Läsionen des Hypothalamus: Ursachen, Symptome und Therapie

Der Hypothalamus ist ein kleines, aber vitales Gebiet im Gehirn, das eine entscheidende Rolle bei der Steuerung zahlreicher Körperfunktionen spielt. Er fungiert als Schnittstelle zwischen dem Nerven- und Hormonsystem und reguliert unter anderem Körpertemperatur, Schlaf-Wach-Rhythmus, Hunger, Durst, Sexualtrieb und Schmerzempfinden. Läsionen oder Schädigungen des Hypothalamus können daher weitreichende Auswirkungen auf die Gesundheit haben.

Funktion des Hypothalamus

Der Hypothalamus erhält Informationen von verschiedenen Messstationen im Körper, beispielsweise über Blutzucker, Blutdruck und Temperatur. Über die Ausschüttung von Hormonen kann er diese Parameter je nach Bedarf regulieren.

Hypothalamus-Hormone

Die Hypothalamus-Hormone lassen sich in drei Gruppen einteilen:

  • Effektorhormone: Oxytocin und Adiuretin. Oxytocin regt die Wehentätigkeit bei der Geburt sowie das Einschießen der Muttermilch in die weibliche Brust an. Adiuretin ist für die Wasserrückresorption in der Niere zuständig. Beide Hormone werden in den Hypothalamus-Kernen synthetisiert, dann zum Hypophysenhinterlappen transportiert, von wo aus sie in den Körperkreislauf abgegeben werden.
  • Steuerhormone: Releasing- und Inhibiting-Hormone. Über Releasing-Hormone regt der Hypothalamus die Hypophyse zur Synthese und Sekretion diverser Hormone an. Beispielsweise stößt das Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH) die Freisetzung des Follikelstimulierenden Hormons (FSH) und des Luteinisierenden Hormons (LH) an. Mit Inhibiting-Hormonen bremst der Hypothalamus die Sekretion der Hypophysenhormone. So hemmt zum Beispiel das Prolaktin-Release-Inhibiting-Hormon (PIH) die Ausschüttung von Prolaktin.
  • Weitere Hormone (Neuropeptide): Diese beeinflussen zusammen mit den beiden anderen Gruppen von Hypothalamus-Hormonen die Funktion des Hypophysenvorderlappens oder fungieren als Kommunikatoren zwischen dem Hypothalamus und anderen Bereichen des Gehirns. Zu diesen weiteren Neuropeptiden des Hypothalamus zählen beispielsweise Enkephaline und Neuropeptid Y.

Regelkreise sorgen für Ordnung: Die Wirkungen der Hormone müssen immer genau an die Bedürfnisse des Organismus angepasst sein. Deshalb müssen die Systeme der Synthese, der Sekretion, des Rezeptors, des Transports an das Zielorgan und der Stoffwechsel des jeweiligen Hormons exakt aufeinander abgestimmt sein. Um das zu erreichen, gibt es Regelkreise, die all dies beeinflussen - wozu in besonderem Maße das Hypothalamus-Hypophysen-System gehört.

Beispiel: Thermoregulation: Neben vielen anderen Regelkreisen ist die Thermoregulation für den Organismus wichtig, um eine Kerntemperatur von etwa 37 Grad Celsius aufrecht zu erhalten. Diese muss - in gewissen Grenzen - immer konstant sein. Um das zu erreichen, hat der Körper in der Haut und in den Organen „Messfühler“ - freie Nervenendigungen sensibler Nervenzellen. Deren Informationen werden an den Thalamus und dann weiter an den Hypothalamus übermittelt. Sinkt die Körperkerntemperatur ab, setzt ein Regelkreis zur Temperaturregulation ein. Der Hypothalamus setzt das Hormon TRH (Thyreotropin-Releasing-Hormon) frei. TRH animiert den Hypophysenvorderlappen, TSH (Thyroidea-stimulierendes Hormon) auszuschütten. TSH wiederum reguliert die Bildung des Schilddrüsenhormons Thyroxin (T4). Dieses gelangt in Fettgewebe und Skelettmuskulatur und wird dort in Trijodthyronin (T3) umgewandelt. T3 steigert den Grundumsatz, kurbelt die Energiebereitstellung aus der Leber an, erhöht die Herzfrequenz - mit dem Ergebnis einer Erhöhung der Temperatur. Erhöht sich die Körperkerntemperatur, dann erfolgt durch den Hypothalamus eine Absenkung des Sympathikotonus, der die Gefäße in der Peripherie weitet und die Schweißsekretion fördert - mit dem Ergebnis einer Abkühlung des Körpers.

