Demenz verändert das Leben von Betroffenen und ihren Angehörigen. Vieles, was früher selbstverständlich war, wird zunehmend schwieriger. Doch auch mit Demenz ist ein erfülltes Leben möglich. Kurzaktivierungen bieten eine wertvolle Möglichkeit, Menschen mit Demenz zu erreichen, ihre Fähigkeiten zu fördern und ihnen Freude zu bereiten.
Was bedeutet Kurzaktivierung bei Demenz?
Kurzaktivierung bedeutet, Menschen mit Demenz durch gezielte Aktivitäten in kurzer Zeit zu aktivieren und ihre Sinne anzuregen. Diese Aktivitäten sind oft an die Biografie der Betroffenen angelehnt und berücksichtigen ihre individuellen Vorlieben und Fähigkeiten.
Die Bedeutung der Kurzaktivierung
- Förderung der kognitiven Leistung: Regelmäßiges Gedächtnistraining kann den Abbau der kognitiven Leistung hinauszögern und vorhandene Kompetenzen stärken.
- Anregung der Sinne: Aktivierungsmaterialien zum Anschauen und Berühren regen die Wahrnehmung an.
- Aktivierung des Langzeitgedächtnisses: Erinnerungen aus dem Langzeitgedächtnis können noch über einen langen Zeitraum abgerufen werden und positive Emotionen hervorrufen.
- Steigerung der Konzentrationsfähigkeit: Auch wenn die Konzentrationsfähigkeit eingeschränkt ist, können kurze Aktivierungseinheiten positive Effekte erzielen.
- Stärkung des Selbstwertgefühls: Erfolgserlebnisse bei den Aktivitäten stärken das Selbstwertgefühl und fördern die Lebensfreude.
- Förderung der sozialen Interaktion: Gruppenaktivitäten ermöglichen das Erleben von Gemeinschaft und beugen sozialer Isolation vor.
Beispiele für Kurzaktivierungen
Die Möglichkeiten der Kurzaktivierung sind vielfältig und können individuell an die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Betroffenen angepasst werden. Hier einige Beispiele:
1. Biografieorientierte Aktivierungen
- Fotoalben anschauen: Gemeinsames Betrachten von Fotoalben und Gespräche über die Bilder wecken Erinnerungen und fördern die Kommunikation.
- Gegenstände aus der Vergangenheit: Das Zeigen von alten Gegenständen wie Flohmarktartikeln oder Erbstücken kann Erinnerungen wachrufen und Gespräche anregen.
- Biografiefragen stellen: Kurze, einfache Fragen zur Vergangenheit der Betroffenen regen das Langzeitgedächtnis an. Beispiele: "Sind Sie früher oft Schlitten gefahren?", "Welchen Beruf hatten Sie?"
2. Sinnesanregende Aktivierungen
- Aromen und Düfte: Das Riechen an verschiedenen Aromen wie Kaffee, Blumen oder Gewürzen kann Erinnerungen wecken und die Sinne anregen.
- Gegenstände erfühlen: Verschiedene Materialien wie Holz, Steine oder Stoffe ertasten lassen, um den Tastsinn zu aktivieren.
- Geräusche erkennen: Alltagsgeräusche wie das Rascheln von Papier oder das Klingeln einer Glocke erkennen lassen, um den Hörsinn zu schärfen.
- Farben und Muster: Die Aufmerksamkeit auf bestimmte Farben oder Muster lenken, um das Sehen zu schärfen.
3. Musikalische Aktivierungen
- Gemeinsames Singen: Das Singen von vertrauten Liedern, ggf. auch mit religiösem Inhalt, kann Freude bereiten und Erinnerungen wecken.
- Musik hören: Das Hören von vertrauter Musik aus der Jugendzeit kann positive Emotionen hervorrufen und Erinnerungen aktivieren.
- Musizieren: Wenn möglich, können Menschen mit Demenz auch selbst musizieren oder ein Instrument spielen.
4. Bewegungsaktivierungen
- Spaziergänge: Regelmäßige Spaziergänge an der frischen Luft fördern die körperliche Gesundheit und das Wohlbefinden.
