Die Frage nach Unterschieden zwischen Männer- und Frauengehirnen ist ein viel diskutiertes Thema. Oftmals werden Stereotypen bedient, die vermeintliche Stärken und Schwächen des jeweiligen Geschlechts hervorheben. Doch was sagen die Fakten? Gibt es tatsächlich signifikante anatomische und funktionelle Unterschiede, und wenn ja, wie beeinflussen diese unser Denken und Verhalten?
Anatomische Unterschiede: Größe und Vernetzung
Es ist eine Tatsache, dass Männerhirne im Durchschnitt etwas größer sind als Frauengehirne. Dies hängt jedoch primär mit der durchschnittlich größeren Körpergröße von Männern zusammen und sagt nichts über die Intelligenz aus. Interessanter sind die Unterschiede in der Vernetzung des Gehirns.
Eine Studie aus dem Jahr 2013, die fast 1000 Gehirne untersuchte, zeigte, dass die Nervenzellen des weiblichen Gehirns eine größere Anzahl von Verbindungen aufweisen. Diese Verbindungen verlaufen vermehrt zwischen der linken und rechten Gehirnhälfte, während beim männlichen Gehirn die vorderen und hinteren Teile stärker miteinander verbunden sind. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass Frauen besser darin sind, bei Entscheidungen sowohl analytisch (linke Hirnhälfte) als auch intuitiv (rechte Hirnhälfte) vorzugehen. Allerdings gibt es eine Ausnahme: Im Kleinhirn besitzt das männliche Gehirn mehr Verbindungen zwischen beiden Hälften, was dafür spricht, dass es Männern leichter fällt, komplexe Bewegungsabläufe zu erlernen.
Funktionelle Unterschiede: Sprachverständnis, räumliches Vorstellungsvermögen und emotionale Bewertung
Neben den anatomischen Unterschieden gibt es auch Hinweise auf funktionelle Unterschiede. So ist das limbische System, das unter anderem für die emotionale Bewertung verantwortlich ist, im weiblichen Gehirn stärker ausgeprägt. Dies könnte erklären, warum Frauen oft als kompetenter in der emotionalen Bewertung von Situationen und Gesprächen gelten. Der inferiore parietale Lobus, eine Hirnregion, die eine wichtige Rolle bei mathematischen Fähigkeiten spielt, ist hingegen im männlichen Gehirn stärker ausgeprägt. Dies korreliert mit der Beobachtung, dass Männer in mathematischen Teilen von IQ-Tests systematisch besser abschneiden.
Hormonelle Einflüsse
Hormone spielen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und Funktion des Gehirns. Studien haben gezeigt, dass Sexualhormone kognitive Leistungen beeinflussen können. So schnitten weibliche Probanden in Tests, die das räumliche Vorstellungsvermögen forderten, während der Follikelphase (kurz vor dem Eisprung), in der der Östrogenspiegel seinen Höhepunkt erreicht, deutlich besser ab als in der Lutealphase (nach dem Eisprung), in der Sexualhormone ihren Tiefpunkt erreichen. Dies deutet darauf hin, dass Östrogen das räumliche Vorstellungsvermögen verbessern kann.
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Räumliches Vorstellungsvermögen
Männer können sich im Allgemeinen besser im Raum orientieren und Karten besser lesen. Hirnforscher vermuten, dass dies evolutionsbedingt ist, da Männer ursprünglich vor allem für die Jagd zuständig waren. Frauen sind häufig sprachlich überlegen und können emotionale Gedächtnisinhalte besser abrufen. Auch diese Fähigkeiten könnten evolutionsbedingt sein, da Frauen sich um die Kinder kümmerten und so ihre Sprechfertigkeit trainierten.
Lateralisation und Händigkeit
Die funktionellen Unterschiede zwischen den beiden Hirnhälften sind bei Männern tendenziell größer als bei Frauen. Dies könnte erklären, warum sich mehr Männer überdurchschnittlicher, einseitiger Begabungen erfreuen, aber gleichzeitig auch unter Defiziten leiden. Es gibt auch einen Zusammenhang zwischen Händigkeit und Sprachverarbeitung. Bei den meisten Menschen verarbeitet die linke Hirnhälfte die Sprache, und 70 bis 90 Prozent aller Menschen sind Rechtshänder.
Die Rolle von Stereotypen und gesellschaftlichen Einflüssen
Es ist wichtig, die Ergebnisse von Studien über Geschlechterunterschiede im Gehirn nicht zu überinterpretieren. Menschliche Fähigkeiten sind von einer Vielzahl verschiedener Faktoren abhängig, darunter Motivation, Bildung und soziale Einflüsse. Ein Experiment an der Universität Wien zeigte, dass sich die Matheleistung von Kindern in IQ-Tests nicht unterschied, wenn ihnen zuvor mitgeteilt wurde, dass es keine systematischen Geschlechtsunterschiede gäbe. Dies unterstreicht, dass Stereotype eine erschreckend große Rolle spielen können.
Trendumkehr in den Hörsälen
Ein Blick in die Hörsäle zeigt, dass sich gesellschaftliche Einflüsse im Laufe der Zeit verändern können. Während vor einigen Jahrzehnten Männer in Studiengängen wie Medizin die Mehrheit stellten, sind es heute Frauen. Dies deutet darauf hin, dass die vermeintliche "bessere Eignung" von Männern für bestimmte Berufe eher auf gesellschaftlichen Konventionen als auf biologischen Unterschieden beruhte.
Asymmetrie des Gehirns: Vererbung und Umwelt
Das Gehirn ist in zwei Hälften geteilt, die auf unterschiedliche Funktionen spezialisiert sind. Diese sogenannte Lateralisation ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausgeprägt. Studien haben gezeigt, dass die individuellen Unterschiede in der Anordnung der Hirnregionen vererbbar sind, aber auch durch persönliche Erfahrungen und Umwelteinflüsse geprägt werden. Das menschliche Gehirn ist asymmetrischer als das von Affen, und diese Asymmetrie könnte sich im Laufe des Lebens verändern.
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