Korsakow-Demenz (ICD-10: F04) – Ursachen, Symptome und Behandlung

Einführung

Das Korsakow-Syndrom, auch bekannt als Korsakow-Demenz oder Morbus Korsakow, ist eine neuropsychiatrische Erkrankung, die durch schwere Gedächtnisstörungen und andere kognitive Beeinträchtigungen gekennzeichnet ist. Die Erkrankung ist dem amnestischen Syndrom zugeordnet. ICD-10-Code ist F04. Das Korsakow-Syndrom wird dem Spektrum der Wernicke-Enzephalopathie zugerechnet. Die Wernicke-Enzephalopathie ist akut und oft reversibel, das Korsakow-Syndrom hingegen chronisch und meist irreversibel. Geht eine Wernicke-Enzephalopathie mit dem Korsakow-Syndrom einher, wird sie als Wernicke-Korsakow-Syndrom bezeichnet.

Ursachen und Risikofaktoren

Thiaminmangel

Die häufigste Ursache des Korsakow-Syndroms ist ein schwerer und chronischer Mangel an Thiamin (Vitamin B1). Jede Erkrankung, die zu chronischem Thiaminmangel führt, kann in einer Wernicke-Enzephalopathie resultieren und - wenn diese unbehandelt bleibt - in ein Korsakow-Syndrom münden. Ein Thiaminmangel wird durch eine unzureichende Aufnahme und/oder eine verminderte gastrointestinale Absorption von Thiamin verursacht, etwa bei Mangelernährung, Essstörungen (vor allem Anorexia nervosa), Ösophagus- oder Magenkarzinom, Zustand nach Gastrektomie, chronischem Erbrechen (einschließlich Hyperemesis gravidarum), Chemotherapie und chronischem Alkoholmissbrauch.

Alkoholabusus

Die häufigste Ursache des Korsakow-Syndroms ist chronischer Alkoholmissbrauch. Alkohol beeinträchtigt die Absorption und Verwertung von Thiamin im Gastrointestinaltrakt, dessen Speicherung in der Leber und die Nutzung innerhalb der Nervenzellen. Eine alkoholinduzierte Leberzellschädigung verringert zudem die Bildung von Thiaminpyrophosphat (TPP), die aktive Form des Vitamins. Darüber hinaus verstärkt eine oft mit dem Alkoholabusus einhergehende Unter- bzw. Mangelernährung die Auswirkungen des Alkoholismus, was zu einem weiteren Thiaminmangel führt. Ferner kann Alkohol das zentrale Nervensystem (ZNS) direkt neurotoxisch schädigen.

Weitere Ursachen

Zu einem Korsakow-Syndrom (Morbus Korsakow) kommt es unter Umständen auch ohne vorhergehenden Vitamin-B1-Mangel. Andere Ursachen für das Korsakow-Syndrom sind beispielsweise schwere Kopfverletzungen, Schlaganfälle, bösartige Veränderungen und/oder operative Eingriffe am Kopf sowie durch Viren verursachte Entzündungen des Gehirns.

Pathophysiologie

Thiamin ist biologisch nicht aktiv. Es muss zunächst mittels Thiaminpyrophosphatase, dessen Kofaktor Magnesium ist, in Thiamindiphosphat (TDP) umgewandelt werden. TDP ist ein Koenzym, das zusammen mit anderen Enzymen wie der Transketolase am Kohlenhydratstoffwechsel beteiligt ist und den Abbau von Glukose unterstützt. Unzureichend vorhandenes TDP bedingt einen Energiemangel mit konsekutiver Anreicherung von Glutamat und einer exzitatorischen Zellschädigung. Ein gestörter Glukosemetabolismus geht ferner mit oxidativem Stress und einem Übermaß an freien Sauerstoffradikalen einher, die ihrerseits nervenzellschädigigen wirken. Darüber hinaus wird TDP in das Mitochondrium aufgenommen, wo es im Pyruvatstoffwechsel wirkt. Ein Mangel an Thiamin resultiert in einer mitochondrialen Schädigung und einer erhöhten Laktatkonzentration, was Ödeme, neuronalen Zellverlust und eine reaktive Gliose im gesamten Gehirn zur Folge haben kann.