- Tanzen: Gemeinsames Tanzen, auch im Sitzen, kann Freude bereiten und die Koordination fördern.
- Spiele mit Bällen: Spiele mit Bällen oder anderen Materialien regen die Bewegung an und fördern die Interaktion.
- Handgymnastik: Fingerspiele und Handgymnastik fördern die Durchblutung und die Koordination.
5. Alltagsnahe Aktivierungen
- Hauswirtschaftliche Tätigkeiten: Einfache Tätigkeiten wie Tisch decken, Spülen, Putzen oder Bügeln können eine sinnvolle Beschäftigung sein.
- Gartenarbeit: Arbeiten im Garten wie Blumen gießen oder Unkraut jäten können Freude bereiten und die Sinne anregen.
- Handwerkliche Tätigkeiten: Arbeiten mit Wolle, Schmirgeln von Holz oder Sortieren von Werkzeug können eine sinnvolle Beschäftigung sein.
6. Gedächtnisübungen
- Sprichwörter ergänzen: Bekannte Sprichwörter vervollständigen lassen, um das Gedächtnis zu aktivieren.
- Wortfindungsübungen: Nach Wörtern zu bestimmten Themen suchen lassen, um die sprachlichen Fähigkeiten zu fördern.
- Gedächtnisspiele: Einfache Gedächtnisspiele wie Memory oder Puzzles im Großformat können die Konzentration fördern.
7. Aktivierung mit dem Plaudertisch
Der Plaudertisch ist ein speziell entwickeltes Gerät, das Menschen mit Demenz durch Bewegung, soziale Interaktion und kognitives Training aktiviert. Er bietet eine Vielzahl von Aktivierungsmöglichkeiten, die individuell an die Bedürfnisse der Betroffenen angepasst werden können.
- Bewegungsgeschichten: Geschichten mit eingebauten Bewegungsanweisungen regen die Fantasie an und fördern die Bewegung.
- Gehirntraining: Kleine Denksportaufgaben wie das "Kategorien-Puzzle" fordern die geistige Leistungsfähigkeit.
- Dual-Tasking-Karten: Bunte Bilder auf Karten, die mit bestimmten Bewegungen oder Reaktionen verknüpft sind, fördern die kognitive und motorische Aktivität.
- Plaudern und Singen: Gemeinsames Singen von alten Liedern oder Erzählen von Anekdoten zu bestimmten Gegenständen regen das Langzeitgedächtnis an und sorgen für gute Stimmung.
8. Spezielle Themenaktivierungen
- Jahreszeiten: Die Jahreszeiten thematisieren, z. B. mit Blumen, Getreidehalmen, Kastanien im Herbst oder Schnee im Winter.
- Feste und Feiertage: An Feste wie Weihnachten, Ostern oder Geburtstage erinnern und passende Aktivitäten anbieten.
- Reisen und Urlaub: Erinnerungen an vergangene Reisen wecken und über Urlaubserlebnisse sprechen.
- Berufe: Über frühere Berufe sprechen und Tätigkeiten ausüben, die damit in Verbindung stehen.
Tipps für die Gestaltung von Kurzaktivierungen
- Individuelle Bedürfnisse berücksichtigen: Die Aktivitäten sollten an die individuellen Vorlieben, Fähigkeiten und das Stadium der Demenz angepasst sein.
- Positive Atmosphäre schaffen: Eine entspannte und wertschätzende Atmosphäre ist wichtig, damit sich die Betroffenen wohlfühlen und sich auf die Aktivitäten einlassen können.
- Erfolge ermöglichen: Die Aktivitäten sollten so gestaltet sein, dass Erfolgserlebnisse möglich sind, um das Selbstwertgefühl zu stärken.
- Kreativ sein: Lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf und entwickeln Sie eigene Ideen für Aktivierungen.
- Flexibel bleiben: Passen Sie die Aktivitäten an die aktuelle Situation und die Stimmung der Betroffenen an.
- Nicht überfordern: Achten Sie darauf, die Betroffenen nicht zu überfordern und die Aktivitäten bei Bedarf zu verkürzen oder zu vereinfachen.