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Ursachen von Hypothalamusläsionen

Läsionen des Hypothalamus können vielfältige Ursachen haben:

  • Tumoren: Raumfordernde Tumoren im Bereich des Hypothalamus können zu einer Defizienz eines oder mehrerer der hypothalamischen Releasing-Faktoren führen. Vor allem Kraniopharyngeome führen aufgrund ihres lokalen Wachstums primär zu einem Ausfall der hypothalamischen Releasing-Hormone und/oder der hypophysären Hormonsekretion selbst. Ein Hypophysenadenom ist ein gutartiger Hirntumor (Adenom) an der sogenannten Hypophyse, der Hirnanhangdrüse.
  • Verletzungen: Fehlbildungen oder Traumen mit Auswirkungen auf den Hypothalamus können eine Pubertas praecox vera hervorrufen, so z. B. bei Patienten mit Spina bifida oder einem Hydrozephalus. Verletzungen des Hypophysenstiels (nach Schädel-Hirn-Trauma, chirurgischen Eingriffen oder Tumoren) und damit eine Unterbrechung des hypothalamohypophysären Portalkreislaufs haben zur Folge, dass die hypothalamischen Releasing-Hormone und Release-Inhibiting-Faktoren die Zielzellen im Hypophysenvorderlappen nicht in ausreichenden Konzentrationen erreichen. Eine solche „Isolation“ der Hypophyse von ihren hypothalamischen Signalen führt zu einem charakteristischen Muster hypophysärer Ausfälle.
  • Entzündungen: Entzündliche Prozesse im Gehirn, wie Meningitis oder Enzephalitis, können den Hypothalamus schädigen.
  • Vaskuläre Ereignisse: Schlaganfälle oder Blutungen im Bereich des Hypothalamus können zu Funktionsstörungen führen.
  • Bestrahlung: Eine Bestrahlung der Hypophyse (>40 Gy) im Rahmen von Tumorbehandlungen führt zu einer langsam progredienten Hypophyseninsuffizienz, die alle hypophysären Zelllinien betrifft.
  • Autoimmunerkrankungen: In seltenen Fällen können Autoimmunerkrankungen den Hypothalamus angreifen.

Symptome von Hypothalamusläsionen

Die Symptome einer Hypothalamusläsion sind vielfältig und hängen von der Lokalisation und dem Ausmaß der Schädigung ab. Da der Hypothalamus eine zentrale Schaltstelle für viele wichtige Körperfunktionen ist, können die Auswirkungen weitreichend sein. Sehr typisch für hypothalamische Schädigungen sind Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus und/oder der Appetitregulation.

Einige der häufigsten Symptome sind:

  • Hormonelle Störungen:
    • Hypopituitarismus: Ein Mangel an einem oder mehreren Hypophysenhormonen (Wachstumshormon, Gonadotropine, ACTH, TSH, Prolaktin).
    • Diabetes insipidus: Eine Störung des Wasserhaushaltes mit starkem Durst und erhöhter Urinausscheidung aufgrund eines Mangels an Vasopressin (ADH).
    • Prolaktinom-Syndrom: Überschüssige Hormonbildung (Prolaktinom-Syndrom, Akromegalie, Cushing Syndrom, Hyperthyreose) oder einem Masseneffekt, der eine verminderte Hormonproduktion verursacht.
  • Störungen der Thermoregulation:
    • Hyperthermie: Erhöhte Körpertemperatur.
    • Hypothermie: Erniedrigte Körpertemperatur.
  • Appetitstörungen:
    • Adipositas: Gewichtszunahme und Fettleibigkeit.
    • Anorexie: Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust.
  • Schlafstörungen:
    • Insomnie: Schlaflosigkeit.
    • Hypersomnie: Erhöhtes Schlafbedürfnis.
    • Narkolepsie: Eine seltene chronische Erkrankung, die mit erhöhter Tagesschläfrigkeit, dissoziierten REM-Schlaf-Phänomenen wie Kataplexie und Schlafstörungen einhergeht. Die klassischen Symptome der Narkolepsie umfassen die sogenannte narkoleptische Tetrade, bestehend aus dem Auftreten exzessiver Tagesschläfrigkeit und Symptomen von dissoziierten REM-Schlaf-Phänomenen wie Kataplexie (plötzlicher Tonusverlust der Muskulatur im Wachzustand bei affektiver Erregung, vor allem bei Freude oder Ärger, dabei Areflexie), hypnagogen Halluzinationen (sensorische Ereignisse, vor allem visuelle, während des Einschlafens) und Schlafparalyse (Bewegungsunfähigkeit nach dem Aufwachen oder beim Einschlafen). Zusätzlich kann automatisches Verhalten auftreten und in der Polysomnographie ist eine nächtliche Schlaffragmentierung (häufige Schlafstadienwechsel und Weckreaktionen) sowie verfrühtes Auftreten von REM-Schlaf typisch.
  • Emotionale und Verhaltensänderungen:
    • Depressionen: Gedrückte Stimmung, Interessenverlust.
    • Angstzustände: Übermäßige Besorgnis und Furcht.
    • Aggressivität: Erhöhte Reizbarkeit und Feindseligkeit.
  • Vegetative Störungen:
    • Herz-Kreislauf-Probleme: Veränderungen von Blutdruck und Herzfrequenz.
    • Gastrointestinale Probleme: Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung oder Durchfall.
    • Schwitzen: Vermehrtes Schwitzen, die Hyperhidrose, kann entweder generalisiert oder fokal vorkommen. Die häufigste Form, die primäre fokale Hyperhidrose, betrifft vor allem Achseln, Füße, Hände oder das Gesicht, also Areale, die vor allem für das emotionale Schwitzen verantwortlich sind.

Da die Symptome unspezifisch sind und schleichend beginnen, werden sie oft spät erkannt.

Diagnose von Hypothalamusläsionen

Die Diagnose einer Hypothalamusläsion erfordert eine umfassende medizinische Untersuchung, die folgende Elemente umfasst:

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  • Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und der aktuellen Beschwerden.
  • Klinische Untersuchung: Beurteilung des neurologischen und endokrinen Status.
  • Hormonelle Tests: Messung der Hormonspiegel im Blut, um hormonelle Störungen festzustellen. Die endokrinologische Diagnostik umfasst die Bestimmung von Hormonen und die Durchführung von Funktionstests zur Beurteilung eine Über- oder Unterfunktion der Hypophyse.
  • Bildgebende Verfahren: Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns, um die Struktur des Hypothalamus und der Hypophyse darzustellen und Läsionen zu identifizieren. Bei Verdacht auf ein Hypophysenadenom wird zunächst eine Untersuchung mittels MRT mit Kontrastmittel durchgeführt. Dabei können auf sogenannten „Sella-Zielaufnahmen“ Mikroadenome sehr detailliert dargestellt werden.
  • Gesichtsfelduntersuchung: Zum Ausschluss einer Beteiligung des Sehnervs. Zusätzlich zu den klinischen und hormonellen Untersuchungen sind bildgebende Verfahren und Gesichtsfeld-Untersuchungen von Bedeutung.

Therapie von Hypothalamusläsionen

Die Therapie von Hypothalamusläsionen richtet sich nach der Ursache und den spezifischen Symptomen. Ziel ist es, die Grunderkrankung zu behandeln, die Hormondefizite auszugleichen und die Symptome zu lindern.