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Neben der Thiaminmangel-bedingten Nervenzellschädigung, die vor allem die Basalregionen betrifft, spielen direkte neurotoxische Effekte des Alkohols eine Rolle. Bei entsprechender Vulnerabilität werden der zerebrale Cortex, aber auch subkortikale Hirnregionen geschädigt - mit der Folge einer zerebralen Atrophie und kognitiven Einschränkungen. Eine erhöhte Disposition für Thiaminmangel-induzierte Effekte könnte nur ein leichtes und paroxysmales Korsakow-Bild bedingen. Erst das Vorhandensein beider Vulnerabilitäten prädisponiere für die Entwicklung eines chronischen Korsakow-Syndroms, so eine gängige Hypothese. Dies würde erklären, warum nicht alle Personen mit langjähriger Alkoholabhängigkeit ein Korsakow-Syndrom entwickeln.

Die neuropathologische Grundlage der Korsakow-Symptomatik scheint variabel; größere und kleinere Studien haben morphologische Zellverluste und Gliosen in unterschiedlichen zerebralen Strukturen ergeben. Insgesamt ist aber davon auszugehen, dass die kognitiven Defizite beim Korsakow-Syndrom in erster Linie auf eine Schädigung der folgenden Bereiche zurückzuführen sind: anteriorer Thalamuskern, Mammillarkörper und Corpus callosum. Jüngere Studien zeigten neben den dienzephalen Arealen kortikale strukturelle Veränderungen. Möglicherweise gehen die dienzephalen/subkortikalen Schäden auf den Thiaminmangel zurück, die kortikalen Schäden hingegen auf die Wirkung des Alkohols.

Symptome

Das klinische Bild des Korsakow-Syndroms ist vielgestaltig. Im Vordergrund stehen folgende Beschwerden:

  • Partieller Verlust des Altzeitgedächtnisses
  • Merkfähigkeitsstörungen (Sekundengedächtnis), erhaltenes Immediatgedächtnis
  • Unfähigkeit, neue Gedächtnisinhalte zu speichern

Fakultativ hinzukommen können:

  • Orientierungsstörungen
  • Konfabulationen
  • Mangel an Einsicht
  • Merkfähigkeitsstörung (speziell erheblich herabgesetzte Fähigkeit, sich neue Gedächtnisinhalte einzuprägen)
  • Konzentrations- und Aufmerksamkeitsdefizite
  • Persönlichkeitsveränderungen, vor allem Störungen von Initiative, Antrieb und Spontanität
  • Euphorische Züge mit verminderter Kritikfähigkeit
  • Selbstvernachlässigung

Gedächtnisstörungen

Patienten mit Korsakow-Syndrom zeigen sowohl Einbußen beim Abrufen von Faktenwissen (semantisches Gedächtnis) als auch autobiographisch-episodischen Informationen (episodisches Gedächtnis). Das Erinnern von Erlebnissen und Ereignissen aus der Kindheit ist wesentlich weniger beeinträchtigt als die Wiedergabe rezenter Erinnerungen. In der Zusammenschau lassen sich jedoch Defizite in nahezu allen zeitlichen Bereichen finden. Am geringsten ist allerdings das Kurzzeitgedächtnis mit einer Merkspanne im Bereich von wenigen Sekunden bis zu einer Minute eingeschränkt. Studien belegen weiterhin, dass Korsakow-Patienten oft auch weitere kognitive Schwächen aufweisen, insbesondere geminderte exekutive Funktionen, Störungen der affektiven Verarbeitung und Defizite im Entscheidungsverhalten.

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Konfabulationen

Konfabulationen sind ein charakteristisches Merkmal für Patienten mit Korsakow-Syndrom, aber kein zwingendes Symptom. Beim Konfabulieren füllen Betroffene Erinnerungslücken mit ungenauen oder gänzlich falschen Erinnerungen an Erlebnisse und Fakten. Dies geschieht nicht willentlich, muss also von intentionalen Lügen abgegrenzt werden.

