Demenz ist ein Syndrom, das durch einen fortschreitenden Verlust der geistigen Fähigkeiten gekennzeichnet ist und das Gedächtnis, das Denken und die Alltagsfähigkeiten beeinträchtigt. Es handelt sich nicht um eine einzelne Krankheit, sondern um einen Oberbegriff für verschiedene Erkrankungen, die ähnliche Symptome verursachen. Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Ursache für Demenz, aber es gibt auch andere Formen wie die vaskuläre Demenz, die frontotemporale Demenz und die Lewy-Körperchen-Demenz.
Was ist Demenz?
Demenz ist keine normale Alterserscheinung, obwohl sie bei älteren Menschen häufiger auftritt. Sie ist durch einen fortschreitenden Abbau der kognitiven Funktionen gekennzeichnet, der so schwerwiegend ist, dass er die Fähigkeit einer Person, ein unabhängiges Leben zu führen, beeinträchtigt. Zu den Hauptsymptomen gehören Gedächtnisstörungen, Schwierigkeiten mit der räumlichen und praktischen Orientierung, Sprachprobleme sowie Beeinträchtigungen des Denk- und Urteilsvermögens.
Ursachen von Demenz
Die Ursachen von Demenz sind vielfältig, und es gibt verschiedene Formen, die jeweils unterschiedliche Ursachen haben:
Primäre Demenzen
Bei primären Demenzen beginnt der Krankheitsprozess direkt im Gehirn. Die Schädigungen sind bleibend und werden meist durch neurodegenerative Prozesse ausgelöst, bei denen Nervenzellen im Gehirn absterben. Die häufigsten primären Demenzformen sind:
- Alzheimer-Krankheit: Sie betrifft mehr als 60 Prozent aller Demenzerkrankten und ist durch den fortschreitenden Untergang von Nervenzellen gekennzeichnet, insbesondere im Schläfen- und Scheitellappen des Gehirns. Kennzeichnend ist der frühe Verlust des Kurzzeitgedächtnisses.
- Vaskuläre Demenz: Sie wird durch Durchblutungsstörungen im Gehirn verursacht, beispielsweise durch Schlaganfälle oder chronischen Bluthochdruck (Morbus Binswanger). Dies führt zu einer Schädigung des Hirngewebes und dem Absterben von Nervenzellen.
- Frontotemporale Demenz (FTD): Diese Form betrifft vor allem den Stirn- und Schläfenbereich des Gehirns und führt zu Veränderungen der Persönlichkeit, des Sozialverhaltens und der Sprache.
- Lewy-Körperchen-Demenz: Sie ist durch das Vorhandensein von Lewy-Körperchen in den Nervenzellen des Gehirns gekennzeichnet. Typische Symptome sind optische Halluzinationen, motorische Störungen und ein stark schwankender Zustand der Wachheit.
- Parkinson-Demenz: Bei etwa 30 bis 40 Prozent der Menschen mit Parkinson-Krankheit entwickelt sich im Verlauf der Erkrankung eine Demenz.
Sekundäre Demenzen
Sekundäre Demenzen werden durch andere Grunderkrankungen oder äußere Faktoren ausgelöst. Dazu gehören:
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- Stoffwechselstörungen: Schilddrüsenerkrankungen, Nierenerkrankungen und Leberfunktionsstörungen können Demenz verursachen.
- Infektionen: Tuberkulose, Borreliose, HIV und Lues können zu Entzündungen im Gehirn führen und Demenz auslösen.
- Vergiftungen: Chronischer Alkoholkonsum (Korsakow-Syndrom), Kohlenmonoxid- oder Schwermetallvergiftungen können das Gehirn schädigen und Demenz verursachen.
- Hirntumoren: Tumore im Gehirn oder Metastasen anderer Tumore können die Hirnfunktion beeinträchtigen und Demenz verursachen.
- Schädel-Hirn-Verletzungen: Traumata des Gehirns können zu dauerhaften Schäden führen und Demenz auslösen.
- Normaldruckhydrozephalus: Ein Aufstau von Nervenwasser im Gehirn kann zu Gangstörungen, Inkontinenz und Demenz führen.
- Multiple Sklerose: DieseAutoimmunerkrankung kann ebenfalls Demenz verursachen.
