Lymphome, einschließlich derer, die das Gehirn betreffen, stellen eine heterogene Gruppe von Krebserkrankungen dar, die vom lymphatischen System ausgehen. Die Behandlung von Lymphomen des Gehirns erfordert einen multidisziplinären Ansatz, bei dem verschiedene Therapieformen wie Chemotherapie, Immuntherapie und Strahlentherapie zum Einsatz kommen können. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Strahlentherapie bei Lymphomen des Gehirns und berücksichtigt dabei die verschiedenen Aspekte dieser Behandlungsmethode.
Was sind Lymphome?
Unter dem Begriff Lymphom werden verschiedene Erkrankungen des lymphatischen Systems und der Lymphknoten zusammengefasst. Das lymphatische System spielt neben dem Blutkreislauf eine entscheidende Rolle beim Transport von körpereigenen Stoffen und bei der Immunabwehr. Das Lymphsystem spielt eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der weißen Blutkörperchen (Lymphozyten). Maligne Lymphome lassen sich laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) generell danach klassifizieren, von welcher Lymphozyten Art die Erkrankung ausgeht. Zwei große Gruppen zur Unterscheidung bilden hierbei das Hodgkin-Lymphom und Non-Hodgin-Lymphom bzw. niedrig-malignes oder hoch-malignes Lymphom.
Lymphome des Gehirns: Eine besondere Herausforderung
Lymphome des Gehirns nehmen eine Sonderstellung innerhalb der hirneigenen Tumoren ein, da sie von Zellen abstammen, die nicht zu den eigentlichen Hirnzellen gehören. Vielmehr leiten sich diese Tumoren von Zellen des Immunsystems des Menschen her. Die Häufigkeit dieser Tumoren nimmt mit dem Alter deutlich zu. Etwa die Hälfte der Patienten ist älter als 60 bis 65 Jahre. Die primären Lymphome des Gehirns sind Tumoren, die gehäuft bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem auftreten.
Diagnose von Lymphomen des Gehirns
Das wichtigste diagnostische Verfahren ist die Magnetresonanztomographie (MRT) des Schädels. Zusätzlich wird eine Nervenwasseruntersuchung durchgeführt, um eine Ausbreitung von Tumorzellen über die inneren Hohlräume des Gehirns (Ventrikel) auszuschließen. Zudem erfolgt eine augenärztliche Untersuchung, da die Augen häufig mitbetroffen sind, sowie eine Computertomografie von Lungen und Bauch sowie meistens eine Knochenmarksbiopsie, um einen Befall weiterer Organe auszuschliessen.
Rolle der Strahlentherapie bei der Behandlung von Lymphomen des Gehirns
Die Strahlentherapie ist eine wichtige Behandlungsmaßnahme bei Tumoren des Zentralnervensystems. Lymphomzellen, die sich im Zentralnervensystem angesiedelt haben, lassen sich durch eine Chemotherapie nicht immer in ausreichendem Maße bekämpfen. Durch die Bestrahlung sollen die bösartigen Zellen sicher beseitigt werden, um zu verhindern, dass sie den Ausgangspunkt für einen Krankheitsrückfall bilden.
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Wann wird eine Strahlentherapie eingesetzt?
Im Rahmen der heutigen Therapiepläne erfolgt eine Strahlenbehandlung des Kopfes bei Patienten mit lymphoblastischem NHL (selten bei Patienten mit anaplastisch großzelligem Lymphom), wenn zum Zeitpunkt der Diagnose ein Befall des ZNS festgestellt wird. Durch die gleichzeitige intensive systemische und intrathekale Chemotherapie reichen jedoch relativ geringe Strahlendosen aus. Einen Stellenwert hat die Bestrahlung noch bei manchen Patienten mit Krankheitsrückfall (Rezidiv) oder in der Palliativtherapie.
Wie funktioniert die Strahlentherapie?
