Am 12. September fand der Europäische Kopfschmerz- und Migränetag statt, an dem Organisationen in ganz Europa auf diese weit verbreitete, aber oft unterschätzte Gruppe neurologischer Erkrankungen aufmerksam machten. Die Neurologische Abteilung am Salzkammergut-Klinikum Vöcklabruck unter der Leitung von Prim. Priv.-Doz. Dr. Nenad Mitrovic spielt eine wichtige Rolle bei der Diagnose und Behandlung von Kopfschmerzen, Migräne und verwandten neurologischen Erkrankungen.
Weit verbreitet, häufig unterschätzt
Daten der WHO zufolge sind Spannungskopfschmerz und Migräne die weltweit zweit- und dritthäufigsten Erkrankungen überhaupt. Die „Global Burden of Disease“-Studie liefert wichtige Informationen zur Dimension des Problems. Neurologische Erkrankungen insgesamt sind etwa für ein Zehntel der von Menschen in Krankheit und mit Einschränkungen und Beschwerden verbrachten und verlorenen Lebensjahre (DALY) verantwortlich. Innerhalb dieser Gruppe nehmen Kopfschmerzen und Migräne die Spitzenplätze ein - noch vor Demenzerkrankungen. Spannungskopfschmerz als häufigste Kopfschmerzform belastet 1,5 Milliarden Menschen, an wiederkehrenden Migräneattacken leiden rund 986 Millionen Menschen weltweit. 58,5 Millionen Menschen haben Schmerzmittel-bedingte Kopfschmerzen, häufig aufgrund lang andauernder Selbstmedikation. Auch österreichische Daten zeigen, welches Problem chronische Kopfschmerzen darstellen: So litten der Studie von Zebenholzer et al. zufolge etwa 56,4 % der befragten Patienten an episodischen Kopfschmerzattacken, 38,3 % an chronischen Beschwerden. Mit einem Anteil von 45,5 % stellten Migränepatienten die größte Gruppe von Betroffenen dar.
Versorgungslücken und Expertenempfehlungen
Die Versorgungssituation in Österreich wird als problematisch bezeichnet. Es besteht ein Auseinanderklaffen zwischen Expertenempfehlungen und der Praxis. Eine Erhebung in acht österreichischen Kopfschmerzzentren hat gezeigt, dass viele Patienten vor der Überweisung in ein spezialisiertes Zentrum keine ausreichende Therapie erhalten haben. Triptane als spezifische Mittel zur Akuttherapie wurden nicht mehr als 6 % der Erwachsenen mit Migräne verordnet.
Durchbruch in der Migräneprophylaxe: Antikörper gegen Attacken
In den vergangenen Jahren wurden vier monoklonale Antikörper zur Behandlung der chronischen oder episodischen Migräne entwickelt und in klinischen Studien untersucht, und zwar Erenumab, Galcanezumab, Fremanezumab und Eptinezumab. Drei wirken als Antagonisten gegen das Protein „calcitonin gene-related peptide“ (CGRP) und einer gegen dessen Rezeptor. CGRP ist ein wichtiger Botenstoff, bestehend aus 37 Aminosäuren, der an der Schmerzweiterleitung beteiligt ist und zu erhöhter Schmerzempfindlichkeit führt. Er kommt während einer Migräneattacke verstärkt in Blut und Speichel vor und spielt eine gut belegte Rolle für das Entstehen der Beschwerden. Die Wirksamkeit und die Sicherheit der vier monoklonalen Antikörper wurden und werden in vielen Studien untersucht, an einigen davon war auch die Innsbrucker Universitätsklinik für Neurologie beteiligt. Die STRIVE-Studie attestiert beispielsweise Erenumab eine klare Überlegenheit gegenüber Placebo. Untersucht wurden 955 Patienten, die vor Beginn der Antikörpertherapie durchschnittlich 8,3 Migränetage pro Monat aushalten mussten. Der unter die Haut injizierte Wirkstoff vermochte die Attacken zwar nicht gänzlich zu verhindern, er konnte ihre Zahl jedoch deutlich senken, und zwar um 3,2 pro Monat in der 70mg-Dosierung und um 3,7 pro Monat in der 140mg-Dosierung. Die Placebogruppe verzeichnete einen Rückgang von nur 1,8 Tagen pro Monat. Für den CGRP-Antikörper Fremanezumab liegen Daten aus einer Phase-III-Studie mit 1130 Patienten vor, die unter chronischer Migräne leiden. Diese erhielten 675mg Fremanezumab subkutan vierteljährlich, monatlich oder ein Placebo. Die durchschnittliche Reduktion der monatlichen Kopfschmerztage betrug bei quartalsweiser Gabe 4,3 Tage, bei monatlicher Gabe 4,6 Tage, bei Placebo 2,5 Tage. Der Wirkstoff Erenumab ist seit September 2018 auf dem österreichischen Markt erhältlich. Fremanezumab dürfte als nächste Substanz aus dieser Gruppe für Patienten verfügbar sein.