Stadien der Demenz
Der Verlauf einer Demenz ist individuell, folgt jedoch bestimmten Mustern. Die Einteilung in Demenz-Stadien dient lediglich der Übersicht über Phasen, die irgendwann im Verlauf der Krankheit zu erwarten sind. Es ist unmöglich, vorherzusagen, wann diese Phasen eintreten.
- Frühphase (Leichte Kognitive Beeinträchtigung, MCI): In dieser Phase treten leichte Beeinträchtigungen des Denkens und Erinnerns auf, die im Alltag zunächst kaum einschränken. Menschen mit MCI nehmen Veränderungen manchmal selbst wahr, doch oft fällt sie zuerst Angehörigen auf. Meist ist das Kurzzeitgedächtnis betroffen. Innerhalb von 5 Jahren entwickelt die Hälfte der Betroffenen eine Demenz.
- Leichtgradige Demenz: In diesem Stadium zeigt sich zunehmend Vergesslichkeit im Alltag, insbesondere was das Kurzzeitgedächtnis betrifft. Es wird schwieriger, neue Informationen zu behalten. Gespräche sind anstrengender - oft fehlen Worte oder der Gedanke geht verloren. Gegenstände wie Schlüssel oder Brille werden häufiger verlegt. Hinzu kommen erste Probleme mit der Orientierung in Raum und Zeit. Viele alltägliche Aufgaben - wie einkaufen, kochen oder die Wäsche machen - gelingen noch gut. Viele Menschen mit Demenz merken nun deutlich, dass etwas nicht stimmt. Aus Scham oder Unsicherheit versuchen sie, ihre Schwierigkeiten zu verstecken. Sie ziehen sich zurück und meiden ungewohnte Situationen. Auch die Stimmung kann sich verändern: Manche Menschen sind leichter reizbar, andere traurig oder verunsichert.
- Mittelgradige Demenz: Jetzt wird die Krankheit deutlich sichtbar. Neben dem Kurzzeitgedächtnis ist nun auch das Langzeitgedächtnis beeinträchtigt. Viele Erinnerungen an das eigene Leben treten in den Hintergrund - zum Beispiel daran, welchen Beruf man ausgeübt hat oder ob man verheiratet war. Orientierungsprobleme, auch in vertrauter Umgebung, nehmen zu. Bekannte Gesichter werden nicht mehr erkannt. Es kommt zu tiefgreifenden Veränderungen im Verhalten und im Wesen. Viele Erkrankte spüren einen ausgeprägten Bewegungsdrang und starke Unruhe. Die Orientierungslosigkeit und Hilflosigkeit der Betroffenen schlägt oft in Misstrauen, Reizbarkeit, Nervosität und aggressive Ausbrüche um. Der Tag-Nacht-Rhythmus gerät aus dem Gleichgewicht, was zu Schlafstörungen führen kann. In diesem Stadium ist eine selbstständige Lebensführung nicht mehr möglich.
- Schwere Demenz (Endstadium): Im Endstadium sind die Erkrankten vollständig auf Pflege angewiesen. Typische Veränderungen sind der Verlust der Sprache (nur noch einzelne Wörter oder Laute, keine sinnvolle Kommunikation mehr), das Nicht-Erkennen selbst engster Familienmitglieder, völlige Orientierungslosigkeit, Inkontinenz sowie Schluckstörungen, die die Nahrungsaufnahme erschweren. Im Endstadium haben Menschen mit Demenz ein zunehmend geschwächtes Immunsystem und werden anfälliger für Infektionen.
Diagnose von Demenz
Eine frühzeitige Diagnose von Demenz ist wichtig, um den Umgang mit der Krankheit zu erleichtern und das Fortschreiten der Krankheit aufzuhalten oder zu verlangsamen. Die Diagnose umfasst in der Regel die folgenden Schritte:
- Anamnese: Der Arzt befragt den Patienten und seine Angehörigen ausführlich über die Symptome, den Verlauf der Erkrankung und die Krankengeschichte.
- Körperliche Untersuchung: Der Arzt führt eine körperliche Untersuchung durch, um andere mögliche Ursachen für die Symptome auszuschließen.
- Kognitive Tests: Es werden spezielle Demenz-Tests durchgeführt, um die geistige Leistungsfähigkeit des Patienten zu messen und festzustellen, ob Anzeichen für eine Einschränkung durch eine Demenz vorliegen. Ein Beispiel hierfür ist der Mini-Mental-Status-Test (MMST), der als Selbsttest genutzt werden kann, um einen ersten Verdacht zu prüfen. Dieser Selbsttest ersetzt jedoch keine ärztliche Diagnose.
