Die Welt des Leistungssports ist ständig auf der Suche nach neuen Wegen, um die Leistung zu optimieren. Eine innovative Methode, die in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, ist die Neuroathletik. Diese Trainingsform basiert auf der Erkenntnis, dass jede Bewegung im Gehirn und nicht im Muskel beginnt. Durch gezieltes Gehirntraining können Sportler das entscheidende Quentchen Leistung hervorkitzeln, das den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmacht.
Die Grundlagen der Neuroathletik
Hinter der Neuroathletik steckt die Idee, dass das Gehirn eine zentrale Rolle bei der Steuerung von Bewegungen spielt. Informationen über die Position des eigenen Körpers im Raum erhält das Gehirn maßgeblich durch die Augen, den Gleichgewichtssinn und das sogenannte propriozeptive System, welches die Wahrnehmung von Muskeln, Sehnen, Bändern und Knochen im eigenen Körper beschreibt. Sind diese Systeme beeinträchtigt, kann es für das Gehirn schwierig sein, komplexe Bewegungsabläufe optimal auszuführen.
Der Sportwissenschaftler und Neuroathletikexperte Lars Lienhard erklärt, dass es beim neurozentrierten Training darum geht, herauszufinden, welche Informationen das Gehirn des Sportlers benötigt, um eine Bewegungsaufgabe optimal zu erfüllen. Es wird quasi mit der Software gearbeitet, die sich im Hintergrund der Bewegung abspielt.
Neuroathletik in der Praxis: Leistungssteigerung und weniger Verletzungen
Die deutsche Meisterin im 200-Meter-Lauf, Rebecca Haase, bereitet sich derzeit auf die Olympischen Spiele in Paris vor und setzt dabei ebenfalls auf Neuroathletik. Ihr Trainer Jörg Möckel betont, dass in der Leistungsdichte der Olympiasprinterinnen schon kleinste Verbesserungen einen großen Unterschied machen können. Ein Prozent Veränderung kann den Unterschied von der zweiten Bundesliga zur Champions League ausmachen.
Haase trainiert mit Lars Lienhard, um dieses eine Prozent Verbesserung zu erreichen. Lienhard identifiziert mithilfe von Videoanalysen Ansatzpunkte im Bewegungsablauf, die Haase noch verbessern kann. Dabei ist ihm beispielsweise ein korrekter Fokus der Augen wichtig. Durch die Stimulation und Anregung der Fußsohlen soll zudem die Kontrolle über die Körperhaltung verbessert werden. Haase selbst bestätigt die Wirkung der Übungen: "Wenn man ein paar Tools bekommt, wie zum Beispiel die Augenposition ein bisschen zu verändern und da von der gesamten Körperpositionen anderen Einfluss zu haben, das merkt man dann auch vom Rennflow."
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Auch Pauline Schäfer-Betz, Weltmeisterin im Schwebebalken, profitiert von Neuroathletik. Nach einer Verletzung nahm sie eine Schonhaltung ein, um den Körper vor einer erneuten Verletzung zu schützen. Diese Schonhaltung beeinträchtigte jedoch ihre Standfestigkeit. Lienhard setzt sensorische Stimulation ein, um einen Bereich im Gehirn zu aktivieren, der für die Sicherheit zuständig ist, sodass Schäfer-Betz die Bewegungen gelöster ausführen kann.
Sprinterinnen wie Haase sind extremen Belastungen ausgesetzt. Bei jedem Bodenkontakt hält der Fuß der Kraft von einer Tonne stand. Fehler in der Haltung oder der technischen Ausführung kosten nicht nur Zeit, sondern können auch der Gesundheit schaden.
Individualität als Schlüssel zum Erfolg
Ein wichtiger Aspekt der Neuroathletik ist die Individualität. Was beispielsweise Haase hilft, kann Lienhard nicht einfach auf andere Sportlerinnen übertragen. Es müssen für jede Person die richtigen Werkzeuge einzeln herausgearbeitet werden.
Die neuronale Revolution des Krafttrainings
Die Neuroathletik revolutioniert auch das Krafttraining. Denn wie viel Kraft ein Muskel erzeugen kann, wird in erster Linie vom Gehirn und dem zentralen Nervensystem bestimmt. Die Muskeln selbst sind nur die ausführenden Organe. Lars Lienhard erklärt in seinem Buch "Training beginnt im Gehirn", wie das Gehirn durch neuronale Methoden stimuliert werden kann, um optimal Kraft zu generieren. Mithilfe effizientester Übungen können Sportler das Potenzial ihrer Muskeln nutzen und ihre Kraftleistung deutlich verbessern.
Lars Lienhard: Ein Pionier der Neuroathletik
Lars Lienhard ist ein Pionier des Neuroathletiktrainings. Er arbeitet als Trainer, Berater und Ausbilder im Spitzensport und hat zahlreiche Athleten auf die Olympischen Spiele vorbereitet. Mit seinem Neuro Athletic Training Institute bietet er Ausbildungen für Trainer, Therapeuten und Athleten an.
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Neuroathletik: Mehr als nur Leistungssport
Neuroathletik ist nicht nur für Leistungssportler interessant. Auch Freizeitsportler und Menschen, die ihre allgemeine Bewegungsqualität verbessern möchten, können von dieser Trainingsform profitieren. Denn Neuroathletik hilft dabei, die Zusammenarbeit zwischen Gehirn und Körper zu optimieren und so die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden zu steigern.
Neuroathletik-Trainer Ausbildung
Es gibt die Möglichkeit, eine Ausbildung zum Neuroathletik-Trainer zu absolvieren. Diese Ausbildungen sind für alle geeignet, die Erfahrungen mit jeglicher Form von Bewegung haben und/oder sich mit dem menschlichen Gehirn beschäftigen. Hilfreich ist es, sich vor Beginn der Ausbildung in die Grundlagen der Neurobiologie einzulesen. Die Ausbildung umfasst mehrere Module, die einzeln oder als Komplettpaket gebucht werden können.
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