Ursachen und Behandlung der Fazialisparese (Gesichtslähmung)

Eine Gesichtslähmung, auch Fazialisparese genannt, tritt plötzlich auf und beeinträchtigt die Fähigkeit, die Mimik zu steuern. In den meisten Fällen ist eine gesamte Gesichtshälfte betroffen, da eine einseitige Störung des peripheren Gesichtsnervs vorliegt. Die Ursachen für eine Fazialisparese sind vielfältig und können von Verletzungen bis hin zu Infektionen reichen.

Arten der Fazialisparese

Je nachdem, wo der Gesichtsnerv beeinträchtigt ist, gibt es verschiedene Ausprägungen der Gesichtslähmung:

  • Periphere Fazialisparese: Hier ist der Nerv in seinem Verlauf vom Hirnstamm zum Gesicht geschädigt, was zu einer Lähmung einer gesamten Gesichtshälfte führt. Bei der häufigsten Form der halbseitigen Gesichtslähmung ist die Ursache unbekannt. Dieses Phänomen wird auch als sogenannte "Bell-Parese" bezeichnet.
  • Zentrale Fazialisparese: Hier ist die Verschaltung des Nervus Facialis im Gehirn gestört. Das Gesicht ist vom Auge bis zum Kinn einseitig gelähmt, wobei die Mimik im Bereich der Stirn erhalten bleibt. Dies liegt daran, dass beide Stirnseiten von Nervenfasern aus beiden Gehirnhälften versorgt werden.

Symptome einer Fazialisparese

Eine Gesichtslähmung tritt in der Regel sehr plötzlich auf. Innerhalb weniger Stunden entwickeln sich typische Symptome:

  • Erschlaffung der Gesichtsmuskeln
  • Absinken der Augenbrauen
  • Kribbeln oder Taubheitsgefühl in der Haut
  • Steifes Gefühl im Gesicht
  • Ohrenschmerzen (bei manchen Betroffenen)
  • Gestörter Geschmackssinn
  • Unfähigkeit, das Augenlid zu schließen oder den Mundwinkel zu bewegen (in schweren Fällen)

Dies kann zu weiteren Beschwerden führen:

  • Trockener Mund und trockene Augen
  • Geräuschempfindlichkeit
  • Beeinträchtigung des Sprechens und der Fähigkeit, Gefühle durch Mimik auszudrücken
  • Psychische Belastungen

In den meisten Fällen sind die Symptome jedoch nur vorübergehend. Ärzte sprechen dann von einer transienten Fazialisparese. Nur etwa bei jedem fünften Betroffenen kommt es zu anhaltenden Beschwerden. Trotzdem sollte man sich während dieser Zeit in ärztliche Behandlung begeben. Wenn nach einem halben Jahr noch Anzeichen einer Lähmung vorhanden sind, ist es ratsam, sich in einem spezialisierten Zentrum untersuchen zu lassen.

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Ursachen einer Fazialisparese

Als Ursachen einer Fazialisparese kommen viele Faktoren infrage:

  • Infektionen: Virusinfektionen wie Gürtelrose-Erreger (Varizella-Zoster-Virus), Herpes-Simplex-Virus, Zoster oticus, Windpocken (Varizellen), Mumps, Grippe (Influenza), Kinderlähmung (Poliomyelitis oder kurz Polio). Bakterielle Infektionen wie Mittelohrentzündung, Borreliose (Lyme-Disease), Scharlach, Entzündung der Ohrspeicheldrüse, Hirnhautentzündung (Meningitis).
  • Verletzungen: Knochenbrüche oder Wunden im Gesicht, Schädel-Hirn-Trauma mit Bruch des Felsenbeins, Gesichtsverletzungen im Bereich der Ohrspeicheldrüse, Barotrauma im Mittelohr durch Fliegen oder Tauchen, Geburtstrauma (Zangengeburt).
  • Tumore: Tumore des Nerven oder angrenzender Gebiete wie Akustikusneurinom, Tumore des Nervus facialis, Tumore der Ohrspeicheldrüse, Neurofibromatose Recklinghausen, Metastasen anderer Tumoren.
  • Autoimmunerkrankungen: Sarkoidose / Morbus Boeck, Guillian-Barré-Syndrom.
  • Systemische Erkrankungen: Melkersson-Rosenthal-Syndrom, Möbius-Syndrom, Diabetes.
  • Andere Ursachen: Schlaganfall, Multiple Sklerose, Vergiftungen durch Medikamente oder Giftstoffe, Ohrfehlbildungen.

