Logopädische Übungen nach Schlaganfall: Ein umfassender Leitfaden zur Sprachtherapie

Ein Schlaganfall kann das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen von einem Moment auf den anderen verändern. Oftmals treten als Folge Sprachstörungen auf, die als Aphasie bezeichnet werden. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über logopädische Übungen nach einem Schlaganfall, um Betroffenen und ihren Angehörigen eine Hilfestellung zu geben und den Weg zur Sprachwiederherstellung zu erleichtern.

Einführung in die Aphasie und ihre Formen

Aphasie ist eine erworbene Sprachstörung, die nach einer Hirnschädigung auftreten kann, beispielsweise nach einem Schlaganfall oder einem Schädel-Hirn-Trauma. Die Symptome einer Aphasie können vielfältig sein und reichen von Wortfindungsstörungen und Wort- oder Buchstabenverwechslungen bis hin zu Problemen mit dem Sprachverständnis.

Man unterscheidet hauptsächlich zwischen zwei Formen der Aphasie:

  • Nicht-flüssige Aphasie (Broca, expressive oder motorische Aphasie): Diese Form äußert sich vor allem durch Wortfindungsstörungen und Schwierigkeiten bei der Sprachproduktion.
  • Flüssige Aphasie (Wernicke oder sensorische Aphasie): Bei dieser Form ist hauptsächlich das Sprachverständnis gestört.

Zusätzlich kann eine Sprechapraxie die Aphasie überlagern und das Ausmaß der Sprachstörung beeinflussen.

Bedeutung der Logopädie nach Schlaganfall

Die logopädische Therapie spielt eine entscheidende Rolle bei der Rehabilitation von Menschen mit Aphasie. Ziel der Therapie ist es, die sprachlichen Fähigkeiten zu verbessern, die Kommunikation im Alltag zu erleichtern und die Lebensqualität der Betroffenen zu steigern. Die Behandlung erfordert Geduld, Ausdauer und anhaltende Motivation sowohl von den Patienten als auch von ihren Angehörigen.

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Frühzeitiger Therapiebeginn

Schon unmittelbar nach dem Schlaganfall sollten erste sprachliche Übungen beginnen. Eine gezielte Therapie kann in der Regel ein bis zwei Monate nach dem Ereignis aufgenommen werden. In vielen Krankenhäusern und neurologischen Reha-Kliniken ist die Logopädie fester Bestandteil des Therapieangebots. Auch im häuslichen Bereich besteht die Möglichkeit der ambulanten Sprachtherapie.

Individuelle Therapieplanung

Um die richtige Therapie für den jeweiligen Patienten zu finden, ist es wichtig, die genauen Merkmale und das Ausmaß der Sprachstörung festzustellen. Ausschlaggebend für den Therapieansatz sind die Art der Aphasie, die Zeitspanne seit Ausbruch der Aphasie, der Schweregrad der Sprachstörung und die Persönlichkeit des Betroffenen.

Logopädische Übungen: Ein Überblick

Logopädische Übungen sind vielfältig und werden individuell auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt. Sie umfassen sowohl Übungen zur Verbesserung der Sprachproduktion als auch des Sprachverständnisses.

Mundmotorische Übungen

Diese Übungen dienen dazu, die Muskulatur im Mundbereich zu stärken und die Koordination der Bewegungen zu verbessern. Sie sind besonders wichtig für Patienten mit Dysarthrie, einer Sprechstörung, die durch verlangsamtes oder undeutliches Sprechen gekennzeichnet ist.

  • Aufwärmübungen: Diese Übungen bereiten die Muskulatur auf das Training vor.
  • Übungen für die untere Gesichtspartie: Diese Übungen stärken die Muskeln um Mund, Lippen, Zunge und Kinn. Es ist wichtig, alle Wiederholungen sauber auszuführen.
  • Sprechübungen: Diese Übungen trainieren Mund und Zunge gezielt.
  • Zungenübungen: Diese Übungen verbessern die Beweglichkeit und Koordination der Zunge.
  • Gesichtsmassageübungen: Diese Übungen dienen der Entspannung der Gesichtsmuskulatur.

Zur besseren Selbstkontrolle sollten die Übungen am besten mit Hilfe eines Spiegels ausgeführt werden. Es ist ratsam, die geschwächte Gesichtsseite immer etwas mehr zu trainieren als die gesunde.

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Übungen zur Verbesserung der Sprachproduktion

Diese Übungen zielen darauf ab, die Fähigkeit zur Wortfindung und korrekten Aussprache zu verbessern.