Zeitgitterstörung

Ein beeinträchtigtes Zeitgefühl oder der vollständige Verlust der zeitlichen Orientierung im Sinn einer Zeitgitterstörung ist ein häufig beschriebenes Symptom des Korsakow-Syndroms. Eine Zeitgitterstörung äußert sich meist dadurch, dass Patienten viel zu früh oder zu spät zu Terminen erscheinen oder eine falsche Vorstellung vom aktuellen Datum haben. Ferner könne Betroffene Zeiten und andere Dimensionen (zum Beispiel Mengen, Größen und Gewicht) nur schwer einschätzen. Die Studienlage zu diesem Beschwerdebild ist allerdings gering.

Wernicke-Enzephalopathie

Da das Korsakow-Syndrom sehr häufig als Folge einer Wernicke-Enzephalopathie auftritt, sind auch deren Symptome anzutreffen. Als klassische Trias wird eine Bewusstseinsstörung (Verwirrtheit bis Koma), Okulomotorikstörungen und Stand-/Gang-Ataxie verstanden.

Diagnose

Das Korsakow-Syndrom ist in den meisten Fällen eine klinische Diagnose. Der Verdacht ergibt sich anhand der Anamnese/Fremdanamnese, Symptomatik und den Risikofaktoren für Thiaminmangel. Bei der neurologischen Untersuchung werden vor allem die Gedächtnisleistung, Koordination sowie Gang- und Standsicherheit überprüft.

Caine-Kriterien

Die sogenannten Caine-Kriterien weisen bei Alkoholikern eine Spezifität von 100 Prozent für die Wernicke-Enzephalopathie auf. Aufgrund der starken Überschneidungen beider Erkrankungen können sie auch zum Screening auf das Korsakow-Syndrom verwendet werden.

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Für die Diagnose der Wernicke-Enzephalopathie bei chronischen Alkoholikern sind zwei der folgenden vier Anzeichen erforderlich:

  • Mangelernährung
  • Okulomotorische Anomalien
  • Zerebelläre Dysfunktion
  • Entweder Wesensveränderung oder leichte Gedächtnisstörung

Ernährungsmangel und Erbrechen finden sich häufiger bei Patienten ohne Alkoholabhängigkeit; Okulomotorikstörungen und zerebelläre Symptome eher bei Alkoholabusus. Die Verwendung der Caine-Kriterien anstelle der klassischen Trias erhöht die Sensitivität der klinischen Diagnose von 22 auf 85 Prozent.

Labordiagnostik

Die labordiagnostische Bestimmung der Thiamin-Konzentration ist nicht zur Akutdiagnose geeignet. Das Warten auf das Ergebnis würde die empirische Behandlung verzögern, wodurch wertvolle Zeit verloren geht. Mit einer sofortigen Thiaminsubstitution besteht die Chance, eine noch vorliegende Wernicke-Enzephalopathie zu behandeln und ein Korsakow-Syndrom zu verhindern.

Bei Verdacht auf eine Überlappung beider Erkrankungen im Sinn des Wernicke-Korsakow-Syndroms sind umfassende Laboruntersuchungen (inklusive Liquorbefund) und eine Elektroenzephalografie (EEG) indiziert.

Bildgebende Verfahren

Bildgebende Verfahren wie Magnetresonanz- und Computertomografie (MRT, CT) des Gehirns haben für die Notfalldiagnose des Korsakow-Syndroms keine Bedeutung. Die neurologische Bildgebung kann aber zum Ausschluss anderer Ursachen gerechtfertigt sein. Eine MRT zeigt beispielsweise spezifische Befunde des Wernicke-Korsakow-Syndroms, einschließlich Veränderungen in den Hirnstammkernen, Mamillarkörpern, Thalami und periaqueduktalen Arealen sowie der Tektalplatte. Die Sensitivität beträgt allerdings nur 53 Prozent.

Differenzialdiagnostik

Differenzialdiagnostisch kommen grundsätzlich alle mit Gedächtnisstörungen einhergehenden Erkrankungen infrage, wie z.B. Demenz.

