Kognitive Störungen in Neurologie und Psychiatrie: Ursachen und Behandlungsansätze

Kognitive Störungen umfassen ein breites Spektrum von Beeinträchtigungen der geistigen Leistungsfähigkeit, die sowohl neurologische als auch psychiatrische Ursachen haben können. Diese Störungen können sich in vielfältiger Weise äußern und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Ursachen kognitiver Störungen, die Symptome, die sie verursachen können, und die verfügbaren Behandlungsansätze in Neurologie und Psychiatrie.

Ursachen kognitiver Störungen

Kognitive Störungen können vielfältige Ursachen haben, die sowohl neurologischer als auch psychiatrischer Natur sein können. Es ist wichtig, die zugrunde liegende Ursache zu identifizieren, um eine angemessene Behandlung einzuleiten.

Neurologische Ursachen

Neurologische Erkrankungen sind eine häufige Ursache kognitiver Störungen. Dazu gehören:

  • Neurodegenerative Erkrankungen: Erkrankungen wie Morbus Alzheimer und Parkinson können zu Demenz führen, die durch einen fortschreitenden Verlust kognitiver Funktionen gekennzeichnet ist. Bei der Demenz vom Alzheimer-Typ sind Verfahren zur Verbesserung der Botenstoffübertragung verfügbar und große Hoffnungen werden in neue Antikörpertherapien gegen die Plaquebildung im Gehirn gesetzt.
  • Schlaganfallerkrankungen: Schlaganfälle, die durch eine Unterbrechung der Hirndurchblutung verursacht werden, können zu kognitiven Beeinträchtigungen führen, die von leichten Aufmerksamkeitsstörungen bis hin zu schweren Gedächtnisverlusten reichen können.
  • Entzündungsprozesse: Entzündungen im Gehirn, die durch Erreger oder Autoimmunerkrankungen verursacht werden, können ebenfalls kognitive Störungen verursachen.
  • Hirnverletzungen oder -tumore: Traumatische Hirnverletzungen oder das Vorhandensein von Hirntumoren können die kognitiven Funktionen beeinträchtigen, abhängig von der Lokalisation und dem Ausmaß der Schädigung.
  • Störungen der Nervenwasserzirkulation (Hydrocephalus): Ein Hydrocephalus, der durch eine Ansammlung von Flüssigkeit im Gehirn gekennzeichnet ist, kann zu kognitiven Beeinträchtigungen führen.

Psychiatrische Ursachen

Psychiatrische Erkrankungen können ebenfalls kognitive Störungen verursachen oder verstärken. Dazu gehören:

  • Depressionen: Depressionen können zu Konzentrationsschwierigkeiten, Gedächtnisproblemen und allgemeiner Verlangsamung der Denkprozesse führen.
  • Angststörungen: Angstzustände können die Aufmerksamkeit beeinträchtigen und das Gedächtnis stören.
  • Psychosen: Psychotische Erkrankungen wie Schizophrenie können zu Denkstörungen und Beeinträchtigungen der Realitätswahrnehmung führen.
  • Funktionelle kognitive Störungen: Subjektive kognitive Beeinträchtigungen ohne organische Ursache können infolge von Stress und innerer Ablenkung entstehen und sich als verminderte Fähigkeit, konzentriert und ausdauernd zu denken, äußern.

Weitere Ursachen

Neben neurologischen und psychiatrischen Ursachen können auch andere Faktoren zu kognitiven Störungen beitragen:

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  • Schädigung durch Medikamente/Genussgifte: Einige Medikamente und Drogen können die kognitiven Funktionen beeinträchtigen.
  • Stoffwechselstörungen innerer Organe: Störungen der Leber-, Nieren- oder Schilddrüsenfunktion können sich negativ auf die kognitive Leistungsfähigkeit auswirken.