- Die 10-Minuten-Aktivierung nutzen: Diese Methode ermöglicht es, innerhalb kurzer Zeit Zugang zu den Betroffenen und ihrer persönlichen Biografie zu gelangen.
- Professionelle Unterstützung suchen: In vielen Orten gibt es Betreuungsgruppen oder Tagespflegeeinrichtungen, die spezielle Aktivierungsangebote für Menschen mit Demenz anbieten.
Aktivierungsideen von A-Z
Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. bietet eine Vielzahl von Beschäftigungsideen von A-Z an, die als Anregungen für die Aktivierung von Menschen mit Demenz dienen können:
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- Aromen und Düfte erschnuppern und raten
- Auto waschen, über Autos „fachsimpeln“
- Ballspiele
- Basteln
- Bügeln - vertraute, nützliche Tätigkeit
- „Büroarbeit“ (Blätter abheften, lochen …)
- Computer - z. B. die biografisch orientierten Spiele auf der CD-Rom „Demenz interaktiv“ der Deutschen Alzheimer Gesellschaft
- Flohmarkt besuchen (alte Kaffeemühle, Waschbrett, … finden)
- Fotoalbum gemeinsam anschauen und über die Bilder und ihre Geschichten sprechen
- Gartenarbeit (ggf. am Hochbeet)
- Gedichte (die früher in der Schule gelernt wurden)
- Gesellschaftsspiele (ggf. vereinfacht)
- Gespräche, Erinnerungen an früher
- Handarbeit (stricken, Wolle aufwickeln)
- Handpuppen (sie werden oft leichter angesprochen als „echte“ Menschen)
- Jahreszeiten thematisieren (mit Blumen, Getreidehalmen, Kastanien …)
- Kirchen, Gottesdienst besuchen
- Konzert besuchen
- Kochen und Backen
- Lachen, Humor
- Malen
- Massieren
- Musik: hören, singen, musizieren
- Nachrichten aus der Zeitung vorlesen und diskutieren (lokale Ereignisse, besondere Interessensgebiete)
- Obstsalat zubereiten
- Puzzeln
- Rad fahren, Tandem fahren
- Reisen, Ausflüge (z. B. mit dem Wohnmobil als „rollendes Zuhause“)
- Restaurant oder Café besuchen
- Rosenkranz beten, Religiöses
- Sinne anregen (Basale Stimulation)
- Spazieren gehen
- Sprichwörter raten/ergänzen
- Sport
- Tanzen
- Tiere ansehen, streicheln
- Urlaubssouvenirs betrachten
- Vorlesen (Zeitung, Märchen, …)
- Wandern
- Werkzeugkasten (aufräumen, sortieren)
- Zoo besuchen
Literaturtipps
Es gibt zahlreiche Bücher und Anleitungen, die bei der Aktivierung von Menschen mit Demenz helfen können. Hier einige Beispiele:
- Altekrüger, H.: „Spielkarten für Senioren als Erinnerungsspiel“
- Baer, U. (2020): Aktivierungskarten für Senioren. Spiele, Geschichten, Bilder, Lieder. Mit Online Material zum Download.
- Buchholz, T.; Schürenberg, A.: Basale Stimulation in der Pflege alter Menschen“. Anregungen zur Lebensbegleitung. Hans-Huber Verlag Bern 2009, ISBN: 978-3456845647
- Friese, A.: „Frühlingsgefühle“, „Sommerfrische“, „Herbstvergnügen“, „Winterfreuden“. Jahreszeitliche Kurzaktivierungen für Menschen mit Demenz, Vincentz-Verlag
- Henze, B. (2016): Aktivieren mit Handgymnastik - Fingerspiele für Menschen mit und ohne Demenz, Band 1.
- Lotz, T. (2020): Wer erinnert sich? Die fünfziger Jahre. Rätseln. Singen. Erzählen. Zurückblicken. Ausgabe mit CD.
- Radenbach, J.: „Aktiv trotz Demenz“, Handbuch für die Aktivierung und Betreuung von Demenzerkrankten. Schlütersche 2009, ISBN 978-3-89993-219-5
- Schmidt Hackenberg, U. (2013)10-Minuten-Aktivierung als Methode. Ergänzt um die Körperspreche der Dementen. Vincentz Network.
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