Weniger Nebenwirkungen als klassische Migränemedikation
Die CGRP-Antikörper weisen auch ein generell sehr günstiges Nebenwirkungsprofil auf. Die neue Medikamentenklasse erspart Patienten jene Belastungen, die bei gängigen Prophylaxemitteln gegen episodische Migräne häufig auftreten, wie Gewichtszunahme, Stimmungsschwankungen, Schwindel, Schläfrigkeit, Erschöpfung, ja sogar geistige Beeinträchtigung. Das wird zukünftig auch im Patientengespräch von großer Bedeutung sein und sich vermutlich positiv auf die Therapietreue auswirken.
Lesen Sie auch: Umfassende neurologische Betreuung in Bitterfeld-Wolfen
Gefährliche Kopfschmerzen: Wenn hinter Migräne ein Schlaganfall steckt
Anlässlich des Europäischen Kopfschmerz- und Migränetages sollte auch ein Bewusstsein für seltene Kopfschmerzformen geschaffen werden, die ein Hinweis für schwere Erkrankungen sein können. Hellhörig sollte man werden, wenn Menschen plötzlich über massive Kopfschmerzen klagen, die bisher von diesem Problem weitgehend verschont waren, oder wenn sich bei Patienten die bekannten Kopfschmerzen hinsichtlich Charakter, Intensität oder Frequenz verändern. Auch wenn der klinische Verlauf der Beschwerden atypisch wird oder zusätzlich neurologische Auffälligkeiten auftreten, sollte dies nicht auf die leichte Schulter genommen werden. All das können Warnsignale für sehr gefährliche Erkrankungen sein, darunter Schlaganfall, Meningitis, strukturelle Gehirnläsionen, wie vaskuläre Malformationen, Glioblastome oder andere Tumoren, die sich hinter veränderten Kopfschmerzen und Migräne mit Aura verbergen können.
Bei migräneähnlichen Attacken mit untypischem Verlauf ist zudem die Verwechslungsgefahr mit Schlaganfall möglich, denn die Symptome können ähnlich sein. Ein besonders plakatives Beispiel ist die familiäre hemiplegische Migräne, eine seltene, genetisch bedingte Form der Migräne, die mit motorischen Ausfällen und Bewusstseinsstörungen einhergeht und leicht als Schlaganfall interpretiert werden kann. Umgekehrt geht ein akuter Schlaganfall oft mit Kopfschmerzen einher und kann klinisch einer Migräne mit Aura ähneln.
Insgesamt ist die Beziehung zwischen Kopfschmerz, Migräne und Schlaganfall sehr komplex. Sie können gleichzeitig ohne direkten Zusammenhang auftreten, es gibt aber auch zahlreiche Verbindungen zwischen diesen Krankheiten. Laut einer Metaanalyse ist bei Migränepatienten mit begleitender Aurasymptomatik von einem etwa zweifach erhöhten Risiko für ischämische Schlaganfälle auszugehen.