Symptome kognitiver Störungen

Die Symptome kognitiver Störungen können je nach Ursache und Schweregrad variieren. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Wortfindungsstörungen: Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden oder sich an Namen zu erinnern.
  • Denkstörungen: Schwierigkeiten, klar und logisch zu denken oder sich zu konzentrieren.
  • Aufmerksamkeitsdefizite: Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit auf eine Aufgabe zu richten oder Ablenkungen zu widerstehen. Laut Schätzung der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe leiden bis zu 80 % aller Schlaganfall-Betroffenen insbesondere in der Akutphase unter Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen. Besonders betroffen ist die Fähigkeit, sich länger zu fokussieren, Ablenkungen zu widerstehen und mehrere Aufgaben zu bewältigen.
  • Müdigkeit und Verlangsamung: Gefühl von Erschöpfung und Verlangsamung der Denkprozesse.
  • Schlafstörungen: Schwierigkeiten, ein- oder durchzuschlafen.
  • Antriebsstörungen: Mangelnde Motivation oder Interesse an Aktivitäten.
  • Ablenkbarkeit und mangelndes Durchhaltevermögen: Schwierigkeiten, Aufgaben zu beenden oder sich auf ein Ziel zu konzentrieren.
  • Reizbarkeit und Wesensänderungen: Erhöhte Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen oder Veränderungen der Persönlichkeit.
  • Gedächtnisprobleme: Schwierigkeiten, sich an neue Informationen zu erinnern oder sich an vergangene Ereignisse zu erinnern. Diese betreffen vor allem das episodische Gedächtnis, also die Erinnerung an persönliche Ereignisse, sowie das prospektive Gedächtnis, das für die Erinnerung an geplante Handlungen zuständig ist.
  • Beeinträchtigung exekutiver Funktionen: Insbesondere nach frontalen und subkortikalen Läsionen sind exekutive Funktionen wie Handlungsplanung, Flexibilität, Fehlerkontrolle und Zielausrichtung beeinträchtigt. Typische Symptome reichen von starker Antriebsarmut und Apathie bis hin zu Impulsivität, Enthemmung oder Beharrungsneigung.
  • Sprachliche Schwierigkeiten: Je nach Lokalisation der Schädigung können eine Broca- oder eine Wernicke-Aphasie, eine globale Aphasie oder eine mildere Variante wie eine Wortfindungsstörung auftreten. Obwohl die Intelligenz unverändert bleibt, ist das Sprachvermögen deutlich beeinträchtigt. Wie die Deutsche Hirnstiftung betont, können selbst geringe sprachliche Einschränkungen gravierende Folgen für die Kommunikation, die Selbstständigkeit und die berufliche Wiedereingliederung haben.

Diagnostik kognitiver Störungen

Die Diagnostik kognitiver Störungen umfasst in der Regel eine umfassende Anamnese, eine neurologische Untersuchung und verschiedene Tests zur Beurteilung der kognitiven Funktionen.

  • Anamnese: Die Anamnese umfasst die Erhebung der Krankengeschichte des Patienten, einschließlich der aktuellen Beschwerden, der Vorerkrankungen, der Medikamenteneinnahme und der familiären Vorbelastung. In vielen Fällen ist die Mitwirkung der nächsten Angehörigen von herausragender Bedeutung.
  • Neurologische Untersuchung: Die neurologische Untersuchung dient dazu, neurologische Defizite festzustellen, die auf eine neurologische Ursache der kognitiven Störung hinweisen könnten.
  • Neuropsychologische Tests: Zur Einschätzung geistiger Leistungsstörungen werden standardisierte Testverfahren eingesetzt, die verschiedene kognitive Bereiche wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Sprache und exekutive Funktionen erfassen. Bereits im Akutkrankenhaus werden kurze Screening-Verfahren wie das Montreal Cognitive Assessment (MoCA), der Mini-Mental-Status-Test (MMST) oder DemTect eingesetzt, um kognitive Störungen rasch zu erfassen. Für die detaillierte Therapieplanung werden anschließend aufeinander abgestimmte Testbatterien eingesetzt, darunter Verfahren für das Gedächtnis (z. B. Wechsler Memory Scale), die Aufmerksamkeit (Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung, TAP), die Exekutivfunktionen (Behavioural Assessment of the Dysexecutive Syndrome, BADS) und die Sprache (z. B.
  • Bildgebende Verfahren: Mittels Bildgebung (CT oder MRT) können Läsionen lokalisiert, alternative Diagnosen ausgeschlossen und das Ausmaß der Schädigung eingeschätzt werden.
  • Liquoruntersuchung: Analysen des entnommenen Nervenwassers (Liquor) können in einigen Fällen wichtige Informationen liefern, um die Ursache der kognitiven Störung zu identifizieren.

Behandlungsansätze

Die Behandlung kognitiver Störungen richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache und dem Schweregrad der Beeinträchtigung.

Behandlung der Ursache

Bei Demenz liegt der erste und wesentliche Behandlungsansatz in der Ursachenbehebung bzw. Eindämmung aller nachteiligen Einflüsse, z. B. durch Medikationswechsel.