Behandlung

Die Therapiemöglichkeiten des Korsakow-Syndroms sind beschränkt. Die Behandlung stützt sich vor allem auf eine sofortige Thiaminsubstitution und absolute Alkoholabstinenz. Darüber hinaus sind die zugrundliegenden Ursachen zu behandeln. Patienten, die nicht in der Lage oder nicht willens sind, auf Alkohol zu verzichten, profitieren mitunter von einer angemessenen Ernährung und Thiamin-Gabe.

Substitutionsbehandlung

Über die Menge des zu ersetzenden Thiamins gibt es keine internationalen Standardangaben. Typischerweise wird aber hochdosiertes Thiamin in einer Dosierung von 500 mg bis 1500 mg dreimal täglich über mindestens drei Tage empfohlen.

Ferner müssen ein Flüssigkeitsmangel und Elektrolytanomalien korrigiert werden. Besonderes Augenmerk sollte auf einer ausreichenden Magnesiumzufuhr liegen, da thiaminabhängige Enzyme für ihre Funktion auf Magnesium angewiesen sind. Bei vielen Patienten besteht zudem eine Hypoglykämie, die korrigiert werden sollte. Es gibt Hinweise darauf, dass eine verlängerte und nicht akute Substitution von Glukose ohne Thiaminergänzung das Risiko einer Wernicke-Enzephalopathie erhöht.

Gedächtnisrehabilitation

Für eine bestmögliche Gedächtnisleistung sollten die neuropsychologischen Funktionen nach der akuten Phase der Vitamin- und Elektrolytsubstitution trainiert werden. Das deklarative Gedächtnis (Wissen, „was“ war/ist) kann beim Korsakow-Syndrom oft nicht rehabilitiert werden. Das führt dazu, dass viele Patienten lebenslange Betreuung benötigen. Das prozedurale Lernen (Wissen, „wie“ etwas geschieht) scheint beim Korsakow-Syndrom einigermaßen erhalten zu bleiben. Deshalb empfiehlt es sich, die Gedächtnisrehabilitation speziell auf diesen Bereich zu konzentrieren.

Prognose

Die Prognose für Patienten mit Korsakow-Syndrom ist ungünstig. Die Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung sind eher schlecht, vor allem bei kortikalen Läsionen. Mit einer entsprechenden fachtherapeutischen Unterstützung sind allerdings leichte Besserungen der Gedächtnisleistung möglich, einschließlich des Erlernens von Techniken zur Gedächtniskompensation und Strategien zum fehlerfreien Lernen. Bei etwa einem Viertel der Patienten mit Korsakow-Syndrom sind die mentalen Fähigkeiten so stark beeinträchtigt, dass ein selbstständiges Leben ohne Hilfe nicht mehr möglich ist.

Prävention

Das Korsakow-Syndrom kann Folge unterschiedlicher Erkrankungen sein; nicht jeder kann vorgebeugt werden. Da der Hauptrisikofaktor jedoch langjähriger Alkoholmissbrauch ist, gilt es diesen zu verhindern bzw. frühzeitig zu behandeln. Menschen mit Alkoholproblemen oder senken die Wahrscheinlichkeit, an einem Korsakow-Syndrom zu erkranken, jedoch deutlich, indem sie sich in ärztliche Behandlung begeben. Hierdurch vermindern sie das Risiko für eine Wernicke-Enzephalopathie deutlich, wie sie infolge eines Vitamin-B1-Mangels bei alkoholkranken und essgestörten Menschen häufig auftritt. Damit wird dann auch dem Korsakow-Syndrom vorgebeugt.

Bei Patienten, die nicht in der Lage oder nicht willens sind, ihren starken Alkohlkonsum einzuschränken, ist eine normale und gesunde Ernährung besonders wichtig. In manchen Fällen hilft es, Vitamin B1 vorbeugend einzunehmen, um eine Erkrankung zu verhindern. Für andere Risikogruppen eines Vitamin-B1-Mangels, wie beispielweise Menschen, die unter chronischem Erbrechen oder chronischen Durchfällen leiden, ist es ratsam, eine Ernährungsberatung in Betracht zu ziehen.

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