- Neurologische Untersuchung: Der Arzt überprüft Reflexe, Koordination, Gedächtnisleistung, Sprache und Orientierung des Patienten.
- Bildgebende Verfahren: Mithilfe von bildgebenden Verfahren wie der Magnetresonanztomographie (MRT) oder der Computertomographie (CT) können Veränderungen im Gehirn sichtbar gemacht werden. Die MRT kann beispielsweise eine Hippocampus-Atrophie (Schrumpfung des Hippocampus) zeigen, die typisch für die Alzheimer-Krankheit ist.
- Laboruntersuchungen: Es werden Blutuntersuchungen durchgeführt, um andere mögliche Ursachen für die Symptome auszuschließen, wie z.B. Stoffwechselstörungen oder Vitaminmangel.
- Liquoruntersuchung: In einigen Fällen wird eine Nervenwasseruntersuchung (Liquorpunktion) durchgeführt, um Entzündungen oder demenztypische Eiweiße im Nervenwasser nachzuweisen.
Behandlung von Demenz
Obwohl die meisten Demenzformen, wie die Alzheimer-Demenz, die frontotemporale Demenz, die Lewy-Körperchen-Demenz, die Parkinson-Demenz und die vaskuläre Demenz, bis heute leider nicht heilbar sind, ist die Behandlung von Demenz wichtig, weil sie die Lebensqualität der Betroffenen im weiteren Verlauf erheblich steigert. Je nach Demenzform, Stadium und individuellem Gesundheitszustand kommen unterschiedliche Medikamente und nicht-medikamentöse Therapien in Frage.
Medikamentöse Therapie
- Acetylcholinesterase-Hemmer: Bei der Alzheimer-Krankheit zielen Medikamente auf einen Ausgleich von Botenstoffmangeln im Gehirn ab. Acetylcholinesterase-Hemmer können die Symptome verbessern, indem sie den Abbau von Acetylcholin, einem wichtigen Botenstoff für die Gedächtnisfunktion, verlangsamen.
- Memantin: Dieses Medikament kann bei mittelschwerer bis schwerer Alzheimer-Demenz eingesetzt werden, um die Signalübertragung im Gehirn zu verbessern.
- Weitere Medikamente: Je nach Bedarf können weitere Medikamente zur Behandlung von Begleitsymptomen wie Depressionen, Schlafstörungen, Angstzuständen oder Verhaltensauffälligkeiten eingesetzt werden.
Nicht-medikamentöse Therapie
- Kognitives Training: Gezieltes Gedächtnistraining kann den Abbau kognitiver Fähigkeiten verlangsamen und die geistige Leistungsfähigkeit verbessern.
- Ergotherapie: Ergotherapie kann den Betroffenen helfen, ihreAlltagsfähigkeiten zu erhalten und zu verbessern.
- Physiotherapie: Physiotherapie kann die körperliche Beweglichkeit fördern und Stürzen vorbeugen.
- Musiktherapie: Musiktherapie kann die Stimmung verbessern, die Kommunikation fördern und Erinnerungen wachrufen.
- Kunsttherapie: Kunsttherapie kann den Betroffenen helfen, sich auszudrücken und ihre Gefühle zu verarbeiten.
- Realitätsorientierungstraining (ROT): ROT kann den Betroffenen helfen, sich in ihrer Umgebung zurechtzufinden und die Orientierung zu verbessern.
- Validation: Validation ist ein Ansatz, bei dem die Gefühle und Bedürfnisse der Betroffenen akzeptiert und wertgeschätzt werden, auch wenn sie nicht der Realität entsprechen.
- Soziale Aktivitäten: Die Teilnahme an sozialen Aktivitäten und der Kontakt zu anderen Menschen kann die Lebensqualität verbessern undIsolation verhindern.
- Beschäftigung und Spiele: Beschäftigung und Spiele können die geistige und körperliche Aktivität anregen und soziale Interaktion erzeugen.
- Ernährung: Eine gesunde und ausgewogene Ernährung ist wichtig für die Gesundheit des Gehirns.
- Bewegung: Regelmäßige körperliche Aktivität kann die kognitive Funktion verbessern und das Risiko vonBegleiterkrankungen verringern.