In den allermeisten Fällen lässt sich allerdings keine Ursache für die Gesichtslähmung ausmachen. Mediziner sprechen dann von einer idiopathischen Fazialisparese (Bell-Parese). Mediziner vermuten, dass es sich bei der Bell-Parese um eine autoimmune Entzündungsreaktion des Gesichtsnervs handelt. Diese kann durch Faktoren wie Zugluft, Stress, Schwangerschaft, Zyklusschwankungen sowie Bakterien- oder Virusinfektionen verursacht werden. Die Entzündung lässt den Nervus facialis anschwellen - er wird in dem engen Knochenkanal regelrecht eingeklemmt und schädigt sich dadurch selbst.

Risikofaktoren für eine Gesichtslähmung sind hoher Blutdruck und Diabetes. Letztlich kann extremer Stress eine Gesichtslähmung begünstigen.

Diagnose einer Fazialisparese

Die Diagnose der Fazialisparese ist vor allem Ursachenforschung. Mithilfe einer Magnetresonanztomografie (MRT) oder Computertomografie (CT) untersucht der Arzt, ob der Auslöser im Gehirn liegt. Im nächsten Schritt wird Blut abgenommen oder eine Lumbalpunktion zur Gewinnung von Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit durchgeführt. Auch eine Mittelohrentzündung kann den Nervus facialis in Mitleidenschaft ziehen, daher kann für die Diagnose eine Zusammenarbeit zwischen HNO-Arzt und Neurologen sehr hilfreich sein.

Zusätzlich erfolgt eine eingehende klinische wie auch elektrophysiologische Untersuchung der Patienten. Hierbei kommen Testverfahren wie die Durchführung von Nervenerregbarkeitstests, Untersuchung der Nervenleitgeschwindigkeit sowie Elektromyographien zur Anwendung. Ziel ist es Ursache, Lokalisation und Ausprägung der Parese sowie evtl. noch vorhandene Restfunktionen des N. facialis zu ermitteln. Im Einzelfall werden noch weitere Spezialuntersuchungen mit Computertomographien und Magnetresonanztomographien durchgeführt.

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Behandlung einer Fazialisparese

Wenn eine Infektion, ein Schlaganfall oder eine andere Erkrankung eine Fazialisparese auslöst, wird in erster Linie die entsprechende Grunderkrankung behandelt. In den häufigeren Fällen einer Fazialisparese ohne bekannte Ursache konzentriert sich die Therapie darauf, die Symptome zu lindern.

Medikamentöse Therapie

  • Virustatika und Antibiotika: Bei einer Infektion mit einem Virus oder einem Bakterium helfen diese Medikamente, die Erreger zu eliminieren.
  • Glukokortikoide (Kortison): Kommen bei manchen Betroffenen zum Einsatz.
  • Augensalben und -tropfen: Lindern Beschwerden, die dadurch entstehen, dass die Betroffenen nicht mehr in der Lage sind, das Auge richtig zu schließen.
  • Vitamin-B-Komplex: Bei Vitamin-B12-Mangel. Hierbei werden insbesondere Vitamin B12 aber auch Vitamin B6 und B1 eingesetzt.
  • Durchblutungsfördernde Medikamente: Mittels Infusionen verabreichen Arzt oder Ärztin auch manchmal durchblutungsfördernde Medikamente.

Weitere Therapieansätze

  • Transkutane Nervenstimulation: Hierbei regen leichte Stromwellen die betroffenen Nerven und Muskeln an. Der Strom wird über eine Elektrode auf der Haut in den Körper geleitet.
  • Fazialisparese-Übungen: Spezielle Übungen ermöglichen es den Betroffenen, unter professioneller Anleitung das Sprechen zu verbessern, leichter essen und trinken zu können sowie Gesichtsausdrücke zu trainieren. Auch müssen Erkrankte lernen, wie sie das Auge - wenn es sich nicht mehr richtig schließen lässt - vor Umwelteinflüssen im Alltag schützen können.
  • Operative Therapie: Das gesamte Spektrum operativer Verfahren zur Behandlung der Fazialisparese wird angeboten. Hierzu gehören sowohl Techniken der Nervenrekonstruktion sowie sekundär plastisch-rekonstruktive Maßnahmen mit dem Ziel der Rehabilitation des Mundes bzw. des Auges.

