeignet. Nach der Diagnose Demenz sind viele Betroffene verunsichert und haben Angst vor der Zukunft. Einige gleiten in eine Depression ab, andere reagieren mit Wut gegen sich und manchmal auch gegen ihre Mitmenschen. Unterstützt von einer Psychologin oder einem Psychologen oder einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten, lernen sie, diese Probleme zu bewältigen und mit ihrer Demenz besser umzugehen.

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Biographiearbeit

Die biografische Arbeit eignet sich vor allem im frühen bis mittleren Stadium der Demenz. Durch gezielte Gespräche mit der oder dem Betroffenen - allein oder in der Gruppe - werden mithilfe von Fotos, Büchern und persönlichen Gegenständen positive Erinnerungen an frühere Lebensabschnitte wachgerufen. Dadurch behalten Menschen mit Demenz sehr lange das Gefühl für die eigene Identität und fühlen sich im Alltag sicherer. Dieses biografische Wissen nützt auch Angehörigen und Betreuerinnen und Betreuern, um später Reaktionen und Äußerungen der oder des Betroffenen besser zu verstehen.

Realitätsorientierung

Die sogenannte Realitätsorientierung hilft in allen Stadien der Demenz, sich räumlich und zeitlich zurechtzufinden und Personen und Situationen wieder besser einzuordnen. Angehörige wie auch professionelle Betreuerinnen und Betreuer können mithilfe von Uhren, Kalendern sowie Bildern von Jahreszeiten mit den Betroffenen die zeitliche Orientierung üben. Besonders wichtig ist es, Überforderungen zu vermeiden. Wenn Wohnräume wie Bad oder Küche mit Farben gekennzeichnet sind, finden sich Menschen mit Demenz besser zurecht.

Musiktherapie

Musiktherapie kann in allen Stadien der Demenz helfen. Im Frühstadium spielt nicht nur das Hören, sondern auch das Musikmachen eine wichtige Rolle. Die Menschen mit Demenz singen gemeinsam oder benutzen Instrumente wie Trommeln, Triangel und Xylofon. Im späten Stadium kann das Hören vertrauter Melodien beruhigen und Schmerzen lindern. Musik weckt positive Erinnerungen und Gefühle.

Kunsttherapie

Kunst weckt Erinnerungen - unabhängig davon, ob Menschen mit Demenz im Museum Werke von Künstlerinnen und Künstlern erleben oder selbst schöpferisch tätig werden. Kunst und Kunsttherapie ermöglichen die Begegnung mit sich selbst und anderen und tragen dazu bei, die Lebensqualität zu erhalten. Bei der Kunsttherapie können sich Menschen mit Demenz neu oder wiederentdecken. Der kreative Schaffensprozess steht im Mittelpunkt. Dies aktiviert indirekt kognitive Fähigkeiten. Verloren geglaubte Fähigkeiten und vorhandene Ressourcen treten zutage; dies kann motivieren und positiv auf das Selbstwertgefühl wirken. Bei unruhigen Menschen kann die Konzentration gefördert werden. Die Kunsttherapie arbeitet auf der nonverbalen Ebene und kann einen Kommunikationsweg zwischen Menschen mit Demenz und anderen Personen darstellen.

Milieutherapie

Die Milieutherapie ist in allen Stadien der Demenz sinnvoll. Sie zielt darauf ab, Wohn- und Lebensräume so umzugestalten, dass Betroffene sich darin wohlfühlen und möglichst selbstständig und selbstbestimmt leben können. Noch im späten Stadium können angenehme Materialien wie glattes Holz und weiche Stoffe sowie Düfte von bekannten Parfüms oder Lieblingsblumen positive Erinnerungen wecken und Verhaltensstörungen lindern.

Lebensstilfaktoren zur Reduzierung des Demenzrisikos

Studien deuten darauf hin, dass bestimmte Lebensstilfaktoren das Risiko, an Demenz zu erkranken, beeinflussen können. Dazu gehören:

  • Körperliche Aktivität: Regelmäßige körperliche Aktivität verbessert die Durchblutung des Gehirns, stärkt Nervenzellen und begünstigt den geistigen Abbau. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt mindestens 150 Minuten moderate oder 75 Minuten intensive Bewegung pro Woche.
  • Geistige Anregung: Aktivitäten, die das Gehirn fordern, können den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Geeignet sind Brettspiele, Puzzles, Handarbeiten oder Basteln. Wichtig ist, dass die Beschäftigung Freude macht und nicht überfordert.
  • Soziale Kontakte: Gespräche, Begegnungen und gemeinsame Aktivitäten halten das Gehirn wach und leistungsfähig. Dabei zählt nicht nur die Anzahl der Kontakte, sondern auch das Gefühl, verbunden zu sein.
  • Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse, Obst und gesunden Fetten kann das Gehirn schützen.
  • Vermeidung von Risikofaktoren: Übergewicht, Bluthochdruck, Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum, Diabetes, schwere Kopfverletzungen, Infektionen, Depression, chronischer Stress sowie das Vorliegen einer Hör- oder Sehminderung und erhöhte Cholesterinwerte können das Demenzrisiko erhöhen. Es ist wichtig, diese Risikofaktoren zu minimieren.
  • Regelmäßige Cholesterinkontrolle: Erhöhtes Cholesterin - vor allem bei Menschen unter 65 - kann die Ablagerung von schädlichen Proteinen wie Amyloid-beta und verändertem Tau im Gehirn fördern, beides typische Merkmale der Alzheimer-Krankheit. Zudem belastet zu viel Cholesterin die Blutgefäße, was das Risiko für Schlaganfälle und damit auch für eine vaskuläre Demenz steigert.
  • Vermeidung von sozialer Isolation: Soziale Isolation kann das Risiko erhöhen, an Demenz zu erkranken, da das Gehirn Anregung braucht. Gespräche, Begegnungen und gemeinsame Aktivitäten halten es wach und leistungsfähig.
  • Schutz vor Luftverschmutzung: Feine Partikel aus Abgasen, Industrie, Holz- und Kohleöfen können Entzündungen auslösen, die Gefäße schädigen und langfristig die geistige Gesundheit beeinträchtigen. Vor allem Feinstaub steht im Verdacht, das Demenzrisiko zu erhöhen.
  • Ausgleich von Sehschwächen: Wenn das Sehvermögen nachlässt und nicht ausgeglichen wird, gehen dem Gehirn wichtige Reize verloren. Menschen mit unbehandelten Sehschwächen haben ein deutlich höheres Risiko, an Demenz zu erkranken.

Umgang mit Verhaltensänderungen bei Demenz

Demenzkranke verlieren nach und nach ihre Erinnerungen, was bei ihnen Verwirrung und Angst auslösen kann. Auch andere Demenz Symptome wie den Verlust der Selbstständigkeit verkraften sie schwer. Sie fühlen sich häufig missverstanden und ausgeliefert. Es ist wichtig, die Verhaltensänderungen zu verstehen und Ruhe zu bewahren. Sprechen Sie mit einem an Demenz erkrankten Menschen in kurzen, klaren Sätzen, damit er sich nicht überfordert fühlt. Geben Sie ihm immer das Gefühl, dass Sie ihn verstehen und ernst nehmen. Drängen oder hetzen Sie ihn nie. Demenzkranke können mit Stress nicht umgehen. Meiden Sie Diskussionen und nehmen Sie Konfrontationen nicht persönlich. Versuchen Sie, in schwierigen Situationen mit verständnisvollen Worten zu beruhigen. Bleiben Sie in Konfliktsituationen ruhig. Fördern Sie die Bewegung des an Demenz Erkrankten, das verbessert nachweislich die Durchblutung, das Koordinationsvermögen und den Gleichgewichtssinn. Achten Sie auf eine ausreichende und gesunde Ernährung - an Demenz Erkrankte vergessen auch schon mal das Essen und Trinken, und gerade eine zu geringe Flüssigkeitsaufnahme kann Verwirrung noch verschlimmern. Auch wenn es schwerfällt - seien Sie geduldig.

Unterstützung für Angehörige

Die Pflege eines Menschen mit Demenz ist eine große Herausforderung. Es ist wichtig, dass Angehörige sich selbst nicht überlasten und Unterstützung suchen. Die AOK bietet beispielsweise den „Famliencoach Pflege“ an, ein Online-Selbsthilfe-Programm, das hilft, den seelisch belastenden Pflegealltag besser zu bewältigen und sich vor Überlastung zu schützen. Es gibt auch spezielle Kurse und Schulungen für Angehörige von Menschen mit Demenz, in denen sie lernen, mit der Erkrankung umzugehen und die Betroffenen zu unterstützen.

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