- Unterstützendes Umfeld: Ein unterstützendes und förderndes Umfeld, das den Menschen mit seinen Veränderungen annimmt, sowie soziale Teilhabe und Kontakte können den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.
Weitere Maßnahmen
- Anpassung des Wohnraums: Eine demenzgerechte Raumgestaltung kann Barrieren abbauen und hilfreiche Anhaltspunkte zur zeitlichen und räumlichen Orientierung schaffen.
- Hilfsmittel: Der Einsatz von Hilfsmitteln wieNotizzetteln, Kalendern oderSignalgebern kann den Alltag erleichtern.
- Patientenverfügung: Eine Patientenverfügung stellt sicher, dass die medizinischen Wünsche des Patienten auch in unerwarteten Situationen respektiert werden.
- Pflegegrad: Je nach Beeinträchtigung im Alltag haben Demenzpatienten Anspruch auf einen Pflegegrad, mit dem ihnen verschiedene Leistungen der Pflegeversicherung zustehen.
- Entlastung der Angehörigen: Angehörige, die Demenzpatienten pflegen, sollten sich nicht überfordern undHilfsangebote wie ambulante Pflegedienste, Tagespflege oder Selbsthilfegruppen nutzen.
Prävention von Demenz
Obwohl nicht alle Demenzformen verhindert werden können, gibt es einige Risikofaktoren, die beeinflusst werden können, um das Risiko einer Demenzerkrankung zu verringern. Studien zeigen, dass bis zu 45 Prozent aller Erkrankungen durch die gezielte Beeinflussung von 14 Risikofaktoren verhindert oder zumindest hinausgezögert werden könnten. Zu den wichtigsten Schutzfaktoren gehören:
- Bewegung: Regelmäßige körperliche Aktivität kann die Durchblutung des Gehirns verbessern und die kognitive Funktion fördern.
- Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse undOmega-3-Fettsäuren kann das Gehirn schützen.
- Soziale Kontakte: Die Teilnahme an sozialen Aktivitäten und der Kontakt zu anderen Menschen kann die geistige Gesundheit fördern.
- Geistige Aktivität: Regelmäßiges Gehirntraining, wie z.B. Lesen, Kreuzworträtsel lösen oder das Erlernen neuer Fähigkeiten, kann die kognitive Reserve erhöhen.
- Vermeidung von Risikofaktoren: Die Vermeidung von Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes und hohem Cholesterinspiegel kann das Risiko einer Demenzerkrankung verringern.
Umgang mit Demenz
Der Umgang mit Demenz ist eine Herausforderung, sowohl für die Betroffenen als auch für ihre Angehörigen. Es ist wichtig, sich über die Krankheit zu informieren undStrategien zu entwickeln, um mit denVeränderungen umzugehen.
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Kommunikation mit Demenzkranken
- Sprechen Sie langsam und deutlich.
- Verwenden Sie einfache Sätze und kurze Anweisungen.
- Wiederholen Sie Informationen bei Bedarf.
- Seien Sie geduldig und verständnisvoll.
- Vermeiden Sie es, den Betroffenen zu widersprechen oder zu korrigieren.
- Konzentrieren Sie sich auf die Gefühle des Betroffenen und nicht auf die Fakten.
- Nutzen Sie nonverbale Kommunikation wie Berührungen oder Blickkontakt.
Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten
- Versuchen Sie, die Ursache für das Verhalten zu verstehen.
- Bleiben Sie ruhig und gelassen.
- Lenken Sie den Betroffenen ab.
- Schaffen Sie eine sichere und vertraute Umgebung.
- Vermeiden Sie es, den Betroffenen zu bestrafen oder zu kritisieren.
- Suchen Sie professionelle Hilfe, wenn Sie mit dem Verhalten überfordert sind.
Unterstützung für Angehörige
- Informieren Sie sich über die Krankheit.
- Nehmen SieHilfsangebote wie ambulante Pflegedienste, Tagespflege oder Selbsthilfegruppen in Anspruch.
- Sprechen Sie mit anderen Angehörigen oder Freunden über Ihre Gefühle.
- Achten Sie auf Ihre eigene Gesundheit und nehmen Sie sich Zeit für sich selbst.
- Suchen Sie professionelle Hilfe, wenn Sie mit der Situation überfordert sind.
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