Operative Maßnahmen im Detail

  • Nervenrekonstruktion:
    • Primäre Nervennaht: Nach erlittenem Trauma bietet die primäre Versorgung die besten Aussichten für eine erfolgreiche Reinnervation.
    • Sekundäre Nervennaht - Nerveninterponate: Unter Verwendung von sensiblen Hautnerven (z.B. N. suralis vom Unterschenkel) können Defekte im Verlauf des N.facialis erfolgreich überbrückt werden.
    • Hypoglossus-Fazialis-Anastomose: Hierbei werden Teile des N. hypoglossus (Zungennerv) mit peripheren Enden des N. facialis verbunden um eine Reinnervation der gelähmten Muskulatur zu erzielen.
    • Cross-Face Nerve Graft (CFNG): Bei Fehlen eines geeigneten zentralen N. facialis-Stumpfes kann unter Verwendung eines Nerventransplantates (z.B. N. suralis) von der gesunden Seite die Innervation der Muskulatur der gelähmten Seite erreicht werden. Zusätzlich kann die Technik des CFNG als additives Verfahren zum freiem funktionellen Muskeltransfer gesehen werden.
    • Neuromuskuläre Transposition: Hierunter wird die Einbringung eines innervierten Fremdmuskels in die gelähmte mimische Muskulatur verstanden. Für die Gesichtsmuskulatur eignet sich hier insbesondere der M. temporalis oder der M. masseter.
    • Freie neurovaskuläre funktionelle Muskeltransplantation: Hierunter versteht man die Verwendung eines Muskel-Nerv-Gefäß-Transplantates, z.B. aus einem Oberschenkelmuskel (M. gracilis) als Ersatz für die gelähmte Gesichtsmuskulatur.
  • Statische Ersatzoperationen:
    • Einsetzen eines Gold- oder Platingewichts in das Oberlid zur Verbesserung des Lidschlusses.
    • Behebung einer Brauenptosis durch Brauenhebung.
    • Canthoplastik zur Behandlung eines offenstehenden Unterlids.
    • Blepharoplastik zur Korrektur des Sichtfelds.
  • Dynamische Muskelplastik:
    • Verlagerung eines Kaumuskels (M. temporalis oder M. masseter) zur Wiederherstellung der Spannung im Mundbereich.

Wichtig bei beeinträchtigtem Lidschluss

Da bei den meisten Patienten mit peripherer Fazialisparese eine Schädigung der Lidschluss-Funktion besteht, muss das Auge besonders gepflegt werden, damit sich die Hornhaut nicht entzündet. Das geschieht mit künstlicher Tränenflüssigkeit und Augensalbe. Nachts tragen Patienten einen sogenannten Uhrglasverband (eine Art durchsichtige Augenklappe im Pflasterformat), um vor Austrocknung zu schützen.

Prognose einer Fazialisparese

Bei etwa 80 Prozent der Betroffenen verschwinden die Symptome einer Gesichtslähmung nach wenigen Wochen wieder vollständig. In manchen Fällen bleiben Restsymptome durch die Schädigung. Dazu gehören unwillkürliche Zuckungen der mimischen Muskulatur oder unbeabsichtigte Mitbewegungen der Mimik - zum Beispiel wenn der Mund gespitzt wird, schließt sich auch das Augenlid (Synkinesien). Solche Synkinesien kann man mit Botulinum-Toxin behandeln, das in die entsprechende Muskulatur gespritzt wird, um die unwillkürlichen Bewegungen zu verhindern.

In wenigen Fällen hat eine Fazialisparese Langzeitfolgen. Ist die Gesichtslähmung chronisch (dauerhafte Schädigung der Nerven) und beispielsweise der Lidschluss des Auges eines Patienten gestört, gibt es die Möglichkeit der Therapie mit rekonstruktiver, plastischer Operation.

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