  • Wortfindungsübungen:
    • Wortkategorie benennen: Der Patient soll innerhalb eines bestimmten Zeitlimits so viele Wörter wie möglich aus einer bestimmten Kategorie (z.B. Tiere, Hobby, Nahrungsmittel) aufzählen.
    • Assoziationsketten: Der Therapeut beginnt mit einem Wort, und der Patient muss ein anderes Wort nennen, das mit dem vorherigen in Verbindung steht.
    • Beschreibungsübung: Der Patient soll ein Bild oder ein Objekt so detailliert wie möglich beschreiben.
  • Silbenzählen: Diese Übung hilft, Wörter in Silben zu unterteilen und die Betonung zu erkennen, was die Aussprache verbessert.
  • Singen: Singen kann die Artikulation und den Sprechrhythmus verbessern.
  • Wortspiele: Wortspiele wie Scrabble oder Kreuzworträtsel schärfen die Fähigkeiten im Umgang mit Buchstaben und Wörtern.
  • Synonyme und Antonyme: Der Patient soll Synonyme und Antonyme zu bekannten Wörtern finden.
  • Homophone: Der Patient soll Homophone identifizieren, also Wörter, die die gleiche Aussprache wie andere mit unterschiedlicher Bedeutung haben.

Übungen zur Verbesserung des Sprachverständnisses

Diese Übungen sollen die Fähigkeit verbessern, gesprochene oder geschriebene Sprache zu verstehen.

  • Identifikation von Buchstaben: Diese Übung ist ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Lesefähigkeiten.
  • Memory-Spiele: Memory-Spiele stärken das Gedächtnis und die Konzentrationsfähigkeit, was für die Sprachwiederherstellung entscheidend ist.
  • Geschichtenerzählen: Durch das Erzählen von Geschichten oder Beschreiben von Bildern wird die mündliche Kommunikation gefördert.
  • Alltagskonversationen: Alltagskonversationen sind wichtig, um die Fähigkeit zur Teilnahme an Gesprächen wiederherzustellen.
  • Lesen üben: Die Webseite Nachrichtenleicht.de bietet eine gute Möglichkeit zum Lesen üben.
  • Geschichten zusammenfassen oder weitererzählen: Der Patient soll bekannte Geschichten oder Märchen zusammenfassen oder weitererzählen.

Bedeutung der Angehörigen in der Therapie

Die Angehörigen spielen eine sehr wichtige Rolle in der Sprachtherapie. Sie bieten oft die Voraussetzung dafür, dass die Patienten überhaupt in die ambulante Therapie kommen können. Außerdem sind sie wichtige Ansprechpartner für die Therapeuten und liefern wertvolle Informationen über die Kommunikation des Patienten im Alltag.

Angehörige können den Patienten unterstützen, indem sie:

  • Sprachliche Übungen zu Hause durchführen: Nach den Anleitungen des Logopäden können Angehörige Sprach-, Sprech-, Schreib- oder Rechenübungen mit dem Patienten durchführen.
  • Den Patienten motivieren und sprachlich fordern: Während des Aufenthalts im Krankenhaus oder zu Hause sollten Angehörige den Patienten unterstützen, motivieren und sprachlich fordern.
  • Alltagssituationen nutzen, um die Kommunikation zu fördern: Angehörige können Alltagssituationen nutzen, um die Kommunikation zu fördern und den Patienten zu ermutigen, sich sprachlich auszudrücken.

Es ist wichtig, den Patienten nicht zu überfordern und ihm Zeit und Raum zu geben, um sich auszudrücken. Geduld und Verständnis sind entscheidend für den Erfolg der Therapie.

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Digitale Unterstützung durch Apps

Inzwischen gibt es auch Apps, die die logopädische Therapie ergänzen können.

  • DiaTrain: Diese App enthält kurze strukturierte Videosequenzen von Dialogen in Alltagssituationen, die Patienten über verschiedene Hilfestufen üben können. Die Dialoge finden zum Beispiel in der Bäckerei, beim Arzt oder in der Apotheke statt. Die Ergebnisse einer Studie legen nahe, dass ein hochfrequentes Training mit der App in Kombination mit einer professionellen Sprachtherapie nicht nur die Benenn- und Kommunikationsfähigkeit verbessern, sondern auch einen positiven Einfluss auf das Selbstvertrauen und die Freude am Sprechen haben könne. Die App ist kostenfrei für iOS verfügbar.
  • neolexon Aphasie-App: Diese App bietet eine digitale Sprachtherapie für Patienten mit Aphasie und/oder Sprechapraxie. Die Übungsinhalte in der App können gemeinsam mit dem Therapeuten ausgewählt werden. Die Wirksamkeit der App wurde in einer großen Therapiestudie nachgewiesen. Die meisten privaten Krankenversicherungen erstatten die Kosten der App.

Kostenlose Übungsmaterialien und Ressourcen

Es gibt eine Reihe von kostenlosen Übungsmaterialien und Ressourcen, die online verfügbar sind.

  • Madoo.net: Diese Seite bietet kostenloses Übungsmaterial zu allen Störungsbildern der Logopädie im Tausch für eine Rückmeldung.
  • Webseiten für Kinder mit Buchstabensalat Arbeitsblätter: Diese Arbeitsblätter können auch für Aphasie Patienten genutzt werden.
  • Nachrichtenleicht.de: Diese Webseite bietet eine gute Möglichkeit zum Lesen üben.
  • Synonym Suchmaschine: Hier können Synonyme zu bekannten Wörtern gefunden werden.

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