Famulatur Erfahrungen in der Neurologie Vöcklabruck
Einblicke in die praktische Ausbildung auf der Neurologie in Vöcklabruck bieten Erfahrungsberichte von Famulanten. Diese berichten von einem lehrreichen Umfeld, in dem sie durch engagierte Ärzte und Pflegekräfte unterstützt werden. Besonders hervorgehoben wird die Möglichkeit, eigenständig Aufgaben zu übernehmen, Patientengespräche zu führen und verschiedene Untersuchungsmethoden kennenzulernen.
Einige Famulanten schätzen die Betreuung durch bestimmte Oberärzte und die Möglichkeit, in verschiedenen Ambulanzen (EEG, EMG/ENG, VP, MS-Ambulanz, Kopfschmerz-Ambulanz usw.) Erfahrungen zu sammeln. Auch die Einbindung in Lumbalpunktionen wird positiv erwähnt. Der Kontakt zur Pflege wird als gut beschrieben, wobei das persönliche Vorstellen großgeschrieben wird.
Lesen Sie auch: Neurologische Versorgung im Hedwig Krankenhaus
Es gibt jedoch auch kritische Stimmen, die die Arbeitszeiten als lang empfinden und sich eine bessere Einbindung gewünscht hätten. Trotzdem wird das Fachgebiet als interessant und lehrreich beschrieben.
Renate Nobis übernimmt Pflegedirektion am Salzkammergut Klinikum
Renate Nobis übernahm am 1. September 2021 die Pflegedirektion am Salzkammergut Klinikum in Österreich. Sie leitet den Pflegebereich am Salzkammergut Klinikum Vöcklabruck bereits seit mehr als fünf Jahren. Sie ist bereits seit 1989 Mitarbeiterin in der Gesundheitsholding. Sie folgt als Pflegedirektorin auf Gabriele Meixner, die seit 2006 die Pflegedirektion zunächst am LKH Vöcklabruck und ab 2013 am Salzkammergut Klinikum inne hatte und sich im September in die wohlverdiente Pension verabschiedet. Nachdem Renate Nobis die Gesundheits-und Krankenpflegeschule in Vöcklabruck besucht hat, arbeitete sie als Diplomkrankenpflegerin am LKH Vöcklabruck.
Zentrale Ambulante Erstversorgung (ZAE)
Die Zentrale Ambulante Erstversorgung (ZAE) in Vöcklabruck bietet KPJ-Studenten die Möglichkeit, sich in fast allen Bereichen der Medizin auszutoben (Innere, Neurologie, Psychiatrie, Urologie, Chirurgie, HNO, Augen,… - nur für Kinder und Unfallchirurgie gibt es eigene Erstversorgungen). Das Team nimmt einen herzlich auf und man kann je nach Team mehr oder auch weniger machen darf (PatientInnen erstuntersuchen, Zugänge legen, aBGAs, EKG interpretieren, fachspezifische Untersuchungen durchführen, etc.). Oft darf/soll man die Ambulanzbriefe oder Dekurse diktieren und Patientengespräche führen - die Letztverantwortung hat man aber verständlicherweise nie und für ambitionierte StudentInnen kann das je nach Zuteilung und Tätigkeiten auch manchmal etwas unterfordernd sein. Schlussendlich kommt es natürlich auf die Eigeninitiative an und wie sehr man sich anbietet/aufdrängt manche Tätigkeiten selbst durchzuführen oder nur still daneben zu sitzen. Das Konzept ist sehr spannend: Die ZAE wird in Vöcklabruck eigentlich ausschließlich von AllgemeinmedizinerInnen besetzt, die zumeist den Großteil der ambulanten Primärversorgung abdecken (z.B.: Rückenschmerzen, Infekte, Palpitationen, Atemnot, Erstversorgung MCI oder Insult…). Sollte jemand aufgenommen werden oder kritisch erkrankt sein, wird der Facharzt zugezogen. Somit hat man auch als KPJ-StudentIn die Möglichkeit sich in fast allen Bereichen der Medizin auszutoben.
Lesen Sie auch: Schmerztherapie in der Neurochirurgie Meppen
tags: #krankenhaus #vöcklabruck #neurologie #abteilung