  • Behandlung der Ursache:
    • Tumoren: Operation, Strahlentherapie oder medikamentöse Therapie, um den Tumor zu entfernen oder zu verkleinern. Ein Hypophysenadenom lässt sich grundsätzlich operativ entfernen oder medikamentös behandeln.
    • Entzündungen: Behandlung mit entzündungshemmenden Medikamenten oder Antibiotika.
    • Vaskuläre Ereignisse: Behandlung mit Medikamenten zur Verbesserung der Durchblutung oder zur Blutverdünnung.
  • Hormonersatztherapie:
    • Hypopituitarismus: Substitution der fehlenden Hormone, wie Wachstumshormon, Schilddrüsenhormone, Kortisol oder Geschlechtshormone. Die Therapie der Hypophyseninsuffizienz besteht aus der Substitution der ausgefallenen Hormone, wobei mit Ausnahme der somatotropen Achse die peripheren Hormone substituiert werden.
    • Diabetes insipidus: Gabe von Vasopressin-Analoga, um den Wasserhaushalt zu regulieren.
  • Symptomatische Therapie:
    • Schlafstörungen: Medikamente zur Förderung des Schlafs oder zur Reduktion der Tagesschläfrigkeit. Zur Therapie der Tagesschläfrigkeit und der Kataplexien haben sich Modafinil, Natriumoxybat und verschiedene Antidepressiva bewährt.
    • Appetitstörungen: Ernährungsberatung und gegebenenfalls Medikamente zur Appetitkontrolle.
    • Emotionale und Verhaltensänderungen: Psychotherapie oder Medikamente zur Behandlung von Depressionen, Angstzuständen oder Aggressivität.

Narkolepsie-Therapie

Da es bisher keine kausale Therapie der Erkrankung gibt, wird eine Kombination aus Änderungen des Lebensstils sowie symptomatischen Therapien angewendet. An erster Stelle sollten eine Optimierung der Schlafhygiene und die Entwicklung von Coping-Strategien wie individuell angepassten, regelmäßigen kurzen Tagschlafepisoden stehen, die die Tagesschläfrigkeit bei diesen Patienten verbessern können.

Bei den medikamentösen Therapieverfahren werden vor allem Arzneistoffe zur Behandlung der Tagesschläfrigkeit, zur Therapie der Kataplexien und für beide Symptome unterschieden.

Therapie der Tagesschläfrigkeit: An medikamentösen Therapieverfahren stehen zur Behandlung der Tagesschläfrigkeit als zugelassene Medikamente vor allem Stimulanzien wie Modafinil (200 bis 400 mg, maximal 600 mg/Tag) sowie als 2. Wahl Methylphenidat (10 bis 60 mg/Tag, BtM-pflichtig) zur Verfügung. Als neue Therapieoption wurde im April 2016 Pitolisant (Wakix® von Bioprojet Pharma) von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zur Behandlung der Narkolepsie zugelassen. Pitolisant ist ein inverser Agonist/Antagonist am H3-Subtyp des Histaminrezeptors. Die Wirkung beruht auf einer erhöhten Histamin-Freisetzung im Gehirn, wodurch Wachheit und Aufmerksamkeit gesteigert werden.

Therapie der Kataplexien: Kataplexien sind die spezifischsten Symptome der Narkolepsie. Diese sind durch einen plötzlichen Tonusverlust der Muskulatur gekennzeichnet, der häufig durch affektive Stimuli ausgelöst wird, und werden als Auftreten von REM-Atonie im Wachzustand angesehen. Natriumoxybat (Gammahydroxybutyrat, GHB, BtM-pflichtig) ist nicht nur zur Behandlung der Kataplexien einsetzbar, sondern wirkt auch gut auf alle anderen Narkolepsie-Symptome, vor allem die erhöhte Tagesschläfrigkeit. Aber auch den fragmentierten Nachtschlaf und die hypnagogen Halluzinationen werden positiv beeinflusst. Zur Therapie von Kataplexien wurden bisher zudem vor allem Antidepressiva wie trizyklische Antidepressiva (TCA) (z.B. Clomipramin) und selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Venlafaxin, Reboxetin sowie Fluoxetin eingesetzt.

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