Medikamentöse Behandlung

  • Kognitive Verstärker: Bei einigen neurodegenerativen Erkrankungen wie der Alzheimer-Krankheit können Medikamente eingesetzt werden, die die Botenstoffübertragung im Gehirn verbessern und die kognitiven Funktionen stabilisieren oder leicht verbessern können.
  • Antidepressiva: Bei Depressionen, die mit kognitiven Störungen einhergehen, können Antidepressiva eingesetzt werden, um die Stimmung zu verbessern und die kognitiven Funktionen zu verbessern.
  • Anxiolytika: Bei Angststörungen, die mit kognitiven Störungen einhergehen, können Anxiolytika eingesetzt werden, um die Angst zu reduzieren und die Aufmerksamkeit zu verbessern.
  • Relevante Begleitstörungen (wie Schlafstörungen, Schmerz oder Depression) werden medikamentös behandelt. Zusätzlich können medikamentöse Interventionen - zum Beispiel zur Förderung von Aufmerksamkeit oder Stimmung - sowie psychotherapeutische Angebote zur Bewältigung emotionaler Belastungen zum Einsatz kommen.

Nicht-medikamentöse Behandlungen

  • Kognitive Verhaltenstherapie (KVT): Die KVT ist eine Form der Psychotherapie, die darauf abzielt, dysfunktionale Denkmuster und Verhaltensweisen zu identifizieren und zu verändern.
  • Ergotherapie: Die Ergotherapie unterstützt Patienten mit kognitiven Störungen dabei, ihre normalen Aktivitäten und beruflichen Aufgaben wieder aufzunehmen.
  • Logopädie: Eine frühzeitige und kontinuierliche Sprachtherapie sowie die Einbeziehung des sozialen Umfelds verbessern die Prognose.
  • Physiotherapie: Die Physiotherapie spielt eine zentrale Rolle bei der Behandlung von FNS. Sie hilft Patient:innen, die Kontrolle über ihre Körperbewegungen wiederzuerlangen und die motorischen Funktionen zu verbessern.
  • Neuropsychologische Therapie: Die neuropsychologische Therapie zielt darauf ab, kognitive Defizite gezielt zu behandeln und die Alltagskompetenz der Betroffenen zu verbessern. Seit 2012 ist die ambulante neuropsychologische Therapie eine Regelleistung der gesetzlichen Krankenversicherung, sofern eine klare Indikation vorliegt und die Behandlung durch entsprechend qualifizierte Therapeutinnen oder Therapeuten erfolgt. Das Angebot reicht von Einzel- und Gruppentherapien bis zu computergestützten Trainings. Ziel ist die alltagsnahe Förderung kognitiver Fähigkeiten und die Unterstützung bei Teilhabeproblemen, etwa im Beruf.
  • Entspannungstechniken: Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung, autogenes Training oder Achtsamkeitsübungen können dazu beitragen, die Symptome von FNS zu reduzieren.
  • Gedächtnistraining: Gedächtnistraining kann helfen, das Gedächtnis und andere kognitive Funktionen zu verbessern.
  • Realitätsorientierungstraining: Realitätsorientierungstraining kann Patienten mit Demenz helfen, sich in ihrer Umgebung zurechtzufinden und ihre kognitiven Fähigkeiten zu erhalten.
  • Unterstützung und Beratung: Unterstützung und Beratung für Patienten und ihre Familien können helfen, mit den Herausforderungen kognitiver Störungen umzugehen.

Multimodaler Behandlungsansatz

Funktionelle neurologische Störungen (FNS) erfordern einen multimodalen Behandlungsansatz, der unterschiedliche Behandlungsbausteine umfasst. Die Therapie umfasst sowohl physiotherapeutische als auch psychotherapeutische Methoden. Die Behandlung soll die Symptome lindern, die Funktionalität des Körpers verbessern und die Lebensqualität der Betroffenen erhöhen. Entscheidend ist, dass die im Klinikalltag erreichten Fortschritte in den realen Alltag übertragen werden. Dies betrifft sowohl die Selbstversorgung und Mobilität als auch die berufliche und soziale Wiedereingliederung. Hierbei spielt die enge Abstimmung zwischen den beteiligten Disziplinen - Neurologie, Neuropsychologie, Logopädie, Ergo- und Physiotherapie sowie Sozialberatung - eine Schlüsselrolle.

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