Die Strahlentherapie erfolgt mit energiereichen, elektromagnetischen Strahlen, die von außen durch die Haut auf die Region eingestrahlt werden. Die Strahlen verursachen Schäden im Erbgut der Zellen. Die eingesetzte Gesamt-Strahlendosis - sie wird in Gy- (Gray-)Einheiten gemessen - hängt von der Art des Non-Hodgkin-Lymphoms, der jeweiligen Krankheitssituation und dem Alter des Patienten ab. Kinder unter einem Jahr werden prinzipiell nicht bestrahlt. Um das gesunde Gewebe in der Umgebung zu schonen, wird die Gesamtdosis nicht in einmaliger Behandlung verabreicht, sondern in kleinen Portionen von etwa 1,5 Gy eingestrahlt, zum Beispiel über drei bis vier Wochen täglich.
Vor Beginn der Behandlung werden die Größe und Lage der zu bestrahlenden Region von Spezialisten genau berechnet. Die Bestrahlung als solche tut nicht weh und dauert auch jeweils nicht lange. Allerdings müssen die Patienten für den kleinen Moment, in dem die Strahlen aus dem Gerät in die Tumorregion gesandt werden, sehr ruhig liegen.
Arten der Strahlentherapie
- Teletherapie: Bei malignen Lymphomen kommt meist die Teletherapie zum Einsatz. Dabei wird der Tumor von außerhalb des Körpers durch die Hautdecke mit hochenergetischen Strahlen bestrahlt. Das Bestrahlungsfeld, also der Bereich des Körpers, wo sich der Tumor befindet, wird genau berechnet und möglichst klein gehalten, sodass hauptsächlich das erkrankte Gewebe bestrahlt wird.
- Ganzhirnbestrahlung: Die Bestrahlung erfolgt über zwei seitliche Felder, die um 180 Grad aufeinander stehen. Das Zielgebiet umfasst bei Metastasen die Hirnstrukturen, bei Leukämien aber auch die äußeren Hirnwasserräume, die sich entlang der äußeren Hirnhäute (Meningen) erstrecken. Letztere Gebiete müssen häufig in das Therapiefeld integriert werden, da hier Tumorzellen (vorwiegend beim Medulloblastom, Keimzelltumoren und bei Leukämien) über den Hirnwasserfluss verschleppt werden können. Eine unzureichende Erfassung ist daher mit einem erhöhten Risiko für einen Rückfall der Tumorerkrankung verbunden, sodass sich eine besonders sorgfältig durchgeführte Bestrahlungstechnik entscheidend auf die Behandlungsergebnisse auswirkt.
- Strahlenbehandlung der Neuroachse: Das Gehirn und der Spinalkanal werden bei Tumoren mit spinaler Aussaat bestrahlt (Medulloblastom, Keimzelltumoren, Lymphome). Sie besteht im Wesentlichen aus der „Helmtechnik“ (siehe oben) und daran anschließenden spinalen Bestrahlungsfeldern. Eine reproduzierbare Lagerung mit entsprechenden Fixationshilfen bildet die Voraussetzung für eine exakte Feldeinstellung. Anschließend erfolgt in der Regel eine lokale Strahlentherapie des ursprünglichen Tumorsitzes. Diese Bestrahlungstechnik entspricht üblicherweise der o.g.
- Stereotaktische Konformationsbestrahlungen: Eine tumorkonforme Bestrahlung, d.h. individuelle Anpassung an irregulär geformte Tumoren, wird durch die dreidimensionale Konformationsbestrahlung erreicht.
Moderne Techniken der Strahlentherapie
Die medizinisch einsetzbare Strahlung wird heute durch hochmoderne „Linearbeschleuniger“ erzeugt. Es entsteht hierbei eine „hochenergetische Röntgenstrahlung“, die dazu in der Lage ist, in größere Körpertiefen vorzudringen. Moderne Bestrahlungsplanungssysteme können unter Zuhilfenahme der modernen bildgebenden Verfahren diese Strahlung im gewünschten Zielgebiet fokussieren. Strahlung ist darauf ausgerichtet in erster Linie das Tumorgewebe zu erreichen und normales, gesundes Gewebe zu schonen.
