Die Berliner Rapcrew K.I.Z. hat mit "Urlaub fürs Gehirn" ein neues Album veröffentlicht, das wie immer die Gemüter spaltet. Seit ihrem Durchbruch mit "Hahnenkampf" sind sie bekannt für ihre Gaga-Gangsterrap-Attitüde, die Schwanzvergleiche, Fleischesserorgien und Splatterspritzer thematisiert. Doch ist "Urlaub fürs Gehirn" mehr als nur provokanter Unfug?
Grenzüberschreitung als Markenzeichen
K.I.Z. haben es sich zur Aufgabe gemacht, Grenzen zu überschreiten. Maxim Drüner, einer der drei MCs, äußerte vor den Aufnahmen die Sorge, dass diese Grenzüberschreitung "allmählich langweilig" werden könnte. Um dem entgegenzuwirken, schufen sie den Song "Doitschland schafft sich ab", der eine bizarre Auseinandersetzung mit der Sarrazin-Debatte darstellt. Der Songtext strotzt vor Aggression und Verschwörungstheorien, was ihn schwer als reine Satire einstufen lässt.
Feminismus durch die Hintertür?
Die Band wurde aufgrund des Songs "Doitschland schafft sich ab" mit dem Vorwurf konfrontiert, "Feministinnen durchs Hintertürchen" zu sein. DJ Sil-Yan Bori bestätigte dies scherzhaft, relativierte aber gleichzeitig die Bedeutung des Feminismus in der heutigen Gesellschaft. K.I.Z. spielen bewusst mit provokanten Aussagen, um Homophobe zu ärgern und Geschlechterrollen zu hinterfragen.
Satire und Provokation
K.I.Z. sind Meister der Satire und Provokation. Sie nehmen gesellschaftliche Tabus aufs Korn und schrecken nicht davor zurück, auch Hitler in ihre Witze einzubeziehen. Maxim Drüner erklärte, dass er über Hitler lacht, "eine riesige Schweißwasserbombe". Die Bandmitglieder hören auf ihren Konzertfahrten den Politkabarettisten Volker Pispers, der ihnen wie ein lustiger Geschichtslehrer vorkommt.
Musikalische Vielfalt
Auch musikalisch sind K.I.Z. schwer einzuordnen. DJ Craft mischt verschiedene Genres wie Drum n Bass, Dancehall und Klezmer. In dem Song "Abteilungsleiter der Liebe" klingen sie studentenpartytauglich wie Fettes Brot, während sie zwischendurch US-Helden wie Dead Prez sampeln. Ihr Grundmodus ist jedoch das Singgrölen über dreckige, harte Synthie-Beats, was auf Konzerten wie Punk klingt.
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Politische Ambitionen
Maxim Drüner und Nico Seyfrid sind mittlerweile in die Politik gegangen und treten für die Partei des ehemaligen Titanic-Chefs Martin Sonneborn in Berlin an. Eine Schwulenquote beim Fußball lehnt Drüner jedoch ab, da "bewiesen" sei, dass Heteros bessere Sportler seien.
"Hurra, die Welt geht unter": Ein düsteres Album
Das Album "Hurra, die Welt geht unter" wird von vielen als düsterer und direkter als seine Vorgänger wahrgenommen. Es beschreibt die gesellschaftliche Wirklichkeit ohne doppelten Boden. Der Song "Geld" thematisiert die alltäglichen Trennlinien, die durch finanzielle Ungleichheit entstehen. Wut ist ein zentrales Gefühl des Albums, das sich nicht um Imagepflege schert.
Inszenierung und Warenförmigkeit
K.I.Z. spielen bewusst mit ihrer Warenförmigkeit und inszenieren sich auf Konzerten als Stars der Kulturindustrie. Sie geben sich dem Dilemma hin, dass ihre Kunst bedeutungslos sein könnte, und verzichten auf politische Allianzen. Die Uniformen aus den Werbevideos zur Ankündigung des Albums finden im Video zur Single "Boom Boom Boom" Verwendung, wo die Band sich als Stadtguerilla, Söldner oder Mitglieder des Ku-Klux-Klans verkleidet.
Auflösung des K.I.Z.-Rätsels
Das Quartett, bestehend aus den Rappern Tarek Ebéné, Maxim Drüner, Nico Seyfrid und DJ Sil-Yan Bori, bietet verschiedene Auflösungen für das Kürzel K.I.Z. an, darunter "Kannibalen in Zivil" und "Klosterschüler im Zölibat". Sie bezeichnen sich selbst als "aufrecht, weise und stabil". Hinter dem scheinbar lockeren Sound steckt jedoch viel Disziplin und harte Arbeit.
Subversive Inhalte und Tabubrüche
K.I.Z. scheuen sich nicht vor subversiven Inhalten und Tabubrüchen. Im Song "Käfigbett" fordern sie provokativ dazu auf, Vater und Mutter zu erschießen, um das Tabu zu brechen, die eigenen Eltern wie Heilige auf dem Sockel verehren zu müssen. Die Bandmitglieder betonen, dass es ihnen nicht um Sex mit der Mutter oder Elternmord geht, sondern darum, das beklemmende Tabu zu brechen, seine Eltern mögen zu müssen.
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Eindeutigkeit vs. Subbotschaften
K.I.Z. spielen mit Eindeutigkeit und Subbotschaften. Nico Seyfrid erklärte, dass Subbotschaften unter der Eindeutigkeitsgrenze interessanter seien als klare Unmissverständlichkeit. Die Band möchte ihre Hörer fordern und nicht alles vorkauen. Gleichzeitig betonte er, dass eindeutige Lieder zwischendrin notwendig seien, um zu überprüfen, ob man die gleiche Einstellung hat wie die Person, deren Musik man hört.
Melodische Entwicklung
Im Laufe ihrer Karriere haben sich K.I.Z. melodisch weiterentwickelt. Sie integrieren Elemente aus Rhythm&Blues, Punk, Techno und Chanson in ihre Musik. Der Song "Ariane" klingt beispielsweise chansonesk, was durch den Einsatz eines Akkordeons verstärkt wird.
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