Planung der Strahlentherapie
Unabdingbare Voraussetzung für die Durchführung einer optimierten Strahlentherapie ist die Einführung computergestützter Bestrahlungsplanungssysteme, die eine individuell ausgerichtete Bestrahlung erreicht, mit dem Ziel, die Heilungsraten zu optimieren und etwaige Nebenwirkungen weitestgehend zu reduzieren. Dabei wird der Patient in ein virtuelles dreidimensionales Koordinatensystem gebracht, die Strahlen fokussieren den Tumorbereich aus verschiedenen Raumrichtungen. Die modernen bildgebenden Verfahren sind hierzu in der Lage: Der Tumor kann von Normalgewebe exakt abgegrenzt werden, sodass sich in den letzten Jahren hochpräzise Bestrahlungstechniken entwickeln konnten.
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Dosierung der Strahlentherapie
Die für eine Tumorvernichtung notwendige Dosis richtet sich nach der Strahlenempfindlichkeit des entsprechenden Tumors. Hochmaligne Gliome benötigen eine Dosis bis 60 Gy, niedrig maligne Gliome zwischen 45 und 54 Gy. Bei Hirnmetastasen wird üblicherweise das gesamte Gehirn bis 30 Gy bestrahlt. Je nach klinischen Umständen und ursprünglicher Tumorart können die Dosisverschreibungen aber individuell angepasst variieren. Das Medulloblastom im Bereich der hinteren Schädelgrube erhält 54-55 Gy, die Ependymome eine Dosis von mindestens 54 Gy. Die zusätzliche prophylaktische Behandlung des gesamten Liquorraumes muss auch die Strahlenempfindlichkeit des normalen Gewebes berücksichtigen, vor allem bei Kindern unterhalb des 6. Lebensjahres. Die notwendigen Dosierungen bewegen sich zwischen 12 und 18 Gy bei Leukämien, 24 bis 30 Gy bei Keimzelltumoren und 24 bis 36 Gy beim Medulloblastom.
Vor Beginn der Radiotherapie wird die Höhe der Einzeldosis, die Enddosis und die Anzahl der einzelnen Gaben (=Fraktionen) vom Radioonkologen festgelegt. In der überwiegenden Mehrheit orientiert sich das vorgesehene Bestrahlungskonzept an bestimmten Standards oder an den entsprechenden Therapieprotokollen für die Behandlung von Hirntumoren, vor allem im Kindesalter.
Mögliche Nebenwirkungen der Strahlentherapie
Die Strahlentherapie schädigt leider nicht nur die bösartigen Zellen. Trotz der sorgfältigen Therapieplanung und -durchführung wird zwangsläufig auch gesundes Gewebe, das sich in unmittelbarer Nähe der bestrahlten Region befindet, in Mitleidenschaft gezogen. Dadurch kann es zu Nebenwirkungen kommen, die das Wohlbefinden des Patienten beeinträchtigen.
Um den Nebenwirkungen der Strahlentherapie vorzubeugen oder diese zu behandeln, erfolgen, wie bei der Chemotherapie, unterstützende Behandlungsmaßnahmen. Auch der Patient selbst beziehungsweise seine Angehörigen können zur Linderung strahlenbedingter Folgeerscheinungen beitragen.
Eine Strahlenbehandlung kann, abgesehen von Therapie begleitenden Nebenwirkungen, auch mit Spätfolgen verbunden sein; sie treten zum Teil erst Jahre nach der Therapie auf.
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Alternativen zur Strahlentherapie
In bestimmten Fällen kann auf die Strahlentherapie in der Primärtherapie des PZNSL verzichtet werden. Gegen den frühen Einsatz der Strahlentherapie spricht auch das erhöhte Risiko der späten ZNS-Toxizität.
Die Strahlentherapie des gesamten Hirns ist eine wirksame Therapie der primären Lymphome des Gehirns. Die Dauer des Ansprechens ist jedoch gering, innerhalb weniger Monate treten regelhaft erneute Tumorknoten auf. Zudem ist die Strahlentherapie des gesamten Gehirns langfristig mit einem hohen Risiko eingeschränkter Hirnleistung verbunden. In den letzten Jahren hat sich die Chemotherapie vor allem mit Methotrexat und Methotrexat-haltigen Protokollen, teils als Hochdosistherapie mit Transplantation eigener Stammzellen, als wirksame Therapie in der Behandlung dieser Tumoren etabliert.
Die Rolle der Chemotherapie
Anders als bei anderen Hirntumoren sollte eine komplette operative Entfernung des ZNS-Lymphoms nicht unbedingt angestrebt werden. Die Rolle der Chirurgie beschränkt sich bei den ZNS-Lymphomen überwiegend auf die Diagnosesicherung (siehe oben).
Eine ausschließliche Bestrahlung, die früher bei Patient:innen mit einem primären ZNS-Lymphom als Standardtherapie galt, führt bei der Mehrzahl der Betroffenen innerhalb kurzer Zeit zu einem erneuten Auftreten der Erkrankung.
Für die chemotherapeutische Behandlung eines ZNS-Lymphoms ist es entscheidend, dass die verabreichten Substanzen die Blut-Hirn-Schranke durchdringen und damit im Gehirn wirken können. Bei der Blut-Hirnschranke handelt es sich um eine natürliche Barriere zwischen dem Blutkreislauf und dem zentralen Nervensystem. Sie hat die Funktion, das Gehirn vor im Blut befindlichen Krankheitserregern und Schadstoffen zu schützen.
Induktionstherapie und Konsolidierungstherapie
Häufig wird die Therapie des primären ZNS-Lymphoms in eine einleitende Therapie (= Induktionstherapie) und eine nachfolgende Therapie zur Festigung des Erreichten (= Konsolidierungstherapie) unterteilt.
Hauptbestandteil der Induktionstherapie ist die Substanz Methotrexat, und zwar unabhängig vom Alter der Erkrankten. Dieses Chemotherapeutikum hat sich über die letzten Jahrzehnte in der Behandlung von Lymphomen des Gehirns etabliert und wird hoch dosiert verabreicht. Weitere wichtige Substanzen, die sehr gut im zentralen Nervensystem wirken, sind Cytarabin, Ifosfamid und Thiotepa. Wie bei anderen Lymphomen hat außerdem der Antikörper Rituximab Einzug in die Therapie gehalten. Bei dieser Form der Antikörpertherapie heftet sich der Wirkstoff gezielt an bestimmte Oberflächenstrukturen der Tumorzellen und leitet so deren Zerstörung ein. Eine Kombination aus Chemotherapie und Antikörpertherapie wird als Chemoimmuntherapie bezeichnet. Sie stellt bei der Induktionstherapie vielerorts die erste Wahl dar.
Trotz guter Ansprechraten auf die Induktionstherapie kommt es häufig zu Rückfällen. Um dieses Risiko zu senken, wird eine Konsolidierungstherapie durchgeführt. Hier stehen prinzipiell die Strahlentherapie, die konventionelle Chemotherapie und die Hochdosis-Chemotherapie mit anschließender autologer Stammzelltransplantation (HDT-ASZT) zur Verfügung.
Da es nach einer Ganzhirnbestrahlung oft zu neurologischen (Spät-)Folgen kommt, die die Gedächtnisleistung und die Lebensqualität beeinträchtigen, werden meist alternative Ansätze wie die konventionelle Chemotherapie und HDT-ASZT verfolgt. Die Ganzhirnbestrahlung sollte nur in Erwägung gezogen werden, wenn eine Konsolidierungstherapie mit systemischer Chemotherapie nicht möglich ist oder das ZNS-Lymphom auf die verabreichten Chemotherapeutika nicht angesprochen hat.
Die HDT-ASZT ist die intensivste Konsolidierungstherapie, die bei dafür geeigneten Patient:innen zu sehr guten Langzeitergebnissen führen kann.
Nachsorge und Begleitmaßnahmen
Nach jeder Behandlung ist die Nachsorge für jeden Patienten und jede Patientin essenziell. Sie ist deshalb so wichtig, weil durch regelmäßige Nachuntersuchungen der Erfolg der Therapie überprüft werden kann. Gleichzeitig kann ein Rückfall schnell erkannt werden. Eine schnelle Reaktion bei einem Rückfall, kann einer weiteren Ausbreitung des Krebses oder möglichen Begleit- oder Folgeschäden der Therapie entgegenwirken.
Trotz einer sorgsamen Planung der Krebstherapie können bei den einzelnen Behandlungsformen Nebenwirkungen auftreten. Diese machen sich während aber auch noch nach der Behandlung bemerkbar. Sprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt oder Ihrer behandelnden Ärztin über diese Nebenwirkungen.
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